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[Zum Zeugen gewandt:]

Ich habe nur einige, sehr wenige Fragen an Sie, Sie werden sich daran erinnern, daß die Baronin von Ritter sagte, Sie hätten nach dem 5. November 1937 erkannt... ich will es Ihnen genau vorlesen:

»Als Herr von Neurath aus den Darlegungen Hitlers am 5. November 1937 zum erstenmal erkennen mußte, daß dieser seine politischen Ziele durch Gewaltanwendung gegenüber den Nachbarstaaten erreichen wollte, erschüttert ihn dies seelisch so stark, daß er mehrere schwere Herzattacken erlitt.«

Das ist doch eine richtige Beschreibung dessen, was Sie damals erkannt haben, nicht wahr?

[Der Zeuge nickt.]

Nun haben Sie erklärt, daß Sie sofort nach dieser Konferenz mit General Beck und General von Fritsch sprachen. Erinnern Sie sich daran?

VON NEURATH: Ja.

MR. BIDDLE: Ich glaube, Sie haben Sir David gesagt, Sie hätten nicht mit dem Angeklagten Göring gesprochen. Ich will Sie nun fragen, haben Sie zu irgend jemand anderem während der nächsten zwei oder drei Monate über das, was Hitler gesagt hatte, gesprochen. Sprachen Sie mit jemand vom Auswärtigen Amt?

VON NEURATH: Mit meinem Staatssekretär habe ich gesprochen.

MR. BIDDLE: Und mit wem vom Auswärtigen Amt haben Sie noch gesprochen?

VON NEURATH: Mit niemandem, denn es war die Bedingung gemacht an sich von Hitler, daß über diese ganzen Sitzungen Stillschweigen gewahrt bleiben solle, und deshalb habe ich mit meinen Beamten nicht gesprochen. Sie wußten auch nichts, sie hatten auch von den Militärs nichts erfahren.

MR. BIDDLE: Sprachen Sie mit dem Angeklagten von Papen darüber, als Sie ihn das nächste Mal trafen?

VON NEURATH: Nein, ich glaube, ich habe ihn damals nicht gesehen.

MR. BIDDLE: Haben Sie mit irgend jemand vor Ihrem Rücktritt darüber gesprochen?

VON NEURATH: Nein.

MR. BIDDLE: Nun noch eine Frage. Sie haben doch erkannt, daß Himmler Methoden anwenden würde, die Sie nicht billigen könnten, nicht wahr?

VON NEURATH: Ja, aber erst allmählich, das war von Anfang an nicht vorauszusehen.

MR. BIDDLE: Das will ich ja gerade wissen. Wann haben Sie das zum erstenmal erkannt? Wann, könnten Sie sagen, begannen Sie zum erstenmal, dies zu erkennen? Wann haben Sie zum erstenmal erkannt, was für ein Mensch Himmler war?

VON NEURATH: Es war an sich schwer zu erkennen, denn Himmler hatte zwei Gesichter, es war der reinste Januskopf, man konnte seine wahre Gesinnung überhaupt nicht gleich erkennen.

MR. BIDDLE: Ich frage Sie nicht wie er war. Versuchen Sie doch, sich zu erinnern, Sie haben das doch sicher zu irgendeinem Zeitpunkt erkannt. Wußten Sie es im Jahre 1937? Wußten Sie es im Jahre 1937 oder 1938? Sicherlich doch im Jahre 1938, nicht wahr?

VON NEURATH: 1938 wohl; es ist mir also sehr schwer im Moment, ein Datum zu sagen. Ich will kein genaues Datum nennen.

MR. BIDDLE: Ich will kein genaues Datum, ich halte Ihnen vor, daß Sie es wußten, ehe Sie in das Protektorat gingen. Sie wußten natürlich, wer Himmler war, bevor Sie in das Protektorat gingen. Darüber besteht doch keine Frage, nicht wahr?

VON NEURATH: Ja, gewiß.

MR. BIDDLE: Danke schön, das ist alles.

GENERALMAJOR I. T. NIKITCHENKO, MITGLIED DES GERICHTSHOFS FÜR DIE SOWJETUNION: Sind Sie jemals offen gegen die Politik der Hitler-Regierung aufgetreten?

VON NEURATH: Die Übersetzung ist leider nicht gut gewesen.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: In Ihren Erklärungen vor diesem Gericht haben Sie gesagt, daß Sie mit der Politik der Hitler-Regierung weder in einzelnen Fragen noch im allgemeinen einverstanden waren. Ist das richtig?

VON NEURATH: Ja.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Sind Sie jemals offen gegen die Politik der Hitler-Regierung aufgetreten mit der Erklärung, daß Sie die Politik der Hitler-Regierung nicht billigten?

VON NEURATH: Das habe ich mehr als einmal getan.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Wie haben Sie es getan, in welcher Weise? Ich spreche von einem öffentlichen Auftreten in der Presse oder in irgendeiner Versammlung?

VON NEURATH: Nein, weder in der Presse aufzutreten oder eine Versammlung abzuhalten, war überhaupt nicht mehr möglich. Das war ganz ausgeschlossen. Ich konnte nur Hitler persönlich beziehungsweise anfangs noch im Kabinett gegen diese Politik Front machen. Pressefreiheit gab es nicht mehr, ebensowenig wie in Rußland, ebensowenig war keine Versammlung möglich. Deswegen...

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Ich frage Sie nicht über Rußland, sondern über Ihr öffentliches Auftreten. Also es gab kein solches Auftreten?

VON NEURATH: Nein.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Und auf diese Weise konnte in Deutschland niemand wissen und wußte niemand, daß Sie mit der Politik der Hitler-Regierung nicht einverstanden waren?

VON NEURATH: Da habe ich mich unmißverständlich immer darüber geäußert, aber nicht durch Artikel und auch nicht durch Versammlungen, aber sonst habe ich das immer deutlich zum Ausdruck gebracht.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Es ist klar, aber nur zu Hitler unter vier Augen, nur Hitler persönlich? Das sagten Sie doch?

VON NEURATH: Nein, ich sage Ihnen, ich habe das jedem, der es hören wollte, gesagt, aber ich habe es weder in Versammlungen oder in Reden noch in Artikeln machen können.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Sie blieben in der Regierung, trotzdem Sie mit der Politik der Regierung nicht einverstanden waren, stimmt das?

VON NEURATH: Ja, gerade deswegen.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Um dieser Politik entgegenzuarbeiten?

VON NEURATH: Ja.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Sind Ihnen Ergebnisse dieser Art von Widerstandsarbeit bekannt?

VON NEURATH: Das habe ich nicht verstanden.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Welcher Art waren die Ergebnisse Ihres Widerstandes gegen die Politik der Hitler-Regierung?

VON NEURATH: Ja, das im einzelnen aufzuführen, bin ich nicht in der Lage.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Aber insbesondere zum Beispiel in der Frage des Angriffs? Sie waren gegen den Anschluß von Österreich?

VON NEURATH: Jawohl.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Die Deutsche Regierung hat den Anschluß Österreichs vollzogen, nicht wahr?

VON NEURATH: Ich glaube, es ist hier deutlich zum Ausdruck gekommen, daß Hitler dies im letzten Moment gemacht hat.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Sie waren gegen die Einverleibung der Tschechoslowakei?

VON NEURATH: Ja.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Die Deutsche Regierung hat sich trotzdem der Tschechoslowakei bemächtigt?

VON NEURATH: Ich war ja damals nicht mehr Mitglied der Regierung.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Aber Sie haben als ein Politiker, mit dem man nach Ihrer Ansicht rechnen mußte, Ihre Meinung dagegen ausgesprochen.

VON NEURATH: Immer.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Sie waren gegen den Überfall auf Polen?

VON NEURATH: Ja.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Und trotzdem hat Deutschland Polen überfallen?

VON NEURATH: Ich wiederhole, ich war nicht mehr Mitglied der Regierung. Ich habe es auch erst im letzten Moment erfahren.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Sie waren gegen den Überfall auf die Sowjetunion?

VON NEURATH: Erst recht, ich wollte genau das Gegenteil immer, ich wollte ein Zusammengehen mit der Sowjetunion, das habe ich schon im Jahre 19...

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Und Deutschland hat dennoch die Sowjetunion überfallen?

VON NEURATH: Jawohl.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Ihren Erklärungen nach mußte Hitler Ihre oppositionelle Einstellung gekannt haben; er mußte gewußt haben, daß Sie mit seiner Politik nicht einverstanden waren.

VON NEURATH: Das wußte er ganz genau, denn ich habe meinen Abschied deswegen im Jahre 1938 genommen.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Ist Ihnen bekannt, wie sich Hitler seiner politischen Gegner entledigte?

VON NEURATH: Im Reich, ja.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Und was Sie selbst betrifft, so ereignete sich nichts, trotz der Tatsache, daß Sie zur Opposition gehörten?

VON NEURATH: Ich habe es nicht verstanden.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Soweit es Sie angeht, so ereignete sich nichts Derartiges, trotz des Umstandes, daß Sie sich zur Opposition rechneten?

VON NEURATH: Nein, ich habe aber immer damit gerechnet.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Könnten Sie mir sagen, ob Sir Nevile Henderson in seinem Buch »The Failure of a Mission«, die über Sie erwähnten Tatsachen richtig dargestellt hat? Glauben Sie, daß Henderson richtig die Tatsachen darlegte, die Sie persönlich angehen?

VON NEURATH: Ich muß offen gestehen, ich habe dieses Buch von Nevile Henderson einmal vor drei oder vier Jahren gelesen. Ich kann mich nicht mehr entsinnen, was er über mich alles sagte. Ich habe hier ein paarmal Auszüge gehört, ich kann aber nicht sagen, was er über mich schreibt.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Ich nehme aber an, daß Ihnen die Auszüge bekannt sind, die Ihr Verteidiger in seinem Dokumentenbuch vorgelegt hat?

VON NEURATH: Ja.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Halten Sie das für zutreffend, was in diesen Auszügen in Bezug auf Sie gesagt ist?

VON NEURATH: Das nehme ich an, ja.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Das heißt, das ist richtig. Es ist also auch das richtig, was er über Ihre Parteizugehörigkeit schreibt?

Er schreibt: »Baron von Neurath selbst, der in der Regierung von Hindenburg verblieb, war kein Mitglied der Nazi-Partei.« Das ist richtig?

VON NEURATH: Ja, das, glaube ich, habe ich in den letzten Tagen wiederholt gesagt.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Und ferner teilte er mit: »er – Neurath – ist später Parteimitglied geworden.«

VON NEURATH: Wie das zugegangen ist, habe ich schon ausgesagt. Im Jahre 1931 bekam ich das goldene Parteiabzeichen ohne mein...

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Jawohl, das haben wir schon gehört. Aber es ist doch richtig, daß Sie später Parteimitglied geworden sind, wie Henderson sagt?

VON NEURATH: Nein, ich bin...

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Also ist dieser Teil nicht richtig?

VON NEURATH: Ich habe das goldene Parteiabzeichen bekommen mit der Erklärung Hitlers, daß damit keine Verpflichtung gegenüber der Partei begründet wird.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Das haben wir schon gehört. Das bedeutet also, daß die Darstellungen von Sir Nevile Henderson nicht alle richtig sind, soweit sie sich auf Ihre Person beziehen?

VON NEURATH: Ich weiß es nicht, ich kann mich mit dem besten Willen nicht entsinnen, was Sir Nevile Henderson über meine Person geschrieben hat.

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Ich habe noch eine letzte Frage, die sich auf Ihr Memorandum bezieht. Ich habe Ihre Erklärungen, die Sie Sir David und später Ihrem Verteidiger gaben, nicht ganz verstanden. Als Sie das Memorandum von Frank weiterleiteten, schrieben Sie an Lammers, daß Sie dieses Memorandum für vollkommen richtig hielten. Ist das richtig?

VON NEURATH: Ja, ganz richtig, ich will Ihnen auch die Gründe sagen. Dieses Memorandum...

GENERALMAJOR NIKITCHENKO: Sie haben die Gründe bereits dargelegt, ich möchte feststellen, daß Sie tatsächlich dies geschrieben haben.

VON NEURATH: Ich habe den Grund, warum ich an Lammers das geschrieben habe, nicht gesagt bisher. Der Grund, warum ich an Lammers geschrieben habe in diesem Sinne war der, daß er ja derjenige war, der dieses Memorandum dem Führer vorgetragen hat. Ich mußte doch im selben Sinne schreiben.

