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[Zum Zeugen gewandt:]

Ist es richtig, daß in der zweiten Hälfte des Jahres 1944 der Ausnahmezustand verhängt wurde?

SCHWEBEL: Jawohl, am 4. September.

DR. STEINBAUER: Und daß in einem Umkreis von 30 km die vollziehende Gewalt an die Wehrmacht übergegangen ist?

SCHWEBEL: Ja, aber dieser Übergang erfolgte nicht auf Grund der Verordnung über den Ausnahmezustand, sondern auf Grund einer besonderen militärischen Verordnung.

DR. STEINBAUER: Erging auf Grund der militärischen Entwicklung?

SCHWEBEL: Jawohl.

DR. STEINBAUER: Ist es richtig, daß anfangs 1945 Sonderkommandos des Reichsführers-SS Himmler begannen, Zeitminen in öffentliche Gebäude Ihrer Provinz für den Fall der Räumung zu legen?

SCHWEBEL: Von solchen Sonderkommandos von Himmler ist mir nichts bekannt. Ich kenne nur einen Fall, daß ein Oberleutnant dort erschien – das war aber, glaube ich, schon etwas früher – und solche Maßnahmen vornehmen wollte. Ich habe dann sofort mich mit dem Reichskommissar, auch dem Wehrmachtbefehlshaber, in Verbindung gesetzt, habe festgestellt, daß niemand von denen das wußte, und daraufhin ist auf Antrag des Reichskommissars diesem Oberleutnant sofort befohlen worden, daß er seine Tätigkeit einzustellen habe und auch, was er gemacht hatte, noch wegräumen sollte und sofort zu verschwinden habe. Sonst sind mir ähnliche Dinge nicht bekannt.

DR. STEINBAUER: Ist Ihnen bekannt, daß anläßlich der sogenannten Aktion »Wehrfähige ins Reich« es in Gouda zu Unzuträglichkeiten gekommen ist?

SCHWEBEL: Ja; es waren von der Wehrmacht, die diese Sachen damals ausführte, in Verbindung mit einem Beauftragten des Ministers Goebbels, in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für den totalen Kriegseinsatz, waren in Gouda und in zwei anderen Stellen der Provinz Sonderstellen gegründet worden, und der Führer dieser Stelle in Gouda führte diese Sachen unkorrekt aus – ziemlich hart. Darauf habe ich mit dem Herrn Reichskommissar über diese Sache gesprochen. Er hat sich dann sofort mit dem vorgesetzten General persönlich in Verbindung gesetzt und bewirkt, daß dieser Offizier sofort abgelöst wurde.

DR. STEINBAUER: Ist Ihnen über die Größe der Widerstandsbewegung in Ihrer Provinz etwas bekannt?

SCHWEBEL: Die Widerstandsbewegung wurde an sich bekämpft durch die Sicherheitspolizei, in Verbindung mit der Wehrmacht. Was ich darüber weiß, sind nicht eigene Kenntnisse aus eigener Verwaltungstätigkeit, sondern Kenntnisse, die ich durch diese Verbindung mit den Stellen habe. Danach weiß ich, daß etwa wohl... daß die Widerstandsbewegung ungefähr an 50000 herankam, schätzungsweise. Das heißt also, solche, die vielleicht... die zu erfassen waren, nicht etwa also ständig eingesetzte oder organisiert zusammengefaßte Menschen gewesen wären.

DR. STEINBAUER: Ist Ihnen bekannt, daß der Reichskommissar eine Lebensmittelaktion für 250000 holländische Kinder eingeleitet hat?

SCHWEBEL: Ja, daß er sie eingeleitet hat, ist mir bekannt.

DR. STEINBAUER: Sie waren Augen- und Ohrenzeuge der Versuche Seyß-Inquarts, vorzeitig den Krieg zu beenden? Schildern Sie uns ganz kurz die Herstellung dieser Verbindung mit dem Generalstabschef des Herrn Generals Eisenhower.

SCHWEBEL: Anfang April 1945 trat ein Herr van der Vlugt an mich heran. Herr van der Vlugt war Leiter der sogenannten »IKO«, das heißt, der interkirchlichen Organisation zur Unterstützung in Lebensmittelsachen.

