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[Das Gericht vertagt sich bis

20. Juni 1946, 10.00 Uhr.]

Einhundertneunundfünfzigster Tag.

Donnerstag, 20. Juni 1946.

Vormittagssitzung.

[Der Angeklagte Speer im Zeugenstand.]

VORSITZENDER: Ich habe folgendes bekanntzugeben:

Erstens: Zusätzliche Zeugen für die Angeklagten werden am Ende des Falles gehört werden.

Zweitens: Fragebogen und andere Dokumente, die bis dahin eingelaufen sind, müssen dann als Beweisstücke angeboten werden.

Drittens: Fragebogen und andere Dokumente, die schon vor Ende der Beweisführung zugelassen, aber erst später eingegangen sind, werden bis zum Ende des Prozesses vom Gerichtshof entgegengenommen und in Erwägung gezogen werden.

Das ist alles.

DR. FLÄCHSNER: Wir hatten gestern die Verwendung der Arbeitskräfte im Betriebe erledigt und kommen jetzt zu der Frage, wie die Arbeitskräfte in den Betrieb gekommen sind, das heißt, die Frage der Gesamt- und Einzelanforderungen der Arbeitskräfte.

Herr Speer! Sie haben in Ihrer Aussage vom 18. Oktober 1945 erklärt: Erstens, Sie hätten vom Sauckel mit Schärfe neue Arbeitskräfte gefordert; zweitens, Sie hätten gewußt, daß unter diesen Arbeitskräften Ausländer sein würden; drittens, und hätten gewußt, daß diese teilweise gegen ihren Willen in Deutschland arbeiteten. Was haben Sie dazu zu sagen?

SPEER: Diese freiwillige Erklärung ist richtig.

Ich war Sauckel während des Krieges für jede Arbeitskraft dankbar, die er mir vermittelte. Ich habe ihn oft genug dafür verantwortlich gemacht, wenn durch zu wenig Arbeitskräfte die Rüstung nicht die möglichen Leistungen erzielt hätte, und ich habe immer die Verdienste, die er durch seine Tätigkeit für die Rüstung hatte, hervorgehoben.

DR. FLÄCHSNER: Wenn Sie nun in Ihrer Aussage vom 18. Oktober 1945 und auch jetzt wieder von Arbeitskräften sprechen, bedeutet das nun den Gesamtbegriff Arbeitskräfte, also Deutsche, Ausländer aus besetzten Gebieten, befreundeten oder angegliederten Staaten und auch Kriegsgefangene?

SPEER: Ja, ich hatte zwar ab Mitte 1943 Differenzen mit Sauckel über die Produktionspolitik und über die ungenügende Bereitstellung der Reserven an deutschen Arbeitskräften. Das hat aber mit der grundsätzlichen Einstellung zu Sauckels Arbeit nichts zu tun.

DR. FLÄCHSNER: Welcher Prozentsatz der insgesamt zugewiesenen Arbeitskräfte entfiel auf Ihre Forderung an Sauckel?

SPEER: Sie meinen der insgesamt zugewiesenen Arbeitskräfte, nicht Ausländer?

DR. FLÄCHSNER: Ja.

SPEER: Bis zum August 1944, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich die Luftrüstung übernahm, etwa 30 bis 40 Prozent aller bereitgestellten Arbeitskräfte. Von diesen waren allerdings der größte Teil deutsche Arbeitskräfte. Als ich im August 1944 die Luftrüstung übernahm, hatte ich keinen nennenswerten Bedarf mehr an Arbeitskräften, da durch die Auswirkungen der Fliegerangriffe auf die Verkehrsanlagen im Reich die Rüstungsproduktion bereits im Absinken war.

DR. FLÄCHSNER: War Ihr Bedarf an Arbeitskräften unbegrenzt hoch?

SPEER: Nein. Die Höhe der Rüstung und darüber hinaus der Gesamtproduktion und damit mein Bedarf an Arbeitskräften wurde durch die Rohstoffe gesteuert.

DR. FLÄCHSNER: Das heißt also, der Bedarf war begrenzt durch die zur Verfügung stehende Rohstoffmenge?

SPEER: Mein Bedarf an Arbeitskräften hatte eine obere Grenze durch die Rohstoffe.

DR. FLÄCHSNER: Sie haben nun eine bedeutende Erhöhung der Produktionszahlen der Heeresrüstung erreicht. Wurden, um diese Erhöhung zu erzielen, die eingesetzten Arbeitskräfte im gleichen Verhältnis erhöht?

SPEER: Nein, die Produktion wurde von 1942 bis 1944 bei den Waffen versiebenfacht, bei den Panzern verfünfeinhalbfacht und bei der Munition versechsfacht. Die Zahl der Arbeitskräfte in diesen Sparten der Heeresrüstung aber wurde nur um 30 Prozent erhöht. Dieser Erfolg wurde auch nicht durch eine höhere Ausnützung der Arbeitskräfte erzielt, sondern durch die Abschaffung der veralteten Fabrikationsmethoden und durch ein besseres System zur Steuerung der Rüstungsproduktion überhaupt.

DR. FLÄCHSNER: Was ist der Begriff »Kriegsproduktion«?

SPEER: Der hier oft gebrauchte Begriff »Kriegsproduktion« ist nichts anderes als der normale Begriff: Produktion. Er umfaßt alles, was industriell oder handwerklich gefertigt wird, auch für den zivilen Bedarf.

DR. FLÄCHSNER: Was wurde in Deutschland von dem Begriff »Rüstung« umfaßt? Welches Arbeitsgebiet war das?

