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[Das Gericht vertagt sich bis 14.05 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

DR. THOMA: Ich möchte dem Gericht zunächst als Exhibit Ro-11, 194-PS, die geheime Order Rosenbergs an Koch über würdige Behandlung von Zivilisten aus der Ukraine vom 14. Dezember 1942 übergeben.

Herr Zeuge! Ich möchte Sie bitten, zu dieser allgemeinen Instruktion im Zusammenhang mit Ihren Richtlinien 1056-PS Stellung zu nehmen.

ROSENBERG: Das Dokument 1056-PS stellt nicht nur unmittelbar eine Instruktion des Ostministeriums dar, sondern war ein Ergebnis der Rücksprache mit verschiedenen am Osten dienstlich interessierten zentralen Reichsbehörden. Es sind hierin enthalten Richtlinien des Ostministeriums selbst, dann Absprachen mit den verschiedenen technischen Behörden, wie dem Verkehrsministerium, Postministerium und auch der Polizei, um wenigstens im Osten eine gewisse einheitliche Zivilverwaltung zu dokumentieren. Das ist aus Gründen, die ich anfangs gesagt habe, nicht... weiter nicht möglich gewesen, und was die anderen Fragen der Unterstellung der SS- und Polizeiführer anbetrifft, auf die ich die Anklage auf Grund dieses Dokuments verwiesen habe, so darf ich wohl darauf verweisen, was ich am Anfang bei dem Vermerk der Besetzung der Verwaltung der Ostgebiete vom 17. Juli 1941 mir gestattet habe auszuführen.

Ich darf aber aus dem Dokument 1056-PS nur darauf verweisen, daß unter den sieben Punkten, die hier als besonders vordringlich angegeben sind, als dritter Punkt »Versorgung der Bevölkerung« ganz ausdrücklich erwähnt wird. Es ist dann im weiteren des Dokuments dann noch einmal ausgeführt, daß diese Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und so weiter noch besonders zu beachten ist, daß mit Medikamenten und veterinärer Hilfe besonders auf diese Probleme Rücksicht zu nehmen ist, unter Anrufung, wenn nötig auch der Militärbehörden. Ich möchte auf dieses Dokument sonst nicht näher eingehen.

Das Dokument 194-PS ist leider die einzige Instruktion des Ostministers an die Reichskommissare, die aufgefunden werden konnte. Es ist eine Instruktion vom 14. Dezember 1942, in der noch einmal die menschliche und politische Haltung vorgeschrieben wird. Es wird hier anfangs betont – ich gestatte mir einige kurze Hinweise –, daß nicht durch das deutsche Verhalten der Eindruck aufkommen konnte, als ob die Ukraine etwa keine Hoffnungen für die Zukunft hätte, daß Anordnungen deutscher Dienststellen durchgeführt, aber wohlüberlegt sein müssen; und dann heißt es weiter:

»In Deutschland erblicken die Völker des Ostens von jeher den Träger einer gesetzlichen Ordnung, die, wenn auch mit Härte verbunden, nicht Ausdruck der Willkür ist. Wenn man den Völkern des Ostens durch zweckmäßige gesetzliche Maßnahmen verständlich zu machen vermag, daß zwar der Krieg furchtbare Härten hat, daß aber Vergehen gerecht geprüft und beurteilt werden, so wird man diese Völker leichter führen, als wenn man den Eindruck einer Willkürherrschaft ähnlich der ihrigen erweckt.«

Es wird dann fortgefahren:

»Die Volksschule in ihrer vierjährigen Form soll durchweg erhalten werden, worauf eine dem praktischen Leben entsprechende fachliche Schulung einsetzen muß. Für das Veterinärwesen, das Verkehrswesen, die Landwirtschaft und geologische Forschung usw. braucht die deutsche Verwaltung Kräfte, die das deutsche Volk zu stellen nicht in der Lage ist. Auf diesem Gebiet kann der ukrainischen Jugend, von der Straße weggeschafft, das Bewußtsein vermittelt werden, an dem Wiederaufbau ihres Landes mitzuarbeiten. Es wäre hierbei unzulässig, daß deutsche Dienststellen in verächtlichen Redensarten der Bevölkerung gegenübertreten. Eine derartige Haltung ist des Deutschen nicht würdig.«

Dann weiter:

»Herr ist man durch entsprechende Haltung und Handlung, nicht aber durch aufdringliches äußeres Gebaren. Nicht durch protzige Redensarten führt man Völker und nicht durch zur Schau gestellte Verachtung der anderen gewinnt man Autorität.«

Es wird dann in dieser Verordnung noch manche Frage behandelt; aber ich möchte das Gericht nicht zu sehr mit diesen Einzelheiten beschäftigen. Es kam mir darauf an, zu zeigen, in welchem Sinne ich die Haltung der Zivilverwaltung aufrichten wollte; und damit diese Instruktion nicht in den Büros liegen bleibt, hatte ich angeordnet, daß sie in allen Dienststellen zu verlesen sei.

DR. THOMA: Herr Präsident! Ich möchte mich jetzt mit der Spezialanklage der Sowjetischen Anklagebehörde befassen und insbesondere die diesbezüglichen Dokumente, die sich auf den Einsatzstab Rosenberg im Osten beziehen und auf die angeblichen Zerstörungen hinweisen. Ich übergebe deshalb dem Angeklagten die Dokumente USSR-376, 161-PS; 076-PS, USSR-375; USSR-7, USSR-39, USSR-41, USSR- 49, USSR-51 und USSR-81.

VORSITZENDER: Befinden sich irgendwelche dieser Dokumente in Ihrem Dokumentenbuch?

DR. THOMA: Ich habe die zuletzt erwähnten USSR- Dokumente in einem besonderen Dokumentenbuch nicht aufgeführt, sondern habe angenommen und habe mich heute früh noch vergewissert, ob diese Dokumente dem Tribunal vorgelegt worden sind, USSR- 39, 41, 251, 89, 49 und 353.

VORSITZENDER: Ich habe nur gefragt, warum Sie jetzt darauf Bezug nehmen. Natürlich haben wir nicht alle Bücher hier. Sind sie nicht in Ihren Büchern?

