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[Dem Zeugen wird ein Buch vorgelegt.]

MR. DODD: Wir haben eine ganze Reihe Ihrer Liederbücher hier.

VON SCHIRACH: Ja, da ist aber auch ein großer Unterschied. In diesem Buch, in dem das Lied nicht enthalten ist und das eine amtliche Ausgabe der Reichsjugendführung ist, findet sich, wie gesagt, das Lied nicht. Aber es findet sich in einem Liederbuch, das von einem Musikverlag Tonner in Köln herausgegeben wurde und genannt wird »Lieder der Hitler-Jugend«, aber keine amtliche Sammlung der Reichsjugendführung darstellt. Solche Bücher kann jeder Verleger in Deutschland herausgeben.

MR. DODD: Gut, ich will das annehmen, aber Sie werden doch sicherlich nicht ableugnen, daß das Buch benutzt wurde. Das ist, was wir festzustellen versuchen.

VON SCHIRACH: Das weiß ich nicht. Ich weiß nicht, ob das Buch von der Hitler-Jugend benutzt wurde.

MR. DODD: Wissen Sie, daß das Buch, worin das enthalten ist, von Ihnen herausgegeben wurde? –

Nun, jedenfalls möchte ich Ihnen folgendes vorhalten. Ich behaupte nicht oder versuche, Ihnen durch Fragen zu suggerieren, daß irgendeines dieser Lieder an und für sich die Jugend in Deutschland zum Kriege angetrieben oder zum Kriege tauglich gemacht hat; was ich vielmehr beweisen möchte ist, daß Sie im Gegensatz zu Ihrer gestrigen Aussage mehr getan haben, als Spiele für diese Jungen und Mädchen veranstaltet zu haben.

VON SCHIRACH: Das ist aus meinen gestrigen Aussagen auch gar nicht hervorgegangen, daß wir bloß Spiele veranstaltet haben. Und neben einem solchen Lied stehen ja auch unzählige andere.

MR. DODD: Ja, ich weiß, aber wir interessieren uns jetzt für diese Lieder. Erinnern Sie sich an das Lied »Entrollt die Fahnen blutgetränkt« und so weiter; »Es dröhnen Trommeln durch das Land«?

VON SCHIRACH: Es sind all die Lieder des Wandervogels und der bündischen Jugend. Es sind Lieder, die in Zeiten der Republik gesungen wurden, Lieder, die nichts mit unserer Zeit zu tun hatten.

MR. DODD: Eine Minute.

VON SCHIRACH: Es sind Lieder, die mit unserer Zeit nichts zu tun hatten.

MR. DODD: Glauben Sie, daß in den Tagen der Republik irgend jemand Hitler-Jugend-Märsche gesungen hatte?

VON SCHIRACH: Was ist das für ein Lied, das kenne ich nicht?

MR. DODD: Es ist »Es dröhnen Trommeln durch das Land«.

Erinnern Sie sich wirklich an keines dieser Lieder?

VON SCHIRACH: Natürlich! Ich kenne eine ganze Reihe von diesen Liedern, aber die wesentlichen Lieder, die Masse der Lieder, stammt aus dem alten »Zupfgeigenhansel« der Wandervogelbewegung und aus der bündischen Jugend. Daß die Lieder auch die SA sang, ist ganz selbstverständlich.

MR. DODD: Ja, ich zweifle gar nicht daran, daß sie das taten, aber wo sie auch herstammen mögen, Sie ließen sie von diesen jungen Leuten singen, und das Lied: »Es dröhnen Trommeln durch das Land« haben Sie doch selbst geschrieben, nicht wahr?

VON SCHIRACH: »Es dröhnen Trommeln durch das Land« ja, ich glaube, ich habe so ein Lied geschrieben.

MR. DODD: Gut, es hat dann gewiß kein sehr weit zurückliegendes Entstehungsdatum, nicht wahr?

VON SCHIRACH: Es war lange vor der Machtergreifung.

MR. DODD: Sie erinnern sich vielleicht auch daran, daß Generalfeldmarschall von Blomberg einmal einen Artikel für das Hitler-Jahrbuch geschrieben hat. Erinnern Sie sich daran?

VON SCHIRACH: Nein.

MR. DODD: Es ist nicht gar so lange her. Es war 1938. Ich nehme jedenfalls an, daß Sie damals das Jahrbuch Ihrer Organisation für jenes Jahr gelesen haben.

VON SCHIRACH: Das ist anzunehmen. Ich kann mich an dieses Wort, das Feldmarschall Blomberg dafür geschrieben hat, wirklich nicht erinnern.

MR. DODD: Nun gut.

VORSITZENDER: Mr. Dodd! Ich glaube, daß Sie von diesen Liedern abgehen sollten.

MR. DODD: Ja, Herr Präsident! Ich war im Begriff, dies zu tun.

VORSITZENDER: Haben Sie 3764-PS schon als Beweisstück vorgelegt?

MR. DODD: Ja, ich habe es als 854 angeboten.

VORSITZENDER: Was war dann 3763?

MR. DODD: Nein, es tut mir leid, 3764 ist 854 und 3763... es tut mir leid, es ist 855.

VORSITZENDER: Ja, 855.

MR. DODD: [zum Zeugen gewandt] Ich möchte, daß Sie dieses Dokument 3755-PS betrachten. Ich glaube, es ist auf Seite 134 Ihres Textes, Herr Zeuge. Auf Seite 148 bis 150 werden Sie einen Artikel finden »Die Wehrerziehung der deutschen Jugend« oder vielmehr, wie es hier heißt:

»In der Schrift ›Die Wehrerziehung der deutschen Jugend‹ von... Dr.... Stellrecht findet sich ein Geleitwort des Generalfeldmarschalls von Blomberg, in dem es u. a. heißt....«

und dann folgt das Zitat. Finden Sie das? »Höchste Soldatentugend ist der kämpferische Mut« und so weiter.

Haben Sie dieses Zitat von Blomberg gefunden? Das möchte ich wissen.

VON SCHIRACH: Ja.

MR. DODD: Und dann folgt der Artikel von Dr. Stellrecht nach diesem Zitat.

VON SCHIRACH: Jawohl.

MR. DODD: Wenn Sie nun einige Zeilen weitergehen, werden Sie folgenden Satz sehen:

»Es ist deshalb eine ernste und unabdingbare Forderung, die der Generalfeldmarschall schon an die junge Mannschaft richtet, die in den Formationen der Hitler- Jugend marschiert...«

Herr Zeuge! Zumindest damals, im Jahre 1938, sahen Sie und ebenso Generalfeldmarschall von Blomberg die Hitler-Jugend unter dem Blickpunkt des zukünftigen Militärdienstes. Das will ich klarstellen.

VON SCHIRACH: Wir hatten einen Staat mit allgemeiner Wehrpflicht.

MR. DODD: Ich weiß.

VON SCHIRACH: Es ist ganz selbstverständlich, daß wir als Erzieher auch daran gedacht haben, die Jugend auf den höchsten Grad körperlicher Leistungsfähigkeit zu bringen, um auch gute Soldaten sein zu können.

MR. DODD: Sie haben nicht mehr als das getan? Wollen Sie das dem Gerichtshof einreden?

VON SCHIRACH: Was wir sonst noch getan haben in der Schießausbildung, im Geländesport, in der Ausbildung der Sondereinheiten, habe ich gestern geschildert.

MR. DODD: Das ist US-856, Herr Präsident.