SPEER: Der Begriff »Rüstung« hat in keiner Weise sich auf die Rüstung beschränkt, die durch das Genfer Kriegsgefangenenabkommen umrissen ist. Der moderne Begriff Rüstung ist ein viel weiterer. Er umfaßt ein bedeutend größeres Aufgabengebiet. Es gab bei uns für den Begriff »Rüstung« keine klare Richtlinie. Das Kennzeichen eines Rüstungsbetriebes war, daß er von den mir unterstellten Rüstungsinspektionen in der Mittelinstanz betreut wurde. Zu dieser Rüstung in Deutschland gehörte zum Beispiel die gesamte Herstellung an Rohstahl, alle Walzwerke, Gießereien oder Schmieden; die Herstellung oder Verarbeitung von Aluminium, von den modernen Kunststoffen, die chemische Erzeugung von Stickstoff oder Treibstoff oder Kunstgummi, die Erzeugung künstlicher Wolle, die Fertigung von Einzelteilen, bei deren Herstellung nicht feststeht, ob sie in der Rüstung verwendet werden; wie zum Beispiel Kugellager, Zahnräder, Ventile, Kolben für Motore und so weiter, oder die Erzeugung von Werkzeugmaschinen, die Einrichtung von Fließbandfertigungen; genau so der Bau von Kraftwagen, von Lokomotiven oder von Handelsschiffen, schließlich auch Textilbetriebe und Betriebe der Leder- und Holzverarbeitung.

In den von mir an die Zeugen herausgegebenen Fragebogen habe ich feststellen lassen, wieviel Prozent der deutschen Rüstungsbetriebe etwa Rüstungsgegenstände im Sinne des Genfer Abkommens gefertigt haben, und ich möchte das kurz hier in einer Zahl zusammenfassen. Die Mitarbeiter kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, daß zwischen 40 und 20 Prozent unserer Rüstung sich mit der Herstellung von Waffen, Panzern, Flugzeugen oder Kriegsschiffen oder dem allgemeinen Gerät für die Wehrmachtsteile beschäftigt haben. Der überwiegende Teil ist also nicht Rüstung im Sinne dieses Genfer Abkommens gewesen. Der Grund für die Ausweitung des Begriffes »Rüstung« in Deutschland ist neben Fertigungsgründen auch in der bevorzugten Behandlung dieser Betriebe zu suchen, die dazu führte, daß zahlreiche Betriebe danach drängten, als Rüstungsbetriebe erklärt zu werden.

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! In den Fragebogen, die dem Gericht noch nicht vorliegen, weil das Buch noch nicht vorgelegt ist, haben sich die Zeugen Saur unter Frage 7 und 10, Schieber unter Frage 6 bis 9, und Kehrl unter Frage 4 bis 7 über die Abgrenzung des Begriffes Rüstung geäußert.

VORSITZENDER: Wie war der letzte Name?

DR. FLÄCHSNER: Kehrl.

Herr Speer! Um ein Beispiel zu geben: Sie kennen die Firma Krupp in Essen. Wie weit erzeugte zum Beispiel diese Firma Rüstungsgegenstände im Sinne des Genfer Kriegsgefangenenabkommens; also Waffen, Munition und Gegenstände, die der unmittelbaren Kriegführung zu dienen bestimmt sind?

SPEER: Gerade der Krupp-Konzern ist ein Beispiel dafür, daß ein Rüstungsbetrieb nur einen Bruchteil seiner Fertigung auf Kriegsgerät eingestellt hat. Allerdings muß ich darauf hinweisen, daß gerade die Firma Krupp einer derjenigen Rüstungsbetriebe war, die mit am wenigsten Rüstung in diesem Kriege gemacht haben, prozentual. Bei Krupp waren die Bergwerke, drei große Werke zur Erzeugung von Rohstahl und von Qualitätsstahl im Vordergrund der Produktion. Lokomotivbau, Anfertigungen für die Chemie waren Spezialitäten von Krupp. Dagegen wurde in diesem Kriege die eigentliche Rüstungsspezialität von Krupp, der Bau von Panzertürmen für Kriegsschiffe und von großen Spezialgeschützen überhaupt nicht ausgenützt. Erst im Jahre 1944 hat Krupp in der Nähe von Breslau das erste größere Werk für Geschütze eingerichtet gehabt. Bis dahin hat Krupp in der Hauptsache sich mit der Neuentwicklung von neuen Waffen beschäftigt und deren Fertigung dann in Lizenzen an andere Firmen ausgegeben. Zusammenfassend kann man sagen, daß bei Krupp etwa 10 bis 15 Prozent der Belegschaft in diesem Kriege Rüstungsgegenstände im Sinne des Genfer Abkommens gefertigt haben, obwohl der ganze Betrieb als Rüstungsbetrieb geführt wurde.

DR. FLÄCHSNER: Welchen Einfluß hatten Sie und Ihr Ministerium darauf, ob einem Betrieb ausländische oder deutsche Arbeitskräfte zugewiesen wurden?

SPEER: Darauf hatte mein Ministerium keinen Einfluß. Meinem Ministerium wurde der Bedarf an Arbeitskräften von den mir unterstehenden Rüstungsbetrieben in einer Gesamtzahl mitgeteilt und nicht aufgeteilt nach Ausländern, Kriegsgefangenen oder nach deutschen Arbeitskräften. Diese Gesamtzahl wurde als Forderung an den Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz weitergegeben. Sauckel lehnte es ab, detaillierte Anforderungen entgegenzunehmen. Er hatte damit recht, da er seinen unteren Dienststellen keine Einzelweisungen geben konnte, in welchem Prozentsatz Deutsche oder Ausländer örtlich dem Betrieb vermittelt werden. Die Vermittlung der Arbeitskräfte durch die untere Instanz an die Betriebe selbst wurde von den Arbeitsämtern ohne Zwischenschaltung irgendeiner meiner Instanzen vorgenommen. Wir nahmen also auch hier keinen Einfluß darauf, ob Deutsche, Ausländer oder Kriegsgefangene im einzelnen einem Betriebe zugewiesen wurden. Die Rückmeldung des Betriebes über seinen Neuzugang an Arbeitskräften ging an mein Ministerium wieder in einer Gesamtzahl, so daß ich keinen Überblick darüber hatte, ob und wie viele ausländische Arbeitskräfte oder Kriegsgefangene in der Gesamtzahl enthalten waren.

Selbstverständlich wußte ich, daß ausländische Arbeiter an Rüstungsgegenständen arbeiteten. Ich war damit einverstanden.

