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[Zum Zeugen gewandt:]

Hat der Angeklagte Ribbentrop an der Durchführung dieser Maßnahmen auf diplomatischem Gebiet mitgearbeitet und die Verletzung der internationalen Verträge und Vereinbarungen auf dem Gebiet des Einsatzes von Fremdarbeitern und Kriegsgefangenen in der deutschen Kriegsindustrie sanktioniert?

VORSITZENDER: Es ist hier wieder dasselbe; diese Angeklagten behaupten doch, daß es sich nicht um eine Verletzung des Völkerrechts gehandelt hat. Sie sollten deshalb fragen: Hat der Angeklagte Ribbentrop auf dem Gebiete der Diplomatie mit ihm an diesen Maßnahmen teilgenommen?

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich frage jetzt, welche Beziehung der Angeklagte Ribbentrop zur Aufbringung der Arbeitskräfte hatte; ich möchte auf diese Frage eine Antwort des Angeklagten Sauckel hören.

SAUCKEL: Die Rolle, die der Angeklagte Ribbentrop gespielt hat, war die, daß er Besprechungen mit fremden Staatsmännern und fremden Dienststellen in den besetzten Gebieten und im neutralen und befreundeten Auslande vermittelte, und er legte großen Wert darauf, daß dies in korrekter Form geschähe und bestmöglichste Bedingungen für die fremden Arbeiter erzielt würden.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Darüber werde ich Sie etwas später fragen, wenn wir zur Frage des Einsatzes von Kriegsgefangenen in der deutschen Kriegsindustrie kommen.

Jetzt bitte ich Sie, mir zu sagen, welche Beziehung der Angeklagte Kaltenbrunner zu diesen Maßnahmen hatte?

SAUCKEL: Ich habe den Angeklagten Kaltenbrunner in dieser Angelegenheit ein einziges Mal in einer Sitzung – das Datum ist mir im Augenblick nicht gegenwärtig – in der Reichskanzlei mit Minister Lammers, ich glaube im Jahre 1944, gesehen. Ich habe sonst mit Kaltenbrunner keinerlei Besprechungen und Abmachungen in Fragen des Arbeitseinsatzes gehabt.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Der Angeklagte Kaltenbrunner hat Ihnen doch Polizeikräfte zwecks Anwerbung von Fremdarbeitern zur Verfügung gestellt, nicht wahr?

SAUCKEL: Ich habe immer wieder betont, daß die Anwerbung von Arbeitskräften keine Aufgabe der Polizei gewesen ist. Ich muß hier meinen Herrn Verteidiger bitten, meine entsprechenden Vorschriften, die ja zahlreich niederliegen, vorzulegen. Daraus geht die Aufgabenteilung zwischen Polizei und meinem Amt ganz klar und eindeutig und unwiderleglich hervor.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Aber die Polizei hat doch an der Durchführung dieser Maßnahmen teilgenommen; ja oder nein? Ich mache Ihnen ja damit keinen Vorwurf.

SAUCKEL: Die Polizei hat meines Erachtens nur dort teilgenommen, wo im Partisanengebiete die Durchführung von Verwaltungsaufgaben unmöglich war. Es sind allein in Weißruthenien 1500 einheimische Bürgermeister von den Partisanen ermordet worden. Das geht aus Dokumenten hervor.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ist denn die Anwerbung auch unter normalen Verhältnissen nicht mit Hilfe der Polizei durchgeführt worden? Wußten Sie darüber nichts?

SAUCKEL: Was ich darüber weiß, will ich Ihnen genauestens sagen. Es hat in Europa in den besetzten Gebieten in rund 1 500 Kreisen – ich verstehe darunter die Gebiete der Rayons oder der Departements, die Feldkommandanturen, also was wir in der deutschen Verwaltung mit der Größe eines Kreises bezeichnen – 1 500 Dienststellen gegeben, die mit einheimischen und zum Teil mit deutschen Beamten der Arbeitsverwaltung besetzt waren. Außerdem waren diesen Dienststellen allein in den Sowjetgebieten etwa 1000 russische Arbeiter, die schon in Deutschland gearbeitet hatten, als Werber beigegeben. Wenn jede dieser Dienststellen in der Größe eines deutschen Landkreises, etwa 40000 bis 70000 Einwohner, täglich auf korrekte Weise fünf Menschen ausgesucht, untersucht und geprüft hat, sind das im Jahr schon zwei Millionen Menschen; eine ganz klare Verwaltungstätigkeit, wie ich sie angeordnet, organisiert und durchgeführt habe, soweit dies verwaltungsmäßig möglich war.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sie geben unnötig lange Erklärungen ab. Unter diesen Umständen wird sich das Verhör sehr lange hinziehen. Ich halte es für unerläßlich, von Ihnen kurze Antworten zu erhalten. Sie haben die Möglichkeit, es zu tun, da ich Ihnen die Fragen deutlich stelle.

SAUCKEL: Ich bin bemüht, so kurz wie möglich zu antworten. Ich bedauere, daß ein Fachgebiet immer umständlich ist und der Aufklärung bedarf; es ist mir selbst sehr schwer geworden.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Jetzt sagen Sie mir, welche Rolle der Angeklagte Kaltenbrunner bei den Durchführungsmaßnahmen zur Aufbringung von Arbeitskräften gespielt hat; hat er sich daran beteiligt oder nicht?

SAUCKEL: Ich habe diese Antwort schon gegeben.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich habe nicht verstanden, ob er daran teilgenommen hat oder nicht.

VORSITZENDER: Ich bitte um Entschuldigung; er sagte doch, daß er Kaltenbrunner nur einmal getroffen hat und daß die Werbung der fremden Arbeitskräfte nicht Sache der Polizei war; das sagte er.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Die Teilnahme Kaltenbrunners an der Durchführung dieser Maßnahmen ist ja von der Anzahl der Zusammenkünfte nicht abhängig. Dafür brauchte er mit Sauckel nicht öfters zusammenkommen.

VORSITZENDER: General Alexandrow! Ich möchte nicht, daß Sie mit mir streiten. Ich habe Ihnen seine Antwort gesagt. Sie schien auf Ihre Frage zu passen.

GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich streite ja nicht darüber; ich gebe Ihnen nur eine Erklärung für meine Frage.