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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Großadmiral! Haben Sie tatsächlich bei den Befehlen, die Sie vor Beginn dieses Krieges erließen an die U-Boote oder bei den Befehlen, die Sie vor Beginn des Norwegen-Unternehmens erließen, irgendwelche Erwägungen angestellt, ob es sich dabei um Angriffskriege handelte?

DÖNITZ: Ich habe als Soldat den militärischen Auftrag bekommen und habe den selbstverständlichen Gedanken gehabt, diese militärische Aufgabe durchzuführen. Ob die Staatsführung politisch einen Angriffskrieg damit machte oder nicht oder ob es prophylaktische Maßnahmen waren, stand nicht bei meiner Entscheidung, das ging mich nichts an.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Von wem erhielten Sie als Befehlshaber der U-Boote Ihre Befehle über die Führung des U-Bootkrieges?

DÖNITZ: Von dem Chef der Seekriegsleitung.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wer war das?

DÖNITZ: Großadmiral Raeder.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Welches waren die Befehle, die Sie bei Beginn des Krieges, also Anfang September 1939, erhielten für die Führung des U-Bootkrieges?

DÖNITZ: Handelskrieg nach der Prisenordnung, das heißt also, nach dem Londoner Abkommen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Welche Schiffe durften Sie damals nach diesem Befehl warnungslos angreifen?

DÖNITZ: Ich durfte damals warnungslos angreifen jedes Schiff, das entweder durch Seestreitkräfte oder Luftsicherung gesichert war. Ich durfte ferner Waffengewalt ausüben gegen jedes Schiff, das bei dem Versuch des Anhaltens Funknachrichten gab, beziehungsweise sich dem Anhalten widersetzte oder den Befehl zum Stoppen nicht befolgte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Nun ist ohne Zweifel nach einigen Wochen des Krieges eine Verschärfung des Handelskrieges entstanden. Wußten Sie, ob eine solche Verschärfung geplant war und gegebenenfalls, weshalb sie geplant war?

DÖNITZ: Ich wußte, daß die Seekriegsleitung beabsichtigte, nach Vorgang, nach der Entwicklung des Verhaltens des Gegners, Zug um Zug, wie es in dem Befehl heißt oder hieß, mit einer Verschärfung zu folgen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Welches waren nun die Maßnahmen des Gegners und umgekehrt, welches waren die eigenen Erfahrungen mit den Maßnahmen des Gegners, die zu einer Verschärfung führten?

DÖNITZ: Wir machten mit Kriegsbeginn sofort die Erfahrung, daß alle Handelsschiffe nicht nur von ihrer Funkeinrichtung beim Versuch des Anhaltens Gebrauch machten, sondern sofort funkten, sowie sie am Horizont irgendwie ein U-Boot sahen. Es war also eindeutig klar, daß alle Handelsschiffe in die militärische Nachrichtenorganisation eingespannt waren wir machten ferner bereits praktisch wenige Tage nach Kriegsbeginn die Erfahrung, daß Handelsdampfer bewaffnet waren und von der Waffe Gebrauch machten.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Zu welchen Befehlen führten diese Erfahrungen auf der deutschen Seite?

DÖNITZ: Sie führten einmal zu dem Befehl, daß Handelsschiffe, die beim Anhalten funkten, warnungslos angegriffen werden konnten. Sie führten ferner zu dem Befehl, daß Handelsschiffe, deren Bewaffnung sicher erkannt war, beziehungsweise deren Bewaffnung bekannt war durch englische Veröffentlichung, warnungslos angegriffen werden konnten.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Dieser Befehl zum Angriff auf bewaffnete Handelsschiffe erging am 4. Oktober 1939. Ist das richtig?

DÖNITZ: Ich glaube, ja.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Kam es dann bald darnach zu einem zweiten Befehl, in dem alle feindlichen Handelsschiffe angegriffen werden durften, und weshalb kam es dazu?

DÖNITZ: Ich glaube, daß die Seekriegsleitung sich zu diesem Befehl entschloß auf Grund der englischen Veröffentlichung, daß nunmehr die Bewaffnung der Handelsschiffe durchgeführt sei. Es kam weiter hinzu eine Veröffentlichung der englischen Admiralität über den Rundfunk am 1. Oktober, daß die Handelsschiffe Anweisung hätten, die deutschen U-Boote zu rammen und daß ferner – wie eingangs gesagt-es eindeutig klar war, daß jedes Handelsschiff in die Nachrichtenorganisation des Gegners eingegliedert war und seine Funksprüche beim Sichten eines U-Bootes maßgeblich waren für den Einsatz von See- oder Luftstreitkräften.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hatten Sie Meldungen darüber vorliegen von U-Booten, wonach durch dieses Verhalten der feindlichen Handelsschiffe die U-Boote auch tatsächlich gefährdet wurden und von feindlichen See- oder Luftstreitkräften angegriffen wurden?

DÖNITZ: Jawohl, ich hatte eine ganze Reihe von Meldungen in dieser Beziehung erhalten und habe, da die deutschen Maßnahmen immer etwa vier Wochen hinter der Erkenntnis dieser Dinge beim Gegner getroffen wurden, in der Zwischenzeit für mich auch sehr schmerzliche Verluste gehabt in der Zeit, wo ich mich eben einseitig noch an die für mich gefährlichen Verpflichtungen halten mußte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Mit dieser Verpflichtung meinen Sie die Pflicht, Handelskrieg nach der Prisenordnung zu führen in einem Zeitpunkt, in dem die gegnerischen Handelsschiffe ihren friedfertigen Charakter aufgegeben hatten.

DÖNITZ: Jawohl.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie denn nun den Weisungen der Seekriegsleitung widersprochen, die zu einer Verschärfung des Handelskrieges führten, oder haben Sie diese Weisungen gebilligt?

DÖNITZ: Nein, ich habe ihnen nicht widersprochen, im Gegenteil, ich habe sie für richtig empfunden, weil, wie ich schon sagte, ich sonst an eine für mich verlustreiche einseitige Verpflichtung gebunden blieb.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Lag diese Verschärfung des Handelskrieges durch den Befehl, auf bewaffnete Schiffe zu schießen, und später durch den Befehl, alle feindlichen Handelsschiffe anzugreifen, im freien Ermessen der Seekriegsleitung, oder war das eine zwangsläufige Entwicklung?

DÖNITZ: Diese Entwicklung war, wie bereits gesagt, ganz zwangsläufig. Wenn die Handelsschiffe bewaffnet werden und von ihrer Waffe Gebrauch machen, wenn sie funken und dadurch sofort die Abwehr heranholen, so zwingen sie das U-Boot ins Wasser, zum warnungslosen Angriff. Dieselbe zwangsläufige Entwicklung ist in den von uns bewachten Seeräumen auch für die englische U-Bootwaffe der Fall gewesen und hat genau so für amerikanische und russische U- Boote gegolten.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wenn auf der einen Seite ein Handelsschiff funkt und schießt und auf der anderen Seite das U-Boot aus diesem Grund warnungslos angreift, welche Seite hat von dieser Entwicklung, Ihrer Erfahrung nach, den Vorteil? Die Seite des Handelsschiffes oder die Seite des U-Bootes?

DÖNITZ: Im Seeraum, wo keine ständige Überwachung durch den Gegner durch Seestreitkräfte irgendwelcher Art oder durch Flugzeuge vorhanden ist, also unter der Küste, hat das U-Boot den Vorteil. In allen anderen Gebieten aber wird der Dampfer dadurch zum Träger der Hauptbekämpfungswaffen des U-Bootes, und das U-Boot muß nun diesem Dampfer gegenüber sich wie einem Kriegsschiff gegenüber benehmen, wird also ins Wasser gezwungen, verliert seine Geschwindigkeit. Also, in allen Seeräumen, bis auf das Küstenvorfeld mit der ständigen Überwachung, liegt der Vorteil der Bewaffnung der Handelsschiffe auf seiten der Handelsschiffe.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sind Sie der Auffassung, daß die von der Seekriegsleitung erteilten Befehle nun wirklich im Rahmen dessen blieben, was militärisch durch die Maßnahmen des Gegners notwendig war, oder gingen diese Befehle über das militärisch Notwendige hinaus?

DÖNITZ: Sie blieben unbedingt im Rahmen dessen, was notwendig war. Ich habe ja schon erklärt, daß die Konsequenz immer erst allmählich und nach sehr gründlicher Prüfung durch die Seekriegsleitung vollzogen wurde Diese sehr gründliche Prüfung mag auch damit begründet gewesen sein, daß politisch jede unnötige Verschärfung im Westen vermieden werden sollte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Diese Befehle, von denen wir sprachen, beruhten ja damals nur auf den deutschen Erfahrungen und ohne eine genaue Kenntnis der Befehle, die von britischer Seite ergangen waren. Ich möchte Ihnen jetzt diese Befehle vorhalten, deren Kenntnis wir ja durch einen Beschluß des Gerichts erhalten haben und möchte Sie fragen, ob diese einzelnen Befehle nun mit Ihren Erfahrungen in Übereinstimmung sind oder etwas anderes bedeuten. Ich übergebe die Befehle der britischen Admiralität als Beweismittel Dönitz 67. Es ist abgedruckt auf Seite 163 im Urkundenbuch 3.

Wie Sie wissen, handelt es sich um ein Handbuch der Britischen Marine von 1938, und ich halte Ihnen vor auf der Seite 164 den Absatz über Feindmeldungen.

DÖNITZ: Hier sind keine Seitenzahlen angegeben.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Es ist D.M.S. 3-I-55, der Abschnitt über das Funken. Die Überschrift »Feindmeldung«.

DÖNITZ: Ja.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich lese Ihnen den Absatz vor:

»Sobald der Kapitän eines Handelsschiffes bemerkt, daß ein feindliches Schiff oder Flugzeug in Sicht ist, ist es seine erste und wichtigste Pflicht, über den Typ und Standort des Feindes durch Funkspruch Mitteilung zu machen. Solch ein Bericht kann, wenn er schnell abgegeben wird, unter Umständen nicht nur das Schiff, sondern auch viele andere retten; dadurch kann sich eine, vielleicht nicht wiederkehrende, Gelegenheit für die Vernichtung des Angreifers durch eines unserer Kriegsschiffe oder Flugzeuge ergeben.«

Es folgen dann noch Einzelheiten, die ich nicht vorlesen möchte, über die Art und Weise, wann und wie gefunkt werden muß.

Entspricht dieser Befehl unseren Erfahrungen?

DÖNITZ: Jawohl. In diesem Befehl ist ja nicht nur etwa eine Anweisung enthalten zu funken, wenn das Schiff durch ein U-Boot angehalten wird, was allein schon völkerrechtlich das U-Boot berechtigt, sofort mit Waffengewalt gegen das Schiff vorzugehen, sondern weit darüber hinausgehend ist gesagt: Sowie ein feindliches Schiff in Sicht ist, ist diese Meldung abzugeben zwecks rechtzeitigen Angriffs durch Seestreitkräfte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Es entspricht also dieser Befehl den Erfahrungen, die unsere U-Boote gemeldet haben?

DÖNITZ: Durchaus.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich halte Ihnen jetzt vor den Abschnitt D.M.S. 2-VII auf Seite 165, das ist der Abschnitt über die Eröffnung des Feuers. »Voraussetzungen für die Eröffnung des Feuers.«

»a) Gegen feindselige Handlungen im Einklang mit dem Völkerrecht. – Da die Bewaffnung lediglich für den Zweck der Selbstverteidigung bestimmt ist, so darf sie nur gegen einen Feind verwendet werden, der offensichtlich versucht, das Handelsschiff zu kapern oder zu versenken. Bei Kriegsausbruch muß an genommen werden, daß der Feind dem Völkerrecht gemäß handeln wird, und das Feuer sollte deshalb nicht eröffnet werden, solange es nicht feststeht, daß er einen Kaperversuch macht. Sobald klar ist, daß zur Vermeidung der Kaperung Widerstand geleistet werden muß, ist das Feuer unverzüglich zu eröffnen.

b) Gegen völkerrechtswidrige Handlungen des Feindes. – Wenn bei der Fortdauer des Krieges es sich bedauerlicherweise zeigen sollte, daß der Feind dazu übergegangen ist, dem Völkerrecht zuwider Handelsschiffe ohne Warnung anzugreifen, so wird es dann zulässig sein, das Feuer auf feindliche Schiffe, U- Boote und Flugzeuge zu eröffnen, selbst wenn diese noch nicht angegriffen oder die Übergabe verlangt haben, falls eine solche Handlung den Feind daran zu verhindern geeignet ist, eine günstige Stellung für seinen Angriff zu gewinnen.«

Entspricht dieser Befehl den Erfahrungen, und zwar der Befehl a) und der Befehl b)?

DÖNITZ: In der Praxis läßt sich zwischen dem Verfahren a) und dem Verfahren b) gar kein Unterschied feststellen. Ich möchte darauf hinweisen in diesem Zusammenhang auf die Ziffer D.M.S. 3-III, Seite 167. Offenbar unter IV., das ist der letzte Absatz unter b) dieser genannten Ziffer.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Einen Augenblick, meinen Sie b)-V.?

DÖNITZ: Hier steht b)-IV. Dort steht...

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das ist nicht abgedruckt, Herr Präsident.

DÖNITZ:

»Schiffe mit Verteidigungsbewaffnung sollen das Feuer eröffnen, um einen Feind fernzuhalten«, das ist b)-IV, »falls er nach ihrer Ansicht offensichtlich eine Kaperung beabsichtigt und wenn er sich so weit nähert, daß ein Fluchtversuch dadurch gefährdet wird.«

Das heißt also, sobald der Dampfer ein U-Boot sieht, von dem er ja im Kriege annehmen muß, daß es nicht umsonst dort zur See fährt, sondern kapern will, so wird er zu seiner Verteidigung das Feuer eröffnen, sobald er mit seinem Geschütz Reichweite hat, das heißt, wenn das U-Boot in den Entfernungsbereich seines Geschützes gekommen ist. Anders kann der Dampfer sich bei einer offensiven Verwendung seines Geschützes auch nicht benehmen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Haben sich denn nun die bewaffneten feindlichen Schiffe tatsächlich so benommen, wie Sie es eben schilderten, das heißt, haben sie wirklich geschossen, sobald ein U-Boot in ihre Reichweite kam?

DÖNITZ: Jawohl, es hat bereits... meiner Erinnerung nach war die erste Meldung von einem U-Boot darüber am 6. September 1939.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Nun ist in diesem Befehl aber abgedruckt noch eine Ergänzung unter A.M.S.I. 118 vom 13. Juni 1940 auf der Seite 165, und darin heißt es:

Haben Sie 118?

Darin heißt es:

»Unter Bezugnahme auf D.M.S. Teil I, Art. 53 wird nunmehr als feststehend angesehen, daß der Feind dazu übergegangen ist, bei U-Boot- und Luftoperationen Handelsschiffe ohne Warnung anzugreifen. Die Bestimmungen des Unterabsatzes b) dieses Artikels sind daher als in Kraft befindlich zu betrachten.«

Das heißt also, daß der vorhin vorgelesene Befehl b) erst vom 13. Juni 1940 an als in Kraft befindlich anzusehen war. Wollen Sie sagen, daß tatsächlich schon vorher, und zwar ganz von Anfang an, nach dem Befehl b) gehandelt wurde?

DÖNITZ: Ich habe bereits erklärt, daß zwischen einer offensiven und defensiven Waffenverwendung von einem Dampfer gegen ein U-Boot praktisch gar kein Unterschied ist, daß es eine rein theoretische Unterscheidung ist. Aber auch, wenn man eine solche Unterscheidung getroffen hat, so war zweifelsohne die Reuter-Veröffentlichung – und ich glaube vom 9. September –, die nichtzutreffenderweise sagte, daß wir uneingeschränkt U-Bootkrieg führten, dazu bestimmt, daß die Dampferkapitäne wußten, daß nun der Fall b) gilt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich halte Ihnen nun vor die Bestimmung über die Handhabung der Wasserbomben auf Handelsschiffe. Das ist auf dem Nachschlageblatt, Seite 168, abgedruckt. Die Überschrift ist: »Nachschlageblatt (D)«, Datum ist der »14. September 1939«.

»Die folgenden Instruktionen sind an alle W.P.S.'s ergangen: Es ist jetzt entschieden worden, auf allen mit Abwehrwaffen ausgerüsteten Handelsschiffen von 12 Knoten oder mehr Geschwindigkeit eine einzige Wasserbombengleitbahn mit Handauslöser und drei Ladungen anzubringen.«

Es folgen dann noch Einzelheiten und am Schluß ein Hinweis auf die Ausbildung der Mannschaften im Gebrauch der Unterwasserbomben. Das Dokument geht an einen Verteiler zahlreicher Seeoffiziere.

Entspricht auch diese Handhabung der Wasserbomben durch Handelsschiffe den Erfahrungen? Wurden solche Wasserbombenangriffe der Handelsschiffe beobachtet?

DÖNITZ: Jawohl, wiederholt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Kann man bei einem Schiff, das 12 Knoten oder mehr läuft, überhaupt sagen, daß ein Wasserbombenangriff auf ein U-Boot eine defensive Maßnahme ist?

DÖNITZ: Nein. Jeder Wasserbombenangriff gegen ein U-Boot ist eine eindeutige und absolut offensive Maßnahme, denn das U-Boot ist getaucht, ungefährlich an einem Ort im Wasser, und das Fahrzeug, das den Wasserbombenangriff durchführen will, läuft ja angreifend möglichst genau nach der Stelle hin, wo es das U-Boot vermutet, um dem U-Boot so präzise wie möglich die Wasserbomben auf den Kopf zu werfen. Anders greift ein Torpedoboots-Zerstörer, also ein Kriegsschiff, ein U-Boot auch nicht an.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Mit diesem Verhalten der feindlichen Handelsschiffe begründen Sie also das Vorgehen gegenüber den feindlichen Schiffen. Nun sind ja aber auch neutrale Schiffe in Mitleidenschaft gezogen worden, und die Anklage wirft das der deutschen U-Bootkriegführung ausdrücklich vor. Was sagen Sie dazu?

