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[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Dr. Hirschfeld! Sie haben vorhin berichtet, daß der frühere Präsident der Holländischen Staatsbank, Dr. Trip, im Verwaltungsrat der Bank für Internationale Zahlungen in Basel geblieben ist, auch nachdem er sein Amt als Bankpräsident in Holland niedergelegt hatte. Das haben Sie vorhin bestätigt. Nun würde ich mich interessieren, ist es Ihnen bekannt, daß speziell der damalige Reichswirtschaftsminister Funk sich sehr stark bei der Bank in Basel dafür eingesetzt hat, daß Dr. Trip in der Internationalen Bank in Basel verbleiben kann, obwohl an sich Dr. Trip zur Vertretung der holländischen Interessen nicht mehr befähigt gewesen wäre?

VORSITZENDER: Was haben wir damit zu tun, Dr. Sauter?

DR. SAUTER: Es ist bei der Vernehmung des Angeklagten Seyß-Inquart durch die Französische Anklagevertretung die Tatsache hervorgehoben worden, daß der frühere Präsident der Holländischen Staatsbank, Dr. Trip, zum Rücktritt gezwungen worden sei oder zurückgetreten sei, und man hat daraus dem Angeklagten Seyß-Inquart auch einen Vorwurf gemacht, und ich will als Verteidiger des Angeklagten Funk beweisen, daß der Angeklagte Funk sich gerade für den Dr. Trip als Präsident der Niederländischen Staatsbank eingesetzt und sich bemüht hat, daß Dr. Trip auch in der Bank... in der Internationalen Bank von Basel verbleiben konnte. Insofern scheint mir das eine Rolle zu spielen.

VORSITZENDER: Dr. Sauter! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das so abwegig und so geringfügig ist, daß es eine Zeitvergeudung wäre, wenn der Gerichtshof sich Derartiges anhörte.

DR. SAUTER: Gut, Herr Präsident, dann will ich eine andere Frage stellen.

[Zum Zeugen gewandt:]

Herr Zeuge! Ist Ihnen bekannt, daß zu der Zeit, als Dr. Funk Reichsbankpräsident war, die im Besitze von holländischen Kapitalisten befindlichen Reichsbankanteile abgelöst wurden und daß man in holländischen Kapitalistenkreisen allgemein anerkannt hat, daß diese Ablösung durch Dr. Funk in fairer und befriedigender Weise durchgeführt wurde?

HIRSCHFELD: Über die Ablösung von Reichsbankanteilen ist mir nichts bekannt

DR. SAUTER: Ist Ihnen etwas darüber bekannt, Herr Dr. Hirschfeld, wie sich Ihnen gegenüber Dr. Funk zur Frage der Behandlung der Clearingsschulden eingestellt hat?

HIRSCHFELD: Ich habe Funk seit Ausbruch des Krieges zwischen Holland und Deutschland überhaupt nicht gesprochen. Also er hat mich... sich mir gegenüber in der Kriegszeit gar nicht geäußert.

DR. SAUTER: Haben Sie von anderer Seite nicht erfahren, welchen Standpunkt Funk zur Frage der Behandlung der Clearingsschulden eingenommen hat?

HIRSCHFELD: Mir ist aus verschiedenen Mitteilungen bekannt und auch aus Veröffentlichungen in der Zeit, daß man deutscherseits diese Clearingsschulden als reale Schulden darstelle. Von holländischer Seite aus haben wir das aber niemals geglaubt, und wenn man die Entwicklung sah, als dieses Zentralclearing während des Krieges organisiert wurde, da kann man sich ohne weiteres als volkswirtschaftlicher Sachverständiger vergegenwärtigen, daß diese Schulden de facto keinen Wert repräsentieren können. Sie sind ja, wie aus den verschiedenen Angaben hervorgeht, im Laufe des Krieges auf mehr als 42 Milliarden Reichsmark angewachsen. Es ist zwar von dem Präsidenten der Niederländischen Bank, der von Seyß-Inquart eingesetzt wurde, in seinen Jahresberichten ein Vergleich zwischen Reichsmark und Pfund Sterling angestellt worden. Wir haben darüber in Holland nur gelacht.