DR. THOMA: 161 ist im Dokumentenbuch 3, Seite 34. Sonst ist im Dokumentenbuch nichts weiter erwähnt.

VORSITZENDER: Danke.

ROSENBERG: Das Dokument 161-PS behandelt einen Auftrag auf Rückführung bestimmter Archive aus Estland und Lettland. Die Sowjet-Anklage hat daraus eine Plünderung der Kulturschätze in diesen Ländern gefolgert. Ich darf erwähnen, daß die Instruktionen, die ich aus dem Dokument 1015-PS verlesen hatte, eindeutig die Beibehaltung aller dieser Kulturgüter im Lande forderten. Das ist auch geschehen. Ich gestatte mir, auf das Datum dieses Dokuments hinzuweisen, nämlich den 23. August 1944, als die Kampfhandlungen dieses Gebiet überzogen und diese Kulturgüter und Archive gesichert werden sollten vor Kampfhandlungen. Es handelt sich hierbei darum, daß die angegebenen Archive auf estländischen Landgütern untergebracht werden sollten, also zunächst im Lande selbst auch inmitten der Kampfhandlungen noch verbleiben sollten. Soviel ich weiß, sind später einige dieser Archive noch nach Deutschland gebracht worden, und, ich glaube, in Schloß Höchstadt in Bayern verwahrt worden.

Das Dokument 076-PS ist von der Anklage als Beweis für eine Plünderung der Bibliotheksschätze in Minsk angeführt worden. Es handelt sich hier um einen Bericht, den ein Beauftragter des Befehlshabers des rückwärtigen Heeresgebietes erstellt hat, und der dem Ostministerium zugeleitet worden ist. Aus diesem Bericht ergibt sich tatsächlich, daß eine Anzahl von Zerstörungen in manchen Bibliotheken vorgekommen sind, daß das eine Folge der Belegung mit Soldaten, Mannschaften war, weil die Stadt Minsk zerstört und die Unterkunftsmöglichkeiten erschwert worden waren.

Es wird aber dann unter I und noch unter anderen Punkten ausdrücklich vermerkt, daß nunmehr Schilder überall angebracht worden seien, daß diese Bestände beschlagnahmt seien und nicht mehr berührt werden dürften. Es wird hinzugefügt, daß jede weitere Entnahme als Plünderung angesehen werden müßte.

Unter II darf ich allerdings darauf hinweisen, daß hier die Feststellung getroffen wird, daß der wertvollste Teil dieser Bibliothek der Akademie der Wissenschaften aus der Bibliothek des polnischen Fürsten Georg Radziwill stammt, die von den Sowjetbehörden aus den besetzten polnischen Gebieten nach Minsk überführt und der Bibliothek der Akademie der Wissenschaften einverleibt worden war, lange bevor ein anderer Staat oder eine deutsche Dienststelle aktiv wurde. Es gibt eine Anzahl anderer Urkunden, nämlich 035-PS und noch einige andere, die dem Gericht vorgelegt worden sind, welche über Rückführung von Kulturgütern auch aus der Ukraine Angaben machen. Auch das Datum dieser Urkunden, nämlich das Jahr 1943, zeigt, daß diese Kulturgüter bis dahin weisungsgemäß im Lande geblieben sind, und daß somit erst bei Kampfhandlungen eine Zurückführung durchgeführt wurde. Das Dokument 035-PS sagt auf Seite 3, Punkt 5, wörtlich:

»Die ›entsprechende‹ Infanteriedivision legt großen Wert auf weitere Räumung wertvoller Einrichtungen, da diese Kampfzone von der Wehrmacht keineswegs genügend geschützt werden könne, auch demnächst mit eintretendem Artilleriebeschuß zu rechnen ist.«

DR. THOMA: Ich möchte dieses Dokument unter Ro-37 dem Gericht vorlegen; es ist noch nicht vorgelegt.

ROSENBERG: Es heißt dann:

»Wehrmachtseinrichtungen, Transportmittel usw. sollen nach Möglichkeit von der... Infanteriedivision beschafft werden.«

DR. THOMA: Darf ich das Dokument auch einmal haben? Ich möchte es dem Gericht vorlegen.

ROSENBERG: Die Räumung ist also dann faktisch unter Artilleriebeschuß erfolgt, und dadurch sind die Kulturgüter, die aus Charkow und anderen Städten auch während der Kampfzeit zurückgeführt wurden, erst in das Deutsche Reich überführt worden.

Ich darf jetzt jene Unterlagen behandeln, die von der Sowjetvertretung in ausführlicher Darstellung der Außerordentlichen staatlichen Kommissionen über Estland, Lettland und Litauen vorgelegt worden sind.

Ich möchte hierbei nur wenige konkrete Einzelheiten behandeln.

Auf Seite 1 des Dokuments USSR-39 heißt es wörtlich:

»Vom Beginn ihrer Besetzung der Estländischen Sowjet-Sozialistischen Republik an schafften die Deutschen und ihre Mitschuldigen die staatliche Unabhängigkeit des estländischen Volkes ab und gingen daran, eine ›Neue Ordnung‹ einzuführen, Kultur, Kunst und Wissenschaft zu zerstören, die Zivilbevölkerung auszurotten oder nach Deutschland zur Sklavenarbeit zu deportieren und Städte, Dörfer und Bauernhöfe zu verwüsten und zu plündern.«

Ich bemerke dazu erstens: Die zwanzigjährige staatliche Unabhängigkeit nach dem Sowjetangriff von 1919 wurde 1940 durch den Einmarsch der Roten Armee abgeschafft, ein Standpunkt, der von den anderen Signatarmächten in keiner Weise wahrgenommen...

GENERAL RUDENKO: Herr Vorsitzender! Ich glaube, daß das Dokument, mit dem sich der Angeklagte Rosenberg jetzt beschäftigt, ihm selbstverständlich eine Grundlage zwecks Beantwortung der an ihn gerichteten konkreten Beschuldigungen über seine verbrecherische Tätigkeit in der Zeit, da er Minister der Ostgebiete war, gibt. Jedoch bin ich der Meinung, daß das, was Rosenberg jetzt gesagt hat, reinste faschistische Propaganda ist und mit der Sache selbstverständlich nichts zu tun hat.

