HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Zum Zeugen gewandt:]

Über die Teilnahme Rosenbergs werde ich Ihnen keine Frage stellen, da Rosenberg selbst während seines Verhörs durch meinen amerikanischen Kollegen, Herrn Staatsanwalt Dodd, eine genügend klare Antwort gegeben hat.

Jetzt sagen Sie mir bitte, welche Rolle der Angeklagte Frick bei der Durchführung dieser Maßnahmen spielte?

SAUCKEL: Der Angeklagte Frick war als Reichsinnenminister an dieser Frage – ich weiß nicht, wie lange er noch im Amt gewesen ist – kaum beteiligt. Ich habe, soweit ich mich erinnere, mit seinem Reichsinnenministerium die notwendigsten Gesetze besprochen, die innerhalb Deutschlands für die deutschen Arbeiter zu erlassen waren und wieweit sie gültig waren. Aber er hat sonst an dieser Aufgabe keinerlei Anteil gehabt, er hatte ja eine andere Aufgabe.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Es handelt sich ja gerade um die ausländischen Arbeiter, und es war nicht zufällig, daß Sie in Ihrem Brief an Lammers – nach der Sitzung bei Hitler am 4. Januar 1944 – unter den Behörden, von denen Sie Unterstützung verlangten, auch das Innenministerium nannten. Deshalb frage ich Sie auch, welche Rolle der Angeklagte Frick bei der Durchführung dieser Maßnahmen spielte? Sie selbst baten doch um die Mitarbeit des Innenministeriums; welcher Art sollte denn diese Mitarbeit sein?

SAUCKEL: Zu meinem größten persönlichen Leidwesen war damals nicht mehr Frick Reichsinnenminister, sondern Himmler, wenn ich mich recht erinnere.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und welche Hilfe sollte Ihnen der Innenminister zuteil werden lassen?

SAUCKEL: Es ist selbstverständlich, glaube ich, daß in jedem Staatswesen die innere und die allgemeine Verwaltung über die Vorgänge, die auf einem so großen Gebiete wie der Beschäftigung von Menschen ja viele Verordnungen notwendig machen, unterrichtet und daran beteiligt sein mußte. Ich konnte ja unmöglich – und habe keine Vollmacht gehabt – gesetzliche Verordnungen erlassen, sondern die mußte ich ja dem Ministerrat für die Reichsverteidigung vorlegen. Ich konnte nur fachliche Anweisungen treffen, Weisungen geben; das ist etwas ganz anderes.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Der Angeklagte Funk als Wirtschaftsminister und der Angeklagte Speer als Rüstungsminister waren doch die Hauptmittelsmänner zwischen den Industriellen und Ihnen als Lieferanten der Arbeitskraft. Ist das richtig?

SAUCKEL: Es ist im Schluß Ihres Satzes ein außerordentlich erheblicher Fehlschluß enthalten. Das waren nicht Mittelsmänner für mich zur Industrie, sondern die Industrie war dem Rüstungsministerium nachgeordnet. Es haben da ja persönliche Verordnungen stattgefunden im Laufe der Jahre. Ich hatte nicht mit der Industrie zu verhandeln; die Industrie hat Arbeiter verlangt und hat sie bekommen, ebenso wie die Landwirtschaft.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sagen Sie uns, welche Rolle die Angeklagten Funk und Speer bei der Durchführung dieser Maßnahmen spielten. Sie brauchen hier keine langen Erklärungen abzugeben. Antworten Sie mir ganz kurz.

SAUCKEL: Diese beiden Minister waren Chefs der in ihre Ministerien eingeordneten Betriebe der verschiedensten Art der deutschen Wirtschaft. Sie haben die Arbeiter bekommen; damit war meine Aufgabe abgeschlossen.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Haben die Angeklagten Frank, Seyß-Inquart und Neurath an der Durchführung des Arbeitseinsatzes in den Gebieten, die ihnen unterstanden, teilgenommen? Ich denke dabei an Polen, Holland, Böhmen und Mähren. Ist das richtig?

SAUCKEL: Diese Herren haben im Rahmen ihrer Pflichten, die sie in diesen Gebieten eingenommen haben, mich unterstützt in dem Erlaß von Verordnungen und Gesetzen und haben selbst großen Wert darauf gelegt, daß diese Verordnungen und Gesetze gehörig und menschlich gerechtfertigt waren.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Und welches war die Rolle, die der Angeklagte Fritzsche gespielt hat?

SAUCKEL: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe Herrn Dr. Fritzsche in Deutschland nur ein einziges Mal, ich glaube im Jahre 1945, Anfang 1945 kurz gesehen. Über meine Aufgabe habe ich mit ihm nie gesprochen. Ich weiß auch nicht, ob er damit zu tun gehabt hat; ich kann nur aussagen, daß ich verschiedentlich im Reichspropagandaministerium vorgesprochen habe und darum gebeten habe, daß dort meine Anweisungen und Vorschriften – so wie sie in den Dokumentenbüchern von meinem Verteidiger vorgelegt worden sind oder vorgelegt werden – weiterverbreitet werden, besonders an die Industrie und sonstigen Kreise, die diese Arbeiter bekommen haben.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nun bleibt noch ein Angeklagter übrig, es ist Bormann, der fehlt. Welche Rolle hat er gespielt? Hat er Ihnen nicht den ganzen Parteiapparat der NSDAP zur Verfügung gestellt?