DR. STEINBAUER: Sie müssen, Herr Zeuge, etwas langsamer und deutlicher sprechen. Ich verstehe Sie nicht, auch in deutscher Sprache nicht.

SCHWEBEL: Es trat an mich heran ein Herr van der Vlugt; er war Leiter eines interkirchlichen Hilfswerkes zur Versorgung der Bevölkerung mit besonderen Lebensmitteln. Von dieser Seite her kenne ich ihn, und er sagte mir, er handle im Auftrage der Londoner Niederländischen Regierung und richte an mich die Frage, ob der Herr Reichskommissar bereit sei, mit ihm zu verhandeln kurz über drei Fragen.

Erstens: Stärkere... Großzügige Versorgung der niederländischen Bevölkerung durch die Alliierten,

zweitens: Einstellung der Überflutungen,

drittens: Einstellung der Bekämpfung der Widerstandsbewegung.

Ich habe mich sofort mit dem Reichskommissar in Verbindung gesetzt; der hat sich auch sofort bereit erklärt, und wir haben dann zwei Tage darauf mit Herrn van der Vlugt und einem anderen Vertreter...

VORSITZENDER: Zeuge, das gelbe Licht bedeutet, daß Sie zu schnell sprechen. Wenn Sie das gelbe Licht sehen, müssen Sie etwas langsamer sprechen.

SCHWEBEL: Jawohl.

VORSITZENDER: Sie haben uns gesagt, was Seyß- Inquart tat.

SCHWEBEL: Ja. Seyß-Inquart hat sich also bereit erklärt, sofort über diese Fragen zu verhandeln. Es hat dann eine Besprechung zwischen dem Herrn van der Vlugt und noch einem anderen Vertreter der Londoner Regierung, das ist ein Jonkheer Six, zwischen diesen beiden Herren und mir unter vieren stattgefunden. Da haben wir uns darüber geeinigt über den... zunächst über den einen Punkt, sofort definitiv, daß alles Vorgehen gegen die Widerstandsbewegungen eingestellt würde, wohingegen die Widerstandsbewegung sich verpflichtete, nun auch keine Sabotageakte mehr vorzunehmen.

Zweitens erklärte sich der Reichskommissar bereit, auch die... auf eine großzügige Versorgung durch die Alliierten einzugehen und auch die Überflutungen einzustellen, wenn darüber im einzelnen verhandelt würde. Das Ergebnis dieser Besprechung ist dann herübergebracht worden nach London, indem ich an einer Stelle der Front zwei Niederländer als Parlamentäre herübergesetzt habe. Es kam dann von drüben, nachdem verschiedene Verhandlungen hin- und hergegangen waren, die Anfrage, ob der Herr Reichskommissar bereit sei, mit dem Herrn Oberkommandierenden, General Eisenhower, über diese Fragen zu verhandeln. Es wurde dann sofort geantwortet »Ja«, und daraufhin bin zunächst ich am 28. April über die Front gegangen bei Amersford und habe dort kurz verhandelt mit dem General Sir Francis Gengard, das war der Chef des Generalstabes von dem Feldmarschall Montgomery und...

VORSITZENDER: Sie brauchen darüber keine weiteren Einzelheiten, nicht wahr?

SCHWEBEL:... und dabei haben wir also festgelegt in dieser Besprechung mit Sir Francis Gengard, daß zwei Tage darauf eine Besprechung sein sollte zwischen...

DR. STEINBAUER: Herr Zeuge! Die Details sind nicht so wichtig, sondern das Wesentliche ist das Resultat dieser Unterredung im Interesse der holländischen Bevölkerung.

SCHWEBEL: Jawohl. Es kam also diese Unterredung am 30. April zustande zwischen dem Reichskommissar und dem Chef des Generalstabes von General Eisenhower; das war der General Bedell-Smith. In dieser Besprechung ist der Herr Reichskommissar vollständig auf die Wünsche des Herrn Generals Bedell-Smith eingegangen, und zwar sollte eine ganz großzügige Versorgung der niederländischen Bevölkerung stattfinden.

VORSITZENDER: Wenn er sagt, daß er den Forderungen des Generals Bedell-Smith zustimmte, dann ist doch das alles, was Sie wünschen, nicht wahr?

DR. STEINBAUER: Ja, das genügt vollkommen.