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[Das Dokument wird dem Angeklagten überreicht.]

Es sind die ersten Zeilen des Dokuments. Ich verweise besonders auf die Worte: »Noch abreisender Juden«.

Es ist ein Dokument vom 3. Oktober 1942 und wurde schon vorgelegt.

ROSENBERG: Ja, das ist richtig, das entspricht den Tatsachen, und es kann hier, wie ich schon sagte, die Möglichkeit vorliegen, daß hier auch eine Anzahl von Wohnungen verhafteter Persönlichkeiten oder sonstiger nichtanwesender Persönlichkeiten mit einbezogen worden ist; aber, wie gesagt, in dem anderen Bericht ist mehr detailliert darüber gesprochen worden. Dieses Dokument entspricht an sich den Tatsachen, es ist ein Brief von mir.

M. MONNERAY: Aus diesem Dokument geht hervor, daß Sie beauftragt worden waren, nicht nur die Wohnungen zu beschlagnahmen, die Sie bei Ankunft der Deutschen in Paris unbewohnt vorgefunden haben, sondern auch Wohnungen von Leuten, die erst zu einem späteren Zeitpunkt, wie Sie sich ausdrücken, »abreisen«. Sie haben also zweifellos gewußt, Angeklagter Rosenberg, unter welchen Bedingungen, in den von Deutschland im Westen besetzten Gebieten, und später auch im Osten, die »noch aufbrechenden« Juden mit Sonderzügen im allgemeinen direkt in die Konzentrationslager gebracht wurden.

ROSENBERG: Nein, von den Zügen habe ich nichts gewußt, sondern es handelte sich hier ja ganz klar um verlassene Wohnungen, und vermutlich ist mir hier mitgeteilt worden, daß Wohnungen auch von Verhafteten, von noch Lebenden oder schon längst Geflohenen in Aussicht genommen werden. Mehr steht hier nicht drin, und mehr kann ich Ihnen auch hierüber nicht sagen beziehungsweise Auskünfte darüber geben. Diese Berichte, die hier zum Prozeß vorgelegt worden sind, sind mir hier erstmals bekanntgeworden. Ich kann nur noch sagen, daß mir zum Schluß mitgeteilt wurde, daß vor der Eroberung von Paris durch die alliierten Truppen die vorhandenen Wohnungseinrichtungen und Haushaltgegenstände dem französischen Roten Kreuz übergeben worden sind.

M. MONNERAY: Stimmen Sie mir in folgendem Punkte zu: Ihre Dienststellen hatten das Recht, Wertgegenstände oder Wohnungen, die nach dem Eintreffen der deutschen Truppen in Paris freigeworden waren, zu beschlagnahmen. Stimmen Sie mir in diesem Punkte zu?

ROSENBERG: Ja.

M. MONNERAY: Angeklagter! Sie sagten soeben, daß Sie keinerlei Kenntnis von Transporten in Sonderzügen nach besonderen Bestimmungsorten hatten. Wissen Sie – und ich nehme an, daß Sie es wissen, da ja das Dokument, auf das ich mich beziehe, dem Gerichtshof schon vorgelegt wurde – wissen Sie, daß seit Mitte 1941 bis zum Ende der deutschen Besetzung jeden Dienstag in Paris Zusammenkünfte stattfanden, die sogenannten Dienstagbesprechungen, an denen Vertreter der verschiedenen deutschen Dienststellen in Paris teilnahmen? Es waren dies die Referenten für jüdische Fragen in den verschiedenen deutschen Verwaltungszweigen; und zwar ein Vertreter der Militärregierung, ein Vertreter der Zivilverwaltung, ein Vertreter der Polizei und ein Vertreter der Wirtschaftsabteilung. Außerdem wohnte diesen Sitzungen auch ein Vertreter der Deutschen Botschaft in Paris bei und ein Vertreter Ihres Einsatzstabes.

