[Zum Zeugen gewandt:]
Welche Beziehung hatte das Auswärtige Amt zu dieser Angelegenheit?
SAUCKEL: Das Auswärtige Amt hatte zu dieser Angelegenheit folgende Beziehung: Es hatte die Verbindungen zu den Ländern herzustellen, in denen Botschaften, Gesandtschaften oder deutsche Delegationen tätig gewesen sind. Es wurden alsdann die Verhandlungen jeweils unter dem Vorsitz des Chefs dieser Botschaft oder Delegation geführt. Das Auswärtige Amt hat sich stets mit bemüht, daß diese Verhandlungen in gehöriger Form und in entsprechender Weise stattgefunden haben.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Am 4. Januar 1944 fand eine Besprechung bei Hitler statt. Es ist das Dokument 1292-PS. In Punkt 4 des Protokolls dieser Besprechung wird gesagt:
»Der Generalbevollmächtigte des Arbeitseinsatzes soll, bevor er seine Maßnahmen trifft, mit dem Reichsminister des Auswärtigen Fühlung nehmen.«
Was sollte das in diesem Falle bedeuten?
SAUCKEL: Das sollte in diesem Falle bedeuten, daß, wenn ich mit der Französischen oder Italienischen Regierung zu verhandeln hatte, ich mich vorher mit dem Reichsaußenminister in Verbindung setzen mußte.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nach dieser Besprechung, die bei Hitler am 4. Januar 1944 stattfand, haben Sie am 5. Januar desselben Jahres einen Brief an Lammers gerichtet, worin Sie auf die Notwendigkeit hinwiesen, eine besondere Weisung als Ergebnis dieser Besprechung zu erlassen. Danach sollten folgende Ämter Ihnen in jeder Weise behilflich sein; ich zähle auf: Der Reichsführer-SS, der Reichsinnenminister, der Reichsaußenminister, Feldmarschall Keitel, der Minister für die besetzten Ostgebiete Rosenberg, die Reichskommissare, der Generalgouverneur und andere. Erinnern Sie sich an diesen Brief?
SAUCKEL: Ich erinnere mich an diesen Brief; ich bitte, mir ihn vorzulegen. Auf seinen Inhalt kann ich mich natürlich nicht mehr im einzelnen erinnern.
VORSITZENDER: Welche Nummer hat dieses Dokument, Herr General?
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nummer 1292-PS, Herr Vorsitzender. Seite 6 des russischen Textes.
[Zum Zeugen gewandt:]
Haben Sie die Stelle gefunden?
SAUCKEL: Ja, auf der letzten Seite? Darf ich fragen, ist das richtig?
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Sie waren also der Ansicht, daß alle diese angeführten Stellen in der einen oder anderen Weise an den Durchführungsmaßnahmen zur Anwerbung und zum Einsatz von Fremdarbeitern mitarbeiten sollten; ist das richtig?
SAUCKEL: Das ist richtig, und ich bitte, dazu folgende Erklärung abzugeben: Es ist ja selbstverständlich, daß ich in meiner Stellung nicht irgend etwas tun konnte, ohne hohe Reichsstellen davon zu unterrichten. Es ist das lediglich ein Beweis, daß ich bemüht war, korrekt zu arbeiten und nicht irgendwie in wilder Weise im Reich oder in andere Verwaltungen hineinzuregieren.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich möchte durch Sie folgendes klarstellen: Die Maßnahmen der Hitler-Regierung zur Verjagung der friedlichen Bevölkerung der besetzten Gebiete in die Sklaverei wurden außer von Ihnen auch praktisch vom gesamten Staatsapparat Hitler-Deutschlands und dem Parteiapparat der NSDAP durchgeführt? Ist das richtig?
SAUCKEL: Ich widerspreche dem Worte »Verjagung«, und ich bitte im Rückverhör meinen Herrn Verteidiger dazu zu hören.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Es kommt ja nicht auf das Wort an. Bitte antworten Sie, ob es stimmt oder nicht?
SAUCKEL: Es kommt sehr auf das Wort an.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Hat der ganze deutsche Staatsapparat an diesen Maßnahmen teilgenommen? Ja oder nein?
SAUCKEL: Diese Frage muß ich in dieser Form verneinen, es hat...
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Mehr wollte ich von Ihnen auch nicht hören.
SAUCKEL: Ich darf dazu eine Erklärung abgeben. Es hat an der Erfassung von Arbeitskräften beziehungsweise deren Verpflichtung nach deutschen Verordnungen der jeweils dafür maßgebende und eingesetzte Chef einer Gebietsregierung, eines Reichskommissariats oder dergleichen teilgenommen; denn ich betone, ich konnte ja dort keine Gesetze erlassen und durfte das nicht, ich konnte ja in keine Verwaltung hineinregieren; das ist in der Welt in jedem Staatswesen unmöglich.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ja, aber Ihre Aufgabe war es, die Tätigkeit aller amtlichen Stellen in Deutschland zu koordinieren. Das war doch Ihre Aufgabe, nicht wahr?
SAUCKEL: Nicht zu koordinieren, sondern zu unterrichten und dort, wo sie zuständig waren, ihre Mitarbeit zu erbitten von Fall zu Fall.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Das ist nicht ganz so.
Ich wollte diese Frage nicht berühren, muß aber doch darauf zurückkommen, weil Sie die Rolle, die Sie dabei gespielt haben, etwas verkleinern.
