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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie werden sich erinnern, daß Ihr Schreiben vom 31. August stammt. In dem Bericht heißt es:

»Über den Empfang des Reichsprotektors und des Staatssekretärs Frank durch den Führer erfahre ich von authentischer Seite folgendes:

Reichsjustizminister Gürtner hielt einleitend einen Vortrag über die tschechische Widerstandsbewegung, wobei er ausführte, daß in der nächsten Zeit der erste Prozeß gegen die vier Haupträdelsführer vor dem Volksgerichtshof stattfinden werde.

Der Führer wandte sich gegen diese Ausführungen und erklärte, daß für tschechische Aufrührer und Rebel len Exekutionskommandos genügten. Es sei falsch, durch Gerichtsurteile Märtyrer zu schaffen, was Beispiele von Andreas Hofer und Schlageter bewiesen. Die Tschechen würden jedes Urteil als Unrecht empfinden. Da die Sache nun einmal auf das gerichtliche Geleise gebracht sei, solle es damit sein Bewenden haben. Die Prozesse seien bis zum Friedensschluß zu vertagen und später im Lärm der Siegesfeier würden die Gerichtsverhandlungen ungehört verhallen. Die Urteile könnten nur auf Tod lauten, doch würde dann eine Begnadigung zu lebenslanger Festungshaft oder Deportation erfolgen.

Zur Frage der Zukunft des Protektorats streifte der Führer folgende drei Möglichkeiten:

1.) Belassung einer tschechischen Autonomie, wobei die Deutschen im Protektorat als gleichberechtigte Mitbürger lebten. Diese Möglichkeit scheidet aber aus, da immer mit tschechischen Umtrieben gerechnet werden müsse.

2.) Die Aussiedlung der Tschechen und die Verdeutschung des böhmisch-mährischen Raumes durch deutsche Siedler. Auch diese Möglichkeit käme nicht in Frage, da ihre Durchführung 100 Jahre beanspruchte.

3.) Die Verdeutschung des böhmisch-mährischen Raumes durch Germanisierung der Tschechen, d.h. durch ihre Assimilierung. Letztere wäre für den größeren Teil des tschechischen Volkes möglich. Von der Assimilierung seien auszunehmen diejenigen Tschechen, gegen welche rassische Bedenken beständen oder welche reichsfeindlich eingestellt seien. Diese Kategorie sei auszumerzen.

Der Führer entschied sich für die dritte Möglichkeit; er ordnete über Reichsminister Lammers an, daß der Vielheit der Pläne über die Aufteilung des Protektorats Einhalt geboten werde. Der Führer entschied ferner, daß im Interesse einer einheitlichen Tschechen-Politik eine zentrale Reichsgewalt in Prag für den gesamten böhmisch- mährischen Raum verbleibt.

Es verbleibt somit bei dem bisherigen Status des Protektorats.«

Und schauen Sie sich den letzten Satz an:

»Die Entscheidung des Führers erfolgte im Sinne der vom Reichsprotektor und von Staatssekretär Frank vorgelegten Denkschriften.«

Angeklagter! Obwohl Sie mir vorhin eine so scharfe Antwort gegeben haben, heißt es doch in diesem Dokument, daß nach dem Empfang des Reichsprotektors und des Staatssekretärs – es schreibt der Vertreter des Auswärtigen Amtes in Ihrem Amt – die Entscheidung des Führers im Sinne der von Ihnen und Ihrem Staatssekretär Frank vorgelegten Denkschriften erfolgt sei. Warum behaupten Sie, ich hätte Unrecht mit meiner Feststellung, es sei unwahr, daß der Führer andere Richtlinien verfolgt habe? Es steht doch klar in diesem Dokument.

VON NEURATH: Ich habe darauf folgendes zu antworten: Zunächst geht daraus hervor: In der Frage der Zukunft des Protektorats streift der Führer folgende drei Möglichkeiten. Das sind die drei Möglichkeiten, die ich gestern als Vorschlag erwähnt habe. Es geht daraus weiter hervor, aber das nicht unmittelbar, daß der Anlaß zu dieser Besprechung mit dem Führer zunächst ein ganz anderer war, als bloß die Frage des Protektorats zu entscheiden. Sondern da war ja der Justizminister dabei. Eine juristische Frage über die Behandlung der Angehörigen der Widerstandsbewegung war der Anlaß, und dazu ist auch Frank nach Berlin gekommen, und ich war vorher in Berlin und habe dem Führer über diese... nicht über diese Denkschrift, die ich nicht in der Hand hatte, wohl aber im allgemeinen über die Tendenzen und über die zukünftige Politik im Protektorat Vortrag gehalten, und zwar Vortrag gehalten mit den Vorschlägen, die hier unter 1, 2, 3 genannt sind. Daß dahinten, da am Schlusse steht: »Die Entscheidung erfolgte also im Sinne vom Reichsprotektor und von Staatssekretär Frank«, so ist das eine Bemerkung von Herrn Ziemke oder wer das verfaßt hat, aber das, was ich gestern sagte über die Politik, das ist das richtige, und hier... wenn ich auch zugebe, daß ich damals in dem Schreiben an Herrn Lammers mich identifiziert habe mit diesen Anlagen, das ist weggefallen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: So will ich Sie noch daran erinnern, daß in dem Absatz, den ich in Ihrer Denkschrift zuletzt angeführt habe, Sie im Gegensatz zu Franks Denkschrift die Organisation des Großdeutschen Reiches in den Vordergrund gestellt haben. Ich lege es so aus, daß Sie sich vorgestellt haben, im Falle eines deutschen Sieges werde der tschechische Teil der Tschechoslowakei Bestandteil eines Großdeutschen Reiches bleiben.

VON NEURATH: Nein, verzeihen Sie mal, es ist ja schon eingegliedert gewesen, und hier ist auch ausdrücklich gesagt, daß es in diesem Zustande verbleiben soll als Protektorat, aber als Sondergebilde.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Behaupten Sie, daß Ihre Politik nach dieser Zeit, also nach dem Herbst 1940, tschechenfreundlich war?

VON NEURATH: Ich glaube, die hat sich nicht geändert, außer wenn dort starke Widerstandsbewegungen waren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, wie kommt es dann, daß Sie Mitte 1941 jede Diskussion über die Fragen des deutsch-tschechischen Problems untersagt haben? Warum haben Sie derartige Diskussionen verboten?

VON NEURATH: Um zu verhindern, daß diese Fragen von neuem auftauchten, die den Anlaß gegeben haben zu dieser Denkschrift, nämlich die Fragen der Losreißung einzelner Teile des Protektoratsgebietes nach Niederdonau, nach Sudetenland, unter generellen Aussiedlungen. Das war der Zweck meines Vortrags beim Führer, wie ich gestern gesagt habe, um ein für allemal diese Diskussion zum Ende zu bringen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Aber Sie haben doch auch... Sie haben insbesondere jede öffentliche Erklärung an die tschechische Bevölkerung verboten. Nun, wollen wir uns das Dokument ansehen!

Es ist Dokument 3862-PS. Euer Lordschaft finden es auf Seite 126 des Dokumentenbuches 12a. Es wird GB-522, Euer Lordschaft.