DR. THOMA: Hohes Gericht! Wenn der Angeklagte Rosenberg zu seinen Ausführungen zu dem Dokument, aus dem er Zitate bringen will, einige einleitende Bemerkungen macht, so bitte ich ihn deswegen nicht gleich zu unterbrechen. Es werden einige sachliche, aus dem Dokument genommene Ausführungen kommen.

ROSENBERG: Zu Punkt 2 darf ich bemerken...

VORSITZENDER: Hat er das Dokument, das er bespricht, selbst geschrieben, oder hatte er damit etwas zu tun? Ich habe das Dokument nicht vor mir.

DR. THOMA: Das Dokument ist von der USSR eingereicht worden und enthält Anklagen gegen Rosenberg... die Anklagen, daß Rosenberg in diesen Ländern Zerstörungen und Enteignungen vorgenommen hat; und er ist berechtigt, dazu entsprechend Stellung zu nehmen.

VORSITZENDER: Wenn Sie »Stellungnehmen« sagen, kann er dann nicht angeben, was er im Zusammenhang mit dem Dokument tat, oder wovon das Dokument handelt? Ihr Ausdruck »Stellungnehmen« ist ein sehr weiter Begriff, er kann alles mögliche bedeuten. Wenn Sie ihn fragen, was er im Zusammenhang mit dem Inhalt des Dokuments tat, so ist das etwas anderes, es ist handgreiflicher und schärfer umrissen.

DR. THOMA: Was haben Sie entgegen der Behauptung der Sowjetischen Anklage in diesen besetzten Gegenden gemacht?

ROSENBERG: Entgegen der Behauptung, Kultur und Kunst und Wissenschaft in Estland zerstört zu haben, muß ich feststellen, daß eine der ersten Anordnungen des Ostministeriums war, in diesen drei Ländern landeseigene Verwaltungen einzurichten und die deutsche Verwaltung im Prinzip zu einer Aufsichtsverwaltung zu machen. Die Einschränkungen kriegsbedingter Art waren naturgemäß im Kriege gegeben, sie waren auf kriegswirtschaftlichem Gebiete und rüstungswirtschaftlichem Gebiete gegeben, auf dem Gebiet der polizeilichen Sicherung gegeben, und naturgemäß in der allgemeinen politischen Haltung.

Eine volle kulturelle Autonomie hatten sowohl Estland, Lettland, wie Litauen; ihre Kunst und ihre Theater waren die ganzen Jahre über in Tätigkeit, die Universität in Dorpat hat in vielen Fakultäten gearbeitet, wie auch einige Fakultäten in Riga. Die Justizhoheit dieser Länder unterlag der landeseigenen Verwaltung, sogenannten Landesdirektorien mit allen Ressorts, einer für die Verwaltung notwendigen Behördeneinteilung; die ganze Schule ist unangetastet geblieben. Ich bin zweimal in diesen Gebieten gewesen und kann nur sagen, daß hier auch die eingesetzten Generalkommissare sich bemüht haben, diesem Willen der landeseigenen Verwaltung, der sich oft in Kritiken gegenüber der deutschen Verwaltung aussprach, möglichst entgegenzukommen, wenn wir auch, offen ausgesprochen, eine volle Anerkennung der politischen Staatssouveränität mitten im Kriege nicht ganz eingehen konnten.

Auf Seite 2 dieses Dokuments wird unter »Züchtigungsstrafe für Büroangestellte« erklärt, daß die Eindringlinge die Züchtigungsstrafe für estländische Arbeiter laut Verfügung der Eisenbahnverwaltung vom 20. Februar 1942 ausgesprochen hätten für Unterlassung der Arbeit, oder wenn die Angestellten betrunken zur Arbeit kämen Diese Anordnung des Direktors der Eisenbahnverwaltung entspricht den Tatsachen. Aber als diese Anordnung bekannt wurde, hat sie selbstverständlich Empörung bei der deutschen Zivilverwaltung hervorgerufen. Der Reichskommissar Lohse hat sie sofort aufgehoben, und wir haben den Reichsverkehrsminister gebeten, diesen unmöglichen Beamten abzuberufen. Das ist sofort geschehen, er wurde disqualifiziert und abberufen, und diese Tatsache der Abberufung sollte in der Presse mitgeteilt werden. Ich vermag allerdings nicht zu sagen, ob das in der Presse erschienen ist.

Auf Seite 5 dieser Urkunde wird im Absatz 2 erklärt, die Deutschen hätten historische Bauwerke zerstört, sie hätten die Universität von Tartu, das heißt von Dorpat durchstöbert und zerstört, die eine glorreiche Vergangenheit von mehr als 300 Jahren hätte und eine der ältesten Stätten für Hochschulbildung sei.

Nun darf ich bemerken, daß diese Häuser aus dem 17. und anderen Jahrhunderten ausschließlich von Deutschen gebaut worden sind, und daß eine deutsche Truppe wohl kein Interesse hat, die Häuser ihres eigenen Volkstums willkürlich zu zerstören. Zum zweiten ist diese dreihundertjährige Universität Dorpat eine dreihundertjährige deutsche Universität gewesen, die tatsächlich das Russische Reich und das Deutsche Reich mit Wissenschaftlern von europäischem Range versorgte.

VORSITZENDER: Das ist ganz unerheblich, ganz unerheblich. Die Frage ist, ob sie zerstört wurde.

ROSENBERG: Ich bin 1942 einmal in Dorpat gewesen; da war ein großer Teil der Stadt durch Kampfhandlungen zerstört, die Universitätsgebäude standen aber noch. Ich hatte dabei die Möglichkeit, daß der Einsatzstab Rosenberg in der Ukraine 10000 bis 12000 Bände der Universität beschlagnahmen konnte und diese Bände wieder der Eigentümerin zurückstellte.

Ich halte es für ausgeschlossen, daß eine willkürliche Zerstörung dieser alten, deutschen Universität durch deutsche Truppen herbeigeführt wurde, und kann mir nur vorstellen, daß es die Folge von Kampfhandlungen gewesen ist, falls wirklich eine Zerstörung vorliegt.

