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[Pause von 10 Minuten.]

DR. THOMA: Rosenberg wird noch besonders die Plünderung von Mobiliar zur Last gelegt. Er habe 79000 jüdische Wohnungen, darunter in Paris 38000, ihres Inhalts beraubt und nach Deutschland gebracht. Unstreitig erfolgten diese Maßnahmen zugunsten von Bombengeschädigten; in den durch Luftkrieg zerstörten Städten wurden für die Obdachlosen neue Wohnungen eingerichtet. Es entsprach der nationalsozialistischen Mentalität, und es ist sicherlich moralisch zu verurteilen, daß sich die Beschlagnahme auf jüdisches Eigentum beschränkt hat. Wesentlich ist indes die Frage der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahmung überhaupt. Ich habe es in meinen gesamten Ausführungen vermieden und möchte es auch an dieser Stelle nicht tun, eine schwache Rechtsposition mit Kriegsnotstand entschuldigen zu wollen; denn wie ein Völkerrechtler sagt, der »Notstand ist der Hebel, mittels dessen man das gesamte Kriegsrecht aus den Angeln heben kann«. Ist aber nicht in diesem Fall doch der Rechtfertigungsgrund der Staats- und Kriegsnotwendigkeit gegeben, brachte nicht der Bombenkrieg eine »hochgradige und allgemeine Not« nach Deutschland? Man könnte einwenden: Die Not hätte behoben werden können durch bedingungslose Kapitulation.

Meines Erachtens kann aber durch diesen Hinweis auf bedingungslose Kapitulation, Preisgabe der eigenen Existenz und Unabhängigkeit des Reiches und seiner eigenen Lebensinteressen dem Angeklagten dieser Rechtfertigungsgrund nicht wieder genommen werden. Die Inanspruchnahme feindlichen Privateigentums geschah in Ausübung eines über die Rechtssätze des Kriegsrechts erweiterten, durch Notstand gerechtfertigten Requisitionsrechtes. Ich wage zu behaupten, daß dieses Verfahren der Möbelbeschlagnahme im Hinblick auf die verheerenden Wirkungen des Bombenkrieges gegen Deutschland nicht widersprochen hat – ich zitiere – »den Gebräuchen unter gesitteten Völkern«, »den Gesetzen der Menschlichkeit« und »den Forderungen des öffentlichen Gewissens« (Martensche Klausel in der Präambel des Abkommens betreffend die Gesetze und Gebräuche des Landkrieges, siehe Scholz, angeführt am angegebenen Ort, Seite 173).

Hohes Gericht! Ich gehe über zum Norwegen-Unternehmen.

Die Anklage bezeichnet Rosenberg und Raeder als die tatkräftigsten Verschwörer beim Norwegen-Unternehmen und später in der gleichen Sache Rosenberg als einen »Händler in Hochverrat«. Die Auffassung der Anklage und auch die Vermutung der jetzigen Norwegischen Regierung (Norwegischer Bericht vom 13. Oktober 1945, TC-56) gehen offenbar dahin, daß das Außenpolitische Amt der Partei, an dessen Spitze Rosenberg stand, und Quisling in gegenseitiger Konspiration den Krieg gegen Norwegen angezettelt hätten. Ich glaube, daß von den bisher behandelten Anklagen gegen Rosenberg keine weniger begründet ist als diese Anklage. Auf Grund der wenigen Urkunden, die dem Gericht vorgelegt worden sind, konnte der Fall meines Erachtens ganz zweifelsfrei zugunsten des Angeklagten aufgeklärt werden.