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Zur Erleichterung des Gerichts darf ich vielleicht bemerken, daß sich über diese Fragen der Fragebogen unter Nummer 7 und 17 des Zeugen Schmelter und auch Nummer 1 und 8 des gleichen Fragebogens, der Fragebogen Schieber zu Nummer 10, 11, 30 und 31 geäußert hat, daß ferner im Fragebogen Kehrl in der Antwort zu Frage 8 und 9 Material hierzu enthalten ist.

Herr Speer! Wer vertrat die Forderung an Arbeitskräften für die Rüstung gegenüber dem Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz?

SPEER: Die Anforderungen für Arbeitskräfte waren nach den verschiedenen Wirtschaftszweigen in verschiedene Sektoren aufgeteilt. Es gab etwa 15 anfordernde Sektoren. In diesen Sektoren wurde von mir angefordert für die Heeres- und Marinerüstung und für den Bau und ab September 1943 für die Sektoren Chemie, Bergbau und übrige Produktion. Die Luftrüstung hatte ihre eigene Arbeitseinsatzabteilung, die über das Reichsluftfahrtministerium anforderte.

DR. FLÄCHSNER: Hierüber haben sich in den Fragebogen der Zeuge Schmelter in seiner Antwort auf Frage 2, der Zeuge Schieber in seiner Antwort auf Frage 2, 3 und 5, der Zeuge Kehrl auf Frage 2 und 3 geäußert.

Wurden die Forderungen nach Arbeitskräften für die Rüstung der drei Wehrmachtsteile nicht in Ihrem Ministerium zusammengefaßt?

SPEER: Nein. Ich hatte zwar der Form nach ab März 1942 das Rüstungsamt unter General Thomas vom OKW übernommen, und dieses Rüstungsamt war eine gemeinsame Dienststelle aller drei Wehrmachtsteile, in dem auch die Arbeitseinsatzfragen besprochen wurden. Durch eine Vereinbarung zwischen Göring und mir war aber festgelegt worden, daß die Luftrüstung unabhängig von mir ihre Interessen vertritt. Diese Festlegung war notwendig, da ich ja zunächst als der Minister für die Heeresrüstung einseitiger Interessent war und daher nicht über den Arbeiterbedarf eines mir nicht unterstehenden Rüstungsteiles Entscheidungen treffen wollte.

DR. FLÄCHSNER: Wie weit sind Sie verantwortlich für die Beschäftigung von Kriegsgefangenen in der Rüstung, also hier Rüstung im engeren Sinne gemeint, gegen die Genfer Bestimmungen?

SPEER: Ich habe meinen Einfluß nicht geltend gemacht, daß Kriegsgefangene entgegen den vom OKW herausgegebenen Richtlinien beschäftigt wurden. Ich kannte den Standpunkt des OKW, nach dem die Genfer Konvention hier eingehalten werden soll. Allerdings war mir auch bekannt, daß diese Genfer Bestimmungen nicht für die russischen Kriegsgefangenen und für die italienischen Militärinternierten gelten. Ich konnte keinen Einfluß auf die Zuteilung der Kriegsgefangenen auf die einzelnen Betriebe nehmen. Diese Zuteilung wurde von dem Arbeitsamt in Verbindung mit der unteren Behörde des Chefs Kriegsgefangenenwesen, mit dem sogenannten »Stalag« durchgeführt.

DR. FLÄCHSNER: Ich darf hierzu auf den Fragebogen des Zeugen Schmelter auf die Antwort Nummer 14 verweisen.

Herr Speer! Wer war denn in der Mittelinstanz der maßgebende Offizier, der unter dem OKW stand?

SPEER: Die Beaufsichtigung des richtigen Einsatzes der Kriegsgefangenen wurde in der Mittelinstanz durch den Wehrwirtschaftsoffizier vorgenommen. Dieser war bei dem Wehrkreisbefehlshaber eingebaut, der dem Heer unterstand.

DR. FLÄCHSNER: Nun ist von der Anklage ein Affidavit von Mr. Deuss, einem amerikanischen Wirtschaftsstatistiker, vorgelegt als Dokument Nummer 2520-PS.

Nach diesem Affidavit sind mit der Herstellung von Rüstungsgegenständen 400000 Kriegsgefangene beschäftigt gewesen. Diese Zahlen sollen aus den Statistiken Ihres Ministeriums entnommen und ermittelt sein. Wie stehen Sie zu dieser Berechnung?

SPEER: Die Zahlen sind mir aus meiner Tätigkeit als Minister bekannt, sie sind richtig. Es handelt sich bei diesen 400000 Kriegsgefangenen um die in der gesamten Rüstung beschäftigten Kriegsgefangenen.

Es ist aber ein falscher Schluß des Affidavits, wenn es annimmt, daß diese Kriegsgefangenen alle mit der Herstellung von Rüstungsgegenständen im Sinne des Genfer Abkommens beschäftigt waren. Eine Statistik, wie viele Kriegsgefangene in den Rüstungsbetrieben beschäftigt wurden, die Rüstungsgegenstände im Sinne des Genfer Kriegsgefangenenabkommens fertigten, wurde bei uns nicht geführt und kann daher auch nicht aus meinen Akten errechnet werden.

Im übrigen sind in diesen 400000 Kriegsgefangenen etwa 200000 bis 300000 italienische Militärinternierte enthalten, die alle damals in den Bereich meiner Produktion überführt wurden. Es ist also mit diesem Affidavit nicht der Beweis erbracht, daß Kriegsgefangene mit der Herstellung von Rüstungsgegenständen an sich beschäftigt waren.

DR. FLÄCHSNER: Hier ist sehr oft die Zentrale Planung erwähnt worden. Sie waren Mitglied der Zentralen Planung. Können Sie mir die Entstehung der Zentralen Planung und ihren Aufgabenbereich näher schildern?

SPEER: Als ich mein Amt 1942 antrat, war es eine dringende Notwendigkeit, die Verteilung verschiedener Materialien, zusammengefaßt für die drei Wehrmachtsteile, vorzunehmen und die Steuerung der Kriegswirtschaft auf weite Sicht zu garantieren. Dies wurde bis dahin im Wirtschaftsministerium vorgenommen, zu einem anderen Teil im OKW. Beide waren zu schwach, um sich den drei Wehrmachtsteilen gegenüber durchzusetzen.