Zu den übrigen Einzelheiten des Dokuments kann ich nicht Stellung nehmen. Es behandelt viele Erschießungen polizeilicher Natur, von Dingen, die offenbar mit Kampfhandlungen in Beziehung stehen; ich vermag mich dazu nicht zu äußern, weil es offenbar auf die Zeit des Rückzuges zurückgeht.

Das Dokument USSR-41 behandelt den Bericht der Außerordentlichen staatlichen Kommission über die Dinge in Lettland.

Ich möchte hier nur berichtigen, daß das Stammquartier des Außenministers nicht in Riga war, sondern daß er seinen ständigen Sitz ausschließlich in Berlin hatte.

Im Absatz 4 heißt es wörtlich:

»Die Deutschen beschlagnahmten das Land der lettischen Bauern für ihre Barone und Grundbesitzer und rotteten die zivile Bevölkerung – Männer, Frauen und Kinder – erbarmungslos aus.«

Ich möchte dazu feststellen, daß kein einziges Bauerngut im Laufe der Zivilverwaltung den deutschen Baronen von früher übergeben worden ist, daß aber die deutsche Landesverwaltung etwas getan hat, was nach meinem Dafürhalten eine einzigartige, fördernde Gesetzgebung bedeutet. Denn dieses einmal von der jungen Estnischen und Lettischen Republik im wesentlichen fast durch keine Entschädigung enteignete Land von 700 Jahren hätte man ja leicht wieder den Deutschen zurückgeben können. Es ist aber durch ein von mir unterzeichnetes Gesetz vom März – ich weiß nicht 1942 oder 1943 – das sogenannte Reprivatisierungs-Gesetz – den estnischen und lettischen Bauern, die damals das deutsche Gut bekamen, gesetzlich garantiert und mit feierlichen Urkunden übergeben worden. Bei der Besetzung durch die Sowjetunion ist eine Kollektivierung dieses bäuerlichen Privatbesitzes eingeleitet worden, und darum handelt es sich, daß diese eingeleitete Kollektivierung rückgängig gemacht und die alten Eigentümer von 1919 wieder in den Besitz ihres Eigentums kamen. Das darf ich zur Erläuterung dieser Erklärung sagen. Auf Seite 2 wird erklärt:

»Durch mehr als drei Jahre hindurch setzten die Deutschen es sich zur Aufgabe, Fabriken, öffentliche Betriebe, Bibliotheken, Museen und Wohnhäuser in lettischen Städten zu zerstören.«

Ich bin selbst im lettischen Kunstmuseum gewesen, habe mir eine große lettische Kunstausstellung angesehen, ich bin im lettischen Staatstheater gewesen, das durchgehend in lettischer Sprache seine Aufführungen hatte und nur eine Anzahl deutscher Gastdirigenten und -sänger hatte.

Die Fabriken wurden im Laufe dieser drei Jahre Verwaltung nicht zerstört, sondern durch zahlreiche deutsche Maschinen in ihrer Kapazität vergrößert. Das hatte allerdings manche Proteste der Landeseigentümer zur Folge, weil dadurch eine Unsicherheit ihrer Eigenbeteiligung mitspielte; aber auf jeden Fall war es keine Zerstörung, sondern eine Verstärkung dieser Kapazität, und schließlich, was die Archive und Bibliotheken anbetrifft, so habe ich zum Dokument 35-PS schon das Notwendige gesagt.

Was die Ausrottung von 170000 Zivilpersonen anbetrifft, so kann ich nicht Stellung nehmen dazu, was in den Lagern der Polizei auf Grund der polizeilichen Sicherungen geschehen ist. Ich darf aber darauf hinweisen, daß nach Feststellungen, nach amtlichen Feststellungen der landeseigenen Verwaltung, zunächst über 40000 Esten aus Estland und über 40000 Letten aus Lettland nach dem Einmarsch der Roten Armee ins Innere der Sowjetunion deportiert worden waren, daß eine große Zahl von Esten und Letten sich freiwillig in die Legionen zum Kampf gegen die Rote Armee meldeten, daß beim Rückzuge Hunderttausende von Esten und Letten darum baten, ins Reich genommen zu werden und auch wirklich zahlreiche hinkamen. Die Gesamtbevölkerung von Lettland betrug etwa zwei Millionen Menschen. Daß hier seitens der deutschen Behörde 170000 Letten erschossen worden sein sollen, ist unwahrscheinlich im höchsten Maße.

Im übrigen vermag ich zu den sonstigen Zerstörungen, die hier behauptet werden während der Kampfhandlungen, keine Stellung einzunehmen.

Das dritte Dokument ist USSR-7 und behandelt die Berichte der Außerordentlichen Kommission über Litauen. Hier wird auf Seite 1, Absatz 2 erklärt, daß der Reichsminister Rosenberg versucht hätte, das litauische Volk zu germanisieren und die nationale Kultur auszurotten. Litauen wurde zu einem Teile der deutschen Provinz Ostland proklamiert.

Es ist in Litauen die Bauernfrage genau so behandelt worden wie in Estland und Lettland; allerdings hat sich hier ein Unterschied ergeben, daß Litauen eine größere Anzahl deutscher Kleinbauernbetriebe hatte, die Ende 1939 ins Deutsche Reich überführt wurden und beim Einmarsch in Litauen wieder in ihre ursprünglichen bäuerlichen Betriebe unter möglichster Konzentration auf bestimmte Siedlungsgebiete eingesetzt wurden. Das entspricht also den Tatsachen; dem Übrigen vermag ich nicht zuzustimmen, und die nationale Kultur auszurotten, das ist mir ebenfalls als eine nicht richtige Darstellung erschienen. Ich weiß vielmehr, daß Mitarbeiter meiner Dienststelle sehr eifrig mit den Vertretern der litauischen Volkskundeforschung unterhandelten, und daß verschiedene Aufsätze über diese vorbildliche Volkskundearbeit in Litauen und Lettland durchgeführt wurden, und daß ich mir nicht vorstellen kann, daß hier irgendeine willkürliche Zerstörung vorgekommen ist. Ich kann mich nur entsinnen, daß aus der Hauptstadt Kauen oder Kaunas Verwaltungsbeamte beim Rückzug bei mir waren und erklärten, daß sie fünf Tage lang in Kauen noch gearbeitet hatten, als diese Stadt schon unter Artilleriebeschuß der Sowjetarmee stand; daß dabei auch viele Gebäude zerstört wurden bei eventuellen Kampfhandlungen, auch darüber vermag ich aus eigener Kenntnis nichts auszusagen.