Es bestand ein »Außenpolitisches Amt« der Partei, APA, das die Aufgabe hatte, ausländische Besucher über die nationalsozialistische Bewegung zu unterrichten, eventuelle Anregungen an die amtlichen Stellen weiterzuleiten und im übrigen als eine Zentrale der Partei für außenpolitische Fragen zu fungieren. Das besondere Interesse, ich darf wohl sagen, die besondere Sympathie der führenden Männer von Partei und Staat galt den nordischen Staaten; gerade in dieser Richtung legte das APA den Hauptakzent auf kulturpolitische Gebiete. Die schon bestehende Nordische Gesellschaft wurde ausgebaut, es wurden die Gedenktage großer nordischer Forscher und Künstler in Deutschland festlich begangen, es wurde ein großes nordisches Musikfest abgehalten und so weiter. Eine eigentliche politische Note erhielten die Beziehungen erst durch das Erscheinen Quislings, den Rosenberg im Jahre 1933 erstmals gesehen hatte und der dann im Jahre 1939 – also sechs Jahre später – nach der Tagung der Nordischen Gesellschaft in Lübeck Rosenberg wiederum aufsuchte; er sprach von der Gefahr europäischer Verwicklungen und äußerte die Befürchtung, daß Norwegen in Gefahr schwebe, hineingezogen zu werden. Er befürchte dann vor allem eine Aufteilung seines Landes dergestalt, daß die Sowjetunion den Norden, England Südnorwegen besetzen würde.

Quisling erschien im Dezember 1939 nochmal bei Rosenberg in Berlin. Dieser vermittelte eine Unterredung beim Führer. Hitler erklärte, daß ihm eine völlig neutrale Haltung Norwegens am liebsten wäre und daß er nicht die Absicht habe, den Kriegsschauplatz zu erweitern und noch andere Nationen in den Konflikt hineinzuziehen; er werde aber gegen eine weitere Abschnürung und Bedrohung Deutschlands sich zu wappnen wissen. Um gegen die zunehmende feindliche Propagandatätigkeit ein Gegengewicht zu schaffen, wurde Quisling eine finanzielle Unterstützung seiner auf dem großgermanischen Gedanken fußenden Bewegung zugesagt.

Die militärische Bearbeitung der nunmehr aufgenommenen Fragen wurde einem militärischen Sonderstab übertragen. Die politische Bearbeitung sollte Rosenberg übernehmen, der zur Aufrechterhaltung der Verbindungen seinen Mitarbeiter Scheidt bestimmte. Hagelin, ein norwegischer Vertrauensmann Quislings, übermittelte im Januar 1940 an Rosenberg weitere beunruhigende Nachrichten über den befürchteten Neutralitätsbruch der Norwegischen Regierung, die Rosenberg an Hitler weitergab. Nach dem »Altmark«- Zwischenfall verschärfte der in norwegischen Regierungskreisen verkehrende Hagelin seine Warnungen.

Die Alliierten untersuchten schon die norwegischen Hafenstädte auf Lande- und Transportmöglichkeiten; die Norwegische Regierung würde sich auf jeden Fall mit papierenen Protesten begnügen, und Quisling ließe mitteilen, daß jede Verzögerung der deutschen Gegenaktion ein außerordentliches Risiko bedeute. Wiederum hat Rosenberg die Meldungen sofort an Hitler übergeben. Hätte er das nicht getan, so wäre das geradezu Verrat gegenüber seinem Lande gewesen. Am 9. April 1940 erfolgte der deutsche Gegenschlag, den Rosenberg wie jeder gewöhnliche Staatsbürger aus dem Rundfunk und der Zeitung erfuhr. Weder an diplomatischen noch an amtlichen militärischen Vorbereitungen ist Rosenberg nach seinen erwähnten pflichtgemäßen Meldungen beteiligt gewesen.