DÖNITZ: Neutrale Handelsschiffe wurden nach den politischen Befehlen, den Befehlen der Seekriegsleitung, nur dort warnungslos angegriffen, wo sie sich in ausdrücklich erklärte Operationsgebiete hineinbegaben oder selbstverständlich nur dann, wenn sie sich nicht wie ein Neutraler verhielten, sondern wie ein Schiff, das am Kriege beteiligt war.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Die Anklage hat nun eine Urkunde vorgelegt, wonach in bestimmten Seegebieten der warnungslose Angriff auf Neutrale freigegeben war, und zwar vom Januar 1940 an. Ich meine das Dokument der Anklage GB-194. Ich lese Ihnen den Satz vor, den die Anklage zum Vorwurf macht.

VORSITZENDER: Welche Seite ist es?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Es ist im britischen Dokumentenbuch auf Seite 30, Herr Präsident. Im Dokumentenbuch der Anklage Seite 30.

Ich lese Ihnen den Satz vor, der Ihnen zum Vorwurf gemacht wird:

»Im Bristol-Kanal ist das warnungslose Vorgehen gegen jeglichen Schiffsverkehr freigegeben, wobei nach außen Minentreffer vorzutäuschen sind.«

Dieser Befehl ist datiert vom 1. Januar 1940. Wollen Sie mir sagen, ob zu diesem Zeitpunkt wirklich die Neutralen schon gewarnt waren vor dem Befahren dieses Seegebietes?

DÖNITZ: Jawohl. Deutschland hatte den Neutralen am 24. November 1939 eine Note gesandt und vor dem Befahren gewarnt und hatte den Neutralen das Verfahren der USA empfohlen, das ja von sich aus, um irgendwelche Zwischenfälle zu vermeiden, amerikanischen Schiffen das Befahren der Gewässer um England verboten hatte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich werde Ihnen diese Note, die Sie meinen, vorhalten und werde sie gleichzeitig dem Tribunal übergeben als Beweismittel Dönitz 73, abgedruckt auf Seite 206 des Urkundenbuches, des Urkundenbuches 4, Seite 206.

Es ist ein Auszug aus dem Kriegstagebuch der Seekriegsleitung vom 24 November 1939. Er lautet:

»An die Missionen gemäß beiliegender Liste. Telegramm. Anschluß an Drahterlaß vom 22. Oktober Bitte dortiger Regierung folgendes mitteilen: Seit der am (Datum dort einzusetzen) ausgesprochenen Warnung Benützung englischer und französischer Schiffe, sind nachstehende zwei Tatsachen zu verzeichnen:

a) Vereinigte Staaten haben ihren Schiffen Befahren genau abgegrenzten Gebietes verboten.

b) Zahlreiche feindliche Handelsschiffe sind bewaffnet worden. Es ist bekannt, daß diese bewaffneten Schiffe Weisung haben, Waffen auch aggressiv zu verwenden und U-Boote zu rammen.

Diese beiden neuen Tatsachen geben Reichsregierung Anlaß, erneut und verstärkt zu warnen, daß im Hinblick auf die mit allen Mitteln moderner Kriegstechnik geführten und sich häufenden Kampfhandlungen in Gewässern rund um britische Inseln und in der Nähe der französischen Küste dort Sicherheit für neutrale Schiffahrt nicht mehr als gegeben angesehen werden kann.

Deutsche Regierung empfiehlt daher dringend, für die Überquerung Nordsee den Weg südlich und östlich des deutschen Warngebietes zu wählen.

Im Interesse weiterer Aufrechterhaltung friedlichen Schiffsverkehrs neutraler Staaten, und um Verlusten an Leben und Eigentum Neutraler vorzubeugen, sieht sich Reichsregierung ferner veranlaßt, gesetzgeberische Maßnahmen nach dem Vorbild der Regierung der Vereinigten Staaten dringend zu empfehlen, die in Voraussicht der Gefahren des modernen Seekrieges ihren Schiffen das Befahren eines genau abgegrenzten Gebietes untersagt hat, in dem nach Worten Präsidenten Vereinigter Staaten derzeitige Kriegshandlungen den Verkehr amerikanischer Schiffe gefährdet erscheinen lassen.

Reichsregierung muß darauf aufmerksam machen, daß sie Verantwortung für Folgen ablehnt, die entstehen, wenn Warnung und Empfehlung nicht befolgt werden.«

Das ist die Note, die Sie meinen, Herr Großadmiral?

DÖNITZ: Ja.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Dann waren also nach Ihrer Auffassung diese Versenkungen, die vom 1. Januar ab im Bristol-Kanal vorgenommen werden durften, rechtmäßig?

