[Zum Gerichtshof gewandt:]
Diese Aussagen, Herr Vorsitzender, befinden sich auf Seite 18 und 19 des englischen Textes des Dokuments USSR-60. Ich zitiere einen Auszug:
[Zum Zeugen gewandt:]
»Er« – Neurath – »war an dem tschechischen Volke desinteressiert, und deshalb blieben alle Eingaben der Kabinettsmitglieder und Dr. Hachas für tschechische Belange im großen und ganzen erfolglos....
Insbesondere gilt das von folgenden Aktionen:
Verhaftung tschechischer Offiziere, Intellektueller, Mitglieder der tschechoslowakischen Legion des ersten Weltkrieges und Politiker. Während des Angriffs der deutschen Armee auf Polen wurden 6000 bis 8000 Leute als Geiseln verhaftet. Die Deutschen selbst nannten sie ›Schutzhäftlinge‹. Die Mehrzahl dieser Geiseln wurde niemals verhört, und alle Schritte, die zugunsten der Unglücklichen bei der Protektoratskanzlei unternommen wurden, blieben erfolglos. Neurath als alleiniger Vertreter der Reichsregierung im Protektorat Böhmen und Mähren trägt für die Hinrichtung der neun Studenten am 17. November 1939 die Verantwortung. Diese Hinrichtungen...«
VORSITZENDER: General Raginsky! Wäre es nicht vielleicht besser und dem Angeklagten gegenüber fairer, jeweils nur eine Frage an ihn zu stellen? Sie verlesen aus diesen Dokumenten lange Absätze, die viele Fragen enthalten. Vielleicht könnten Sie die beiden von Ihnen soeben verlesenen Absätze über die Verhaftung von Offizieren vornehmen und ihn fragen, ob diese wahr oder unwahr sind. Dann könnten Sie auf die anderen Absätze übergehen, die Sie zu erörtern wünschen. Es ist sehr schwierig für ihn, so viele Fragen auf einmal zu beantworten.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Diese Dokumente liegen dem Angeklagten vor. Ich werde jedoch Ihrem Wunsche Rechnung tragen und so verfahren, wie Sie es sagen. Was die Erschießung der Studenten betrifft, so werde ich sie später im ganzen behandeln.
[Zum Zeugen gewandt:]
Bestätigen Sie den Teil der Aussagen, den ich bisher über die Geiseln verlesen habe?
VON NEURATH: Über diesen Arrest oder über diese Verhaftung der Mitglieder einer sogenannten »Vlajka« Anfang September 1939 habe ich eben vorhin gesprochen und gestern ausführlich. Ich habe gesagt, daß diese Verhaftungen – ich wiederhole es noch einmal – von der Gestapo ohne mein Wissen durchgeführt wurden. Die Behauptung des Herrn Hawelka, daß ich nämlich für die Mehrzahl dieser Geiseln keinerlei Schritte unternommen habe, ist unrichtig. Herr Hawelka müßte wissen, daß ich mich für diese Leute dauernd eingesetzt habe und daß ich eine ganze Menge davon freibekommen habe.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Gut, wir wollen zur nächsten Frage übergehen. Hier vor dem Gerichtshof ist wiederholt das Dokument USSR-223 vorgelegt worden, es ist das Tagebuch Franks.
[Zum Gerichtshof gewandt:]
Herr Vorsitzender! Ich meine jetzt nicht Karl Hermann Frank, der für seine Verbrechen durch Gerichtsurteil zum Tode verurteilt worden ist, sondern den Angeklagten Frank. In diesem Tagebuch steht folgendes, – das Zitat ist hier bereits vorgebracht worden. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den Angeklagten eine Frage stellen. Die Eintragung lautete so:
Während eines Interviews mit einem Korrespondenten des »Völkischen Beobachter« im Jahre 1942 erklärte der Angeklagte Frank, daß in Prag rote Plakate ausgehängt worden sind mit einer Bekanntmachung, daß heute sieben Tschechen erschossen worden sind und daß, wenn ein Befehl gegeben würde, daß derartige Plakate für je sieben erschossene Polen ausgehängt werden sollen, dann würde es in Polen nicht genügend Holz geben, um das Papier für solche Plakate herzustellen.
Sagen Sie bitte, wurden tatsächlich in Prag diese roten Plakate ausgehängt?
VON NEURATH: Das habe ich gestern gesagt. Ich habe ja gestern schon gesagt, daß das dieses Plakat war, auf dem meine Unterschrift mißbraucht war, daß ich es gar nicht gesehen hatte vorher.
Das ist dieses rote Plakat.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Wenn Sie es vorher nicht gesehen haben, dann sehen Sie es sich einmal an.
VON NEURATH: Ja, ich kenne es genau.
VORSITZENDER: General Raginsky! Er sagt nicht, er hätte es nicht gesehen, er sagt, es wäre ohne sein Wissen angeschlagen worden.
STAATSJUSTIZRAT RAGINSKY: Herr Vorsitzender! Ich werde noch darauf zurückkommen. Ich möchte jetzt nur feststellen, daß der Angeklagte Frank gerade über diese roten Plakate in seinem Tagebuch schrieb. Ich lege dieses Plakat als Beweisstück USSR-489 vor. Ich möchte diese Bekanntmachung verlesen. Sie ist nicht sehr lang und wird nicht viel Zeit in Anspruch nehmen. Der Text ist folgender:
»Bekanntmachung!
Trotz wiederholter ernster Warnungen versucht seit einiger Zeit eine Gruppe tschechischer Intellektueller in Zusammenarbeit mit Emigrantenkreisen im Ausland durch kleine oder größere Widerstandsakte die Ruhe und Ordnung im Protektorat Böhmen und Mähren zu stören.
Es konnte dabei festgestellt werden, daß sich Rädelsführer dieser Widerstandsakte besonders auch in den tschechischen Hochschulen befinden.
Da sich am 28. Oktober und am 15. November diese Elemente hinreißen ließen, gegen einzelne Deutsche tätlich vorzugehen, wurden die tschechischen Hochschulen auf die Dauer von drei Jahren geschlossen, neun Täter erschossen und eine größere Anzahl Beteiligter in Haft genommen.
Prag, den 17. November 1939.
Der Reichsprotektor in Böhmen und Mähren
gez. Freiherr v. Neurath.«