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[Zum Zeugen gewandt:]

Die Anklage und auch Sir David gestern hat Ihnen zum Vorwurf gemacht, daß Sie, obwohl Sie nach Ihren Angaben mit dem Nazi-Regime und seinen Methoden nicht einverstanden waren und vieles, was geschah, für verwerflich und unmoralisch hielten und verabscheuten, nicht Ihren Abschied genommen haben, sondern weiter in der Regierung geblieben sind. Wollen Sie sich bitte nochmals dazu äußern?

VON NEURATH: Ich habe ja gleich anfangs erwähnt, daß ich Hindenburg das Versprechen abgegeben habe, in die Regierung einzutreten und dort zu bleiben so lange, als es mir irgend möglich sein werde, einen, jeder Gewaltanwendung abholden Kurs beizubehalten und Deutschland vor kriegerischen Verwicklungen zu bewahren. Das war mein Auftrag und kein anderer. Aber nicht nur dieses, Hindenburg gegebene Versprechen, sondern zum anderen auch meine Pflicht und mein Verantwortungsbewußtsein gegenüber dem deutschen Volk, solange als irgend möglich es vor kriegerischen Verwicklungen zu behüten, banden mich an dieses Amt. Daneben mußten all meine persönlichen Wünsche, die ganz andere waren, zurückstehen. Meine Macht und mein Einfluß als Außenminister ging leider nicht soweit, daß ich auf einem anderen Gebiete, wie zum Beispiel der Innenpolitik, unheilvolle und unmoralische Handlungen verhindern konnte; trotzdem ich es in vielen Fällen versucht habe, nicht zuletzt gerade in der Judenfrage. Ich hielt es aber für meine oberste Pflicht, meine Aufgaben zu erfüllen und mich diesen nicht zu entziehen, wenn auch auf anderen Gebieten, auf denen ich keinen Einfluß hatte, Dinge geschahen, die mich und meine Anschauung aufs tiefste verletzten.

Es mag viele Leute geben, die einen anderen Auffassungssinn und eine andere Einstellung haben als ich. Ähnliche Angriffe habe ich erlebt, als ich mich seinerzeit im Jahre 1919 der ersten Revolution einem sozialdemokratischen Kabinett zur Verfügung stellte; auch da wurden mir die heftigsten Angriffe, die heftigsten Vorwürfe gemacht.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Sie haben doch selbst schwer gerungen mit sich. Das haben Sie mir doch öfter erzählt?

VON NEURATH: Ja, es ist selbstverständlich. Es ist nicht leicht, einer Regierung anzugehören, mit deren Tendenzen man nicht einverstanden ist und für die man nachher verantwortlich gemacht werden soll.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Damit ist meine Vernehmung beendet. Ich würde vorschlagen, jetzt eine Pause zu machen, Herr Präsident und dann die Vernehmung meiner Zeugen beginnen zu dürfen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen.

[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Dr. Horn! Sie haben einige Fragen.

DR. MARTIN HORN, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN VON RIBBENTROP: Ich bitte um die Erlaubnis, daß mein Mandant heute nachmittag und morgen von der Sitzung fernbleiben darf, weil ich wichtige Fragen mit ihm zu besprechen habe.

VORSITZENDER: Das ist der Angeklagte von Ribbentrop?

DR. HORN: Ja, von Ribbentrop.

VORSITZENDER: Ja, natürlich.

DR. HORN: Danke schön.

DR. ALFRED THOMA, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN ROSENBERG: Herr Präsident! In der gestrigen Nachmittagssitzung hat Generalleutnant Raginsky gefragt, ob Rosenberg sich in Neuraths Außenpolitik eingemischt hätte. Die Dolmetscherin hat mir eben erklärt, daß sie falsch übersetzt hätte. Sie habe übersetzt »ob Ribbentrop sich in Neuraths Politik eingemischt hat«. Diese Frage ist also nicht beantwortet. Ich bitte deshalb, den Herrn Baron von Neurath fragen zu dürfen, ob Rosenberg sich in Neuraths Politik eingemischt hat.

VON NEURATH: Nein, keineswegs. Ich habe mit Rosenberg über außenpolitische Dinge nie gesprochen.

DR. THOMA: Außerdem bitte ich, das Protokoll entsprechend zu berichtigen. Es darf also nicht heißen, daß »Ribbentrop sich in die Politik von Neurath eingemischt hat« sondern »ob Rosenberg sich in die Politik Neuraths eingemischt hat.«

VORSITZENDER: Jawohl, das Protokoll wird abgeändert.

MR. FRANCIS BIDDLE, MITGLIED DES GERICHTSHOFS FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: