HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Das Gericht vertagt sich bis

27. Juli 1946, 9.45 Uhr.]

Einhundertachtundachtzigster Tag.

Samstag, 27. Juli 1946.

Vormittagssitzung.

[Fortsetzung des Plädoyers des britischen Hauptanklagevertreters.]

SIR HARTLEY SHAWCROSS: Hoher Gerichtshof! Als wir uns gestern vertagten, habe ich über Kriegs verbrechen im eigentlichen Sinne gesprochen und insbesondere über den Mord an den RAF-Offizieren von Stalag-Luft III.

Ich möchte nunmehr die Frage des Arbeitseinsatzes von Kriegsgefangenen behandeln. Nach Artikel 31 der Genfer Konvention wäre es vielleicht statthaft gewesen, Gefangene in bestimmten Arbeiten in Verbindung mit Rohprodukten der Rüstungsindustrie zu beschäftigen. Hingegen hat die Feststellung, die Milch in der Zentralen Planung am 16. Februar 1943 in Gegenwart von Speer und Sauckel gemacht hat, keine rechtliche Grundlage:

»Wir haben die Forderung gestellt, daß bei uns in der Flak-Artillerie ein gewisser Prozentsatz Russen ist. 50000 sollen im ganzen heran; 30000 sind schon als Kanoniere da. Das ist eine witzige Sache, daß Russen die Kanonen bedienen müssen.« (Dokument R-124.)

Das war offensichtlich grob rechtswidrig. Niemand hätte auch nur den geringsten Zweifel daran haben können. Nach dem Protokoll hat überhaupt niemand Protest erhoben. Es geht nirgends daraus hervor, daß Göring oder irgendeiner von den anderen, die das Protokoll gelesen und gewußt haben müssen, was vorging, diese Ungeheuerlichkeit von Seiten des tatsächlichen Führers der deutschen Luftwaffe als irgendwie ungewöhnlich betrachteten.

Himmlers zynische Worte in Posen am 4. Oktober 1943 über das Thema der in den ersten Feldzugstagen eingebrachten russischen Kriegsgefangenen müssen durch die Geschichtsschreibung festgehalten werden. Ich zitiere:

»Wir haben damals die Masse Mensch nicht so gewertet, wie wir sie heute als Rohstoff, als Arbeitskraft werten. Was letzten Endes, wenn ich in Generationen denke, nicht schade ist, was aber heute wegen des Verlustes der Arbeitskräfte bedauerlich ist: Die Gefangenen sind nach Zehntausenden und Hunderttausenden an Entkräftung, an Hunger gestorben.« (Dokument 1919-PS.)

Ich wende mich nun der Ermordung von Angehörigen der Kommandos zu.

Das Beweisergebnis in Bezug auf den Kommandobefehl vom 18. Oktober 1942 (Dokument 498-PS) belastet Keitel, Jodl, Dönitz, Raeder, Göring und Kaltenbrunner unmittelbar. Nach Artikel 30 der Haager Konvention kann – ich zitiere:

»der auf der Tat ertappte Spion... nicht ohne vorausgegangenes Urteil bestraft werden.«

Ja sogar die gedruckten Vorschriften im Buch jedes deutschen Soldaten sehen vor – ich zitiere:

»Kein Feind, der sich ergibt, darf getötet werden, auch kein Partisane oder Spion. Diese sind der gerichtlichen Bestrafung zuzuführen.«

Diese Leute waren keine Spione: sie waren Soldaten in Uniform. Es wird nirgends behauptet, daß auch nur ein einziger Mann, mit dem nach diesem Befehl verfahren wurde, vor ein Gericht gestellt worden ist, bevor man ihn erschoß. Rechtlich gibt es einfach keine Antwort auf die Schuld irgendeines dieser Angeklagten, der diesen infamen Befehl weitergab oder anwandte – einen Befehl, von dem Jodl zugegeben hat, er sei Mord, und dessen Rechtswidrigkeit Keitel, seine eigene Schande bekennend, anerkannt hat.

Raeder hat zugegeben, daß der Befehl regelwidrig war, und selbst Dönitz erklärte, daß er ihn nunmehr nach Kenntnis des wahren Sachverhalts nicht mehr als korrekt betrachte. Die einzigen Entschuldigungen, die hier vorgebracht wurden, sind, daß die fraglichen Personen ihn nicht persönlich ausgeführt hätten, daß sie die Erklärung in Ziffer 1 des Befehls als Rechtfertigung der Handlung auf Grund von Vergeltung betrachteten, daß sie ihr Bestes getan hätten, das Ergebnis zu mildern, und daß es nicht Sache einer Einzelperson gewesen sei, Anordnungen eines Vorgesetzten in Zweifel zu ziehen. Kein einziger hat ernsthaft bestritten, daß Übergabe an den SD in diesem Zusammenhang Erschießung ohne Verfahren bedeutete.

