[Zum Zeugen gewandt:]
Die Anklage zitierte eine Stelle aus einem Buch von Müller über das Propagandaministerium. Darnach hatte dieses Ministerium unter anderem die Aufgabe der Aufklärung über die Judenfrage. Nach der Schilderung der Anklage sah es so aus, als ob Sie diese Aufgabe gehabt hätten. Ist das richtig?
FRITZSCHE: Nein. Das Referat »Judentum« war ein Glied der Abteilung »Propaganda«, die im Gegensatz zu den Fachabteilungen oder den Verwaltungsabteilungen die sogenannte Aktivpropaganda betrieb. Ich habe diese Abteilung »Propaganda« niemals geleitet.
DR. FRITZ: Eine Zwischenfrage: Der Angeklagte Streicher hat am 29. April ausgesagt, daß das Propagandaministerium eine nationalsozialistische Korrespondenz herausgab, die auch dem »Stürmer« zuging und die in jeder Nummer mehrere antisemitische Aufsätze gebracht hätte. Stimmt das?
FRITZSCHE: Nein. Die nationalsozialistische Korrespondenz wurde nicht vom Propagandaministerium, sondern von der Reichspressestelle der NSDAP herausgegeben. Ich hatte aber nicht den Eindruck, als ob die eigentümliche Richtung des »Stürmer« durch Aufsätze der nationalsozialistischen Korrespondenz charakterisiert wäre. Allerdings kann der »Stürmer« den einen oder anderen Aufsatz der NSK gebracht haben.
DR. FRITZ: Die Anklage hat eine Stelle Ihres Rundfunkvortrags vom 18. Dezember 1941 zitiert. Diese Rede ist in meinem Dokumentenbuch Nummer I, auf den Seiten 26 bis 32 im vollen Wortlaut enthalten. Sie sagen an dieser Stelle, daß das Schicksal des Judentums in Europa unangenehm ausgefallen sei und daß dieses Schicksal sich möglicherweise auch auf die Neue Welt ausdehnen würde. Die Anklage vertritt die Ansicht, daß dies eine Ankündigung weiterer Taten in der Judenverfolgung sei. Was haben Sie dazu zu sagen?
FRITZSCHE: Ich sprach in diesem Zitat von dem unangenehmen Schicksal des Judentums in Europa. Nach dem, was wir heute wissen, muß das natürlich so aussehen, als ob ich den Mord an den Juden gemeint hätte. Aber ich erkläre dazu:
Den Mord kannte ich damals nicht; ihn konnte ich also nicht meinen. Ich meinte nicht einmal die eine Evakuierung, denn auch sie wurde, wenigstens in Berlin, erst über ein Jahr später oder ein bis zwei Jahre später, durchgeführt. Ich meinte lediglich die Ausschaltung der Juden aus Politik und Wirtschaft. Darauf deutet auch der Ausdruck »unangenehm« hin, der sonst unerklärlich wäre in seiner Leichtigkeit. Nun die Frage, warum ich von den Juden in Amerika sprach in diesem Zusammenhang: Der von der Anklage zitierte Satz ist unlösbar verbunden mit der unmittelbar vorhergehenden Mitteilung, daß ein jüdischer Nationalrat dem Präsidenten Roosevelt Wunsche zum Kriegseintritt übersandt habe. Nicht einmal diese nunmehr vielleicht verständliche Gedankenverbindung brachte ich etwa ohne Grund. Der größte Teil des fraglichen Vortrags, etwa neun Zehntel, handelt von der Untersuchungskommission, die in den USA eingesetzt wurde zur Untersuchung der Ursachen von Pearl Harbor.
VORSITZENDER: Das sind aber viele Seiten.
DR. FRITZ: Dokumentenbuch I, Herr Präsident, Seiten 26 bis 32.
VORSITZENDER: Ja, ich wollte vor allem wissen, ob wir auf Seite 31 sind.
DR. FRITZ: Er bezieht sich an sich bei seinen jetzigen Ausführungen auf den gesamten Inhalt der Rede. Von der Staatsanwaltschaft war zitiert nur der allerletzte Absatz der Rede.
Bitte, fahren Sie fort, Herr Fritzsche.
FRITZSCHE: Ich riet polemisch in dieser Ansprache, nicht nur zu untersuchen, ob die Wachen der amerikanischen Marine vielleicht unaufmerksam gewesen wären, ich gab den Rat, auch nachzuprüfen in der amerikanischen Politik, ob nicht etwa jemand ein Interesse gehabt hätte am Ausbruch des Krieges, und ich erinnerte hier daran, daß eine Untersuchungskommission des amerikanischen Senats 20 Jahre nach dem ersten Weltkrieg die Gründe des Eintritts der USA in den Krieg 1917 untersucht hätte. Ich sagte wörtlich: »Diese Senatskommission erwies, daß Wilson wissentlich bei seinem Eintritt in den Krieg das Opfer einiger Kriegshetzer war.« Ich beklagte...
VORSITZENDER: Die amerikanische Untersuchungskommission über die Gründe des Eintritts in den letzten Krieg? Greift er nicht zu weit zurück?
DR. FRITZ: Herr Präsident! Ich glaube, der Angeklagte kann abbrechen. Aber er wollte damit nur dartun, daß dieses Zitat des letzten Absatzes, der von der Anklagebehörde zu seiner Belastung zitiert worden ist, aus dem Zusammenhang gerissen ist, und das ist alles.