DR. SAUTER: Herr Dr. Hirschfeld! Sie sagten eben... Sie sprechen eben von dem Präsidenten der Niederländischen Staatsbank, der durch Seyß-Inquart eingesetzt wurde. Es war, glaube ich, Herr Rost van Tonningen?

HIRSCHFELD: Ja.

DR. SAUTER: Wissen Sie, daß der Angeklagte Funk, der damalige deutsche Reichsbankpräsident, sich große Mühe gab, die Einsetzung des Rost van Tonningen zu verhindern und dafür zu sorgen, daß der Dr. Trip im Amt als Präsident der Niederländischen Staatsbank verbleiben sollte?

VORSITZENDER: Das ist wieder dieselbe Frage, nicht wahr? Ist das nicht praktisch wieder dieselbe Frage, von der wir sagten, daß wir über sie nichts hören wollten, nämlich über Funks Unterstützung für Dr. Trip?

DR. SAUTER: Vorhin, Herr Vorsitzender, wenn ich das bemerken darf, habe ich die Frage stellen wollen, ob Funk sich dafür einsetzte, daß der Dr. Trip im Verwaltungsrat der Internationalen Bank in Basel verbleiben sollte, obwohl er tatsächlich nicht mehr zur Vertretung der holländischen Interessen bei dieser Bank berufen war. Diese Frage haben Sie als nebensächlich abgelehnt, und die jetzige Frage bezieht sich darauf, daß... ob Dr. Funk sich dafür eingesetzt hat, daß der Holländer Dr. Trip als Präsident der Holländischen Bank verbleiben sollte. Es ist das die letzte Frage, Herr Präsident, die ich zu stellen habe.

VORSITZENDER: Sehr gut, wissen Sie...

HIRSCHFELD: Ja. Ich möchte etwas dazu ausholen, weil es zum Verständnis dieser Angelegenheit notwendig ist, daß man weiß,...

VORSITZENDER: Bitte, fassen Sie sich kurz.

HIRSCHFELD:... daß man seitens des Reichskommissars und Dr. Fischböcks den Rost van Tonningen, obgleich es bekannt war, daß wir ihn in den Niederlanden als einen Verräter betrachteten, gefördert hat. Es ist, als damals Dr. Trip genötigt war, seinen Rücktritt zu beantragen, ist, wie mir damals von Wohlthat, dem deutschen Kommissar bei der Reichsbank, mitgeteilt wurde, in Berlin besprochen, und auf Grund dessen Mitteilung...

VORSITZENDER: Ja, aber ich glaube, die Frage lautete, ob Funk versuchte, Dr. Trip zum Präsidenten der Holländischen Nationalbank zu ernennen, als jener andere Mann von Seyß-Inquart ernannt wurde. Wissen Sie, ob Funk...

HIRSCHFELD: Ich weiß nur von Wohlthat, daß Funk das versucht hat und daß Göring die Entscheidung anders getroffen hat auf Vorschlag des Reichskommissars und Fischböcks.

DR. SAUTER: Also jedenfalls, Sie bestätigen, daß Funk sich bemüht hat, den Holländer Dr. Trip im Amt als Präsidenten der Holländischen Staatsbank zu erhalten?

HIRSCHFELD: Ich bestätige das auf Grund einer Mitteilung von Wohlthat.

DR. SAUTER: Jawohl. Ich danke sehr. Ich habe sonst keine Fragen mehr, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Wünscht jemand ein Kreuzverhör?

M. DUBOST: Welcher Art waren die Befehle, die Ihnen die Niederländische Regierung hinterließ, als sie sich nach England begab?

