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[Zum Zeugen gewandt:]

Wie waren nun Ihre eigenen Ansichten über die Frage der Weiterführung der Außenpolitik des Reiches in Bezug auf die eben behandelte Frage?

VON NEURATH: Ich war der Ansicht, daß die Lösung der verschiedenen politischen Probleme nur auf friedlichem Wege, und zwar Schritt für Schritt, zu erreichen sein würde. Voraussetzung dafür war allerdings die volle Gleichberechtigung Deutschlands auf allen Gebieten, also auch auf dem militärischen, ferner die Wiederherstellung der Souveränität im ganzen Reichsgebiet und die Aufhebung jeder Diskriminierung. Aber das zu erreichen war zunächst die erste Aufgabe der deutschen Außenpolitik.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Vorsitzender! Ich darf hierzu wiederum auf das erwähnte Affidavit des Botschafters Dr. Prüfer, das sich unter Nummer 4 in meinem Dokumentenbuch befindet, verweisen und möchte mit Erlaubnis des Gerichts aus diesem hierzu als Bekräftigung dessen, was der Angeklagte eben gesagt hat, einen Teil des Absatzes 12 vorlesen:

»Neuraths Politik war eine solche internationaler Verständigung und des Friedens. Diese Politik stand keinesfalls im Widerspruch dazu, daß auch Herr von Neurath eine Revision der Härten des Versailler Vertrages anstrebte. Er wollte dies jedoch ausschließlich auf dem Verhandlungswege, keinesfalls durch Gewalt herbeiführen. Alle Äußerungen und Weisungen, die ich als sein Mitarbeiter je von ihm gehört oder gesehen habe, bewegten sich in dieser Richtung. Daß Baron Neurath sich als einen Bewahrer des Friedens empfand, geht wohl am besten aus einer Äußerung hervor, die er bei seinem Ausscheiden aus dem Auswärtigen Amt tat. Er erklärte damals in einem kleinen Kreise von Mitarbeitern, daß sich nun wohl der Krieg nicht mehr vermeiden ließe. Er wollte damit wohl sagen, daß die Außenpolitik von nun an aus der seinen in die Hand von Leichtsinnigen gegeben worden wäre.«

Herr von Neurath! Sie waren sich also mit Hindenburg völlig einig in der absoluten Ablehnung jeder Anwendung von Gewalt zwecks Erreichung dieses Zieles der Abänderung des Versailler Vertrages. Und Sie hielten die Erreichung dieses Zieles für möglich und waren ein überzeugter Gegner kriegerischer Verwicklungen, die Sie für das größte Unglück nicht nur für Deutschland, sondern auch für die ganze Welt hielten?

VON NEURATH: Ja. Deutschland und die ganze Welt steckte ja damals noch immer in der schweren Wirtschaftskrise, die durch die Bestimmungen des Versailler Vertrages entstanden waren. Jede neue kriegerische Entwicklung konnte deshalb nur zu einem großen Unglück führen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Wenige Tage, nachdem Sie am 2. Juni 1932 Ihr neues Amt als Außenminister angetreten hatten, begann die Tagung der sogenannten Reparationskonferenz in Lausanne, an der Sie zusammen mit dem neuen Reichskanzler von Papen teilgenommen haben.

Wollen Sie uns ganz kurz sagen, was der Zweck der Konferenz war?

VON NEURATH: Die Kontributionslast aus dem Versailler Vertrag, die ja niemals fixiert worden war, sollte nun auch formell vollends beseitigt beziehungsweise in ihrer Endsumme fixiert festgelegt werden. Dieses Ziel ist auch erreicht worden.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Tagte auch gleichzeitig in Genf die Abrüstungskonferenz?

VON NEURATH: Ja, die Verhandlungen fanden fast gleichzeitig statt.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Vorsitzender! Ich erlaube mir, bei dieser Gelegenheit kurz des allgemeinen Verständnisses halber darauf hinzuweisen, daß die Einrichtung der Abrüstungskonferenz zurückgeht auf die Entschließung der Völkerbundsversammlung vom 25. September 1928, in der die enge Verbindung zwischen der internationalen Sicherheit, das heißt dem Frieden der Allgemeinheit der europäischen Staaten und der Begrenzung der Rüstungen betont wird. Ich darf hierzu hinweisen auf den Text der Entschließung des Völkerbundes, die sich unter Nummer 33 meines Dokumentenbuches befindet; das ist Seite 90 des Dokumentenbuches II.