Ich darf jetzt Dokument USSR-51 behandeln. In der Note des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten vom 6. Januar 1942 wird einleitend ebenfalls von der Vernichtung der Kulturwerte auch von Litauen, Lettland und Estland gesprochen. Ich verweise auf das, was ich anläßlich der soeben vorgelegten Dokumente gesagt habe. Auf Seite 2, Spalte 1, wird ebenfalls erklärt, daß die Deutschen die Bauernbevölkerung hemmungslos ausgeplündert und gemordet hätten. Ich darf auch hier auf die eben gemachten Erklärungen verweisen. Auf Seite 6, Spalte 1 oben wird gesagt, daß die Deutschen in ihrer Wut auch gegen Lettland, Litauen und Estland die anderen nationalen Kulturen, nationalen Denkmäler und Schulen und ihre Literatur vernichtet hätten. Das entspricht, wie ich soeben darlegte, nicht den Tatsachen. Die Note des Volkskommissars für Auswärtige Angelegenheiten vom 27. April 1942, die mehrfach ausführlich hier vorgelesen worden ist, hat auf Seite 1, Spalte 1 die gleiche Behauptung, daß hier der Raub des Grund und Bodens des Sowjetstaates vollzogen wurde. Ich verweise auf meine soeben gemachten Erklärungen.

Auf Seite 7 wird erklärt, die Deutschen hätten das Ziel gehabt und in der Praxis durchgeführt den Raub des Grund und Bodens, des von der Sowjetregierung den Kolchosenwirtschaften zur ewigen und unentgeltlichen Nutznießung übergebenen Bodens. Ich möchte zu dieser Sonderfrage hier keine Ausführungen machen; über das Gesetz der neuen Agrarordnung, wie sie zur Stärkung der bäuerlichen Betriebe für Weiß- Ruthenien und die Ukraine erlassen wurde, wird der fachkundige Staatssekretär Riecken, den das Gericht als Zeugen genehmigt hat, seine entsprechenden Aussagen machen. Nachdem die Sowjetanklage den Vorwurf gegen mich, ich sei ein ehemaliger zaristischer Spion gewesen, zurückgenommen hat, brauche ich darauf nicht einzugehen. Ich kann die verschiedenen Zitate, die hier vorgelegt sind, im einzelnen natürlich nicht prüfen. Es ist mir aber in einem Falle möglich, Aufklärung zu geben.

Es handelt sich um Seite 9, Spalte 1 oben, wo vom Außenkommissar die sogenannten zwölf Gebote des Verhaltens der Deutschen im Osten erwähnt werden.

Es folgt hier ein Zitat, aus dem nur gefolgert werden kann, daß es ein zusammenhängendes Zitat aus einer deutschen Anordnung darstellt. Diese zwölf Gebote hat die Sowjetanklage dem Gericht unter USSR- 89 übergeben.

Es handelt sich, wie festgestellt wurde, um eine Anordnung des Staatssekretärs Backe von Anfang Juli 1941, die mir hier erst bekannt wurde. Dieses scheinbar zusammenhängende Zitat des Außenkommissars erweist sich als eine Zusammenfügung von Bruchstücken von Sätzen, die in eineinhalb Seiten zerstreut im Dokument vorliegen; und auch diese Bruchstücke sind nicht in der Reihenfolge angeführt, sondern in anderer Reihenfolge, als sie hier vorliegen. Ich darf aber auf einige Wortänderungen hinweisen. Es heißt in Punkt 6 der Gebote:

»Ihr müßt daher«

– das ist an die Landwirtschaftsführer gerichtet –

»Ihr müßt daher auch die härtesten und rücksichtslosesten Maßnahmen, die aus Staatsnotwendigkeiten gefordert werden, mit Würde durchführen. Charaktermängel des einzelnen werden grundsätzlich zu seiner Abberu fung führen. Wer aus solchen Gründen abberufen wird, kann auch im Reich nicht mehr an entscheidender Stelle stehen.«

In dem Zitat der amtlichen Note heißt es wörtlich:

»Darum müßt Ihr selbst die grausamsten und rücksichtslosesten Maßnahmen, die von den deutschen Interessen diktiert werden, mit Würde durchführen. Andernfalls könnt Ihr in der Heimat keine verantwortlichen Stellungen bekleiden.«

Also an Stelle des Wortes »hart« steht das Wort »grausam«. An Stelle von »Staatsnotwendigkeiten« steht das allgemeine »deutsche Interessen« und an Stelle des Hinweises auf einen »Charaktermangel« wird ganz allgemein erklärt, daß, wenn man also die grausamsten Maßnahmen nicht durchführt, kann man keine verantwortlichen Stellen bekleiden.

Ich möchte mich mit diesen zwölf Geboten sonst in keiner Weise identifizieren, darf aber doch darauf hinweisen, daß auf Seite 3 zum Punkt 7 erklärt wird:

»... aber seid gerecht und persönlich anständig und immer Vorbild.«

Und in Teil 9:

»Haltet Euch frei vor Kommunistenriecherei. Die russische Jugend ist seit zwei Jahrzehnten kommunistisch erzogen. Sie kennt keine andere Erziehung. Es ist daher sinnlos, Vergangenes zu ahnden.«

Ich glaube, daß auch da doch der Herr Backe, der sonst sich schärfer ausgedrückt hat,... daß das keine Verfügung zur Ausrottung bedeutet.

Ich gehe über zu der Anklage der Polnischen Regierung. Sie betrifft mich nur in einem einzigen Punkte. Auf Seite 20 wird unter Punkt 5 erklärt, daß die Erbeutung, Plünderung und Wegräumung von Kunstgegenständen und so weiter aus Museen und Sammlungen jeder Art im Amt Rosenberg in Berlin zentralisiert sei. Das ist unrichtig; wie aus dem Bericht des Staatssekretärs Mühlmann, der hier mehrfach verlesen worden ist, sich ergibt, ist dafür eine ganz andere Stelle eingesetzt worden, um diese Kunstwerke zu betreuen.