VORSITZENDER: Über zwei Themen will ich Sie nun befragen. Das erste befaßt sich mit dem Brief, den Sie am 31. August 1940 geschrieben haben. Das ist das Schreiben, auf das sich General Nikitchenko gerade bezogen hat. Erinnern Sie sich daran?

VON NEURATH: Jawohl.

VORSITZENDER: Sie erinnern sich, in diesem Schreiben auch gesagt zu haben, daß Sie mit der Denkschrift, die Ihr Staatssekretär Frank unabhängig von Ihnen entworfen hatte, vollkommen einverstanden seien. In dieser Denkschrift sagt Frank:

»Eine solche Germanisierung sieht vor:

1.) Die Umvolkung rassisch geeigneter Tschechen;

2.) die Aussiedlung von rassisch unverdaulichen Tschechen und der reichsfeindlichen Intelligenzschicht beziehungsweise Sonderbehandlung dieser und aller destruktiven Elemente.«

Meine Frage lautet nun: Was verstehen Sie unter »Sonderbehandlung«?

VON NEURATH: Ja, soweit ich diesen Auszug überhaupt damals gelesen habe, ist jedenfalls von mir in keiner Weise daran gedacht worden an den Begriff »Sonderbehandlung«, wie er sich in dem Prozeß hier herausgebildet hat. Ich war ja mit dieser ganzen Einstellung von Frank und wie sie in dem Bericht enthalten war, überhaupt nicht einverstanden und habe nur die Absicht gehabt, diese ganze Sache zu Fall zu bringen, um sie auf das tote Geleise zu schieben. Also der Inhalt dieser Berichte war nur darauf abgestellt, in Hitlers Sprache oder in der Sprache von Himmler und anderen Leuten das Hitler vorzutragen, um ihn nachher von dem abzubringen.

VORSITZENDER: War es nicht irreführend an Dr. Lammers mit der Absicht, es solle Hitler vorgetragen werden, zu schreiben, daß Sie mit der Denkschrift vollkommen übereinstimmen, obgleich Sie keineswegs damit einverstanden waren?

VON NEURATH: Herr Präsident! So, wie die Dinge lagen, konnte ich nicht an Lammers schreiben: Alles, was drin steht, beabsichtigte ich nicht durchzuführen, sondern ich mußte doch dem Lammers, der das Hitler vortrug, zunächst einmal sagen, ich bin mit dem einverstanden. Ich habe nachher ja durch eine persönliche Besprechung in der hier zur Sprache gebrachten Sitzung mit Frank und Gürtner mich bei Hitler melden lassen und habe ihm Aufklärung gegeben.

VORSITZENDER: Dann ist die Antwort dahingehend, daß Sie nicht wußten, was mit »Sonderbehandlung« gemeint war?

VON NEURATH: Nein, das habe ich jedenfalls damals nicht gewußt.

VORSITZENDER: Noch eine Frage, die ich Ihnen vorlegen will. Sie erinnern sich, daß Sie am 11. März 1938 zur Zeit des Anschlusses Österreichs gerufen wurden und daß Sie den Brief vom 12. März 1938 als Antwort auf die Denkschrift verfaßt haben, die Sie von der Britischen Regierung durch Sir Nevile Henderson empfangen hatten. Sie waren doch gut mit Sir Nevile Henderson bekannt, nicht wahr?

VON NEURATH: Ja.

VORSITZENDER: In diesem Brief sagen Sie folgendes:

»Daß vom Reich aus auf diese Entwicklung ein gewaltsamer Zwang ausgeübt wäre, ist unwahr. Insbesondere ist die von dem früheren Bundeskanzler nachträglich verbreitete Behauptung völlig aus der Luft gegriffen, die Deutsche Regierung habe dem Bundespräsidenten ein befristetes Ultimatum gestellt, nach dem dieser einen ihm vorgeschlagenen Kandidaten zum Bundeskanzler ernennen und die Regierung nach den Vorschlägen der Deutschen Regierung zu bilden hätte, widrigenfalls der Einmarsch deutscher Truppen in Österreich in Aussicht genommen werde.« (3287-PS.)

Und dann sagen Sie weiter, wie nach Ihrer Meinung der wahre Sachverhalt gewesen sei. Sie wissen doch jetzt, daß Ihre Erklärungen in diesem Brief vollständig unwahr waren?

