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[Zum Zeugen gewandt:]

Wollten Sie über den dritten Punkt noch etwas sagen, Herr Großadmiral?

DÖNITZ: Ich wollte noch zwei oder drei Punkte zu diesem Thema anführen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ich glaube, das ist möglich.

VORSITZENDER: Sie können weiterfahren, Herr Dr. Kranzbühler, aber der Gerichtshof hofft, daß Sie diesen Punkt kurz behandeln. Es scheint dem Gerichtshof sehr unwichtig zu sein.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Jawohl.

DÖNITZ: Ich hatte zum Beispiel den Vorschlag gemacht, vor Halifax, dem englischen Hafen Neu- Schottlands, und vor Reykjavik, beides Plätze wichtigen Kriegs- und Handelsschiffsverkehrs, Minen zu legen. Die politische Führung, der Führer, lehnte das ab, weil er jede Friktionsmöglichkeit mit den USA vermeiden wollte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Darf ich Ihren Eindruck dahin zusammenfassen, daß Sie aus den Befehlen zur Behandlung der Schiffe der Vereinigten Staaten keineswegs den Eindruck hatten, daß hier Opportunismus oder Zynismus herrschte, sondern daß mit größter Zurückhaltung alles geschah, um einen Konflikt mit den Vereinigten Staaten zu vermeiden?

DÖNITZ: Jawohl, das ging sogar so weit, als die amerikanischen Zerstörer im Sommer 1941 Anweisung erhielten, die deutschen U-Boote anzugreifen, also vor Kriegsausbruch, als neutraler Staat und mir verboten wurde, mich vorher zu wehren, ich nun auch gezwungen war, den U-Booten in diesem Raum auch Angriffe auf englische Zerstörer zu verbieten, um zu vermeiden, daß ein Amerikaner einmal von einem U- Boot für einen Engländer gehalten werden konnte.

VORSITZENDER: Wir vertagen uns nun.

[Das Gericht vertagt sich bis

9. Mai 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertfünfundzwanzigster Tag.

Donnerstag, 9. Mai 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Zeuge Dönitz im Zeugenstand.]

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Mit Erlaubnis des Gerichts setze ich die Vernehmung des Zeugen fort.

[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Großadmiral! Wieviele Handelsschiffe wurden im Laufe des Krieges von deutschen U-Booten versenkt?

DÖNITZ: Nach den alliierten Angaben 2472.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wieviele Kampfhandlungen der U-Boote waren zu diesem Ergebnis Ihrer Schätzung nach erforderlich?

DÖNITZ: Ich glaube, daß in diesen 2472 versenkten Schiffen nicht die torpedierten Schiffe drin sind und daß selbstverständlich nicht jeder Angriff zum Erfolg führt. Also ich schätze, daß in diesen fünfeinhalb Jahren vielleicht 5- bis 6000 Kampfhandlungen gewesen sind.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hat nun bei all diesen Kampfhandlungen irgendeiner der Ihnen unterstellten U-Bootkommandanten Ihnen gegenüber ein Bedenken geäußert über die Art, wie die U-Boote vorgingen?

DÖNITZ: Nein, keinesfalls.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Was hätten Sie mit einem Kommandanten getan, der sich Ihnen gegenüber geweigert hätte, die erteilten Befehle über den U-Bootkrieg auszuführen?

DÖNITZ: Ich hätte ihn erst einmal untersuchen lassen. Wenn er normal war, hätte ich ihn vor ein Kriegsgericht gestellt.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Das konnten Sie doch mit gutem Gewissen nur dann tun, wenn Sie selbst die volle Verantwortung übernahmen für die Befehle, die Sie entweder erteilt haben oder die Sie weitergeleitet haben?

DÖNITZ: Selbstverständlich tue ich das.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Bei den Kampfhandlungen der U-Boote sind ja nun ohne Zweifel Besatzungsmitglieder von Handelsschiffen ums Leben gekommen. Betrachten Sie die Besatzung feindlicher Handelsschiffe wie Soldaten oder wie Zivilisten und aus welchen Gründen?

DÖNITZ: Deutschland betrachtete diese Besatzung der Handelsschiffe als Kombattanten, weil sie mit den Waffen kämpften, die zahlreich an Bord der Handelsschiffe eingebaut waren. Es war so, daß zur Bedienung dieser Waffen vielleicht, nach unserer Kenntnis, ein bis zwei Soldaten der Königlichen Marine an Bord waren, daß aber zum Beispiel bei einem Geschütz die übrige Bedienung des Geschützes von der Dampferbesatzung gestellt wurde.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wieviel waren das für ein Geschütz?

DÖNITZ: Das wird verschieden sein, je nach Größe des Geschützes, mag es zwischen fünf und zehn schwanken. Dazu werden noch Munitionsmänner gekommen sein. Dasselbe gilt für die Bedienung der Wasserbombenablaufbahn und Wasserbombenwerfer. Die Dampferbesatzungsmitglieder taten also dasselbe, sie kämpften mit den Waffen genau so wie die sehr wenigen Soldaten, die auf dem Dampfer an Bord eingeschifft waren. Es war auch selbstverständlich, daß die Dampferbesatzung als Einheit galt, denn bei einem Kriegsschiff zum Beispiel kann ich auch nicht unterscheiden zwischen dem Mann, der unten heizt und an der Maschine steht oder oben eine Kanone bedient.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Hat diese Auffassung, daß die Besatzungsmitglieder der feindlichen Handelsschiffe Kombattanten seien, Einfluß ausgeübt auf die Frage, ob man sie retten könne oder solle oder nicht?

DÖNITZ: Nein, in keiner Weise, denn selbstverständlich hat jeder Soldat den Anspruch auf Rettung, wenn die Verhältnisse es seinem Gegner gestatten. Diese Tatsache hätte aber Einfluß für die Berechtigung, auch die Besatzung bekämpfen zu dürfen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Meinen Sie, bekämpfen, solange sie sich an Bord des Schiffes befanden?

DÖNITZ: Selbstverständlich, etwas anderes kann gar nicht in Frage kommen, das heißt Bekämpfung durch die Waffen, die bei einem kriegsmäßigen Angriff gegen ein Schiff eingesetzt wurden.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Sie wissen nun, daß die Anklage ein Dokument vorgelegt hat über eine Unterhaltung zwischen Adolf Hitler und dem Japanischen Botschafter Oshima. Diese Unterhaltung fand am 3. Januar 1942 statt. Es ist das Dokument GB-197, Seite 34 des Urkundenbuches der Anklage.

Die Anklage folgert aus diesem Dokument, in dem Hitler dem Japanischen Botschafter verspricht, er werde einen Befehl zur Tötung Schiffbrüchiger erteilen, daß Hitler einen solchen Befehl tatsächlich erteilt hat und daß Sie ihn ausgeführt haben. Haben Sie unmittelbar oder über die Seekriegsleitung einen schriftlichen Befehl dieser Art erhalten?

DÖNITZ: Ich habe von dieser Unterredung und ihrem Inhalt erst hier durch die Vorlage dieses Protokolls Kenntnis bekommen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Darf ich Sie bitten, meine Frage zu beantworten. Ich habe gefragt, haben Sie einen schriftlichen Befehl erhalten?

DÖNITZ: Nein, ich habe weder einen schriftlichen noch mündlichen Befehl erhalten. Ich habe von dieser Unterredung überhaupt nichts gewußt. Ich habe von der Unterredung durch das Papier, das ich hier gesehen habe, erfahren.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wann haben Sie Hitler denn persönlich zum erstenmal gesehen nach dem Datum dieser Unterredung, also Januar 1942?

DÖNITZ: Ich bin mit dem Großadmiral Raeder am 14. Mai 1942 im Hauptquartier gewesen und hatte ihm über die Lage im U-Bootkrieg berichtet.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Über diesen Vortrag vor dem Führer liegt ein Vermerk von Ihnen vor. Ich möchte Ihnen diesen Vermerk vorhalten. Es ist Dönitz 16, abgedruckt auf Seite 29 des Dokumentenbuches 1.

Ich übergebe das Dokument Dönitz 16.

Ich lese Ihnen das vor. Die Überschrift ist:

»Vortrag des B.d.U. beim Führer am 14. Mai 1942 in Gegenwart des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine,«

also des Großadmirals Raeder.