Zweitens habe ich heute schon einen Erlaß von Dr. Lammers verlesen, ich glaube vom 5. Juli 1942, wo das Generalgouvernement ausdrücklich ausgenommen wurde.

Ich muß allerdings zugeben, daß in einem Falle am Anfang der Einsatzstab eine deutsche Sammlung eines Musikforschers beschlagnahmt hatte und zu Forschungszwecken ins Reich überführte. Das war nicht richtig, und aus einem Briefwechsel mit dem damaligen Generalgouverneur Frank, der auch hier unter meinen Akten sich befinden muß, ergibt sich, daß ausgemacht war, daß selbstverständlich diese Sammlung nach einer wissenschaftlichen Forschung, um die ich allerdings bat, dem Generalgouverneur wieder zurückgestellt werden mußte.

Die Unrichtigkeit dieser Anklage ergibt sich auch daraus, daß hier behauptet wird, ich hätte im Einsatzstab Rosenberg unter verschiedenen Ämtern auch ein Amt »Osten« für Polen gehabt. Die Unrichtigkeit dieser Aussage ergibt sich dadurch, daß die sogenannten Sonderstäbe, die für Musik- und Bildende Kunst und Vorgeschichte im Osten eingerichtet waren, Fachsonderstäbe waren und daß neben ihnen die sogenannten Arbeitsgruppen regionale Aufgaben hatten; daß ich also ein Amt »Osten« für Polen nicht haben konnte; und im übrigen ist niemals im dienstlichen Verkehr der Begriff Polen gebraucht worden, sondern der Begriff Generalgouvernement. Ich glaube, daß ich mich damit begnügen kann. Es sind neben diesen noch eine Anzahl anderer genereller Urkunden vorgelegt worden aus Smolensk und aus anderen Städten, die auf viele Zerstörungen hinweisen und auf Polizeimaßnahmen. Ich kann darüber hier keine Aussagen machen. Ich darf nur als letztes auf die Urkunde 073-PS verweisen, die vor einigen Tagen dem Zeugen Dr. Lammers vorgelegt wurde. Es handelt sich hier um die Weiterleitung eines Schreibens des Auswärtigen Amtes, in dem etwas mißverständlich, nachdem man gesagt hat, daß die Kriegsgefangenen Ausländer seien, mitgeteilt wurde, daß die Sowjetgefangenen dem Reichsminister für die besetzten Ostgebiete unterstellt seien.

Aus der Einleitung ergibt sich, daß es sich hier ausschließlich um eine Betreuung und Propagandaarbeit handelt, die der Minister Goebbels für sich, entgegen dem Auswärtigen Amte, beanspruchte. Das Auswärtige Amt erklärte, daß es für alle Kriegsgefangenen hier federführend zuständig sei mit Ausnahme dieser geistigen und propagandistischen Betreuung der Sowjetgefangenen, die in dieser Hinsicht von dem Ostminister betreut wurden, da sie, wie es hier heißt, nicht der Genfer Konvention unterstünden. Diese Erklärung, daß sie nicht der Genfer Konvention unterstünden, war das Rechtsgutachten für die Einführung der Verwaltung in den besetzten Ostgebieten, die vom Führerhauptquartier erstellt wurde.

DR. THOMA: Herr Zeuge! Ihnen ist im Laufe dieses Verfahrens mindestens viermal die Sache mit den Goldplomben in dem Gerichtsgefängnis in Minsk vorgehalten worden. Ferner wurde ein Dokument vorgelegt, betreffend der Behandlung der Judenfrage, und ein weiteres Dokument betrifft eine Brandstiftung und eine Judenaktion, ebenfalls im Generalbezirk Minsk. Wollen Sie dazu Stellung nehmen?

ROSENBERG: Ich darf vielleicht generell zu den vielen Akten und Berichten meiner Dienststelle folgendes sagen; Es sind im Laufe von zwölf Jahren meiner Parteidienststelle und von drei Jahren Ostministerium viele Berichte, Aktennotizen, Durchschläge von Schreiben aus allerhand Abteilungen in meinem Büro abgelegt worden, die ich zum Teil kenne, die zum anderen Teil mir mündlich vorgetragen wurden, um dann ausführlicher niedergelegt zu den Akten gebracht zu werden, und es sind doch eine große Anzahl wichtigere und gänzlich unwichtige Dinge, die ich in diesen Jahren gar nicht zur Kenntnis nehmen konnte.

Was nun diese Dokumente betrifft, so muß ich zum Dokument 212-PS erklären, daß das offenbar eine Hinterlegung in meinem Büro darstellt, die ohne Anschrift, ohne Unterzeichnung und ohne sonstige nähere Angabe vorliegt, die ich nicht zur Hand erhalten gehabt habe, von der ich aber annehme, daß sie wahrscheinlich aus Polizeikreisen in meiner Dienststelle abgegeben worden sind. Ich kann also zu diesem Inhalt mit bestem Willen keine Stellung nehmen.

Zum Dokument 1104-PS, welches die furchtbaren Vorgänge in der Stadt Sluzk behandelt – es ist ein Bericht vom Oktober 1941 –, muß ich sagen, daß dieser Bericht mir vorgelegen hat. Dieser Bericht hat im Ostministerium Empörung hervorgerufen, und wie sich hier auch ergibt, hat mein ständiger Vertreter, der Gauleiter Meyer, eine Abschrift dieser Beschwerde der Zivilverwaltung mit allen Kritiken seitens dieser Zivilverwaltung an die Polizei, den Chef der Sicherheitspolizei, damals Heydrich, mit dem Ersuchen um Prüfung zugeleitet. Ich muß bemerken, daß die Polizei ihre eigene Gerichtsbarkeit hatte, in die das Ostministerium nicht eingreifen konnte. Ich vermag aber hier nicht zu sagen, welche Maßnahmen Heydrich getroffen hat. Ich konnte aber, und das ergibt sich daraus, ja nicht annehmen, daß ein Befehl, der gestern hier von dem Zeugen bestätigt wurde, Heydrich oder Himmler vom Führer erteilt worden ist. Ich habe diese Meldung und manche anderen Mitteilungen, die mir am Anfang zu Ohren kamen, über Erschießungen von Saboteuren, Erschießungen auch von Juden, von Pogromen an Juden durch die einheimischen Bevölkerungen im Baltikum, in der Ukraine als Erscheinungen dieses Krieges hingenommen. Ich habe gehört, daß in Kiew eine größere Anzahl von Juden erschossen worden sei, daß aber der größte Teil der Juden Kiew verlassen hätte, und die Summe dieser Meldungen hatte zwar die Einsicht der furchtbaren Härten namentlich aus manchen Berichten aus Gefangenenlagern bei mir zur Folge, aber, daß hier ein Befehl zur persönlichen Vernichtung des gesamten Judentums vorlag, konnte ich nicht annehmen, und wenn in unserer Polemik auch von der »Ausrottung« des Judentums die Rede gewesen ist, so muß ich doch sagen, daß dieses Wort allerdings unter den heute vorliegenden Bezeugungen einen furchtbaren Eindruck machen muß, unter den damaligen Voraussetzungen aber nicht als eine persönliche Ausrottung, persönliche Vernichtung von Millionen von Juden aufgefaßt wurde. Ich darf auch darauf hinweisen, daß selbst der britische Premierminister in einer amtlichen Rede am 23. oder 26. September 1943 im Unterhaus von der Ausrottung mit Stumpf und Stiel des Preußentums und vom Nationalsozialismus gesprochen hat.