Die Antwort auf dieses Vorbringen der Verteidigung, soweit dieses nicht rein erlogen ist, lautet, daß diese in den Befehlen selbst vorgesehenen Sicherheitsmaßnahmen am deutlichsten beweisen daß die im Absatz 1 festgestellten Tatsachen keinerlei Rechtfertigung darstellen, die das Licht nicht zu scheuen brauchen. Keine größeren Vorsichtsmaßnahmen haben den »Kugel«-, »Nacht-und-Nebel«- oder irgendeinen anderen ihrer brutalen Befehle begleitet. Daß der Fesselungsvorfall in Dieppe nichts damit zu tun hat, ergibt sich aus der Denkschrift des Stabes Jodls vom 14. Oktober 1942 (Dokument 1266-PS), die rundheraus erklärt, daß es das Ziel des Führers sei, die Kampfesweise der Kommandos durch den Abwurf von kleinen Trupps, die durch Sprengungen und so weiter großen Schaden anrichten und sich dann zur Festnahme stellen, zu verhindern. Der Widerruf des Befehls im Jahre 1945 (Dokument D-649) ist ein weiterer Beweis dafür, daß seine Urheber ihre Schuld erkannt hatten, ihre Schuld, die vielleicht am besten durch den Eintrag in das Kriegstagebuch des Stabes der Seekriegsleitung bezüglich der Erschießung der in Uniform in Bordeaux gefangenen Kommandoeinheit ausgedrückt wird: »Ein völkerrechtliches Novum«. (Dokument D-658.) Trotzdem haben sich Raeder und sein Stabschef bereitgefunden, diesen Eintrag abzuzeichnen. Kaltenbrunners Mitwisserschaft ergibt sich klar aus einem Schreiben an den Wehrmachtführungsstab vom 23. Januar 1945 (Dokument 535-PS), worin er sich ausführlich hierzu äußert und die Anwendung des Befehls auf gewisse Kategorien ablehnt.

Andere Männer sind bereits wegen Ausführung dieses Befehls zum Tode verurteilt worden, und zwar Männer, deren einzige Verteidigung es war, daß sie dem Befehl eines Vorgesetzten gehorcht hätten. Ich meine hier die Mitglieder des SD, die wegen Mordes an der Besatzung von MTB 345 in Norwegen hingerichtet worden sind, und den General Dostler in Italien. Unzählige Vorfälle sind gegen diese Angeklagten mit ihren eigenen Akten bewiesen worden. Sollen sie jetzt davonkommen? Bitte erinnern Sie sich an die Haltung des Nazi-Volksgerichtshofs im Jahre 1944 gegenüber dem Verteidigungseinwand, die Angeklagten hätten auf Befehl eines Vorgesetzten gehandelt. (Dokument 3881-PS.)

Der »Kommandobefehl« kann sich an Gemeinheit und Brutalität nicht mit dem »Nacht-und-Nebel«- Erlaß vom 7. Dezember 1941 messen. Die von Keitel unterzeichneten Richtlinien Hitlers sehen die Todesstrafe für Straftaten wegen Gefährdung der Sicherheit oder des Bereitschaftszustandes der Besatzungsmacht vor und ordnen dann die Verbringung solcher Täter nach Deutschland an, deren Hinrichtung nicht innerhalb einer kurzen Frist durchgeführt werden kann, und zwar unter Bedingungen, die jegliche Ermittlung über ihr Schicksal unmöglich machen. Keitels Begleitschreiben vom 12. Dezember führt den Grund an:

»Eine wirksame und nachhaltige Abschreckung ist nur durch Todesstrafe oder durch Maßnahmen zu erreichen, die die Angehörigen und die Bevölkerung über das Schicksal des Täters im Ungewissen halten. Diesem Zwecke dient die Überführung nach Deutschland.« (Dokument L-90.)

Es ist interessant, diese Erklärung, die Keitel schrieb, als er noch glaubte, daß Deutschland den Krieg gewinnen würde, seiner Zeugenaussage vor dem Gerichtshof gegenüberzustellen.

