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[Zum Zeugen gewandt:]

Sie behaupten also, daß Sie diese Bekanntmachung nicht unterschrieben haben?

VON NEURATH: Jawohl, das habe ich schon gestern oder vorgestern ausgeführt, wie das zustande gekommen ist, nämlich in meiner Abwesenheit.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Es ist nicht notwendig, das zu wiederholen, was Sie bereits gesagt haben. Ich will jetzt die Aussagen über diese Angelegenheit von Karl Hermann Frank vom 26. September 1945 verlesen. Diese Aussagen sind auf Seite 46 und 47 des russischen Textes zu finden, der englische Text wird vorgelegt. Karl Hermann Frank hat über diese Bekanntmachung, die ich soeben verlas, folgendes ausgesagt:

»Dieses Dokument, das vom 17. November 1939 datiert war, ist von Neurath unterschrieben. Neurath hat weder gegen die Erschießung der neun Studenten protestiert...«

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Darf ich hier zu diesem Dokument auf etwas aufmerksam machen. Es ist aus diesem Dokument, das weder datiert und in meiner Abschrift auch nicht unterschrieben ist, überhaupt nicht ersichtlich, von wem das ist. Ich möchte doch einmal protestieren gegen die Vorlesung dieses Dokuments.

VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Liegt nicht eine Beglaubigung dieses Dokuments vor?

DR. VON LÜDINGHAUSEN: In meiner Abschrift nicht.

VORSITZENDER: Gut...

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Gestatten Sie mir, dieses Mißverständnis aufzuklären. Dr. von Lüdinghausen hat den vollen Text des Dokuments USSR-60 zu seiner Verfügung, und zwar den englischen Text, der Ihnen, Herr Vorsitzender, auch vorliegt. Dieses Dokument ist gestern von Dr. von Lüdinghausen zitiert worden, und es enthält eine Beglaubigung über die Richtigkeit dieses Protokolls, die von dem Vertreter der Tschechoslowakischen Regierung unterschrieben ist und ein Datum trägt. Um das Verfahren zu vereinfachen, ist Dr. Lüdinghausen ein weiteres Exemplar dieses Protokolls über die Aussagen von Frank übergeben worden. Ich versichere, und man kann sich leicht davon überzeugen, daß die Beglaubigung dieses Dokuments vorhanden ist, sowie das Datum vom 17. November 1939.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Ich darf hierzu nur folgendes bemerken: Als ich diese große Anklageschrift der Anklageberichte der Tschechischen Delegation erhielt durch Herrn Oberst Eèer, waren diesem Dokument überhaupt keine Zusätze oder Anlagen beigefügt, außer Gesetzestexten. Ich habe mich dann bemüht, weil auf solche Zusätze Bezug genommen war, diese zu bekommen. Daraufhin habe ich nur einen Annex einer Anlage oder Zusatz »Nummer 2« bekommen, die anderen habe ich so in demselben Zustand bekommen wie dieses Dokument.

VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Einen Augenblick bitte. Wollen Sie uns bitte sagen, von welchem Dokument Sie jetzt sprechen?

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Von USSR-60.

VORSITZENDER: USSR-60, das ist doch der tschechische Bericht?

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Das ist der tschechische Bericht, der sehr dick ist, da ist darauf Bezug genommen. Zu diesem sind auch Annexe herausgegangen, und ich wiederhole, daß diese Annexe mir nicht zugänglich gemacht wurden, beziehungsweise ich habe mich selbst darum bemüht, aber ich habe eines bekommen, das nicht identisch ist mit dem; und dieses Dokument habe ich dann später in derselben Verfassung bekommen, in der es hier mir jetzt eben vorgelegt wurde, das heißt: ohne Überschrift, ohne Unterschritt und ohne Datum und erst recht ohne irgendein Zertifikat, wann, wo und von wem diese angebliche Aussage von Frank aufgenommen worden ist.

VORSITZENDER: Wollen wir hören, was General Raginsky dazu zu sagen hat. Wie ich General Raginsky verstehe, sagt er, daß ein Zertifikat zu dem Dokument vorhanden sei und daß das, was Ihnen vorgelegt worden ist, lediglich eine Kopie sei, die vielleicht das Datum und die Bestätigung nicht hat, aber dasselbe sei wie das beglaubigte Dokument. So sagten Sie doch, General Raginsky?

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Jawohl.