VON NEURATH: Das ist nicht durchgekommen.

VORSITZENDER: Haben Sie irgendeinen Teil der Frage gehört, die ich Ihnen vorgelegt habe?

VON NEURATH: Leider nein.

VORSITZENDER: Es ist schade, daß Sie uns nicht schon vorher darauf aufmerksam gemacht haben. Sie erinnern sich doch an den 11. März 1938 und daß Sie als Vertreter des Auswärtigen Amtes gerufen worden waren? Sie haben eben gesagt, daß Sie mit Sir Nevile Henderson recht gut bekannt waren, nicht wahr?

VON NEURATH: Ja.

VORSITZENDER: Erinnern Sie sich an den Brief, den Sie am 12. März 1938 geschrieben haben?

VON NEURATH: Ja.

VORSITZENDER: Sie haben doch Sir David Maxwell-Fyfe gegenüber zugegeben, daß die Darstellung in diesem Schreiben unwahr gewesen sei.

VON NEURATH: Unrichtig, jawohl – nicht ganz, es ist unrichtig dargestellt.

VORSITZENDER: Welche Schritte haben Sie unternommen, um ausfindig zu machen, ob sie wahr waren oder nicht?

VON NEURATH: Ich habe die Unrichtigkeit dieser Darstellung ja erst viel später erfahren.

VORSITZENDER: Das ist keine Antwort auf meine Frage. Welche Schritte haben Sie unternommen, um ausfindig zu machen, ob Ihre Darstellung richtig war?

VON NEURATH: Ich habe die Darstellung, die mir Hitler gegeben hat, zunächst einfach als richtig vorausgesetzt. Ich konnte sie ja gar nicht nachkontrollieren.

VORSITZENDER: Warum sollten Sie annehmen, daß sie wahr wäre, wenn sie in direktem Widerspruch zu der Erklärung der Englischen Regierung stand?

VON NEURATH: Ich hatte ja keine andere Kenntnis von den Dingen, die vorgefallen waren und konnte also nur das sagen, was ich wußte.

VORSITZENDER: Sie hatten doch das Schreiben, den Protest der Britischen Regierung, in Händen, nicht wahr?

VON NEURATH: Ja.

VORSITZENDER: Und Sie waren doch mit Sir Nevile Henderson sehr gut bekannt?

VON NEURATH: Ja.

VORSITZENDER: Und dann haben Sie diesen Brief geschrieben, der die Erklärungen widerlegte, die für die Britische Regierung abgegeben worden waren. Das stimmt doch, nicht wahr?

VON NEURATH: Ja.

VORSITZENDER: Und Sie haben keine Schritte unternommen, um nachzuprüfen, ob die Tatsachen, die Hitler Ihnen zur Kenntnis gebracht hatte, der Wahrheit entsprachen? Wollen Sie das bitte beantworten?

VON NEURATH: Jawohl, wie sollte ich denn das machen. Ich hatte ja niemand anders, der darüber Bescheid wußte. Es war nur das, was mir Hitler aufgetragen hatte dem Auswärtigen Amt mitzuteilen. Der Entwurf dieser Note ist vom Auswärtigen Amt gemacht worden nach den Mitteilungen, die ich von Hitler bekommen hatte. Ich hatte ja keine andere Möglichkeit, dies aufzuklären.

VORSITZENDER: Es gab doch noch so viele andere Leute, die mit der Sache zu tun hatten, mit denen Sie sich in Verbindung hätten setzen können. Aber Sie sagen, Sie hätten nichts unternommen?

VON NEURATH: Ich kann nur wiederholen, daß ich keine Möglichkeit hatte, mir irgendeine andere Information zu beschaffen. Es wußte ja auch niemand darum außer Hitler.

VORSITZENDER: Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, daß auch Göring nichts davon gewußt hätte?

VON NEURATH: Göring hat vielleicht darüber gewußt.

VORSITZENDER: Das ist alles. Der Angeklagte kann auf die Anklagebank zurückkehren.

DR. VON LÜDINGHAUSEN: Herr Präsident! Darf ich um die Erlaubnis bitten, als Zeugen den früheren Ministerialdirigenten und Leiter der Politischen Abteilung im Außenministerium, Herrn Dr. Köpke, auf den Zeugenstand zu rufen.