»Zuchthaus wurde von diesen Patrioten als entehrend angesehen. Wenn sie nach Deutschland kommen, wäre dies keine Entehrung.«

Diese Verfügung wurde noch im Februar 1944 durchgeführt, als die Kommandanten von einigen 18 Konzentrationslagern an ihren Zweck erinnert wurden, und daran, wie man die Leichen von »Nacht-und- Nebel«-Gefangenen los würde, ohne daß der Ort des Todes bekannt wird. (Dokument D-569.) Die Behandlung dieser Gefangenen ist von dem norwegischen Zeugen Cappelen beschrieben worden, und die Mitglieder des Hohen Gerichtshofs werden seine Darstellung des Transportes von 2500 bis 2800 »Nacht- und-Nebel«-Gefangenen von einem Konzentrationslager ins andere im Jahre 1945, wobei 1447 unterwegs starben, nicht vergessen haben. Und wir, die wir über die Würde des Menschen sprechen, wollen uns an folgendes erinnern, und ich zitiere noch einmal: Cappelen spricht:

»... Wir konnten nicht schnell genug marschieren. Da nahmen sie ihre Gewehre und schlugen die Köpfe von fünf Leuten ein,... dazu sagten sie auf deutsch: ›So geht es, wenn man nicht vernünftig marschiert‹...

Nach ungefähr sechs bis acht Stunden erreichten wir endlich eine Station, eine Eisenbahnstation. Es war sehr kalt, und wir hatten nur die gestreiften Gefangenenanzüge an und schlechte Schuhe. Trotzdem sagten wir: ›Oh, wir freuen uns, daß wir eine Eisenbahnstation erreicht haben. Es ist besser, in einem Viehwagen zu stehen, als mitten im Winter zu marschieren.‹ Es war sehr kalt, 10 bis 12 Grad unter Null, glaube ich, sehr kalt. Es war ein langer Zug mit offenen Wagen. In Norwegen bezeichnen wir sie als Sandwagen. Wir wurden mit Fußtritten auf diese Wagen getrieben, ungefähr achtzig Mann auf jeden Wagen. Wir... saßen auf diesen Wagen ungefähr fünf Tage, ohne Essen, frierend, und ohne Wasser. Wenn es schneite, machten wir es so – er zeigte es –, nur um etwas Wasser in den Mund zu bekommen. Nach einer langen, langen Zeit – es schien mir, als wären es Jahre – kamen wir zu einem Ort, der, wie ich später erfuhr, Dora war, nahe bei Buchenwald.

Also wir kamen dort an; sie stießen uns mit den Füßen von den Wagen herunter, aber viele waren tot. Der Mann, der neben mir saß, war tot, aber ich durfte nicht weg. So mußte ich dort den letzten Tag neben einem Toten sitzen. Ich habe die Ziffern natürlich nicht selbst gesehen, aber ungefähr ein Drittel oder die Hälfte von uns waren tot. Und sie sagten, daß ein Drittel – ich hörte die Zahl später in Dora –, daß die Zahl der Toten auf unserem Zug sich auf 1447 belief.

An Dora erinnere ich mich nicht so viel, da ich mehr oder weniger tot war. Ich war immer ein Mann mit gutem Humor und guter Laune, der sich selbst und seinen Freunden half, aber ich hatte beinahe aufgegeben.

... Ich hatte Glück, da die Aktion Bernadotte kam, und wir wurden befreit und nach Neuengamme bei Hamburg gebracht. Dort fand ich einige meiner alten Freunde wieder, Studenten aus Norwegen, die nach Deutschland deportiert worden waren, und andere Gefangene, die von Sachsenhausen und anderen Lagern kamen, verhältnismäßig wenig norwegische ›NN‹-Gefangene, die noch am Leben waren und sich alle in einem sehr schlechten Zustand befanden. Viele meiner Freunde sind noch in Norwegen im Krankenhaus. Einige starben, nachdem sie nach Hause kamen.« (Sitzung vom 29. Januar 1946, Band VI, Seite 317.)