Ich verweise auf Dokument RF-1210. Es ist ein am 22. Februar 1942 von Danneckers, dem verantwortlichen Leiter der antijüdischen Terroraktion in Paris während der Besetzung verfaßter Bericht. Wenn Sie wünschen, kann ich Ihnen dieses Dokument vorlegen lassen.

ROSENBERG: Ich kann mich dieser Ausführungen aus dem Prozeß durchaus entsinnen, aber von einer solchen Dienstagbesprechung, die regelmäßig stattfand, ist mir niemals ein Bericht eingereicht worden. Daß mein Beauftragter für die Möbelaktion mit der Polizei engste Fühlung halten mußte, ergab sich aus der Selbstverständlichkeit, daß die Beschlagnahmungen für solche Dinge ja nicht von meiner Dienststelle durchgeführt werden durften, sondern daß diese Maßnahmen ein ausschließliches Recht der Polizei waren, daß somit über diese Dinge mit der Polizei gesprochen werden mußte. Daß hier Dienstagbesprechungen regelmäßig stattfanden, ist mir nicht gemeldet worden. Ich glaube, wenn eine solche Meldung konsequent eingereicht worden wäre, hätte man sie mir sicher vorgelegt.

M. MONNERAY: Sie geben doch zu, daß die Dienstagbesprechungen im Interesse Ihrer Dienststelle äußerst nützlich waren. Tatsächlich wurden in diesen Sitzungen verschiedene gemeinsame Aktionen erörtert, Kollektivaktionen gegen die Juden, das heißt Verhaftungen, Razzien und Deportationen.

Entspricht es nun nicht einer natürlichen Logik, daß Ihre Dienststelle regelmäßig über diese Aktionen informiert wurde, um die wirtschaftlichen Konsequenzen, nämlich die Eigentumsbeschlagnahme, aus ihnen zu ziehen?

ROSENBERG: Das ist meiner Ansicht nach durchaus nicht logisch, denn, wenn der bestimmte Polizeichef solche geheimen Transporte in diese Lager schickt, wie hier bekanntgeworden ist, so folgt daraus nicht, daß er jeden Dienstag vor den Herren darüber Vorträge hält. Ich glaube auch nicht, daß dieser Polizeichef dem Vertreter des Auswärtigen Amtes über diese Dinge ausführlich berichtete.

M. MONNERAY: Sie sind darüber vielleicht schlecht unterrichtet, aber ich möchte Ihnen den Schluß dieses Berichts vorlesen. Es heißt dort folgendermaßen:

»Die Besprechung hat bewirkt, daß eine absolute Ausrichtung der Judenpolitik des besetzten Gebietes erfolgt.«

VORSITZENDER: Der Zeuge hat doch schon gesagt, daß er nichts von diesen Dienstagsitzungen weiß; er hat keine Berichte darüber gesehen.

M. MONNERAY: Ja, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Warum fragen Sie dann danach?

M. MONNERAY: Die Pariser Dienststellen nahmen aktiven Anteil an der Terrorpolitik der Polizei. Sie waren Nutznießer, da sie ja die wirtschaftlichen Konsequenzen, nämlich die Beschlagnahme der Wertgegenstände, daraus gezogen haben.

VORSITZENDER: Sie haben ihn nicht mit diesen Berichten, mit diesem Dokument, in Zusammenhang bringen können. Er hat das Dokument nicht unterschrieben. Nichts auf dem Dokument deutet meines Erachtens darauf hin, daß er es empfangen hat, denn sonst hätten Sie es ihm vorgehalten. Er sagt, er kenne das Dokument nicht.

M. MONNERAY: Erlauben Sie mir, in diesem Falle dem Angeklagten die Frage zu stellen, ob er die Richtigkeit der Angaben, die hier gemacht werden, bestreitet, insbesondere die Teilnahme seiner Pariser Dienststelle an diesen Sitzungen.