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[Das Gericht vertagt sich bis

29. Mai 1946, 10.00 Uhr.]

Einhunderteinundvierzigster Tag.

Mittwoch, 29. Mai 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Angeklagte Sauckel im Zeugenstand.]

DER VORSITZENDE, LORD JUSTICE SIR GEOFFREY LAWRENCE: Der Gerichtshof wird sich heute nachmittag um 4.00 Uhr vertagen, um eine geschlossene Sitzung abzuhalten.

MR. THOMAS J. DODD, ANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Herr Vorsitzender! Der Gerichtshof hat uns vorgestern gebeten, festzustellen, ob Dokument D-880 als Beweismittel eingereicht worden ist. Es bestand aus Auszügen der Aussage Admiral Raeders. Wir haben festgestellt, daß es unter GB-483 eingereicht wurde. Während des Kreuzverhörs hat Herr Elwyn Jones es einem Zeugen vorgelegt.

VORSITZENDER: Danke.

MR. DODD: Auf die Frage des Gerichtshofs, wie es mit den anderen Angeklagten und ihren Dokumenten steht, können wir heute morgen sagen, daß die Dokumente des Angeklagten Jodl übersetzt und vervielfältigt werden und daß vor dem Gerichtshof keine Verhandlung darüber stattzufinden braucht.

Über die Seyß-Inquart-Dokumente ist bereits verhandelt worden; sie werden jetzt übersetzt und vervielfältigt.

Die Dokumente im Falle von Papen sind erledigt; zwischen der Anklagebehörde und dem Angeklagten von Papen besteht keine Meinungsverschiedenheit. Sie werden gerade vervielfältigt und übersetzt.

Eine Verhandlung bezüglich des Angeklagten Speer halten wir nicht für notwendig. Ich erwarte, daß die Dokumente heute gegen Ende des Tages an die Übersetzungs- und Vervielfältigungsabteilung geschickt werden.

Der Angeklagte von Neurath hat seine Dokumente noch nicht der Anklagebehörde unterbreitet.

Unsere russischen Kollegen werden im Laufe des Tages uns bezüglich des Angeklagten Fritzsche genauere Informationen zukommen lassen. Ich hoffe, in der Lage zu sein, dem Gerichtshof noch vor der Vertagung über den Angeklagten Fritzsche Bescheid geben zu können.

VORSITZENDER: Schließt das auch alle Fragen wegen der Zeugen mit ein?

MR. DODD: Ja, ich glaube; wenigstens erheben wir keinen Einwand gegen irgendeinen der Zeugen.

VORSITZENDER: Gut. Dann sind weitere Verhandlungen über die Fälle der Angeklagten Jodl, Seyß-Inquart, von Papen und Speer in öffentlicher Sitzung nicht mehr notwendig, bis ihre Fälle tatsächlich vorgetragen werden.

MR. DODD: Jawohl, Herr Vorsitzender!

VORSITZENDER: Ich danke Ihnen.

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL, VERTEIDIGER FÜR DAS KORPS DER POLITISCHEN LEITER: Herr Präsident! Ich habe zunächst eine technische Frage. Gestern ist der Zeuge Hildebrand erschienen, aber es war wieder der falsche Hildebrand. Es ist dies der dritte Zeuge, der in dieser Komödie der Irrungen hier erschien. Für Mende war ein falscher, für Stothfang ein falscher, und nun auch für Hildebrand. Aber dieser Zeuge weiß, wo die richtigen sich befinden.

Diese Zeugen hatten in ihrem Camp eine Nachricht bekommen, daß sie hier erscheinen sollten und sind dann anschließend nach Berlin in das Ministerial-Directors Collecting Center in Berlin-Lichterfelde gekommen. Vielleicht ist es möglich, diese beiden Zeugen noch nach hier zu bekommen. Gerade der Zeuge Hildebrand, der über die französischen Angelegenheiten aussagen kann, wäre von Bedeutung, wenn wir ihn jetzt noch bekommen könnten.