Im Juli 1944 folgte auf »Nacht und Nebel« eine noch rücksichtslosere Verfügung. Am 30. jenes Monats erließ Hitler die Terror- und Sabotageverordnung (Dokument D-762), die bestimmte, daß alle Gewalttaten nichtdeutscher Zivilpersonen in den besetzten Gebieten als Terror- und Sabotageakte zu bekämpfen seien. Alle, die nicht auf der Stelle überwältigt wurden, wären dem SD zu übergeben (Dokument D-763), Frauen zur Arbeit einzusetzen und nur Kinder zu verschonen. Innerhalb eines Monats dehnte Keitel die Verfügung auf Personen aus, die die Sicherheit und Schlagfertigkeit durch andere als Terror- oder Sabotageakte gefährdeten. (Dokument D-764.) Die üblichen Geheimhaltungsvorschriften ergingen, nach denen die Verteilung des Schriftstücks auf ein Mindestmaß beschränkt wurde. Er befahl sodann, daß die Terror- und Sabotageverordnung zum Gegenstand eines regelmäßigen und nachdrücklichen Unterrichts für das gesamte Personal der Wehrmacht, SS und der Polizei gemacht würde; sie sollte sich auf Verbrechen gegen die deutschen Belange erstrecken, die aber nicht die Sicherheit oder Schlagfertigkeit der Besatzungsmacht gefährdeten. Neue Vorschriften konnten nach Absprache mit den betreffenden Kommandeuren und Höheren SS-Führern erlassen werden. Mit anderen Worten, gegen jegliche Straftat irgendeiner Person in den besetzten Gebieten konnte nach Maßgabe dieser Verordnung vorgegangen werden.

Am 9. September 1944 fand in aller Form eine Besprechung von Vertretern der Obersten Heeresleitung und der SS statt, um das Verhältnis des »Nacht-und- Nebel«-Erlasses zum Terror- und Sabotageerlaß zu besprechen (Dokument D-767). Man war der Ansicht, daß der erstere gegenstandslos geworden sei, und die Versammelten fuhren fort, die Übergabe von 24000 nichtdeutschen Zivilpersonen an den SD in Betracht zu ziehen, die nach Maßgabe jenes Befehls durch die SS festgehalten wurden. Im weiteren Verlauf wurde auf der Besprechung das Problem gewisser Neutraler besprochen, die versehentlich »vernebelt« worden waren. Das deutsche Wort »vernebelt« rechtfertigt die Aussage des Zeugen Blaha, daß die Spezial- und Fachausdrücke, die in den Konzentrationslagern benutzt wurden, nur in deutscher Sprache wiedergegeben werden können und sich nicht in irgendeine andere Sprache übertragen lassen. Es ist vielleicht überflüssig, den Hohen Gerichtshof daran zu erinnern, daß, als der Luftwaffengeneral in Holland die Ermächtigung erbat, streikende Eisenbahner zu erschießen (Dokument D-769), da das Verfahren der Übergabe an den SD zu umständlich sei, Keitel in seiner Antwort, von der Abschriften sowohl an das OKM und das OKL wie auch an die hauptsächlichen Befehlshaber in den besetzten Gebieten gesandt wurden, sofort damit einverstanden war, daß im Fall irgendwelcher Schwierigkeit in der Überstellung an den SD – ich zitiere:

»... rücksichtslos andere wirksame Maßnahmen selbständig zu ergreifen...« seien. (Dokument D-770.)

Mit anderen Worten, General Christiansen konnte Eisenbahner erschießen, wenn er es für richtig hielt.

Vergessen wir nicht, wenn wir die damaligen Probleme Europas betrachten, daß es nicht leicht für irgend jemanden ist, der nicht in einem von den Deutschen besetzten Gebiet leben mußte, sich die Leiden, die dauernden Angstzustände und die ununterbrochene Sorge vorzustellen, in denen die Völker Europas während der langen Jahre der Unterjochung lebten. Frank war es, der am 16. Dezember 1941 den Ausspruch niederschrieb:

»Mitleid wollen wir grundsätzlich nur mit dem deutschen Volke haben, sonst mit niemandem auf der Welt.« (Dokument USSR-223.)

Abgesehen davon, daß sie nicht einmal Mitleid mit ihrem eigenen Volk hatten – wie getreulich haben diese Männer diesen Grundsatz durchgeführt!

Ich komme nun zu dem Angriff auf die Partisanen. Falls noch irgendwelcher Zweifel darüber besteht, daß die Deutsche Wehrmacht nicht von ehrenwerten Soldaten, sondern von gefühllosen Mördern befehligt wurde, so muß dieser Zweifel angesichts des Beweismaterials für die erschreckende Unbarmherzigkeit schwinden, mit der man die Partisanen niederzukämpfen suchte. Der Zeuge Ohlendorf gibt an, daß die Leitung der Partisanenbekämpfung Gegenstand einer schriftlichen Übereinkunft zwischen dem OKW und der SS gewesen ist.

