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[Der Zeuge spricht die Eidesformel nach.]

Sie können sich setzen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Sie sind seit 1910 Berufsoffizier, ist das richtig?

DÖNITZ: Ich bin seit 1910 Berufssoldat, Berufsoffizier seit 1913.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Während des Weltkrieges, des ersten Weltkrieges, waren Sie bei der U-Bootwaffe?

DÖNITZ: Jawohl, ab 1916.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Bis zum Schluß?

DÖNITZ: Biß zum Schluß des Krieges.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wann sind Sie nach dem ersten Weltkrieg wieder mit der U- Bootwaffe in Berührung gekommen?

DÖNITZ: Ich wurde am 27. September 1935 Chef der U-Bootflottille »Weddigen«, der ersten deutschen U-Bootflottille nach 1918. Als Auftakt zu diesem Kommandoantritt bin ich einige Tage vorher, also im September 1935, einige Tage in der Türkei gewesen, um dort auf einem U-Boot zu fahren, um für mich die große Lücke seit 1918 zu überbrücken.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie hatten also von 1918 bis 1935 nichts mit U-Booten zu tun?

DÖNITZ: Nein, gar nichts.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Welchen Dienstgrad hatten Sie, als Sie zur U-Bootwaffe im Jahre 1935 kamen?

DÖNITZ: Ich war Fregattenkapitän.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Woraus bestand damals die deutsche U-Bootwaffe?

DÖNITZ: Die U-Bootflottille »Weddigen«, deren Chef ich wurde, bestand aus drei kleinen Booten von je 250 Tonnen, den sogenannten »Einbäumen«. Außerdem gab es sechs noch etwas kleinere Boote, die einer U-Bootschule, die mir nicht unterstand, zur Ausbildung zur Verfügung gestellt waren. Außerdem schwammen und waren in Dienst gestellt etwa auch noch sechs dieser Kleinboote.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Von wem wurde Ihnen dieses Kommando als Führer der U- Bootflottille bekanntgegeben?

DÖNITZ: Von Großadmiral Raeder.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hat Großadmiral Raeder Ihnen bei dieser Gelegenheit den Auftrag gegeben, die U-Bootwaffe auf einen bestimmten Krieg vorzubereiten?

DÖNITZ: Nein. Ich habe lediglich den Auftrag bekommen, diese Lücke seit 1918 zu füllen, die U- Boote zum erstenmal das Fahren, das Tauchen und das Schießen zu lehren.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie die Unterseeboote auf den Handelskrieg vorbereitet?

DÖNITZ: Jawohl. Ich habe die Kommandanten belehrt, wie sie sich verhalten sollten, wenn sie einen Dampfer anhalten und habe auch einen entsprechenden taktischen Befehl für jeden Kommandanten aufgesetzt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wollen Sie damit sagen, daß die Vorbereitung auf den Handelskrieg eine Vorbereitung war auf den Krieg nach Prisenordnung?

DÖNITZ: Jawohl.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das heißt, die Vorbereitungen bezogen sich auf das Anhalten der Schiffe über Wasser?

DÖNITZ: Die einzige Unterrichtung, die ich hinsichtlich des Handelskrieges gemacht habe, war eben eine Instruktion: Wie benimmt sich das Unterseeboot beim Anhalten und Untersuchen, Feststellung der Bestimmung und so weiter eines Handelsdampfers? Ich habe später, als, ich glaube im Jahre 1938, der Entwurf der deutschen Prisenordnung an die Front kam, diesen den Flottillen zugeleitet zur Unterrichtung der Kommandanten.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Nun haben Sie eine neue Taktik für Unterseeboote entwickelt, die bekannt geworden ist unter dem Namen »Rudeltaktik«. Was hat es mit dieser »Rudeltaktik« auf sich, und bedeutet sie irgend etwas im Hinblick auf den Handelskrieg nach Prisenordnung?

DÖNITZ: Die U-Boote aller Marinen hatten bisher einzeln operiert, im Gegensatz zu allen anderen Schiffskategorien, die durch taktische Zusammenfassung versuchten, eine erhöhte Wirkung zu erzielen. Die Entwicklung der »Rudeltaktik« war weiter nichts, wie das Brechen mit diesem einzelnen Handeln jedes U-Bootes und der Versuch, auch Unterseeboote, genau so wie andere Kategorien der Kriegsschiffe, zusammenzufassen und zu führen. Eine solche Zusammenfassung war selbstverständlich notwendig, wenn ein Verband anzugreifen war, sei es ein Kriegsschiffsverband, also mehrere Kriegsschiffe zusammen, sei es ein Geleitzug mit Sicherung. Diese »Rudeltaktik« hat also mit dem Handelskrieg nach Prisenordnung gar nichts zu tun. Es ist eine taktische Maßnahme zur Bekämpfung von Verbänden, selbstverständlich auch von Geleitzügen, bei denen ja ein Verfahren nach Prisenordnung nicht in Frage kommt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Erhielten Sie nun den Auftrag, gegebenenfalls Zwang, den Krieg zur Bekämpfung eines bestimmten Gegners vorzubereiten?