VORSITZENDER: Könnten Sie Dr. von Lüdinghausen nicht das Zertifikat und das beglaubigte Dokument zeigen?

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Dieses Zertifikat befindet sich auf Seite 44 des russischen Textes im Anhang zum Dokument USSR-60 und ist für General Eèer von dem Oberst im Generalstab Nowack unterschrieben. Dies ist das Dokument, das von uns seinerzeit dem Gerichtshof vorgelegt wurde.

VORSITZENDER: Ist es notwendig, die Zeit des Gerichtshofs mit diesem besonderen Dokument derartig in Anspruch zu nehmen? Das scheint mir eine große Zeitvergeudung zu sein.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Es ist doch immerhin wichtig, ich kann doch sonst nicht nachprüfen, ob es echt ist. Es ist doch mein gutes Recht.

VORSITZENDER: Ich habe General Raginsky gefragt, ob er darauf besteht, das Dokument zu benutzen. Lohnt es sich? Ich weiß nicht, was das für ein Dokument ist und was darin steht.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich glaube, es ist nicht notwendig, um so mehr, als dieses Dokument schon vor einigen Monaten dem Gerichtshof vorgelegt und von diesem angenommen wurde. Ich verstehe offen gestanden Dr. von Lüdinghausen nicht.

VORSITZENDER: Warum zeigen Sie nicht Dr. von Lüdinghausen die Beglaubigung zu diesem Dokument, das Sie ihm übergeben haben?

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ja, sicherlich, Herr Präsident. Ich habe dieses Zertifikat in russischer Sprache. Ich zitiere den russischen Text und kann ihn auch Dr. Lüdinghausen zeigen. Das Originaldokument liegt dem Gerichtshof vor und ist im Besitze des Gerichtshofs.

VORSITZENDER: Ist denn keine deutsche Übersetzung dieser Beglaubigung vorhanden, und stellt diese Beglaubigung nicht die Herkunft des Dokuments fest? Ist die Beglaubigung ins Deutsche übersetzt?

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Ich habe hier im Augenblick keinen deutschen Text vorliegen, aber während der Pause werde ich das Original in deutscher Sprache vorlegen.

VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Dem Gerichtshof ist mitgeteilt worden, dieses Dokument sei schon früher eingereicht worden, gleichzeitig mit der Beglaubigung von General Eèer, die bestätigt, daß dieses Dokument ein Teil des tschechischen Berichtes ist. Unter diesen Umständen wird der Gerichtshof das Dokument zulassen.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Dann habe ich noch einen Einwand gegen die Verwendung dieses Dokuments. Der Verteidigung steht bekanntlich das Recht zu, wenn irgendwelche Vernehmungsprotokolle oder Affidavits von Zeugen vorgelegt werden, diese Zeugen vorzuladen zur Vernehmung. Der frühere Staatssekretär Frank, von dem diese Aussage stammt, befindet sich aber bekanntlich nicht mehr unter den Lebenden. Ich protestiere daher auch aus diesem Grunde gegen die Verwendung des Dokuments.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Präsident...

VORSITZENDER: Dr. von Lüdinghausen! Dieses Dokument ist angeboten und als Beweismaterial auch angenommen worden, als K. H. Frank noch unter den Lebenden weilte. Das ist ein Grund, es anzunehmen.

Das Dokument ist unter Paragraph 21 des Statuts zulässig und ist unter diesem Artikel zugelassen worden. Es besteht keine Verfügung, wie Sie angaben, daß nämlich die Verteidigung berechtigt wäre, jeden, der ein Affidavit abgegeben hat, in ein Kreuzverhör zu nehmen. Das steht ganz und gar im Ermessen des Gerichtshofs, und aus diesem Grunde wird Ihr Einwand abgewiesen.

STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Ich möchte Sie nicht länger mit dieser Episode aufhalten, aber ich wollte nur darauf aufmerksam machen, daß es unnötige Zeitverschwendung ist, – da Dr. Lüdinghausen ja selbst einige Aussagen Franks in seinem Dokumentenbuch vorgelegt hat.

Ich verlese jetzt einige Aussagen von Frank. Ich wiederhole, es geht immer noch um diese Warnung, die wir eben dem Gerichtshof dargelegt haben, datiert vom 17. November 1939, unterschrieben von von Neurath, der weder gegen die Erschießungen der neun Studenten protestierte noch gegen die Verschickung der Studenten ins Konzentrationslager. Er verlangte auch keinerlei Änderungen dieser Gesetzgebung.