Als Ergebnis dieser Übereinkunft wurde dem Hauptquartier jeder Heeresgruppe eine Einsatzgruppe angegliedert zwecks Leitung der Arbeit der Einsatzkommandos, die der Gruppe unter Gleichstellung und in Übereinstimmung mit den Militärbehörden zugeteilt waren. Wenn eine Bestätigung für die Unterstützung, Kenntnis und Zustimmung durch das Heer erforderlich wäre, so brauchte man sich nur den Bericht der Einsatzgruppe A über ihre Tätigkeit während der ersten drei Monate des Feldzugs gegen die Sowjetunion anzusehen. Ich zitiere:

»Es handelte sich nun darum, in aller Eile persönlich mit den Armeeführern wie auch mit dem Befehlshaber des rückwärtigen Heeresgebietes Fühlung aufzunehmen. Von vornherein kann betont werden, daß die Zusammenarbeit mit der Wehrmacht im allgemeinen gut, in Einzelfällen... sehr eng, ja fast herzlich war.« (Dokument L-180.)

Und dann weiter zurückkommend auf die Schwierigkeit des Verfahrens mit den Partisanen in einem bestimmten Bezirk:

»Nachdem die rein militärische Bekämpfung durch Gestellung von Wachen oder durch Einsatz auch ganzer Divisionen zum Durchkämmen der neu besetzten Gebiete versagt hatte, mußte auch die Wehrmacht sich nach neuen Methoden umsehen. Gerade die Suche nach Methoden machte sich aber die Einsatzgruppe zur wesentlichen Aufgabe. Die Wehrmacht hat sich daher auch bald die Erfahrungen der Sicherheitspolizei und ihre Metho den der Bekämpfung der Partisanen zu eigen gemacht.«

Eine dieser Methoden ist in demselben Bericht folgendermaßen beschrieben:

»Nach Umstellung des Dorfes wurden alle Bewohner auf einen Platz zusammengetrieben. Durch Vernehmung der durch die vertraulichen Meldungen belasteten Personen und Befragung weiterer Dorfbewohner gelang es in den meisten Fällen, die Helfer der Partisanen zu ermitteln. Sie wurden entweder an Ort und Stelle erschossen oder, falls ihre weitere Vernehmung verwertbare Aussagen erwarten ließ, zum Standort mitgenommen. Nach Durchführung der Vernehmung wurden sie exekutiert.

Um eine abschreckende Wirkung zu erzielen, wurden mehrfach die Häuser der Helfer der Partisanen niedergebrannt.«

Und dann nach Feststellung, daß den Dorfbewohnern stets die Niederbrennung des ganzen Dorfes angedroht wurde, fährt der Bericht fort:

»Die Taktik, Terror gegen Terror zu setzen, hat sich ausgezeichnet bewährt.«

Wie Ohlendorf erklärte, standen die Einsatzkommandos unter Kaltenbrunners Befehl. Doch hätten die Befehle, nach denen sie vorgingen, keineswegs diejenigen Keitels an Härte übertreffen können. Der Führerbefehl, den er am 16. Dezember 1942 über die Bekämpfung von Partisanen herausgab, lautet:

»Wenn dieser Kampf gegen die Banden sowohl im Osten wie auf dem Balkan nicht mit den allerbrutalsten Mitteln geführt wird, so reichen in absehbarer Zeit die verfügbaren Kräfte nicht mehr aus, um dieser Pest Herr zu werden.

Die Truppe ist daher berechtigt und verpflichtet, in diesem Krieg ohne Einschränkung auch gegen Frauen und Kinder jedes Mittel anzuwenden, wenn es nur zum Erfolg führt.« (Dokument UK-66.)

Drei Tage später sagten er und Ribbentrop zu ihren italienischen Kollegen beim Frühstück:

»der Führer habe erklärt, daß die serbischen Verschwörer ausgebrannt werden müßten und daß dabei keine weichen Methoden angewandt werden dürften. – Feldmarschall Keitel warf hier ein, daß jedes Dorf, in dem Partisanen gefunden würden, niedergebrannt werden müsse.«

Zwei Monate später drängte Ribbentrop den Italienischen Botschafter in Berlin zu noch größerer Roheit in der Behandlung der Partisanen in Kroatien – ich zitiere:

»Die Banden müßten vernichtet werden, und zwar Männer, Frauen und Kinder, weil ihr Fortbestand das Leben deutscher und italienischer Männer, Frauen und Kinder gefährde.« (Dokument D-741.)