HIRSCHFELD: Es handelte sich dabei um eine schriftlich formulierte Weisung der Niederländischen Regierung für sämtliche niederländische Beamten der Verwaltung. Diese Weisungen waren basiert auf den Grundlagen der Landkriegsordnung, der Haager Landkriegsordnung.

M. DUBOST: Diese Befehle gefährdeten also die deutsche Armee nicht?

HIRSCHFELD: Nein.

M. DUBOST: Dann erklären Sie bitte, wenn es Ihnen möglich ist, warum Holland ein besonderes Regime hatte; denn es war das einzige westeuropäische Land, das unmittelbar nach der Invasion einen Gauleiter erhielt.

VORSITZENDER: Wollen Sie bitte die Frage wiederholen. Der Übersetzer hat sie nicht verstanden.

M. DUBOST: Erklären Sie bitte, warum Holland sofort nach der Invasion einen Gauleiter erhielt; es war das einzige westeuropäische Land, in dem das der Fall war.

HIRSCHFELD: Wir haben die Ernennung eines Reichskommissars, welcher als Zivilverwaltungschef in den Niederlanden auftrat, seinerzeit aufgefaßt in dem Sinne, daß die Deutsche Regierung auch politische Absichten in den Niederlanden vertrat und nicht reine Absichten einer Besatzungsmacht.

M. DUBOST: Ihrer Ansicht nach wurde also Seyß-Inquart bereits am Tage nach der Invasion ernannt, weil die Deutsche Regierung die Absicht hatte, die nationalen Einrichtungen Hollands entgegen dem allgemeinen Recht abzuändern?

HIRSCHFELD: Wir haben die Überzeugung gehabt, die von der Erfahrung bestätigt wurde, daß alle möglichen nationalsozialistischen Einrichtungen in den Niederlanden eingeführt wurden und daß man den Versuch gemacht hat, sie den Niederlanden aufzuzwingen.

M. DUBOST: Dieser Versuch wurde also gemacht?

HIRSCHFELD: Ja.

M. DUBOST: Stimmt es, daß während der Besetzung zahlreiche Mitglieder der holländischen Nationalsozialistischen Partei in der Führung der Polizei waren und die deutschen Befehle zur Verhaftung von Juden, von Mitgliedern der Widerstandsbewegung und von Geiseln durchführten?

HIRSCHFELD: Ja.

M. DUBOST: Als die holländische Polizei ihrerseits mit diesen Verhaftungen betraut wurde, tat diese dies nur deshalb, weil sie dazu gezwungen wurde?

HIRSCHFELD: Die Verhältnisse lagen so, daß alte niederländische Polizisten, wenn sie einmal an solchen Sachen teilgenommen haben, es getan haben, weil sie dazu gezwungen wurden. Es gab aber holländische Polizisten, welche von den deutschen Behörden ernannt waren, und das waren im allgemeinen Mitglieder der NSB; und diese haben zum Teil sich freiwillig solchen üblen Aufgaben zur Verfügung gestellt.

M. DUBOST: Stimmt es, daß man die Frauen und die Kinder derjenigen holländischen Polizeibeamten, die sich weigerten, die Befehle der deutschen Behörden durchzuführen, als Geiseln festgenommen hat?

HIRSCHFELD: Mir ist bekannt, daß in verschiedenen Fällen die Familien als Geiseln gefaßt wurden, wenn Polizeibeamte sich Befehlen widersetzten. Es ist weiter bekannt, daß dies nicht nur bei der Polizei geschehen ist, sondern auch in anderen Fällen.

M. DUBOST: Es wurde hier behauptet, daß die aus Arnhem entwendeten Diamanten alle in den Niederlanden wiedergefunden würden? Stimmt es?

HIRSCHFELD: Was war in Arnhem gestohlen? M.

DUBOST: Diamanten.