Auf meinen Vorschlag wurde im März 1942 die Zentrale Planung vom Beauftragten für den Vierjahresplan errichtet. Entscheidungsberechtigt waren darin die drei Mitglieder Milch, Körner und ich, und zwar nur durch gemeinsamen Beschluß, der aber immer ohne Schwierigkeiten herbeigeführt werden konnte. Es ist klar, daß ich auf Grund meiner überragenden Stellung in dieser Zentralen Planung der ausschlaggebende Faktor war.

Die Aufgaben der Zentralen Planung waren klar umrissen und durch den von mir entworfenen Erlaß Görings festgelegt. Eine Zusammenstellung der Forderung an Arbeitskräften oder eine Verteilung der Arbeitskräfte war in diesem Erlaß nicht vorgesehen. Diese Tätigkeit wurde von der Zentralen Planung trotz der hier vorgelegten Dokumente nicht systematisch durchgeführt. Ich habe versucht, die Entscheidung über Anforderung und Verteilung der Arbeitskräfte durch die Zentrale Planung zu erhalten, da dies ein wesentlicher Faktor der Lenkung der Gesamtwirtschaft gewesen wäre. Dies wurde mir jedoch von Sauckel als Einmischung in seine Rechte immer abgelehnt.

DR. FLÄCHSNER: Ich reiche hierzu den Erlaß Görings für die Einrichtung einer Zentralen Planung im Vierjahresplan – er ist veröffentlicht am 25. April 1942 – als Speer-Dokument 42 und Exhibit Nummer 7 ein. Herr Präsident, der Wortlaut befindet sich auf Seite 17 des englischen Dokumentenbuches.

Der Aufgabenkreis der Zentralen Planung...

VORSITZENDER: Einen Augenblick. Welche Nummer geben Sie dem Dokument? Auf dem Dokument heißt es Speer Nummer 142.

DR. FLÄCHSNER: Nein, das muß ein Schreibfehler sein; es muß 42 heißen, Herr Präsident; es befindet sich...

VORSITZENDER: Welche Exhibit-Nummer hat es?

DR. FLÄCHSNER: Speer-Exhibit Nummer 7.

VORSITZENDER: Und was heißt dann 42? Warum schreiben Sie dann 42, wenn es Exhibit Nummer 7 ist?

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Das ist die Ordnungsnummer, unter der überhaupt das Dokument aufgenommen worden war bei der Zusammenstellung des Dokumentenbuches. Hier ist maßgebend die Exhibit-Nummer 7.

VORSITZENDER: Gut.

DR. FLÄCHSNER: Es ist nur zum Erleichtern des Auffindens im Dokumentenbuch, Herr Präsident. Es befindet sich auf Seite 17 des englischen Textes; und da darf ich die Aufmerksamkeit des Gerichts auf den Punkt 3 des Erlasses lenken. Danach hatte die Zentrale Planung zu entscheiden über die notwendigen industriellen Neuplanungen über den Ausbau der Produktion von Rohstoffen, über die Verteilung der Rohstoffe, wie auch über die Zusammenfassung der Forderungen an das Transportwesen. In dem Erlaß ist nicht vorgesehen die Regelung der Frage der Arbeitskräfte.

Herr Speer! Wie kam es nun, daß trotzdem in der Zentralen Planung die Anforderung von Arbeitskräften besprochen wurde?

SPEER: Es sind alle 60 Sitzungen der Zentralen Planung, die von 1942 bis 1945 stattgefunden haben, in den Stenogrammen enthalten. Diese 5000 Schreibmaschinenseiten geben einen klaren Tätigkeitsbericht über die Aufgaben der Zentralen Planung. Es geht daraus für jeden Sachverständigen hervor, daß keine Arbeitseinsatzplanung vorgenommen wurde, denn es ist klar, daß eine Arbeitseinsatzplanung mindestens in vierteljährlichen Abständen durchgeführt werden müßte, wie wir das für die Rohstoffe auch machen mußten. In der Tat wurden in der Zentralen Planung drei bis vier Besprechungen über Arbeitseinsatz abgehalten. Diese drei bis vier Besprechungen kamen auf folgende Weise zustande: Ich hatte mir im Jahre 1942 oder 1943, also bevor ich die gesamte Produktion zu leiten hatte, bei Einziehungsaktionen von Soldaten zur Wehrmacht das Recht zugestehen lassen, die einzelnen Quoten der Einziehungen in der Produktion auf die einzelnen Sektoren zu verteilen. Diese Verteilung wurde in der Zentralen Planung als neutrales Gremium in einer Sitzung vorgenommen. Bei dieser Sitzung war selbstverständlich auch ein Vertreter vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz vertreten, da ja gleichzeitig damit die Frage der Ersatzgestellung besprochen werden mußte. Ein zweiter Sektor, der in der Zentralen Planung besprochen wurde, war die Verteilung der Kohle für das nächste Jahr. Die Kohle steuerte genau wie bei der englischen Produktion auch unsere gesamte Kriegswirtschaft. Bei diesen Besprechungen mußte gleichzeitig festgestellt werden, inwieweit der Bedarf an Arbeitskräften des Kohlebergbaues vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz befriedigt werden kann, da nur mit diesem zusammen eine saubere Planung für das nächste Jahr vorgenommen werden konnte. Daraus entstanden die Besprechungen über den Einsatz von russischen Kriegsgefangenen im Bergbau, die hier zitiert worden sind. Es fanden darüber hinaus zwei Sitzungen statt, in denen tatsächlich die Forderungen aller Bedarfsträger besprochen wurden, und zwar in einer Weise besprochen wurden, wie es die Anklage für die Zentrale Planung für die gesamte Tätigkeit verallgemeinern möchte. Diese beiden Sitzungen fanden im Februar und März 1944 statt, und weder vorher noch nachher wurden sie wiederholt. Dazu waren diese zwei Sitzungen während meiner Krankheit; es war mir bereits damals unklar, wieso Sauckel gerade während meiner Krankheit meinem Wunsche, die Zentrale Planung hier einzuschalten, nachgekommen war und sich danach wieder von dieser Zusage distanzierte.