Göring scheint Himmler bei der Rekrutierung des notwendigen Personals für die Partisanenbekämpfung unterstützt zu haben und erklärte gemäß der Niederschrift eines Ministerialrats vom 24. September 1942, daß er verwegene Burschen für den Einsatz im Osten als Sonderkommandos suche und Strafgefangene und Wilddiebe zu diesem Zweck in Betracht ziehe. Sein Gedanke war dabei folgender:

»In den ihnen zugewiesenen Gebieten könnten diese Banden, deren Aufgabe in erster Linie die Vernichtung der Leitungen der Partisanengruppen sein sollten, morden, brennen, schänden, im Lande kämen sie wieder unter strenge Aufsicht.« (Dokument 638-PS.)

Einen Monat später gab er dem Duce eine Schilderung von Deutschlands Methoden bei der Partisanenbekämpfung:

»In den betreffenden Gebieten würden zunächst das gesamte Vieh und die Lebensmittel weggeführt, um den Partisanen auf diese Weise die Ernährungsgrundlage zu entziehen. Die Männer und Frauen würden in Arbeitslager, die Kinder in Kinderlager gebracht und die Dörfer niedergebrannt... Kämen Attentate vor, so würde in Ortschaften die gesamte männliche Bevölkerung auf der einen Seite und die Frauen auf der anderen Seite aufgestellt. Den Frauen würde gesagt, daß alle Männer erschossen würden, wenn sie (die Frauen) nicht angäben, wer von den Männern nicht in den Ort gehöre. Um ihre Männer zu retten, bezeichneten dann die Frauen immer die Nichtortsansässigen.« (Dokument D-729.)

Diese Methoden waren keineswegs auf den Osten beschränkt. Sie wurden weit und breit in jedem besetzten Gebiet angewandt. Wo immer ein noch so geringer Widerstand geleistet wurde, antworteten die Deutschen mit dem Versuch, ihn mit äußerster Brutalität niederzustampfen. Es würde nicht schwer sein, den Ereignissen in Lidice und Oradour-sur-Glane 100 andere solcher Fälle an die Seite zu stellen.

Eines der allerbrutalsten Mittel, die Festnahme von Geiseln, war der Gegenstand eines Befehls des deutschen Oberkommandos vom 16. September 1941. Keitel befiehlt – ich zitiere:

»a) Bei jedem Vorfall der Auflehnung gegen die deutsche Besatzungsmacht, gleichgültig wie die Umstände im einzelnen liegen mögen, muß auf kommunistische Ursprünge geschlossen werden.

b) Um die Umtriebe im Keime zu ersticken, sind beim ersten Anlaß unverzüglich die schärfsten Mittel anzuwenden, um die Autorität der Besatzungsmacht durchzusetzen und einem weiteren Umsichgreifen vorzubeugen. Dabei ist zu bedenken, daß ein Menschenleben in den betroffenen Ländern vielfach nichts gilt und eine abschreckende Wirkung nur durch ungewöhnliche Härte erreicht werden kann. Als Sühne für ein deutsches Soldatenleben muß in diesen Fällen im allgemeinen die Todesstrafe für 50-100 Kommunisten als angemessen gelten. Die Art der Vollstreckung muß die abschreckende Wirkung noch erhöhen.« (Dokument C-148.)

Vergleichen wir den Wortlaut des Einsatzkommandoberichts:

»Aus der Erkenntnis, daß der Russe seit jeher an ein schonungsloses Durchgreifen der Autorität gewohnt ist, wurde zu den härtesten Mitteln gegriffen.« (Dokument L-180.)

Zwischen den Anschauungen Keitels und Kaltenbrunners besteht kein Unterschied: Dem deutschen Soldaten wurde befohlen, der SS nachzueifern.

Zwei Wochen nach Erlaß dieses Befehls hatte Keitel, dessen einzige Verteidigung darin bestand, daß er auf nur fünf bis zehn Geiseln für einen Deutschen anstatt 50 bis 100 bestanden habe, eine weitere Idee; am 1. Oktober 1941 schlug er vor, daß es ratsam ist, daß die militärischen Befehlshaber immer über eine Anzahl Geiseln verschiedener politischer Richtungen, nationalistische, demokratisch-bürgerliche oder kommunistische verfügen. Und er fügt hinzu:

»Es kommt dabei darauf an, daß sich darunter bekannte führende Persönlichkeiten oder deren Angehörige befinden, deren Namen zu veröffentlichen sind. Je nach der Zugehörigkeit des Täters sind bei Überfällen Geiseln der entsprechenden Gruppe zu erschießen.« (Dokument 1590-PS.)