DÖNITZ: Jawohl; diese Seegebiete waren klar umgrenzte Räume, in denen ständig beiderseitige Kriegshandlungen stattfanden. Die Neutralen waren vor dem Befahren dieser Räume ausdrücklich gewarnt. Wenn sie sich nun in dieses Kriegsgebiet hineinbegeben, müssen sie auch das Risiko tragen, zu Schaden zu kommen. Entsprechend hat England in seinen Operationsgebieten in unseren Gewässern auch verfahren.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wenn Sie nun diese Versenkung als rechtmäßig ansahen, weshalb wurde dann befohlen, nach Möglichkeit ungesehen anzugreifen zur Aufrechterhaltung der Fiktion von Minentreffern; liegt darin nicht das Zeichen eines schlechten Gewissens?

DÖNITZ: Nein. Es gibt im Krieg keine grundsätzliche Verpflichtung, dem Gegner mitzuteilen, mit welchen Mitteln man kämpft. Das ist nicht eine Frage also der Rechtmäßigkeit, sondern eine Frage der militärischen oder politischen Zweckmäßigkeit.

England hat in seinen Operationsgebieten uns auch nicht mitgeteilt, welche Art Kampfmittel es ansetzt oder angesetzt hat, und ich weiß, wie großes Kopfzerbrechen mir das gemacht hat, als ich Oberbefehlshaber der Kriegsmarine nachher war, um die geringen Mittel, die wir hatten, ökonomisch einzusetzen.

Das ist das Grundsätzliche. Als ich damals als Befehlshaber der U-Boote diesen Befehl bekam, nach Möglichkeit Minentreffer vorzutäuschen, habe ich das militärisch für zweckmäßig gehalten, weil die Abwehr dann im Zweifel gewesen war, ob sie Minensuchstreitkräfte, oder ob sie U-Bootsabwehrmittel ansetzen sollte.

Es war also für den Kriegführenden ein militärischer Vorteil, und ich glaube heute auch, daß politische Gründe für diese Entscheidung mitgespielt haben mögen, um Komplikationen mit Neutralen zu vermeiden.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wie konnten Komplikationen mit Neutralen entstehen, Ihrer Ansicht nach, wenn die Seekriegsmaßnahme rechtmäßig war?

DÖNITZ: Wir hatten im ersten Krieg die Erfahrung gemacht, welche Rolle die Propaganda spielt. Ich halte es also für möglich, daß unsere Staatsführung, unsere politische Führung, aus diesen Gründen mit zu dem Befehl veranlaßt worden ist.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Aus eigenem Erlebnis wissen Sie über diese politischen Gründe nichts?

DÖNITZ: Gar nichts.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie haben bisher über die Befehle gesprochen, die die U-Boote erhielten, einmal zur Bekämpfung feindlicher Schiffe und zweitens zur Bekämpfung beziehungsweise zur Untersuchung neutraler Schiffe. Wurden diese Befehle nun auch tatsächlich befolgt? Das war ja wohl Ihr Verantwortungsbereich in erster Linie?

DÖNITZ: Kein U-Bootkommandant hat absichtlich einen Befehl überschritten oder nicht ausgeführt. Es sind natürlich bei der ungeheuren Zahl von Kampfhandlungen, die in mehrere Tausend gehen innerhalb der fünfeinhalb Jahre, sehr wenige einzelne Fälle vorgekommen, wo aus Versehen ein solcher Befehl nicht befolgt wurde.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wie konnte es zu einem solchen Versehen kommen?

DÖNITZ: Jeder Seemann weiß, wie leicht solche Verwechslungsmöglichkeiten auf See sind, nicht nur im Kriege, sondern sogar im Frieden, bedingt durch Sicht, Wetterverhältnisse und so weiter.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ist es auch möglich, daß an den Grenzen der Operationsgebiete U-Boote torpediert haben, obwohl sie sich schon außerhalb der Grenzen befanden?

DÖNITZ: Das ist natürlich auch möglich. Denn wieder jeder Seemann weiß, daß zum Beispiel nach einigen Tagen Schlechtwetter eine Schiffsort-Ungenauigkeit sehr leicht möglich ist. Sie kann sowohl aber bei dem U-Boot liegen, wie bei dem Dampfer liegen, der vielleicht glaubte, außerhalb des Operationsgebietes torpediert worden zu sein. Solche Fälle werden sich sehr schwer vollkommen aufklären lassen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Was haben Sie nun als Befehlshaber der U-Boote veranlaßt, wenn Sie von einem derartigen Fall Kenntnis bekamen, in dem ein U-Boot seine Befehle überschritten hatte, wenn auch unabsichtlich?

DÖNITZ: Die Hauptsache war die vorbeugende Maßnahme durch eine Erziehung zur Gründlichkeit und ruhigen sachlichen Prüfung, bevor der Kommandant handelte. Diese Erziehung ist entsprechend schon im Frieden betrieben worden, daß bei uns in der U-Bootorganisation das Schlagwort geprägt wurde: »Wir sind eine solide Firma«.