DR. FLÄCHSNER: Von der Anklage sind verschiedene Auszüge aus Sitzungen der Zentralen Planung vorgelegt worden.

Sind diese Auszüge nach Ihrer Kenntnis aus den Stenogrammen oder aus dem Protokoll der Sitzungen entnommen?

SPEER: Sie sind aus den Stenogrammen entnommen worden. Außer diesem Stenogramm wurde bei jeder Sitzung noch ein Protokoll angefertigt über das Sitzungsergebnis. Diese Protokolle sind das tatsächliche Ergebnis der Sitzung. Aus den Protokollen selbst ist kein Material von der Anklage hier vorgelegt worden bis jetzt. Das, was im Stenogramm vorgelegt wird, sind selbstverständlich Bemerkungen und Debatten, wie sie bei derartig wichtigen Gegenständen in jeder Kriegswirtschaft jedes Landes vorkommen, auch wenn die entsprechende Behörde nicht unmittelbar für die Fragen etwa des Arbeitseinsatzes verantwortlich ist.

DR. FLÄCHSNER: Handelte es sich demnach bei den Zitaten, die hier vorgekommen sind, um Entscheidungen, die in der Zentralen Planung oder von Ihnen getroffen worden sind?

SPEER: Das ist ja schon beantwortet worden.

DR. FLÄCHSNER: Ich möchte nur noch eine Frage an Sie richten. Sie waren doch Rüstungsbevollmächtigter innerhalb des Vierjahresplanes. Was hat es damit auf sich?

SPEER: Der Rüstungsbevollmächtigte im Vierjahresplan wurde ebenfalls im März 1942 von Göring auf meinen Vorschlag hin geschaffen, und ich wurde zum Rüstungsbevollmächtigten ernannt. Dies war eine Formsache. Es war allgemein bekannt, daß Göring mit Todt, meinem Vorgänger, Streitigkeiten hatte, da ihm die Heeresrüstung im Vierjahresplan nicht unterstand. Ich hatte mich mit diesem Rüstungsbevollmächtigten Göring offiziell unterstellt. Tatsächlich ist der Rüstungsbevollmächtigte nicht wirksam geworden. Ich habe keinerlei Weisungen als Rüstungsbevollmächtigter herausgegeben. Ich hatte als Minister genügend Autorität und hatte es nicht notwendig, mich dabei der Autorität des Vierjahresplanes zu bedienen.

DR. FLÄCHSNER: Zur Erleichterung des Gerichts ist es vielleicht gestattet, bei der Frage der Zentralen Planung darauf hinweisen zu dürfen, daß sich die Zeugen Schieber in Fragebogen unter Nummer 4 und 45, und der Zeuge Kehrl sich unter Nummer 2 dazu geäußert haben.

Ich komme jetzt zu der Frage der Verantwortlichkeit für die Zahl der ausländischen Arbeiter allgemein.

Herr Speer! Die Anklage erhebt den Vorwurf, daß Sie an der nach Deutschland gekommenen Gesamtzahl ausländischer Arbeiter eine Mitverantwortung haben. Ihr Mitangeklagter Sauckel hat hierzu ausgesagt, daß er vordringlich für Sie gearbeitet hätte, so daß seine Tätigkeit durch Ihren Bedarf in der Spitze bestimmt worden sei. Was haben Sie dazu festzustellen?

SPEER: Selbstverständlich habe ich von Sauckel erwartet, daß er den Bedarf der Rüstung vordringlich abdeckt, aber es kann nicht davon die Rede sein, daß er meinen Bedarf an der Spitze abgedeckt hat, denn ich habe ab Frühjahr 1943 nur einen Teil der Arbeitskräfte erhalten, den ich benötigt hätte. Wenn mein Spitzenbedarf abgedeckt worden wäre, hätte ich alles erhalten müssen. Ich brauche hierzu nur ein Beispiel zu nennen: Es sind in der gleichen Zeit 200000 Ukrainerinnen für die Haushaltungen bereitgestellt worden. Es ist sicher, daß ich damals der Meinung war, daß diese besser in der Rüstung beschäftigt würden. Es ist weiter klar, daß die Reserven an deutschen Arbeitskräften nicht ausgenutzt waren; diese waren ab Januar 1943 noch immer reichlich vorhanden. Ich hatte ein Interesse an deutschen Arbeitskräften – auch an Frauen. Auch diese Nichtausnutzung der deutschen Reserve an Arbeitskräften zeigt, daß ich nicht für die Abdeckung des Spitzenbedarfes, für die Forderung an ausländischen Arbeitskräften insgesamt verantwortlich gemacht werden kann.

DR. FLÄCHSNER: Ich darf darauf hinweisen, daß sich über diese Fragen in den Fragebogen der Zeuge Schmelter zu Punkt 12, 13 und 16, der Zeuge Schieber zu Punkt 22, der Zeuge Rohland zu Punkt 1 und 4, und der Zeuge Kehrl unter Nummer 9 geäußert haben.

Herr Speer! Wenn Sie oder Ihre Dienststelle Arbeitskräfte anforderten, dann wußten Sie doch, daß darin ausländische Arbeitskräfte enthalten sein würden. Brauchten Sie diese ausländischen Arbeitskräfte?

SPEER: Ich brauchte sie nur zu einem Teil, von meinen Produktionsbedürfnissen aus gesehen. So konnten zum Beispiel die Kohlenbergwerke nicht ohne russische Kriegsgefangene auskommen. Hier wäre es unmöglich gewesen, die Reserven an deutschen Arbeitskräften, die in der Hauptsache aus Frauen bestanden, einzusetzen. Es gab weiter gewisse Spezialgebiete, bei denen es erwünscht war, ausländische Facharbeiter zu haben, aber die Mehrzahl der Arbeitskräfte konnte durch Deutsche, auch durch Frauen, gestellt werden. Dies wurde in den Rüstungen Englands, Amerikas und sicher auch in der Sowjetunion in großem Umfange durchgeführt.