DÖNITZ: Einen solchen generellen Auftrag erhielt ich nicht. Ich hatte den Auftrag, die U-Bootwaffe bestmöglichst auszubilden, wie es die Pflicht jedes Frontoffiziers, jeder Wehrmacht, jeder Nation ist, um allen Kriegslagen gewachsen zu sein. Ich habe aber mal im Jahre 1937 oder 1936 im Mobilmachungsplan der Kriegsmarine meinen Auftrag gelesen, daß, im Falle Frankreich die Aufrüstung durch einen Angriff auf Deutschland zu unterbrechen sucht, die Aufgabe der deutschen U-Boote dann wäre, im Mittelmeer die Transporter, die von Nordafrika nach Frankreich laufen würden, anzugreifen. Ich habe dann in der Nordsee auch, einmal eine entsprechende Übung gemacht. Das ist das einzige, wenn Sie mich nach einem bestimmten Ziel oder Anhalt fragen, was ich nach meiner Erinnerung von der Seekriegsleitung in dieser Beziehung bekommen habe. Das ist gewesen im Jahre 1936 oder 1937. Meiner Erinnerung nach war dieser Plan herausgekommen in der Sorge, daß die Rüstung des ungerüsteten Deutschlands damals durch irgendeine Maßnahme unterbrochen werden konnte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: War denn nun im Jahre 1939 die deutsche U-Bootwaffe vorbereitet, technisch und taktisch, auf einen Seekrieg gegen England?

DÖNITZ: Nein, die deutsche U-Bootwaffe bestand im Herbst 1939 aus etwa 30 bis 40 Frontbooten. Das bedeutete, daß jeweils etwa ein Drittel im Fronteinsatz sein konnte. In der harten Wirklichkeit sah sich diese Sache nachher sehr viel schlechter an. Wir haben einen Monat zum Beispiel gehabt, wo nur zwei Boote draußen waren. Mit dieser geringen Zahl von U-Booten konnte man selbstverständlich einer großen Seemacht wie England nur Nadelstiche versetzen. Daß wir auf den Krieg gegen England in der Kriegsmarine nicht vorbereitet waren, das geht am besten und klarsten meiner Ansicht nach daraus hervor, daß die Rüstung der Kriegsmarine bei Kriegsbeginn radikal umgestellt werden mußte. Es war ja die Absicht gewesen, eine homogene Flotte zu schaffen, die selbstverständlich, da sie prozentual viel kleiner als die englische war, nicht zu einem Krieg gegen England fähig war, und dieses Bauprogramm der homogenen Flotte mußte, als der Krieg mit England nun da war, stillgelegt werden; von den großen Schiffen wurde nur das fertiggebaut, was vor der Vollendung stand. Alles andere wurde hingelegt oder verschrottet. Das war notwendig, um nun die Kapazität freizubekommen, um jetzt U-Boote zu bauen. Hieraus erklärt sich ja auch, daß der deutsche U-Bootkrieg in diesem Kriege, letzten Kriege, eigentlich erst im Jahre 1942 angefangen hat, nämlich dann, als die U-Boote, die bei Kriegsbeginn zum Bau in Auftrag gegeben waren, nun frontreif geworden waren. Aus der Friedenszeit her, also im Jahre 1940, deckte der Ersatz an U-Booten kaum die Verluste.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Die Anklage hat wiederholt die U-Bootwaffe als eine aggressive Waffe bezeichnet. Was sagen Sie dazu?

DÖNITZ: Jawohl, das ist richtig. Das U-Boot hat ja den Auftrag, zu einem Gegner hinzufahren und ihn mit dem Torpedo anzugreifen. Also insofern ist das U-Boot eine Angriffswaffe.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wollen Sie damit sagen, daß es die Watte zu einem Angriffskrieg ist?

DÖNITZ: Angriffskrieg oder Defensivkrieg ist eine politische Entscheidung, hat also an sich mit militärischen Dingen nichts zu tun. Ein U-Boot kann ich selbstverständlich einsetzen und verwenden in einem Defensivkrieg, und auch in einem Defensivkrieg müssen Schiffe des Gegners angegriffen werden. Ich kann ein U-Boot selbstverständlich aber genau so einsetzen in einem politischen Angriffskrieg. Wenn man etwa folgert, daß die Marinen, die U-Boote haben, einen Angriffskrieg planen, dann müßten ja alle Nationen – denn alle Marinen dieser Nationen hatten U-Boote, und zwar sehr viel mehr als Deutschland, die doppelte und dreifache Zahl – einen Angriffskrieg geplant haben.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hatten Sie in Ihrer Eigenschaft als Führer der U-Boote selbst irgend etwas zu tun mit der Kriegsplanung als solcher?

DÖNITZ: Nein, gar nichts. Meine Aufgabe war, an der Front die U-Boote militärisch und taktisch auszubilden und meine Truppe und meine Offiziere zu erziehen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie vor Beginn dieses Krieges irgendwelche Anregungen gegeben oder irgendwelche Vorschläge gemacht zu einem Krieg gegen einen bestimmten Gegner?