Das zweite war, daß, im Kriege jeder Kommandant, bevor er auslief, und jeder Kommandant, wenn er von seiner Unternehmung zurückkam, mir persönlich Rechenschaft abstatten mußte, beziehungsweise vor dem Auslaufen von mir unterrichtet wurde.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Verzeihung, Herr Großadmiral. Das war nicht mehr, als Sie Oberbefehlshaber waren?

DÖNITZ: Das war eingeschränkt nach 1943, als ich Oberbefehlshaber war. Es ist auch dann noch vorgekommen. Jedenfalls war das die absolute Regel zu meiner Zeit als Befehlshaber der U-Boote, so daß eine Unternehmung eines Kommandanten erst dann als abgeschlossen und zufriedenstellend oder nicht galt, wenn er mir seine gründliche Rechenschaft abgelegt hatte. Stellte ich dabei bei einem solchen Vorkommnis eine fahrlässige Schuld fest, so entschied ich, je nach Lage des Falles, ob eine disziplinare oder eine kriegsgerichtliche Untersuchung und Bestrafung stattzufinden hatte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich habe hier in einem Dokument der Anklage einen Vermerk gefunden, GB-198, abgedruckt auf Seite 230 im Urkundenbuch Nummer 4, den ich Ihnen vorhalten möchte. Es ist ein Kriegstagebuch des Befehlshabers der U-Boote, also von Ihnen.

Ich lese die Eintragung vom 25. September 1942:

»U-512 meldet, daß ›Monte Gorbea‹ vor Torpedierung als neutrales Schiff erkannt wurde. Vermutete Verdachtmomente für getarnten Engländer sind unzureichend und rechtfertigen nicht die Versenkung. Der Kommandant wird sich für sein Verhalten vor einem Kriegsgericht zu verantworten haben. Alle Boote in See erhalten Kenntnis.«

Zwei Tage später, am 27. September 1942, ergeht dazu noch ein Funkspruch an alle. Ich lese:

»Funkspruch an alle.

Der O.d.M. hat persönlich und ausdrücklich erneut befohlen, daß alle U-Bootkommandanten die Befehle über die Behandlung neutraler Schiffe genauestens einzuhalten haben. Übertretung dieser Befehle hat unübersehbare politische Auswirkungen zur Folge. Dieser Be fehl ist sämtlichen Kommandanten sofort bekanntzugeben.«

Wollen Sie mir sagen, was aus diesem Kriegsgericht, das Sie hier befohlen haben, geworden ist?

DÖNITZ: Ich hatte dem Kommandanten meinen Funkspruch gemacht, daß er sich nach Rückkehr vor einem Kriegsgericht zu verantworten habe wegen der Versenkung. Der Kommandant ist von dieser Unternehmung mit seinem Boot nicht zurückgekehrt. Es ist daher nicht zu diesem Kriegsgericht gekommen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie in irgendeinem anderen Fall Erfahrungen gemacht, wie die Kriegsgerichte sich zu den schwierigen Aufgaben der U-Bootkommandanten einstellten, wenn Sie ein Kriegsgericht anordneten?

DÖNITZ: Jawohl. Ich entsinne mich eines Falles gegen den Kapitänleutnant Krämer, der von dem Kriegsgericht freigesprochen werden mußte, weil er nachweislich vor dem Angriff, vor dem Schuß, nochmals am Sehrohr die Ankündigung des Schiffes – es hatte sich um einen deutschen Blockadebrecher gehandelt – durchgelesen hatte und trotzdem der Ansicht war, es ist ein anderes Schiff, ein feindliches, und er zur Versenkung berechtigt war; weil eine Fahrlässigkeit also nicht vorlag, wurde er in diesem Falle freigesprochen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Haben Sie, nach dem gesamten Ergebnis Ihrer Maßnahme der Belehrung und Beratung, den Eindruck, daß genug geschehen ist, um die U-Bootkommandanten dazu anzuhalten, Ihre Befehle zu befolgen, oder sind Ihnen die U-Bootkommandanten letzten Endes in der Einhaltung der Befehle nicht mehr gefolgt?

DÖNITZ: Ich finde, man braucht sich über diese Frage gar nicht zu unterhalten. Die nüchternen Tatsachen sprechen für sich. Es sind in den fünfeinhalb Jahren mehrere tausend Kampfhandlungen durch die U-Boote erfolgt. Die Zahl der Zwischenfälle ist ein außerordentlich einmalig geringer Bruchteil, und ich weiß, daß dieses Ergebnis nur der einheitlichen Führung aller U-Bootkommandanten von einer Stelle, entsprechender Unterrichtung und Verantwortlichkeit zu verdanken ist.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Sie haben verstanden, daß Sie schneller sprechen können.