VORSITZENDER: Wollen Sie nicht fortfahren, Dr. Flächsner? Sie brauchen nicht zu warten.

DR. FLÄCHSNER: Ja. Ich werde hierauf im Dokumentenbeweis noch ausführlicher zurückkommen.

Ich möchte, Herr Speer, mich noch einmal Ihrer Aussage vom 18. Oktober 1945 zuwenden. Sie haben darin mehrmals bestätigt, daß Sie wußten, daß die Arbeitskräfte aus besetzten Gebieten gegen ihren Willen nach Deutschland kamen. Die Anklage behauptet nun, daß Sie die Anwendung von Zwang und Terror gebilligt hätten. Was haben Sie hierzu zu sagen?

SPEER: Ich hatte auf die Art und Weise, wie die Arbeitskräfte beschafft wurden, keinen Einfluß. Wenn die Arbeitskräfte gegen ihren Willen nach Deutschland kamen, so verstehe ich darunter, sie werden durch gesetzliche Maßnahmen verpflichtet, Arbeit für Deutschland anzunehmen.

Ob diese gesetzlichen Maßnahmen berechtigt waren oder nicht, habe ich damals nicht untersucht. Dies war ja auch nicht meine Angelegenheit. Unter Anwendung von Zwang und Terror verstehe ich dagegen polizeiliche Maßnahmen, wie Festnahmen, Razzien und dergleichen. Diese Gewaltmaßnahmen billigte ich nicht. Das geht auch aus meiner Stellungnahme in der Besprechung bei Lammers vom 11. Juli 1944 hervor. Ich stellte mich damals auf den Standpunkt, daß weder eine Erhöhung der Polizeikräfte, noch Razzien, noch Gewaltmaßnahmen richtig seien. In diesem Dokument bin ich gleichzeitig als einer derjenigen angeführt, die gegen die dort vorgeschlagenen Gewaltmaßnahmen ihre Bedenken geäußert haben.

VORSITZENDER: Wo ist das Dokument?

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Das ist Dokument 3819-PS, welches die Anklagebehörde im Kreuzverhör, ich glaube, des Angeklagten Keitel und des Angeklagten Sauckel vorgelegt hat. Ich habe es ins Dokumentenbuch nicht aufgenommen.

Herr Speer! Warum waren Sie gegen derartige Gewaltmaßnahmen?

SPEER: Weil durch Gewaltmaßnahmen dieser Art ein geordneter Arbeitseinsatz in den besetzten Gebieten zerschlagen werden mußte. Ich hatte aber ein Interesse an einer geordneten Produktion in den besetzten Gebieten. Bei Gewaltmaßnahmen gingen mir die Arbeitskräfte in den besetzten Gebieten verloren, denn es bestand die Gefahr, daß sie sich in zunehmendem Maße in die Wälder flüchteten, um nicht nach Deutschland zu müssen, und daß sie die Reihen der Widerstandsbewegungen stärkten. Dies aber führte wieder zu erhöhten Sabotagen und das wieder zur Einschränkung der Produktion in den besetzten Gebieten. Daher waren sowohl die Militärbefehlshaber wie die Oberbefehlshaber der Heeresgruppen wie auch ich immer wieder gegen diese vorgeschlagenen Gewaltmaßnahmen größeren Stils.

DR. FLÄCHSNER: Waren Sie an der Arbeiterwerbung aus verschiedenen Ländern besonders interessiert und warum?

SPEER: Ja, ich war an der Arbeiterwerbung aus Frankreich, Belgien, Holland, also aus dem Westen und aus Italien besonders interessiert, denn der Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz hatte ab Frühjahr 1943 festgelegt, daß in der Hauptsache die Arbeitskräfte aus diesen Gebieten für die Rüstung zur Verfügung gestellt werden sollen. Dagegen sollten die Arbeitskräfte aus dem Osten für die Landwirtschaft, Forstwirtschaft und für den Bahnbau vorwiegend verwendet werden. Diese Festlegung hat Sauckel mir gegenüber auch noch im Jahre 1944 mehrmals wiederholt.

DR. FLÄCHSNER: Ich darf hierzu auf das Dokument 3012-PS – es ist Exhibit US-190 – verweisen. Es befindet sich auf Seite 19 des englischen und Seite 16 des französischen Textes meines Dokumentenbuches. Ich zitiere aus der Besprechung mit der Wirtschaftsinspektion Süd in Rußland. Peukert, der Beauftragte Sauckels für Rußland, legt darin fest – ich zitiere:

»... Es sei vorgesehen, daß die Arbeitskräfte aus den Ostgebieten vor allem in der Land- und Ernährungswirtschaft, die Arbeitskräfte aus dem Westen (insbesondere die von Minister Speer benötigten Fachkräfte) der Rüstungswirtschaft zuzuführen...«

Und ferner Dokument 1289-PS – das ist Exhibit RF-71 – und ist wiedergegeben auf Seite 42 des englischen Textes meines Dokumentenbuches, Seite 39 des französischen und deutschen Textes. Es handelt sich um einen Vermerk Sauckels vom 26. April 1944.

»Nur durch erneute Mobilisierung der Reserven in den besetzten Westgebieten kann der dringende Qualitätsarbeiterbedarf der deutschen Rüstung befriedigt werden. Die Reserven aus anderen Gebieten reichen dafür qualitäts- und zahlenmäßig nicht aus. Sie werden dringend benötigt für den Bedarf der Landwirtschaft, der Verkehrswirtschaft und der Bauwirtschaft. Die Arbeitskräfte aus dem Westen sind bereits von jeher zu 75 % der Rüstung zugeführt worden.«

VORSITZENDER: Dr. Flächsner! Wenn ich für mich sprechen darf, so weiß ich wirklich nicht, welches Problem Sie zu lösen versuchen oder was für eine Streitfrage Sie behandeln. Ich weiß nicht, wieso dies überhaupt beweiserheblich ist. Was macht es aus, ob sie von Westen oder von Osten gekommen sind? Soweit ich Ihren Vortrag oder den des Angeklagten verstehe, ist es so, daß »Rüstungsindustrie« im Sinne der Genfer Konvention die vielfältigen Industriezweige nicht einschließt, die vielleicht einmal in die Rüstung übergehen können. Sie bezieht sich nur auf Dinge, die direkt mit Munition zu tun haben. Wenn Sie uns aber diese Streitfrage hier schon vorbringen, was hat es dann für einen Zweck, uns auf so ein Beweisthema zu verweisen? Das möchte ich gerne wissen, weil ich nicht im geringsten verstehe, worauf Sie hinaus wollen.