Diese Worte aus dieser Rede habe ich zufällig gelesen. Ich habe auch nicht angenommen, daß er damit die Erschießung aller preußischen Offiziere und Nationalsozialisten versteht.

Das Dokument Ro-135, dazu muß ich folgendes sagen. Es ist datiert vom 18. Juni 1943. Ich bin am 22. Juni von einer Dienstreise aus der Ukraine zurückgekommen. Ich fand nach dieser Dienstreise eine Menge von Vormerkungen über Besprechungen vor. Ich fand viele Briefe vor, ich fand vor allen Dingen den mir mündlich schon durchgegebenen Führererlaß von Mitte Juni 1943 vor, in dem der Führer mich anwies, mich überhaupt nur auf das Grundsätzliche in der Gesetzgebung zu beschränken und mich damit nicht zu sehr in die Einzelheiten der Verwaltung der Ostgebiete hineinzubegeben. Ich bin mißmutig von dieser Reise zurückgekommen, und ich habe dieses Dokument nicht gelesen. Ich kann aber ebenfalls nicht annehmen, daß dieses Dokument nicht etwa von meinem Büro vorgetragen worden ist. Nach der Gewissenhaftigkeit meines Büros kann ich nur annehmen, daß im Laufe des Vortrags über viele Dokumente mir mitgeteilt wurde, daß wieder eine schwere,... eine große Beschwerde zwischen Polizei- und Zivilverwaltung vorliege, wie es schon manche Beschwerde gegeben hat, und ich höchstens gesagt haben kann: Geben Sie das bitte dem Gauleiter Meyer, oder: Geben Sie das dem Polizeioffizier als Verbindungsmann, um diese Dinge zu prüfen! Diese furchtbaren Einzelheiten wären mir sonst im Gedächtnis geblieben. Ich vermag zu dieser Sache nicht mehr zu sagen, als ich bei der Befragung, als sie mir vorgelegt wurde, auszusagen vermochte.

DR. THOMA: Ich übergebe dem Gericht das Exhibit Ro-13, ein Memorandum Kochs an Rosenberg, das die Beschwerde über die Kritik Rosenbergs und Rechtfertigung seiner Politik in der Ukraine vom 16. März 1943, Ro-13, und ein Schreiben Rosenbergs an den Reichsminister Lammers enthält, sein Abschiedsgesuch an den Führer vom 12. Oktober 1944.

Hohes Gericht! Das Dokument Ro-13, Memorandum Kochs an Rosenberg, möchte ich dem Gericht...

VORSITZENDER: Welche Nummer?

DR. THOMA: Ro-13, 192-PS, Dokumentenbuch 2, Seite 14. Ich möchte das dem Gericht selbst vortragen und folgende Bemerkung vorausschicken.

VORSITZENDER: Es ist sehr lang, Dr. Thoma, Sie brauchen doch sicherlich nicht alles zu verlesen?

DR. THOMA: Ich werde Ihnen nicht alles vorlesen, aber, meine Herren, ich habe leider nur Gelegenheit, den Staatssekretär Riecke als einen Beamten des Ostministeriums dem Gericht vorzuführen. Das Gericht wird aber schon von diesem Zeugen, der vor Gericht erscheint, entnehmen können, daß geradezu das Beste, was das Deutsche Reich an Beamten gehabt hat, im Ostministerium eingesetzt worden ist und gewissenhaft jeder einzelnen Beschwerde nachgegangen ist. Es ist nicht an dem, daß neben dem, was wir heute gehört haben, noch eine Unzahl anderer Verbrechen verübt worden ist, die nicht zur Kenntnis des Gerichts gekommen ist, sondern ich glaube, daß alles erschöpfend dargetan ist, was während dieser vier oder fünf Jahre im Osten an gewiß Schrecklichem passiert ist, und es ist nun die Frage, wie der Gauleiter Koch darauf reagiert hat.

VORSITZENDER: Das Gericht will nur, daß Sie nicht das ganze Dokument vorlesen, das viele Seiten lang ist. Das heißt, Sie können fortfahren und die wesentlichen Teile daraus verlesen.

