[Pause von 10 Minuten.]
JUSTICE JACKSON: Dr. Schacht! Nach dem Protokoll Ihrer Aussage vom 1. Mai, Vormittagssitzung (Band XII, Seite 502), haben Sie gesagt, daß Sie im Jahre 1938 einer gewissen Dame beim Abendessen gesagt haben: »Gnädige Frau, wir sind in die Hände von Verbrechern gefallen. Wie hätte ich das ahnen können?« Erinnern Sie sich an diese Aussage?
SCHACHT: Nicht ich habe das Zeugnis abgelegt, sondern es ist aus einem Affidavit von meinem Anwalt hier vorgelesen worden; aber es stimmt.
JUSTICE JACKSON: Ich bin sicher, daß Sie dem Gerichtshof helfen wollen, indem Sie uns sagen, wer diese Verbrecher waren?
SCHACHT: Hitler und seine Genossen.
JUSTICE JACKSON: Nun, Sie waren ja dabei. Sie wissen doch, wer die Mitarbeiter waren? Ich möchte, daß Sie alle Angeklagten namhaft machen, die Sie zu diesen Verbrechern zählen. Hitler ist tot, das wissen Sie ja.
SCHACHT: Mr. Justice! Es ist für mich sehr schwer, diese Frage vollständig zu beantworten, weil ich nicht weiß, wer in dieser engeren Verschwörung von Hitler drin gewesen ist. Wir haben aber hier vom Angeklagten Göring gehört, daß er sich zu dieser Gruppe rechnete. Ich rechne zu dieser Gruppe noch Himmler und Bormann; wer aber sonst in diesem engen Vertrauenskreis gewesen ist, weiß ich nicht.
JUSTICE JACKSON: Sie haben nur drei Männer genannt. Ich werde Ihnen die Frage so stellen: Sie haben vier Männer als Verbrecher bezeichnet, drei davon sind tot und einer, von dem Sie sagten, daß er zugab...
SCHACHT: Ich kann noch einen hinzufügen, gestatten Sie, ich nehme an, daß auch der Reichsaußenminister von Ribbentrop über die Pläne Hitlers stets im Bilde gewesen ist; ich muß das annehmen, ich weiß es nicht, ich kann es nicht beweisen.
JUSTICE JACKSON: Wen haben Sie sonst noch dazugerechnet, als Sie mit der Dame sprachen?
SCHACHT: Ich habe an dem Abend keinen Namen genannt.
JUSTICE JACKSON: Aber an wen dachten Sie dabei? Sie haben bestimmt keine Anklagen gegen Ihre eigenen Leute erhoben, die Mitglieder Ihrer eigenen Regierung, ohne dabei an ganz bestimmte Namen zu denken?
SCHACHT: Ich habe mir erlaubt, Ihnen eben diese Namen zu nennen.
JUSTICE JACKSON: Sind das alle?
SCHACHT: Das kann ich nicht wissen; aber ich nehme an, es sind noch mehr gewesen. Also einen Mahn wie Heydrich würde ich natürlich ohne weiteres dazu rechnen. Nicht wahr. Aber ich kann ja nicht wissen, mit wem...
JUSTICE JACKSON: Heydrich ist tot.
SCHACHT: Ich bedauere es, daß die Leute tot sind, ich hätte ihren Tod lieber auf andere Weise gesehen, aber...
JUSTICE JACKSON: Sind dies die einzigen Leute, die Sie dazu rechneten?
SCHACHT: Ich habe keine Beweise dafür, daß irgend jemand anderer mit in dieser Verschwörung gewesen ist, von dem ich sagen könnte, die und die Dinge sprechen dafür, daß du mit drin gewesen sein mußt.
JUSTICE JACKSON: Nun, Herr Dr. Schacht, zur Zeit der Machtergreifung der Nazis hatten Sie Verbindungen in aller Welt und als führender Bankier genossen Sie sehr großes Ansehen in Deutschland und der übrigen Welt, nicht wahr?
SCHACHT: Ich weiß nicht, ob das der Fall ist; aber wenn Sie der Ansicht sind, will ich nicht widersprechen.
JUSTICE JACKSON: Nun, erstmal geben Sie es zu.
SCHACHT: Ich widerspreche nicht.
JUSTICE JACKSON: Und, soweit ich weiß, erschienen Sie trotzdem öffentlich in Deutschland vor dem deutschen Volk, um das Nazi-Regime zu unterstützen, zusammen mit Individuen wie Streicher und Bormann.
SCHACHT: Mr. Justice! Ich habe mir erlaubt, hier auseinanderzusetzen, daß ich bis zum Juli 1932 in keiner Weise öffentlich für Hitler oder die Partei aufgetreten bin, daß ich im Gegenteil in Amerika zum Beispiel gewarnt habe vor Hitler; und daß ich zu jener Zeit – also der Name Bormann war mir damals unbekannt, und der »Stürmer« von Streicher war mir vorher genau so widerlich wie nachher. Ich habe nicht geglaubt, daß ich mit Herrn Streicher irgend etwas gemeinsam hätte.
JUSTICE JACKSON: Ich habe das auch nicht geglaubt, und gerade darum fragte ich mich, warum Sie gemeinsam mit ihm nach 1933 vor dem deutschen Volk auftraten, zu der Zeit, als die Nazi-Regierung gerade ihre Macht festigte? Das taten Sie doch, nicht wahr?
SCHACHT: Was tat ich, Mr. Justice, was habe ich gemacht?
JUSTICE JACKSON: Ich spreche von Ihrem öffentlichen Auftreten vor dem deutschen Volk gemeinsam mit Streicher und Bormann zur Unterstützung des Nazi-Programms nach der Machtergreifung.
SCHACHT: Ich glaube nicht; ich bin niemals äußerlich mit Streicher oder Bormann zusammen gesehen worden. Jedenfalls nicht zu der Zeit. Es ist möglich, daß er auf dem gleichen Parteitag wie ich gewesen ist, daß er vielleicht in meiner Nähe gesessen hat oder so etwas, aber jedenfalls im Jahre 1933 bin ich weder mit Bormann noch mit Streicher irgendwie öffentlich gesehen worden.
JUSTICE JACKSON: Ich werde Ihnen nunmehr eine Photographie aus der Sammlung Hoffmanns zeigen lassen. Sie ist mit Nummer 10 bezeichnet. Sie haben wohl keine Schwierigkeiten, sich darauf zu erkennen, nicht wahr?
SCHACHT: Nein.
JUSTICE JACKSON: Und zu Ihrer Rechten sitzt Bormann?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Und neben ihm der Arbeitsminister?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Und auf der anderen Seite von Ihnen befindet sich Hitler?
SCHACHT: Ja.
JUSTICE JACKSON: Und hinter ihm Streicher?
SCHACHT: Ich erkenne ihn nicht; ich weiß nicht, ob es Streicher ist, vielleicht.
JUSTICE JACKSON: Ich möchte nun diese Photographie als Beweismittel einreichen, und vielleicht wird die Identifizierung genügen.