HIRSCHFELD: Diamanten. Die Sache der Diamanten ist ein typisches Beispiel, wie man sich an niederländischem Eigentum vergreifen wollte. Diese Diamanten lagen in einem Banksafe in Arnhem. Nach der Invasion in der Normandie wurden bereits Versuche von der deutschen Seite gemacht, dieser Diamanten habhaft zu werden, indem man von dem Direktor der niederländischen Behörde, die sich mit Diamanten befaßte, und später auch von mir, die Schlüssel zu den Banksafes verlangt hat.

Wir haben das abgelehnt, und dann wurden am Tage der Luftlandung bei Arnhem von der deutschen Wehrmacht diese Safes gesprengt. Bei dieser Sprengung hat man scheinbar nur die Hälfte der Diamanten gefunden und diese in Berlin zur Reichsbank geschafft.

Dann hat, als ich in dieser Angelegenheit protestiert habe, Fischböck gesagt, sie seien nur zu treuen Händen in Berlin bei der Reichsbank hinterlegt worden. Ich habe dann von ihm verlangt, daß diese Diamanten zurückgegeben würden. Inzwischen wurde festgestellt, daß die Hälfte noch in Arnhem anwesend sein würde. Das Devisenschutzkommando hat dann wieder von mir die Schlüssel, die ich in meiner persönlichen Verwahrung hatte, abverlangt. Ich habe das verweigert und hatte dann wieder eine Besprechung mit Fischböck, dem diese Sache sichtlich unangenehm war, und Fischböck hat uns dann zugestanden, daß wir die verbleibenden Diamanten, die wir dann tatsächlich mit unseren eigenen Schlüsseln wieder in Arnhem gefunden haben, dem Eigentümer zurückerstattet haben. Die Hälfte, die aber in Berlin war, da war man nur bereit, sie zurückzugeben, falls sie wieder unter einem deutschen Verschluß im östlichen Teil der Niederlande in einer Bank hinterlegt würden. Ich habe dann von Fischböck die Freigabe ohne Vorbehalt verlangt. Dem konnte er scheinbar nicht zustimmen, und deshalb waren diese Diamanten nach der Befreiung der Niederlande nicht zurückgekehrt, und soweit ich informiert bin, sind sie heute noch nicht zurückgekehrt.

M. DUBOST: Hat Seyß-Inquart den 1000 Juden, die nach Theresienstadt deportiert wurden, ihr Eigentum zurückerstattet?

HIRSCHFELD: Was die Frage der Juden, die nach Theresienstadt deportiert wurden, anbelangt, ist mir bekannt, daß diese Leute auf Grund einer Zusage, die mein Kollege Frederiks bekommen hat, eine besondere Behandlung bekommen würden. Daß ihnen das Vermögen zurückerstattet wurde, ist mir nicht bekannt, und ich glaube es auch nicht.

M. DUBOST: Wurde ihnen ihr Vermögen zurückerstattet?

HIRSCHFELD: Das war beschlagnahmt. Ich habe nicht gehört, daß es ihnen zurückerstattet wurde.

M. DUBOST: Seyß-Inquart hat ausgesagt, daß im Februar 1941 400 Juden aus Amsterdam nach Mauthausen gebracht wurden als Vergeltungsmaßnahme dafür, daß ein Mitglied der NSB in Amsterdam von Juden ermordet wurde. Was können Sie zu diesem Zwischenfall sagen?

HIRSCHFELD: Mir ist bekannt, daß im Februar 1941 zwei Schwierigkeiten in Amsterdam waren. Eine Schwierigkeit, die bezog sich auf die Werftarbeiter, die man damals in einem Umfang, ich glaube 3000 Mann, zwangsweise nach Deutschland verschicken wollte. Es ist mir in einer Intervention bei Seyß- Inquart gelungen, das damals zu verhindern. Es hat aber Aufregung in Amsterdam aus diesem Anlaß gegeben. Und zweitens, daß damals bereits Juden in Amsterdam verhaftet wurden, und das hat zu einem Streik Anlaß gegeben. Der Zwischenfall von diesen 400 Juden, worüber Sie sprechen, ist meiner Erfahrung nach nach dem Streik in Amsterdam erfolgt, weil man die Juden haftbar machen wollte für den Streik. Fischböck hat mir das damals selbst gesagt, und ich habe ihm damals gesagt, daß ich das nicht glaubte, daß das eine Ausrede sei.