DR. THOMA: Ich möchte also die Behauptung aufstellen, daß jeder einzelnen Beschwerde, die an das Ostministerium gekommen ist, nachgegangen worden ist. Der Gauleiter Koch schreibt:

»Verschiedene Erlasse des Herrn Reichsministers für die besetzten Ostgebiete aus der jüngsten Zeit, in welchen in ungewöhnlich scharfer und mich verletzender Form meine Arbeit bemängelt wurde und aus welchem sich Unklarheiten sowohl über die politische Linie als auch über meine rechtliche Stellung ergeben mußten, habe ich zum Anlaß genommen, um Ihnen, Herr Reichsminister, diesen Bericht in denkschriftähnlicher Form vorzulegen«,

und dann kommen nun Bemerkungen, aus denen hervorgeht, daß das Ostministerium den Beschwerden nachgegangen ist. Er beschwert sich darüber:

»So wird mir zum Beispiel vom Ministerium vom 12. Januar 1943... mitgeteilt, daß eine Ostarbeiterin Anna Prichno aus Smygalowka geklagt hat, daß ihre in der Ukraine zurückgebliebenen Eltern die Steuern nicht bezahlen könnten. Es wird mir nicht nur aufgegeben, diese Steuern zu streichen oder auf die Hälfte zu ermäßigen, sondern auch ›über das Veranlaßte zu berichten‹.«

Seite 13:

»In neuerer Zeit werden mir zahlreiche Einzelbeschwerden von Ostarbeitern, die im Altreich tätig sind, zugeleitet, und zwar werde ich in jedem Einzelfall zum Bericht aufgefordert, meistens mit so kurzer Berichtsfrist, daß diese schon unmöglich einzuhalten ist.«

Auf Seite 15 und 16:

»Es wirkt daher befremdend«, schreibt der Gauleiter Koch, »wenn in dem Erlaß I/41 vom 22. 11. 1941 das ukrainische Volk als stark mit germanischem Blut durchsetzt bezeichnet wird, woraus sich seine beachtenswerten kulturellen und wissenschaftlichen Leistungen erklären sollen. Wenn aber gar in einem Geheimerlaß vom Juli 1942, auf den ich am Schluß dieses Abschnitts noch näher zu sprechen komme, festgestellt wird, daß es sehr viel Berührungspunkte zwischen dem deutschen und ukrainischen Volke gibt, so muß das Befremden einem gewissen Erstaunen Platz machen. Dieser Erlaßentwurf verlangte nicht nur korrekte, sondern liebenswürdige Umgangsformen den Ukrainern gegenüber...

Auch nachstehend möchte ich noch einige Beispiele für die mangelnde Zurückhaltung den Ukrainern gegenüber angeben. So wird mir zum Beispiel mit Erlaß vom 18. 6. 1942... mitgeteilt, daß von Ihnen für insgesamt 2,3 Millionen Reichsmark ukrainische Schulbücher zu Lasten meines Haushalts beschafft werden würden, ohne mit mir überhaupt vorher Verbindung aufzunehmen.«

VORSITZENDER: Halten Sie es für nötig, all das vorzulesen? Ich bin nicht ganz sicher, wie weit Sie sind, weil ich weitergelesen habe.

DR. THOMA: Herr Präsident! Darf ich dazu etwas sagen? Ich habe nämlich schon reichlich ausgewählt. Dieses Memorandum ist ein ganz dickes Heft; aber ich will mich noch mehr beschränken und möchte nur betonen, in diesem Memorandum befindet sich auf jeder Seite eine Beschwerde über die Gewissenhaftigkeit, mit der Rosenberg allen Einzelbeschwerden nachgegangen ist. Aber ich werde mich ganz kurz fassen:

»Es ist nicht notwendig, daß durch mehrfache Erlasse Ihres Ministeriums und durch fernmündliche Vorstellungen immer wieder darauf hingewiesen wird, daß jeder Zwang bei der Arbeiterwerbung zu unterbleiben hat.«

Und dann noch eine ganz kurze Bemerkung:

»Wenn ich hier mehr Erlasse gegen das Prügeln herausbringe als tatsächlich geprügelt wird, mache ich mich lächerlich.«

Das ist einige Male vorgekommen, und jeder einzelne Fall wurde notorisch gerügt.

Und nun kommt etwas sehr Wichtiges, Hohes Gericht, nämlich nun droht der Gauleiter Koch mit Vorstellungen beim Führer und sagt:

»Es hat von mir, als altem Gauleiter, noch niemand verlangt, daß ich ihm die Artikel, die ich schreibe, vorzulegen habe, denn von der politischen Verantwortung, die ich für einen mit meinem vollen Namen gezeichneten Artikel trage, kann mich ja wohl außer dem Führer niemand entbinden...

Abschließend möchte ich zu diesen Ausführungen über meine Zuständigkeit noch das Verhältnis der Reichskommissare zum Führer berühren. Ich bin es als alter Gauleiter gewohnt, mit meinen Sorgen und Wün schen zu meinem Führer zu gehen, und dieses Recht ist mir in meinem Amt als Oberpräsident auch durch meinen vorgesetzten Minister nie bestritten worden...

Mit Erlaß I 6 b 4702/42 wird mir befohlen, Berufungen auf den Willen des Führers in Berichten an Sie zu unterlassen, da die Übermittlung dieses Willens ausschließlich Ihre Angelegenheit wäre. Ich muß hierzu bemerken, daß der Führer mir als altem Gauleiter durchaus seine politischen Weisungen wiederholt mitgeteilt hat...

Wenn man den Reichskommissaren noch ihre Stellung zum Führer nimmt oder beschneidet, so bleibt wenig übrig, was die Stellung eines Reichskommissars mit Inhalt zu füllen imstande ist.«

Und dann sagt er noch auf Seite 50:

»Ich muß ausdrücklich erklären, daß ich unter den gegebenen Umständen die Verantwortung für den Erfolg der Arbeiterwerbung und der Frühjahrsbestellung ablehnen muß.«

Rosenberg hat ihm empfohlen, im Wege der Arbeiterwerbung weiter zu fahnden.

Am Schluß sagt er:

»Meine Stellung ist von Ihnen in den letzten 3 Wochen so oft beeinträchtigt worden, daß sie ohnehin nur noch durch den Führer wieder hergestellt werden könnte.«

Daraufhin erfolgte eine Auseinandersetzung bei Hitler persönlich in der Reichskanzlei zwischen Rosenberg, Bormann und Koch, und das Ergebnis war, daß Bormann und wesentlich Koch recht bekommen hat und dem Angeklagten Rosenberg mitgeteilt wurde, er solle sich auf das Grundsätzliche beschränken. Daraufhin hat nun der Angeklagte sein Abschiedsgesuch eingereicht.

Ich möchte nun den Angeklagten bitten, das selbst noch näher zu begründen. Es ist im Dokumentenbuch 2, Seite 27.

ROSENBERG: Ich möchte bemerken, daß ich...

VORSITZENDER: Dr. Thoma! Wir wollen jetzt eine Pause von zehn Minuten einschalten.