»Es ist daher notwendig, die Verbesserung der Waffen des U-Bootes mit allen Mitteln zu betreiben, damit das U-Boot der Abwehr gewachsen bleibt. Die wichtigste Entwicklung ist hierbei der Torpedo mit Abstandspistole, der den Torpedoschuß gegen Zerstörer sicherer machen und damit das U-Boot abwehrmäßig günstiger stellen würde, der vor allem aber auch das Sinken torpedierter Schiffe wesentlich beschleunigen, wir hierdurch Torpedos sparen und das U-Boot auch insofern vor der Abwehr schützen würde, als es schneller die Stelle der Kampfhandlung verlassen könnte.«

Jetzt kommt der entscheidende Satz:

»Eine Abstandspistole wird auch den großen Vorteil mit sich bringen, daß sich infolge sehr schnellen Sinkens des torpedierten Schiffes die Besatzung nicht mehr wird retten können. Dieser größere Verlust an Schiffsbesatzungen wird zweifelsohne die Besetzung des großen amerikanischen Bauprogramms mit Mannschaften erschweren.«

Bedeutet dieser letzte Satz, den ich vorgelesen habe, das, was Sie eben als Bekämpfung der Besatzung mit Waffenwirkung...

VORSITZENDER: Sie scheinen diesem Dokument Bedeutung beizulegen. Sie sollten deshalb keine Suggestivfrage stellen, sondern den Angeklagten fragen, was das Dokument bedeutet und nicht Ihre Meinung hineinlegen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Herr Großadmiral! Was sollten diese Ausführungen bedeuten?

DÖNITZ: Sie sollten bedeuten, daß, als ein Ergebnis der Besprechung beim Führer im Hauptquartier, das für uns bemerkenswert war, wieder zu einer vernünftigen Abstandspistole zu kommen, um ein schnelleres Sinken der Schiffe zu erreichen und damit die Erfolge zu haben, die in diesem Vermerk im Kriegstagebuch angegeben sind.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Wollen Sie sagen, welche Erfolge gegenüber den Mannschaften Sie damit meinen?

DÖNITZ: Ich meine, daß nicht wie bisher man mehrere Torpedos brauchte bei einem sehr langen und schwierigen Angriff, um ein Schiff zum Sinken zu bringen, sondern nur einen oder wenige, um dadurch einen schnelleren Verlust des Schiffes und der Besatzung zu erreichen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Ist im Laufe dieser Besprechung mit dem Führer die Frage angeschnitten worden...

DÖNITZ: Jawohl.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Augenblick mal!... die Frage angeschnitten worden, ob andere Mittel möglich wären, Menschenverluste unter den Besatzungen zu erreichen?

DÖNITZ: Jawohl.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: In welcher Weise und von wem?

DÖNITZ: Der Führer schnitt die Frage an, daß erfahrungsgemäß ein sehr hoher Prozentsatz dieser Besatzung an Hand der Vorzüglichkeit der Rettungsmittel nach Hause kämen und immer wieder neue Schiffe besetzten und fragte, ob man gegen diese Rettungsboote nicht vorgehen könne.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Was heißt vorgehen?

DÖNITZ: Ich habe das in diesem Gespräch, an dem auch der Großadmiral Raeder teilnahm, ganz eindeutig abgelehnt und habe ihm erklärt, daß eben die einzige Möglichkeit, um Verluste bei den Besatzungen herbeizuführen, die wäre, bereits beim Angriff durch die erhöhte Waffenwirkung einen schnelleren Untergang des Dampfers zu erzielen. Daher die Bemerkung in meinem Kriegstagebuch.

Ich glaube, nachdem ich hier durch die Anklagebehörde Kenntnis von dem Gespräch zwischen Führer und Oshima bekommen habe, daß diese Frage des Führers an Großadmiral Raeder und mich durch dieses Gespräch ausgelöst war, das Gespräch, das er seinerzeit mit Oshima hatte.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Über dieses Gespräch liegt eine eidesstattliche Erklärung des Großadmirals Raeder vor. Sie kennen den Inhalt. Entspricht dieser Inhalt Ihrer Erinnerung?

DÖNITZ: Jawohl, vollkommen.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Dann möchte ich dem Tribunal als Dönitz 17 die eidesstattliche Erklärung des Großadmirals Raeder vorlegen. Da sie inhaltsgleich ist, brauche ich sie wohl nicht zu verlesen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Um dem Gerichtshof dienlich zu sein möchte ich hier bemerken, daß ich gegen das Affidavit keinen formellen Einspruch erheben werde, da ja wohl der Angeklagte Raeder hier vernommen werden wird.

VORSITZENDER: Gut.

FLOTTENRICHTER KRANZBÜHLER: Es hat die Nummer Dönitz 17 und ist abgedruckt auf Seite 33 des Urkundenbuches 1.