DR. FLÄCHSNER: Herr Präsident! Das ist die Vorbereitung für die Frage, auf die wir jetzt kommen, nämlich die der Sperrbetriebe. Durch die Einrichtung der Sperrbetriebe wollte Speer, wenn ich mich so ausdrücken darf, die Übertragung von Arbeitern aus dem Westen nach Deutschland praktisch abstoppen. Deswegen muß ich vorher dartun, daß bisher seine Arbeiter, die Arbeiter für seine Betriebe, sofern sie aus dem Ausland kamen, vorwiegend aus dem Westen kamen. Ich will darlegen...

VORSITZENDER: Wenn wir nun annehmen, er habe unterbinden wollen, daß sie von Westen kamen, was wäre da der Unterschied?

DR. FLÄCHSNER: Es wird doch Speer zur Last gelegt, Herr Präsident, daß er aktiv an der Deportation von Arbeitern aus dem Westen für seine Rüstungszwecke tätig gewesen sei. Nun kommt es auf das Datum an. Vom Jahre 1943 ab hat er eine andere Politik verfolgt, während vorher, wie ja wohl aus der früheren Beweisaufnahme schon hervorgeht, die Arbeiter, die nach Deutschland gekommen sind, in weitgehendem Maße freiwillige Arbeiter gewesen sind.

VORSITZENDER: Selbstverständlich. Wenn Sie beweisen können, daß sie alle freiwillige Arbeiter waren, dann wäre das von erheblicher Bedeutung, aber Sie lenken Ihre Beweisführung gar nicht darauf hin.

DR. FLÄCHSNER: Das ist aber der Endzweck meiner Beweisführung, Herr Präsident. Ich möchte gerne diesen Beweis führen, soweit es möglich ist.

VORSITZENDER: Ich sage Ihnen nur: Ich verstehe nicht, worauf das hinausläuft.

Fahren Sie fort, warten Sie nicht länger.

DR. FLÄCHSNER: Herr Speer! Vom Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz sind Italien und die besetzten Westgebiete als die Länder bezeichnet worden, aus denen in der Hauptsache die ausländischen Arbeiter für Rüstungszwecke gestellt werden sollten. Wie weit billigten Sie in diesen Ländern Sauckels Maßnahmen?

SPEER: Bis zum Frühjahr 1943 billigte ich sie in vollstem Umfange. Bis zu diesem Zeitpunkt waren auch keine sichtbaren nachteiligen Folgen für mich eingetreten. Vom Frühjahr 1943 ab wurde die Ablehnung der Arbeitskräfte, nach Deutschland zu gehen, bei der Arbeiterschaft des Westens größer. Das hängt vielleicht zusammen mit der Niederlage bei Stalingrad und mit den verstärkten Fliegerangriffen auf Deutschland. Bis zum Frühjahr 1943 wurde nach meiner Kenntnis der Arbeitsverpflichtung mehr oder weniger willig nachgekommen. Vom Frühjahr 1943 ab jedoch kam oft nur noch ein Teil der aufgerufenen Arbeiter zu den Werbestellen.

Ich richtete daher etwa ab Juni 1943 durch den Militärbefehlshaber in Frankreich die sogenannten Sperrbetriebe ein. Belgien, Holland und Italien folgten bald mit dieser Einrichtung nach. Wichtig ist, daß jeder Arbeiter, der in einem der Sperrbetriebe beschäftigt war, automatisch von einem Einsatz nach Deutschland ausgenommen war und daß auch jeder Arbeiter, der nach Deutschland aufgerufen war, in einen Sperrbetrieb in seinem Lande gehen konnte, ohne daß den Organen des Arbeitseinsatzes die Möglichkeit gegeben war, diese wieder aus diesem Betrieb herauszuholen.

DR. FLÄCHSNER: Welche Folgen hatte das für die Arbeiterwerbung in den besetzten Westgebieten?

SPEER: Der Arbeitseinsatz in den besetzten Westgebieten nach Deutschland ist nach der Einführung der Sperrbetriebe auf einen Bruchteil abgesunken. Während vorher im Monat 80000 bis 100000 Arbeitskräfte zum Beispiel von Frankreich nach Deutschland kamen, ist nach der Einführung der Sperrbetriebe diese Zahl auf 3000 bis 4000 im Monat, also auf eine unerhebliche Zahl abgesunken, wie aus dem Dokument RF-22 hervorgeht. Es ist klar und muß dazu gesagt werden, daß die Verringerung dieser Zahlen selbstverständlich auch mit ein Ergebnis der Widerstandsbewegung ist, die im Westen in dieser Zeit anfing, sich auszubreiten.

DR. FLÄCHSNER: Haben Sie und Ihre Dienststellen zu diesem Zeitpunkt die Politik Sauckels gebilligt?

SPEER: Nein, es gab in dieser Zeit die ersten schweren Differenzen über die Sperrung dieser Arbeiter für den Arbeitseinsatz nach Deutschland. Das kam daher, daß der Verlust an Arbeitskräften, die ich in der Produktion der besetzten Gebiete hatte, größer war als die Arbeitskräfte, die von den besetzten Gebieten des Westens nach Deutschland kamen. Das geht aus dem Dokument RF-22 hervor, nach dem noch im Jahre 1943, und zwar vorwiegend in der ersten Hälfte des Jahres, etwa 400000 Arbeitskräfte von Frankreich nach Deutschland gekommen sind, die Produktion Frankreichs aber in derselben Zeit um 800000 Arbeitskräfte abnahm und der für Deutschland arbeitende Anteil der Arbeitskräfte in der französischen Produktion um 450000 Arbeitskräfte abnahm.