M. DUBOST: Wenn ich Sie richtig verstehe, so wurden die Juden verhaftet, weil die Bevölkerung Amsterdams gegen ihre Deportierung war. Es hat Demonstrationen und Aufstände gegeben, in deren Verlauf ein Mitglied der NSB getötet wurde. Die Juden wurden also nicht als Vergeltung für den an NSB- Mitgliedern verübten Mord deportiert, sondern die NSB-Leute sind in dem Augenblick getötet worden, als man im Begriffe war, die Juden ohne jeglichen Gedanken an eine Vergeltung zu verhaften.

HIRSCHFELD: Ich erinnere mich aus diesen Tagen, daß die Amsterdamer Arbeiterschaft sich widersetzte als man damals Juden verhaften wollte, und daß das zu Unregelmäßigkeiten in Amsterdam und zu dem Streik geführt hat. Wie es sich genau ergeben hat, das ist mir nicht aus Erfahrung bekannt.

M. DUBOST: Hat Seyß-Inquart die Ausgabe von Lebensmittelkarten an Arbeiter untersagt, die sich einer Verschickung nach Deutschland entzogen?

HIRSCHFELD: Als im Mai 1943 die sogenannten Jahrklassen aufgerufen wurden für den Arbeitseinsatz nach Deutschland, ist am 6. Mai eine Weisung an die zuständigen niederländischen Behörden ergangen, in welcher Weisung mitgeteilt wurde, daß Arbeiter, die für diese Jahrklassen aufgerufen würden, keine Lebensmittelkarten mehr erhalten dürften. Das ist in einem Erlaß vom 6. Mai 1943 herausgegeben, unterschrieben von einem Beamten des Reichskommissariats namens Effger. Wir haben diese Weisung bekommen, und obgleich sie uns erreichte in dem Moment, wo Standrecht galt, ist diese Weisung von den niederländischen Behörden nicht durchgeführt worden. Das Argument, was von den damaligen deutschen Behörden geäußert wurde, kam praktisch darauf hinaus: »Wer nicht für Deutschland arbeitet, bekommt kein Essen.«

M. DUBOST: Seyß-Inquart hat behauptet, daß die Holländer, die bis 1942 zur Arbeit nach Deutschland gegangen sind, alle Freiwillige waren. Stimmt das?

HIRSCHFELD: Nein, es konnten nicht alle Freiwillige sein, denn die Arbeitslosen in den Niederlanden bekamen eine Arbeitslosenunterstützung, und kurz nach der Besetzung wurde eine Weisung herausgegeben, daß Leute, welche geeignet seien für Arbeitseinsatz in Deutschland und die sich diesem Arbeitseinsatz freiwillig verweigerten, keinen Anspruch mehr auf die Arbeitslosenunterstützung hatten. Sie standen also unter einem wirtschaftlichen Druck.

M. DUBOST: Es wurde hier sehr lange erörtert, ob Rauter Seyß-Inquart unterstellt war oder nicht. Wissen Sie das?

HIRSCHFELD: Nach unserem Wissen in den besetzten Gebieten war Rauter von Seyß-Inquart eingesetzt im Anfang Juni 1940 als Generalkommissar für das Sicherheitswesen. Es ging aus keiner Verordnung, die damals bekannt war, hervor, daß der Rauter irgendeine Sonderstellung hatte; denn aus dem Erlaß des Deutschen Reichskanzlers vom 18. Mai 1940 ging für uns Niederländer klar hervor, daß der Reichskommissar der einzige verantwortliche Mann in den Niederlanden war für die Besatzungsmacht im zivilen Bereich, und erst viel später aus Gesprächen ist es mir und vielleicht anderen Leuten, die besser informiert worden waren, klar gewesen, daß der Rauter direkte Befehle bekam von Himmler oder von dem Reichssicherheitshauptamt; aber die Bevölkerung der Niederlande konnte dieses nicht wissen.