Sollte noch ein Zweifel darüber bestehen, daß Rosenberg im Falle Norwegen nur ein Nachrichtenvermittler an Hitler gewesen ist, kein Inspirator, Verschwörer oder Verräter, so möchte ich auf zwei Dokumente verweisen. Zunächst auf das Dokument Nummer C-65, die Aktennotiz Rosenbergs betreffend den Besuch Quislings. Es ist offenbar die von Hitler bei Rosenberg angeforderte Auskunft über Quisling. Wäre Rosenberg in intimeren Beziehungen zu Quisling gestanden, dann hätte er Hitler sicherlich gern darüber berichtet. Gehört hatte Rosenberg lediglich von einem ebenso phantastischen wie praktisch undurchführbaren Putschplan Quislings – Besetzung wichtiger Zentralstellen in Oslo durch eine plötzliche Aktion, unterstützt durch besonders ausgesuchte und in Deutschland ausgebildete Norweger, dann Herbeirufung der deutschen Flotte durch eine neugebildete Norwegische Regierung. Weniger phantastisch war allerdings Rosenberg eine frühere Mitteilung Quislings erschienen, wonach – unter Angabe der Namen – Offiziere der Westmächte Norwegen als Konsularbeamte bereisten, die Wassertiefen bei Landungshäfen feststellten und sich nach Querschnitten und Höhen von Eisenbahntunnels erkundigten. Dies war der wahre und einzige Grund für alles, was Rosenberg in der Norwegenangelegenheit unternahm. Das zweite Dokument ist der Bericht betreffend »Die politische Vorbereitung der ›Norwegen-Aktion‹«. (Dokument Nummer 004-PS, GB-140), ein Bericht Rosenbergs an Heß vom 17. Juni 1940; auch in diesem internen Bericht findet sich nichts, was von der eigenen glaubwürdigen Darstellung Rosenbergs abwiche, was ihn als Kriegsanstifter und Hochverräter erscheinen ließe.

Rosenberg wurde zu keiner politischen oder militärischen Besprechung hinzugezogen, die Norwegen betraf. Was hat also Rosenberg Verbrecherisches getan? War es verbrecherisch, daß er versucht hat, »Einfluß in Norwegen zu gewinnen«, TC-56, oder daß in seiner Kenntnis Subsidien an Quisling durch das Auswärtige Amt gegeben wurden? Schließlich möchte ich noch darauf hinweisen, daß Rosenberg in der Folgezeit nach gelungener Operation in keiner Weise mit einem Amt oder einer Funktion in Bezug auf Norwegen betraut worden ist, ja daß die Bestellung eines Reichskommissars für Norwegen ohne eine Fühlungnahme mit ihm erfolgte. Ich möchte den Fall des Ministers Goga, den ich weiter ausgeführt habe, nicht vortragen, bitte aber das Gericht, ihn als vorgetragen zu betrachten.

Ich komme zu dem Thema Kirchenverfolgung. Die Anklage behauptet, Rosenberg habe gemeinschaftlich mit Bormann die Verfügungen für die religiösen Verfolgungen erlassen und die anderen verleitet, an diesen Religionsverfolgungen teilzunehmen. Es ist indes keine einzige Verfügung dieser Art bekanntgeworden. Vorgelegt wurden lediglich Schreiben Bormanns, teils an Rosenberg, teils an andere Stellen, aus denen in keiner Weise eine Belastung Rosenbergs entnommen werden kann. Rosenberg erhielt vielmehr immer wieder Vorwürfe, so einmal, daß Rosenberg sich Hitler gegenüber lobend über ein Buch des Reichsbischofs Müller geäußert habe (Dokument 100-PS, US-691). Ein anderes Mal, daß Rosenberg dem Reichsbischof Müller den Auftrag erteilt habe, Richtlinien für die Gedanken des Religionsunterrichts in den Schulen auszuarbeiten (Dokument Nummer 098-PS, US-350). Wieder ein anderes Mal, daß Rosenberg eine stark christliche Schrift des Generals von Rabenau gefördert habe.