DÖNITZ: Nein, in keinem Fall.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie das nach Beginn dieses Krieges getan im Hinblick auf einen neuen Gegner?

DÖNITZ: Nein, auch nicht.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Die Anklage hat ja nun einige Dokumente vorgelegt, in denen Befehle von Ihnen an die U-Boote enthalten sind, und zwar vor Beginn dieses Krieges. Ein Befehl zur Aufstellung gewisser U-Boote in der Ostsee und westlich England und ein Befehl vor Beginn des Norwegen- Unternehmens zur Aufstellung von U-Booten vor der norwegischen Küste. Ich frage Sie deshalb, wann, zu welchem Zeitpunkt wurden Sie als Führer der U- Boote oder ab 1939 als Befehlshaber der U-Boote unterrichtet über bestehende Planungen?

DÖNITZ: Ich erhielt von der Seekriegsleitung Mitteilung über Planungen erst dann, wenn sie vollendet waren, und zwar auch nur dann, wenn ich an der Durchführung irgendwie mit einer Aufgabe eingesetzt werden sollte, und zwar auch erst an dem Zeitpunkt, wenn es zur rechtzeitigen Durchführung meiner militärischen Aufgabe notwendig war.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Nehmen wir also mal den Fall des Norwegen-Unternehmens, Herr Großadmiral. Wann haben Sie von der Absicht der Besetzung Norwegens Kenntnis erhalten, und in welchem Zusammenhang erhielten Sie diese Kenntnis?

DÖNITZ: Ich wurde am 5. März 1940 von Wilhelmshaven, wo ich meine Befehlsstelle hatte, nach Berlin zur Seekriegsleitung befohlen und wurde bei dieser Sitzung über das Vorhaben und meine Aufgabe unterrichtet.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich halte Ihnen nun vor eine Eintragung aus dem Kriegstagebuch der Seekriegsleitung, die ich als Dönitz 6 dem Gericht als Beweismittel angeben werde. Sie ist abgedruckt auf Seite 8 des Urkundenbuches Nr. 1.

»5. März 1940. Der BdU nimmt an einer Besprechung beim Chef des Stabes der Seekriegsleitung in Berlin teil. Inhalt der Besprechung: Vorbereitung der Besetzung Norwegens und Dänemarks durch die deutsche Wehrmacht.«

Ist das die Sitzung, von der Sie gesprochen haben?

DÖNITZ: Jawohl.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: In diesem Fall Norwegens oder in dem früheren Falle des Kriegsausbruches mit Polen, hatten Sie da die Möglichkeit nachzuprüfen, ob die taktischen Weisungen, die Sie Ihren U-Booten zu geben hatten, zur Durchführung eines Angriffskrieges führten oder führen sollten?

DÖNITZ: Nein, ich hatte weder die Möglichkeit noch ja überhaupt die Befugnis dazu. Ich möchte fragen, welcher Soldat welcher Nation, der irgendeine militärische Aufgabe bekommt, das Recht hat, sich nun erst mal zur Stabsführung zu begeben und um Prüfung oder Rechenschaft zu bitten, ob aus dieser Aufgabe sich ein Angriffskrieg entwickeln kann. Das würde ja bedeuten, daß man den Soldaten...

VORSITZENDER: Herr Dr. Kranzbühler! Der Gerichtshof hat selbst vom rechtlichen Standpunkt aus zu entscheiden, ob dieser Krieg ein Angriffskrieg war. Wir wollen von diesem Zeugen, der ja ein Berufsseemann ist, nicht seine Ansicht über eine Rechtsfrage hören.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Ich glaube, meine Frage ist falsch verstanden worden. Ich habe Admiral Dönitz nicht gefragt, ob er den Krieg für einen Angriffskrieg hielte oder nicht, sondern ich habe ihn gefragt, ob er die Möglichkeit hatte und ob er die Aufgabe hatte als ein Soldat, nachzuprüfen, ob seine Befehle Mittel zu einem Angriffskrieg werden würden. Er soll sich also über seine Auffassung äußern, von der Aufgabe, die er als Soldat hat, nicht über die Frage Angriffskrieg oder nicht.

VORSITZENDER: Er kann uns natürlich sagen, was seine Aufgabe war. Aber er ist nicht hier, um den Fall mit uns zu erörtern. Er soll uns Tatsachen berichten und sagen, was er tat.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Muß man einem Angeklagten nicht gestatten, Herr Präsident, auch zu sagen, welche Überlegungen er anstellte oder welche Überlegungen er nicht anstellte. Ich meine, daß sich daraus die Vorwürfe der Anklage ergeben, und der Angeklagte muß doch die Möglichkeit haben, sich zu diesen Vorwürfen zu äußern.

VORSITZENDER: Wir wollen seine Aussagen hören. Sie werden in seinem Namen über seine Aussage argumentieren. Er ist nicht hier, um mit uns die Rechtslage zu erörtern. Das ist nicht Gegenstand seiner Aussage.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich werde ihn über seine Überlegung fragen, Herr Präsident.