M. DUBOST: Sie wissen wahrscheinlich, welche Wirkung die Aufhebung der Devisenkontrolle auf die holländische Wirtschaft hatte, nicht wahr?

HIRSCHFELD: Ja, ich will den Versuch machen, in ein paar Worten diese Sache zu schildern: Bei Kriegsausbruch gab es ein Clearing, also ein Verrechnungsabkommen zwischen den Niederlanden und Deutschland. Das gab uns niederländischen Behörden im Anfang der Besetzung die Möglichkeit, eine besondere Kontrolle auszuüben für Warenlieferungen und dergleichen nach Deutschland, weil wir nicht nur eine Grenzkontrolle von Zollbeamten hatten, sondern auch Zahlungen kontrollieren konnten. Das war insbesondere dem Fischböck unangenehm, daß holländische Behörden immer wieder etwas ablehnen konnten; das war ihm sichtlich sehr unangenehm und gab zu Reibereien Anlaß. Dann hat er den Versuch gemacht, dieses Clearing zu erledigen, und dadurch ist also die Aufhebung der Devisengrenze am 1. April 1941 entstanden. Das hat die Möglichkeit gegeben, um in den Niederlanden alle möglichen Waren angeblich zu kaufen, gegen Reichsmark, und unter dem Schutz von deutschen Behörden nach Deutschland zu schaffen. Ich gebe ein Beispiel: Es gab nach einer Untersuchung, die ich damals angestellt habe, einige Hunderte von Aufkäufern von Schmuckgegenständen und Gold- und Silbergegenständen in den Niederlanden. Diese Gegenstände kann man sich bequem mitnehmen. Wäre eine Kontrolle in den Zahlungen dagewesen, dann wäre es nicht möglich gewesen, daß allein im Jahre 1942 nach unseren Schätzungen für 80 bis 100 Millionen Gulden an solchen Sachen zu hohen Preisen nach Deutschland verschleppt wurden. Das Wesentliche war also, daß durch Aufhebung dieser Devisenkontrolle man also freier operieren konnte. Weiter war es eine Möglichkeit, um an der Amsterdamer Börse niederländische Wertpapiere zu kaufen; denn eines der Ziele, die man sich deutscherseits damals vorstellte, das war die Verflechtung der niederländischen und der deutschen Wirtschaft, und das konnte man am besten erreichen, indem man die Devisengrenze, die Devisenkontrolle heißt das eigentlich, zwischen den besetzten Gebieten und Deutschland aufhob, und dadurch wurden die niederländischen Interessen schwerer geschädigt, als das in anderen besetzten Gebieten geschah, wo man diese Devisenkontrolle beibehielt. Ich möchte nur hinzufügen, daß auch da natürlich Wege gefunden wurden, um diese Ausbeutung durchzuführen. Nur die Aufhebung der Devisengrenze, das war eine kolossale Erleichterung der deutschen Politik in dieser Beziehung, und das kam auch deutlich hervor aus einer Anordnung des Hermann Göring von 1942, worin die Kontrolle an der niederländisch-deutschen Grenze aufgehoben wurde und der Verantwortliche für den Vierjahresplan hereinschreiben konnte, daß man auch nicht an der Grenze kontrollieren dürfte, wenn Übertretungen von Preisvorschriften oder Übertretungen von den Bewirtschaftungsvorschriften stattgefunden haben. Das war die Ergänzung, die Hermann Göring dazu machte.

VORSITZENDER: Herr Dubost! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß das kürzer behandelt werden sollte, diese Diskussion über die Frage der Devisenkontrolle.

M. DUBOST: Ich habe keine Fragen mehr über diesen Punkt zu stellen, Herr Vorsitzender.