SAUCKEL: Nein, das hat er nicht. Er hat mir die Gauleiter zur Verfügung gestellt; und die Anordnungen, die ich den Gauleitern gegeben habe, und die Schreiben dieser Art, die ich an sie gerichtet habe – es sind, glaube ich, drei, die hier vorliegen und sind nicht viel mehr gewesen –, die haben sich darauf bezogen, daß ich die Hilfe der Partei in Anspruch nehmen konnte, daß die Arbeiter hinsichtlich Betreuung, Verpflegung, Ernährung und Bekleidung alles das bekommen sollten, was menschlich nötig und was auf Grund unserer Kriegslage überhaupt möglich war. Das war die Rolle, die die Partei spielte, soweit sie für mich erbeten wurde; also eine Kontrolle zugunsten der in Deutschland verwendeten ausländischen und deutschen Arbeiter. Sonst hat die Partei nichts damit zu tun gehabt. Ich habe mir auch nicht gerne von fremden Dienststellen hineinregieren lassen.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Das ist nicht richtig. Ich will Sie an das Programm des Arbeitseinsatzes erinnern, welches Sie im Jahre 1942 herausgegeben haben. Es ist Beweisstück USSR-365; dort heißt es, daß die Gauleiter zu Ihren Bevollmächtigten in den Fragen des Arbeitseinsatzes ernannt seien und daß sie diese Arbeitskräfte...

SAUCKEL: Wo steht das? Meine Beauftragten konnten von mir nicht ernannt werden.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Es wird Ihnen gleich gezeigt werden. Ich zitiere diesen Abschnitt nicht, ich erwähne nur seinen Inhalt, seinen Sinn. Dort heißt es, daß die Gauleiter in ihren Gauen sich der ihnen unterstellten Parteiorganisationen bedienen werden. Deshalb nehme ich auch an, daß der gesamte Parteiapparat an der Durchführung dieser Maßnahmen teilgenommen hat.

SAUCKEL: Steht hier gar nicht, Herr Ankläger.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Haben Sie es gefunden:

»Die Bevollmächtigten... bedienen sich... ihrer...«?

SAUCKEL: Ja. Und das habe ich nur zu dem Zweck, den ich geschildert habe. Ich bitte sehr, weiterlesen zu wollen.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Lesen Sie es selbst.

SAUCKEL: Ich danke sehr.

»Die Leiter der höchsten für ihren Gau zuständigen Dienststellen des Staates und der Wirtschaft beraten und unterrichten die Gauleiter hinsichtlich aller wichtigen Fragen des Arbeitseinsatzes.«

Das heißt im Rahmen ihrer Dienstgebiete; und dann werden diese aufgeführt:

»der Präsident des Landesarbeitsamtes« – das ist keine Parteistelle, sondern eine staatliche Stelle, – »der Treuhänder der Arbeit« – ist keine Parteistelle, sondern eine staatliche Stelle, – »der Landesbauernführer« – ist keine Parteistelle, sondern eine staatliche Stelle, – »der Gauwirtschaftsberater« – das ist eine Parteistelle...

VORSITZENDER: Bitte, beachten Sie das Licht, um sicher zu sein, daß die Dolmetscher mitkommen.

SAUCKEL: Ich bitte um Entschuldigung, Euer Lordschaft.

»der Gauobmann der Deutschen Arbeitsfront« – ist eine Stelle der Arbeitsfront, – »die Gaufrauenschaftsleitung...«

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Es ist alles vollkommen klar, Sie brauchen es nicht aufzuzählen. Ich lenke Ihre Aufmerksamkeit auf Punkt VI. Da heißt es ganz deutlich, daß sich die Gauleiter als Bevollmächtigte für den Arbeitseinsatz in ihren Gauen ihrer zuständigen Dienststellen der Partei bedienen werden. Steht es darin?

SAUCKEL: Ja.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Weiter wird aufgezählt, wie sie diese Arbeit und durch welche Ämter sie sie durchzuführen haben. Dieser Punkt, wo es heißt, daß sie sich der ihnen unterstellten Parteistellen bedienen sollen, gibt mir den Anlaß anzunehmen, daß der ganze Parteiapparat der NSDAP sich an diesen Maßnahmen beteiligte. Nun will ich von Ihnen hören, ob es so war oder nicht.

SAUCKEL: Nein.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Dazu ist nicht mehr zu sagen.