VORSITZENDER: Wurde der genaue Name dem Generalsekretär angegeben?

DR. SERVATIUS: Der Name war richtig. Der andere hieß auch Hildebrand, nur hieß er nicht Hubert, sondern Heinrich. Er war auch ein Ministerialdirektor...

VORSITZENDER: Ich meine nicht nur den Vornamen, sondern sämtliche Taufnamen.

DR. SERVATIUS: Ja, ein Name war Heinrich und der andere Hubert, und abgekürzt hatten die beiden ein »H«, Dr. H. Hildebrand, und so ist die Verwechslung anscheinend entstanden.

VORSITZENDER: Ja, die Zeugen sollten mit ihren vollen Namen angegeben werden. Ich sage volle Namen, nicht nur die Anfangsbuchstaben.

DR. SERVATIUS: Ich hatte den Namen ganz angegeben. Auch der Arzt, der Zeuge Dr. Jäger, von dem habe ich heute morgen seine Privatadresse bekommen. Er ist nicht verhaftet. Er war zuerst Zeuge der Staatsanwaltschaft. Er hat seine Privatadresse in Essen auf dem Viehplatz. Er befindet sich dort.

VORSITZENDER: Ich glaube, es wäre zweckmäßiger, alle diese Einzelheiten mit dem Generalsekretär zu besprechen; er wird Ihnen in jeder Weise behilflich sein.

DR. SERVATIUS: Im Falle Sauckel selbst möchte ich noch eine Bemerkung vor Gericht machen.

Es liegen etwa 150 Dokumente vor, die von der Staatsanwaltschaft vorgelegt worden sind, die mit Sauckel zum Teil entfernt zu tun haben. Es ist kein Trialbrief gegen Sauckel vorgelegt worden, und es ist auch keine Spezialanklage hier mündlich vorgetragen worden, so daß ich im einzelnen nicht sehen kann, inwieweit Sauckel nun verantwortlich gemacht wird. Der Fall ist unter dem Titel »Sklavenarbeit« vorgetragen, so daß der Boden der Verteidigung etwas unsicher ist.

Ich habe nun nicht vor, diese 150 Dokumente alle zu besprechen, möchte mir aber das Recht vorbehalten, auf Dokumente noch besonders einzugehen, falls sich das später als notwendig erweisen sollte. Ich will nur die wichtigsten herausgreifen, um dann im weiteren Verlauf des Verfahrens darauf zurückzukommen. Jedenfalls bitte ich, es nicht so anzusehen, als ob ein Geständnis vorläge, wenn gegen ein solches Dokument von mir jetzt nicht Einspruch erhoben wird.

VORSITZENDER: Daraus schließen wir auf kein Geständnis.

Dr. Servatius! Ich habe ein Dokument vor mir, das von der Französischen Anklagebehörde gegen den Angeklagten Sauckel vorgelegt worden ist. Ich nehme an, Sie meinen, daß dieses Dokument, dieser Trialbrief mit der Aufschrift »Responsibilité Individuelle«, nicht auf jedes dieser 150 Dokumente Bezug nimmt.

DR. SERVATIUS: Vor allem war doch ein Dokumentenbuch »Sklavenarbeit« von der Amerikanischen Anklagebehörde vorgelegt worden; und das heißt nicht »Sauckel«, sondern »Sklavenarbeit«, so daß ich nicht sagen kann, welche Teile sich besonders auf »Sauckel« beziehen.

VORSITZENDER: Es heißt doch »und die besondere Verantwortung der Angeklagten Sauckel und Speer dafür«. Das ist das amerikanische Dokumentenbuch. Es erwähnt doch Sauckel.

DR. SERVATIUS: Ja.

VORSITZENDER: Dann ist von Herrn Mounier noch ein anderer Trialbrief für die Französische Delegation vorgelegt worden, welcher sich besonders gegen Sauckel richtet. Aber es besteht kein Zweifel, daß er nicht alle die 150 Dokumente, welche Sie erwähnen, einzeln aufzählt.

DR. SERVATIUS: Ja.