Rosenberg hat selbst als Zeuge bekundet (Protokoll vom 16. April 1946, Band XI, Seite 508), daß er eine Kirchenaustrittspropaganda abgelehnt und niemals staatlich-polizeiliche Machtmittel gegen seine theologischen und wissenschaftlichen Gegner aufgerufen habe. Er habe insbesondere niemals die Polizei zur Unterdrückung der Gegner gegen seinen »Mythus« benützt. Im Dezember 1941 hat er als Reichsminister für die besetzten Ostgebiete ein Kirchentoleranzedikt erlassen (Dokument Nummer 1517-PS und 294-PS); mit Verhaftung, Deportierung von Pfarrern, Verfolgung der Kirchen hatte Rosenberg nichts zu tun. Er war auch weder an Verhandlungen über das Konkordat mit dem Vatikan noch bei der Einsetzung des protestantischen Reichsbischofs beteiligt worden, ebensowenig war er irgendwie beteiligt an den kirchenfeindlichen Maßnahmen, die von der Polizei später durchgeführt wurden. Niemals war er an den sonstigen Verwaltungs- und gesetzgeberischen Maßnahmen gegen die Kirchen beteiligt. Aus dem, was Rosenberg in religionsphilosophischer Hinsicht dachte und aussprach – was ich noch vortragen werde –, eine Verschwörung zur machtpolitischen Unterdrückung der Religion konstruieren zu wollen, ist mangels jeglicher Unterlagen meines Erachtens eine Unmöglichkeit. Das einzig dahin deutende Dokument (130-PS) wurde von der Amerikanischen Anklage selbst zurückgezogen, ehe ich mich genötigt sah, darauf hinzuweisen, daß es sich hierbei um eine gegen Rosenberg fabrizierte Flugschrift handelte.

Sein Buch »Mythus des 20. Jahrhunderts«, das angeblich für die Umformung der Konfessionen im Sinne eines germanischen Christentums verfaßt ist, richtet sich im übrigen im hauptsächlichen an jene, die bereits mit den Kirchen gebrochen hatten. »Kein verantwortungsbewußter Deutscher«, sagt Rosenberg darin einmal, »darf die Forderung auf Verlassen der Kirchen an jene richten, die noch gläubig an ihnen hängen« (Dokument Nummer Ro-7, Dokumentenbuch I, Seite 122). Ein anderes Mal: »Nie vermöge Wissenschaft echte Religion zu entthronen« (siehe vorstehendes, Seite 125).

Seine Schrift richtet sich nicht an das heutige kirchengläubige Geschlecht, um es etwa im Durchlaufen seiner eingeschlagenen inneren Lebensbahn zu hindern, wohl aber an jene, die mit dem Kirchenglauben schon gebrochen halben (Dokument Nummer Ro-7, Dokumentenbuch I, Seite 125). In seinen Reden ist er dafür eingetreten, daß die Partei nicht berechtigt sei, über metaphysische Dinge Normen aufstellen zu wollen, die die Unsterblichkeit in negativer Weise behandeln und so weiter. Nach seiner Beauftragung für die Überwachung der weltanschaulichen Erziehung hat er in seiner Berliner Rede am 22. Februar 1934 ausdrücklich erklärt:

»Keinem Nationalsozialisten ist es gestattet, religiöse Diskussionen in der Uniform seiner Bewegung zu führen«

und gleichzeitig ausgesprochen, daß

»von allen Gutwilligen eine Befriedung des ganzen po litischen und geistigen Lebens in Deutschland angestrebt werden müsse.« (Ro-7a, Dokumentenbuch I, Seite 130.)

Daß auch hier die Entwicklung in andere Richtung gegangen ist, entspringt nicht dem Willen und nicht dem Wirken Rosenbergs.

Im übrigen brauche ich nur kurz darauf hinzuweisen, daß es sich doch um ein tausendjähriges Problem des Verhältnisses der kirchlichen zu der sogenannten weltlichen Macht handelt. Kampf der Kaiser, Könige und Päpste im Mittelalter; französische Revolution und Priestererschießung; Bismarcks kirchliche Auseinandersetzungen; die laizistische Gesetzgebung der Französischen Republik unter Combes. Alles Dinge, die vom Standpunkt der Kirche...