SAUCKEL: Nein. Ich darf zu diesem »Nein« eine Erklärung abgeben? Sie haben mir in Ihrer ersten Erwiderung gesagt, meine Beschreibung sei nicht ganz richtig. Meine Darstellung ist vollkommen richtig, daß die Partei eingesetzt war für die deutschen und ausländischen Arbeiter, um deren Versorgung und Betreuung zu ihren Gunsten durchzuführen: Die Dienststellen der Partei, die hier angeführt sind, haben nur derartige Aufgaben gehabt, konnten keine anderen haben; mir als ehemaligem Arbeiter lag da daran, diesen Arbeitern, deutschen und fremden, die im Kriege denkbar mögliche Betreuung zu gewährleisten; deshalb diese Einführung und keine andere. Meine Antwort war also vollkommen korrekt.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Haben die Gebietsführer der HJ auch an diesen Maßnahmen teilgenommen?

SAUCKEL: Die Gebietsführer der Hitler-Jugend haben teilgenommen, um die Jugend zu betreuen und zu beschützen, wie es der Reichsleiter Schirach und wie es später der Reichsjugendführer Axmann ja sehr gefordert haben – deswegen. Es mußte für die Jugend Obsorge gegen jede Gefahr getroffen werden. Das hat die Hitler-Jugend einschließlich der eingesetzten ausländischen Jugend getan. Das muß ich ausdrücklich betonen.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Stimmten Sie persönlich der Politik der Hitler-Regierung zu, welche die Verschleppung von Sklavenarbeitern aus den besetzten Gebieten vorsah, um die Durchführung eines Aggressivkrieges sicherzustellen? Haben Sie diese Politik gebilligt?

SAUCKEL: Ich muß in Ihrer Fragestellung eine Anklage erkennen.

Ich persönlich habe immer wieder erklärt, ich war weder Außenpolitiker noch Innenpolitiker... noch Militär wollte ich sagen. Ich habe einen Auftrag bekommen und Befehle bekommen; diesen Auftrag versuchte ich als Deutscher meinem Volk und seiner Regierung gegenüber korrekt, aber so gut als irgend möglich auszuführen; denn es war mir ja klargemacht, daß mit an der Ausführung dieses Auftrages das Schicksal meines Volkes hing. In diesem Bewußtsein habe ich gearbeitet und gestehe, daß ich mein Können daran gesetzt habe, diesen Auftrag zu erfüllen in den Formen, wie ich es hier betont habe. Ich habe das als meine Pflicht aufgefaßt und muß das hier bekennen.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Um Ihre persönliche Einstellung zu diesen Verbrechen zu charakterisieren, werde ich Ihnen einige Ihrer eigenen Erklärungen in Erinnerung bringen. Sie stammen aus dem Dokument Beweisstück USSR-365; dieses Dokument ist das Programm für den Arbeitseinsatz des Jahres 1942 Seite 9.

Die Stelle, die ich nun verlesen werde, wird Ihnen gezeigt. Ich zitiere:

»Ich bitte Sie, mir zu glauben, als einem alten fanatischen nationalsozialistischen Gauleiter...«

Steht es da so geschrieben?

SAUCKEL: Das steht da geschrieben.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nun kommen wir zum Dokument 566-PS. Das ist Ihr am 20. April 1943 während eines Fluges nach Riga an Hitler gerichtetes Telegramm. Dieses Telegramm wird Ihnen jetzt überreicht und die Stelle, die ich daraus verlesen will, gezeigt:

»Alles werde ich mit fanatischem Willen daran setzen, um meine Aufgabe zu erfüllen und Ihr Vertrauen zu rechtfertigen.«

Ist das richtig?

SAUCKEL: Das ist richtig. Ich habe in Hitler damals einen Menschen gesehen und verehrt, der Führer des deutschen Volkes war, vom deutschen Volke erwählt war; ich habe demzufolge als deutscher Staatsbürger und als Angehöriger eines Amtes und von Ämtern es für meine Pflicht gehalten, das Vertrauen des Staatsoberhauptes, das er in mich setzte, auf meinem Aufgabengebiet zu rechtfertigen.

Ich darf zu diesem Telegramm bemerken...

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Über dieses Telegramm brauche ich keine weiteren Erklärungen. Ich bin an Ihrer Einstellung zu Hitler nicht interessiert. Mich interessiert Ihre persönliche Einstellung zu jenen Maßnahmen der Arbeitererfassung und -verwendung, die Sie ausgeführt haben.

Unser nächstes Dokument ist 1292-PS, das Protokoll einer Sitzung bei Hitler am 4. Januar 1944...

SAUCKEL: Ich bitte das Hohe Gericht, zu dieser letzten Erklärung, die Sie gemacht haben, Herr Ankläger, meinerseits eine kurze Zufügung zu machen. Ich habe in Hitler damals keinen Verbrecher sehen können und nicht empfunden, sondern ich habe mich verpflichtet gefühlt, meine Pflicht zu tun, nichts anderes. Verbrechen hätte ich aus meinem Werdegang und als Mensch keinesfalls unterstützt.

VORSITZENDER: Wie hat Ihre Frage gelautet, Herr General, einfach, ob es ein an Hitler geschicktes Telegramm war?

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Meine letzte Frage bezog sich auf ein Telegramm, aus dem ich einen Satz verlesen habe. Ich wollte vom Angeklagten Sauckel die Bestätigung haben, daß dieses Telegramm abgegangen war. Etwas anderes interessiert mich nicht.