SAUCKEL: Ich bitte, auf das Wort »verkleinern« antworten zu dürfen. Ich habe im Reich die Verteilung und Steuerung der Arbeitskräfte gehabt, das war meine Hauptaufgabe. Sie umfaßte mit den deutschen Arbeitern 30 Millionen. Diese Aufgabe will ich nicht verkleinern, da habe ich mein Bestes getan, um in diese Masse eine Ordnung nach der Weise, wie meine Pflichten mir das auferlegt haben, zu bringen. Das will ich gar nicht verkleinern; es war mein Auftrag und meine Pflicht meinem Volke gegenüber.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Wir brauchen über dieses Thema nicht zu polemisieren. Wir wenden uns einfach dem Dokument zu. Gleich wird Ihnen ein Befehl Görings vorgelegt.
SAUCKEL: Ich wünsche... Ich bitte Sie sehr um Entschuldigung, wenn Sie mich mißverstanden haben. Es steht mir nicht zu, eine Polemik zu halten, ich bitte nur darum, daß ich meine Dienstauffassung von meinem Auftrag klarstelle, denn das ist meine allerpersönlichste Aufgabe, die ich hatte.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Es geht ganz klar aus dem Befehl Görings vom 27. März 1942 hervor. Es ist das Dokument, Beweisstück USSR-365, welches Ihnen gleich vorgelegt wird und aus dem ich einen kurzen Auszug verlesen werde. Daraus wird ganz klar hervorgehen, welche Aufgaben Ihnen auferlegt worden waren.
VORSITZENDER: Welche Nummer des Dokuments?
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Beweisstück USSR-365.
VORSITZENDER: Hat es eine PS-Nummer?
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Nein, es ist ein sowjetisches Beweisstück.
Bitte, lesen Sie Punkt 4, da steht es ganz deutlich:
»Dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz stehen zur Durchführung seiner Aufgaben die mir vom Führer übertragenen Weisungsrechte an die Obersten Reichsbehörden, ihre nachgeordneten Dienststellen, sowie an die Dienststellen der Partei und ihrer Gliederungen und angeschlossenen Verbände, an den Reichsprotektor, den Generalgouverneur, die Militärbefehlshaber und Chefs der Zivilverwaltungen zur Verfügung.«
Das steht in Punkt 4 dieses Befehls geschrieben. Nach diesem Erlaß scheint es mir, daß Sie als Generalbevollmächtigter für den Arbeitseinsatz außerordentliche Vollmachten erhalten haben. Ist das richtig oder nicht?
SAUCKEL: Das ist richtig. Ich darf dazu bemerken, daß sich das auf mein Fachgebiet beschränkte und darf den nächsten Satz lesen:
»Anordnungen und Weisungen von grundsätzlicher Bedeutung sind mir vorher vorzulegen.«
Ich darf ferner darauf hinweisen, daß meine Beauftragten ja später im Herbst eine Einschränkung bekommen haben. Darüber kann ein Zeuge Auskunft geben.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Ich spreche nicht von Ihren Beauftragten. Ihre Rechte sind ganz deutlich im Erlaß Görings angegeben. Darüber ist im Punkt 4 die Rede.
Nun zählen Sie auf, wer von den Angeklagten mit Ihnen zusammen, jeder auf seinem eigenen Gebiet, unmittelbar an der Durchführung der Maßnahmen zur Massenverschleppung der Bevölkerung der besetzten Gebiete in die Sklaverei und ihrem Einsatz in Deutschland teilgenommen hat. Zählen Sie sie der Reihenfolge nach auf. Hat zum Beispiel der Angeklagte Göring als Ihr unmittelbarer Chef an diesen Verbrechen teilgenommen?
SAUCKEL: Ich möchte ausdrücklichst darauf hinweisen, daß ich nicht das Bewußtsein haben konnte, daß auf Grund ordnungsgemäßer Anwerbungen und auf gesetzlichen Verordnungen basierter Dienstverpflichtungen Vertreibungen von Bevölkerungen stattgefunden haben. Dem widerspreche ich. Ich habe mit Maßnahmen von Häftlingen und dergleichen nichts zu tun, sondern ich...
VORSITZENDER: Die Frage war, hat Göring mit Ihnen zusammen an der Verbringung von Fremdarbeitern nach Deutschland teilgenommen? Es scheint mir, daß Sie diese Frage überhaupt nicht beantwortet haben.
SAUCKEL: Ich war in diesen Fragen der Einführung von Fremdarbeitern dem Herrn Reichsmarschall des Großdeutschen Reiches unmittelbar unterstellt.
VORSITZENDER: Warum sagten Sie das nicht gleich?
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Also hat der Angeklagte Göring an der Durchführung dieser verbrecherischen Maßnahmen teilgenommen?
VORSITZENDER: General Alexandrow! Wenn Sie eine Frage dieser Art stellen wollen, so glaube ich, daß es viel besser wäre, wenn Sie nicht die Behauptung aufstellen würden, es handle sich um ein Verbrechen. Wenn Sie wissen wollen, ob der Angeklagte Göring an der Arbeit dieses Angeklagten teilgenommen hat, können Sie darauf hinweisen, ohne es ein Verbrechen zu nennen. Dann wird er Ihnen vielleicht leichter antworten.
GENERALMAJOR ALEXANDROW: Jawohl, Herr Vorsitzender.