DR. FLÄCHSNER: Warum verlangten Sie im Sommer 1943 die Übernahme der deutschen Gesamtproduktion vom Wirtschaftsministerium?

SPEER: In der deutschen Produktion lag nach meiner Ansicht noch eine erhebliche Reserve, da die deutsche Friedenswirtschaft noch nicht in genügendem Umfange auf die Kriegswirtschaft umgestellt war. Neben den deutschen Frauen lag meiner Ansicht nach hier die größte Reserve des innerdeutschen Arbeitseinsatzes.

DR. FLÄCHSNER: Was unternahmen Sie, als Sie vom Wirtschaftsministerium die gesamte Produktion übertragen erhielten?

SPEER: Ich hatte damals bereits folgenden Plan vorbereitet: In Deutschland wurde ein großer Teil der Industrie mit der Produktion von sogenannten Verbrauchsgütern beschäftigt. Verbrauchsgüter sind zum Beispiel Schuhe, Kleider, Möbel und andere Bedarfsartikel für die Wehrmacht und für zivilen Bedarf. In den besetzten Westgebieten dagegen lagen die Kapazitäten für diese Fertigungen still. Sie waren nicht ausgenützt, weil die Rohstoffe fehlten. Diese Industrien hatten aber gerade in den besetzten Westgebieten einen besonders hohen Stand. Ich habe in der Durchführung dieses Planes die in Deutschland erzeugten Rohstoffe, wie zum Beispiel die künstliche Wolle, den deutschen Betrieben entzogen und sie nach dem Westen geliefert. Es sollten im Endergebnis dadurch eine Million Arbeitskräfte im Lande mehr in Arbeit gebracht werden, und dadurch konnte ich in Deutschland eine Million deutscher Arbeitskräfte für die Rüstung gewinnen.

DR. FLÄCHSNER: Wollten Sie die Rüstungsproduktion nicht auch in Frankreich steigern beziehungsweise fördern?

SPEER: Nein, alle diese Pläne waren mißlungen. Es ist der Französischen Regierung vor Ausbruch des Krieges nicht gelungen, eine Rüstungsproduktion in Frankreich aufzuziehen, und ich bin an dieser Aufgabe, oder vielmehr meine Organe sind an dieser Aufgabe auch gescheitert.

DR. FLÄCHSNER: Was beabsichtigten Sie mit diesem neuen Plan, welche Vorteile brachte er für Sie?

SPEER: Ich will es ganz kurz ausführen. Ich konnte durch diesen Plan in Deutschland ganze Betriebe für die Rüstung stilllegen und bekam dadurch nicht nur Arbeitskräfte, sondern Fabrikraum, Verwaltungspersonal frei; ich bekam Strom, Verkehrsvolumen frei, und zudem hatten diese Betriebe, da sie nie kriegswichtig waren, fast keine ausländischen Arbeitskräfte erhalten, so daß ich dadurch fast ausschließlich deutsche Arbeitskräfte in die deutsche Produktion bekam, die mir natürlich in der Rüstung wertvoller, bedeutend wertvoller waren als jede ausländische Arbeitskraft.

DR. FLÄCHSNER: Brachte ein solcher Plan nicht für die deutsche industrielle Entwicklung Gefahren und Nachteile mit sich?

SPEER: Die Nachteile waren erhebliche, da jede Stillegung eines Betriebes eine Herausnahme der Maschineneinrichtungen bedeutete und nach Beendigung des Krieges dann eine Umstellung dieser Betriebe auf die Friedenswirtschaft mindestens sechs bis acht Monate in Anspruch nimmt.

Ich habe damals auf einer Gauleitertagung in Posen ausgeführt, daß aber, wenn wir in diesem Krieg Erfolg haben wollen, wir auch diejenigen sein müssen, die die größeren Opfer auf sich nehmen.

DR. FLÄCHSNER: Und wie wurde dieser Plan in die Wirklichkeit umgesetzt?

VORSITZENDER: Dr. Flächsner! Was gehen den Gerichtshof diese Einzelheiten an? Es interessiert uns nicht, ob seine Pläne erfolgreich waren oder nicht. Die einzige Frage, die dieser Gerichtshof zu entscheiden hat, ist, ob sie nach dem Statut und dem Völkerrecht rechtmäßig waren. Abgesehen von ihrer Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit ist es aber für uns unerheblich, ob seine Pläne gut oder schlecht waren oder welches die Einzelheiten dieser Pläne waren.

DR. FLÄCHSNER: Jawohl, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Es ist nur eine Zeitverschwendung, auf Einzelheiten des Planes einzugehen.

DR. FLÄCHSNER: Ich wollte damit dartun, daß die Tendenzen oder sagen wir, die Tendenz, die der Angeklagte mit der Arbeitseinsatzpolitik verfolgte, eben die war, den Ausländer in seiner Heimat zu beschäftigen und die deutschen Reserven ausschließlich für seine eigenen Zwecke, für die letzten Zwecke der Rüstung, für sich in Anspruch zu nehmen; also alles was nicht unbedingt...

VORSITZENDER: Aber, Dr. Flächsner, dies ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, nicht der Rechtmäßigkeit. Er sagt, er habe eine Menge deutscher Arbeiter gehabt, guter Arbeiter, und diese hätten Verbrauchsgüter produziert, nicht Waffen. Er hielt es für besser, seine Industrien so einzurichten, daß die Arbeiter in Frankreich oder in den anderen westlichen Ländern verbleiben konnten.

Was haben wir damit zu tun? Wenn sie gezwungen worden sind, dort zu arbeiten, dann ist das genau so rechtswidrig, als wenn sie zwangsweise zur Arbeit nach Deutschland gebracht worden wären. Dies zumindest behauptet die Anklage.

DR. FLÄCHSNER: Ja, ich dachte aber und glaube...

VORSITZENDER: Wir werden uns jetzt vertagen.