Die Anklage hat nun ein Dokument vorgelegt. Es ist GB-195. Es ist auf der Seite 32 des Urkundenbuches der Anklage abgedruckt. In diesem Dokument ist eingetragen ein Befehl des Führers vom 18. Juli 1941 und es heißt dort:

»Im ursprünglichen Operationsgebiet, das in seinen Abmessungen der USA-Sperrzone für USA-Schiffe ent spricht und das von Seeweg USA-Island nicht berührt wird, wird der Angriff auf in englischem oder USA-Geleit fahrende oder einzeln fahrende USA-Handelsschiffe freigegeben.«

Im Anschluß an diesen Befehl des Führers hat die Anklage Ihr Verhalten, Herr Großadmiral, als zynisch und opportunistisch bezeichnet.

Bitte wollen Sie zunächst einmal dem Tribunal erläutern, was dieser Befehl hier eigentlich bedeutet?

DÖNITZ: Es war im August 1940 von Deutschland dieses Operationsgebiet in englischen Gewässern erklärt worden. Von dem warnungslosen Angriff in diesem Operationsgebiet wurden jedoch ausdrücklich die Schiffe der USA ausgenommen, weil, wie ich glaube, die politische Führung irgendeine Möglichkeit eines Zwischenfalles mit den USA vermeiden wollte. Ich sagte, politische Führung. Die Anklage hat mir hinsichtlich der Behandlung und des Verhaltens, des unterschiedlichen Verhaltens den Neutralen gegenüber eine meisterhafte Beweglichkeit in der Anpassung vorgeworfen, die durch Zynismus und Opportunismus gesteuert ist oder gesteuert war. Klar ist doch, daß das Verhältnis zu Neutralen in einem Staat eine rein politische Angelegenheit ist und daß besonders in einer Nation, die sich im Kriege befindet, dieses Verhältnis ausschließlich von der politischen Führung entschieden wird.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie wollen damit sagen, daß Sie mit der Gestaltung dieser Frage überhaupt nichts zu tun hatten?

DÖNITZ: Daß ich als Soldat nicht das allergeringste... oder den geringsten Einfluß darauf gehabt habe, wie die politische Führung glaubte, den oder jenen Neutralen behandeln zu müssen. Zu diesem bestimmten Fall möchte ich jedoch aus der Kenntnis der Befehle, die ich durch den Chef der Seekriegsleitung von der politischen Führung übernommen habe, folgendes sagen:

Ich glaube, daß die politische Führung alles vermieden hat, um irgendeinen Zwischenfall auf dem Wasser mit der USA zu vermeiden.

Erstens: Ich sagte schon, daß es den U-Booten sogar verboten war, amerikanische Schiffe überhaupt anzuhalten.

Zweitens:...

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Einen Augenblick mal, Herr Großadmiral. Wo anzuhalten, im Operationsgebiet oder außerhalb des Operationsgebietes?

DÖNITZ: Zunächst überall.

Zweitens: Daß ohne weiteres von Deutschland die amerikanische Dreihundert-Seemeilen-Sicherheitszone zugestanden wurde, obwohl nach dem geltenden Völkerrecht nur eine Dreimeilenzone zuständig war...

Drittens: Daß...

VORSITZENDER: Herr Dr. Kranzbühler! Ein interessanter Unterschied, der zwischen den Vereinigten Staaten und anderen Neutralen gezogen werden kann, ist doch in diesem Prozeß nicht erheblich, nicht wahr? Welchen Unterschied macht das?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Im Anschluß an das von mir vorgelegte Dokument GB-195 hat die Anklage den Vorwurf erhoben, daß Admiral Dönitz den U-Bootkrieg zynisch und opportunistisch geführt habe, und zwar indem er den einen Neutralen gut und den anderen schlecht behandelt habe. Dieser Vorwurf ist ausdrücklich erhoben worden, und ich möchte Admiral Dönitz Gelegenheit geben, sich zu diesem Vorwurf zu äußern. Er hat bereits gesagt, daß er mit der Gestaltung dieser Frage überhaupt nichts zu tun hatte.

VORSITZENDER: Was kann er noch mehr sagen?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Präsident! Nach den Grundsätzen des Statuts wird ja ein Soldat auch verantwortlich gemacht für die Befehle, die er ausführt. Ich meine deshalb, er muß sich dazu äußern können, ob er seinerseits den Eindruck hatte, daß ihm hier zynische und opportunistische Befehle gegeben wurden, oder ob er nicht umgekehrt den Eindruck hatte, daß alles geschehen ist, um einen Konflikt zu vermeiden, und daß die Befehle, die gegeben wurden, wirklich notwendig und richtig waren.

VORSITZENDER: Sie sind nun mit diesem Befehl über die USA-Schiffe fertig?

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich bin sofort fertig, jawohl.