Die Originalurkunde trägt den ominösen Vermerk:

»Ist in Frankreich und Belgien... durchgeführt.«

Die Wirkung dieser Befehle auf die gesamte deutsche Armee kann man gut an drei Fällen von Maßnahmen örtlicher Befehlshaber erkennen.

Einen Monat nach Keitels ursprünglichem Befehl hat ein Standortkommandant in Jugoslawien berichtet, daß zur Sühne für die Tötung von zehn deutschen Soldaten und die Verwundung von weiteren 26 insgesamt 2300 Leute erschossen wurden, 100 für jeden getöteten und 50 für jeden verwundeten deutschen Soldaten. (Dokument USSR-74.)

Am 11. Juli 1944 hat in einem öffentlichen Anschlag der Kommandant des Gebiets Covolo in Italien gedroht, für jeden einzelnen Verwundeten der deutschen Wehrmacht, gleichgültig, ob Militär- oder Zivilperson, 50 Männer und für jeden getöteten Deutschen 100 Männer umzubringen. Sollte mehr als ein Soldat oder eine Zivilperson getötet oder verwundet werden, so würden alle Männer des Gebiets erschossen, ihre Häuser in Brand gesetzt, die Frauen interniert und das Vieh sofort beschlagnahmt werden (Dokument UK-66). Im Juni des gleichen Jahres wurde von Kesselring gemeldet, daß 560 Personen, darunter 250 Männer, unter Androhung der Erschießung innerhalb von 48 Stunden festgenommen worden seien, nachdem irgendein deutscher Oberst von Banditen verschleppt worden war. (Dokument D-39.)

Die unmittelbar in diese Brutalitäten verwickelten Männer sind Göring, Ribbentrop, Keitel, Jodl und Kaltenbrunner; aber wer kann daran zweifeln, daß jeder einzelne auf dieser Anklagebank die Befehle und die Art kannte, in der die deutsche Wehrmacht Männer, Frauen und Kinder kreuz und quer durch Europa zu ermorden Weisung erhalten hatte. Raeder, der angibt, daß er solches Vorgehen in Norwegen nicht billigte, sagt, daß er versucht habe, Hitler umzustimmen; und doch blieb er weiterhin auf seinem Posten und lieh weiterhin seinen Namen dem Regime, unter dem solche Dinge geschahen.

Ich komme nun zu den Punkten, für die er und Dönitz unmittelbar verantwortlich waren. Die Seekriegführung zeigt genau dieselbe Art der äußersten Mißachtung von Recht und Anstand. Nur selten hat man Gelegenheit, die Gedanken von zwei Marinebefehlshabern so klar aus ihren Urkunden festzustellen wie die der Angeklagten Raeder und Dönitz im vorliegenden Falle.

Schon am 3. September 1939 verlangte die deutsche Kriegsmarine in einem Memorandum an das Auswärtige Amt die Einwilligung in eine Politik der warnungslosen Versenkung feindlicher wie auch neutraler Handelsschiffe unter Nichtbeachtung der Londoner Unterseebootverordnung, ihrer eigenen Prisenordnung, und natürlich des Völkerrechts. Eine Reihe von Urkunden während der folgenden sechs Wochen enthüllt den von Raeder dauernd auf das Auswärtige Amt ausgeübten Druck, diese Politik zu genehmigen (Dokument D-857).

Am 16. Oktober 1939 verfaßte Raeder eine Denkschrift über die Verschärfung des Handelskriegs gegen England (Dokument UK-65, C-157). Nachdem er in diesem Dokument »rücksichtslose Schärfe« als notwendig und die Absicht verkündet hatte, Englands Kampfwillen innerhalb kürzester Zeit zu zerstören, fuhr er fort:

»Das Hauptobjekt der Seekriegführung ist das Handelsschiff, und zwar nicht nur das feindliche, sondern überhaupt jedes Handelsschiff, das zur Versorgung der feindlichen Kriegswirtschaft in der Einfuhr sowie in der Ausfuhr die See befährt.«

Es ist das Dokument, das die berüchtigte Stelle enthält:

»Eine Stützung der getroffenen militärischen Maßnahme auf das bestehende Völkerrecht bleibt erwünscht; militärisch als notwendig erkannte Maßnahmen müssen aber, sofern sie kriegsentscheidende Erfolge erwarten lassen, auch dann durchgeführt werden, wenn das geltende Völkerrecht nicht auf sie Anwendung finden kann. Grundsätzlich muß daher das militärische, zur Brechung der feindlichen Widerstandskraft wirksame Kriegsmittel rechtspolitisch gestützt werden, auch wenn damit neues Seekriegsrecht geschaffen wird.«

In einer anderen Denkschrift vom 30. Dezember fuhr er fort, auf weitere Intensivierung zu drängen, besonders mit Rücksicht auf die Neutralen. Ich zitiere:

»... ohne Bindung an irgendwelche Begriffe, wie die Erklärung von Warngebieten,...«

und wies darauf hin, daß, da sie doch in die neutralen Staaten einmarschieren würden, es wirklich nicht so sehr darauf ankäme, wenn sie zur See auch etwas weit gingen –, denn

»... die verschärfenden Maßnahmen der Seekriegfüh rung stellen in ihrer politischen Auswirkung nur einen kleinen Teil der Gesamt-Kriegsverschärfung dar.« (Dokument C-100.)

Sie werden bemerkt haben, daß diese Denkschriften über die Seekriegführung die 18 Monate früher niedergeschriebene Ansicht des Oberkommandos über den zukünftigen Krieg wiedergeben:

»Je nachdem ob der Eintritt der kriegsrechtlichen Normen mehr Vorteile oder Nachteile für die Kriegführenden bringt, werden diese sich den neutralen Staaten gegenüber als im Kriege oder nicht im Kriege befindlich betrachten.« (Dokument L-211.)

War dies nur ein Zufall? Es war auf alle Fälle die von Raeder festgelegte und von Dönitz befolgte Methode. Gleich von Anfang an hatte die Seekriegsleitung niemals die Absicht, die Regeln des Seekriegs einzuhalten.

Das Verteidigungsvorbringen, die warnungslose Versenkung alliierter Handelsschiffe sei wegen alliierter Maßnahmen berechtigt gewesen, ist ebensowenig haltbar wie die Behauptung, daß dem Versenken neutraler Handelsschiffe auf Sicht eine dem Völkerrecht entsprechende Warnung vorausging. Sie haben die sehr unklaren und allgemein gehaltenen Warnungen an die Neutralen gesehen und auch das Memorandum der Seekriegsleitung, das zeigt, daß diese Warnungen absichtlich so allgemein gehalten waren, weil Raeder wußte, daß das von ihm beabsichtigte Vorgehen gegen die Neutralen völlig rechtswidrig war. Ich brauche Sie nicht an das Schriftstück zu erinnern, aus dem hervorgeht, daß Befehle mündlich zu geben und falsche Eintragungen ins Logbuch zu machen seien, genau wie dies im Falle der »Athenia« getan wurde; oder die Eintragungen in Raeders eigenem Kriegstagebuch, aus denen hervorgeht, daß vorsichtig gewählte Neutrale überall versenkt werden sollten, wo die Verwendung elektrischer Torpedos die Deutschen in die Lage versetzen konnte zu behaupten, das Schiff sei auf eine Mine gelaufen. Sie finden das bestätigt durch die glatte Ableugnung, die Raeder in Erwiderung der Proteste der Norwegischen und der Griechischen Regierung wegen Versenkung des »Thomas Walton« und der »Garufalia« vorbereitet hatte, und in dem zögernden Eingeständnis im Falle der »Deptford«; alle diese drei Schiffe wurden durch ein und dasselbe Unterseeboot im Dezember 1939 versenkt. Nichts zeigt klarer den Zynismus und den Opportunismus, mit denen Raeder und Dönitz das Völkerrecht betrachteten, als der Gegensatz zwischen ihrem Verhalten bei der Versenkung eines spanischen Schiffes einerseits im Jahre 1940 und andererseits im September 1942: 1940 hatte Spanien für Deutschland keine Bedeutung, aber im Jahre 1942 kam es für Deutschland sehr auf Spanien an.

Es ist nicht nötig, Einzelheiten der verschiedenen aufeinanderfolgenden Maßnahmen zu wiederholen, die im Laufe der Aktivierung der Politik der Versenkung auf Sicht getroffen wurden, aber zwei Punkte aus der Seekriegführung dieser zwei Angeklagten will ich besonders hervorheben:

Erstens haben sie fortgefahren, der Welt zu verkünden, daß sie die Londoner Verordnungen und ihre eigene Prisenordnung einhielten. Der Grund hierfür geht aus Raeders Denkschrift vom 30. Dezember 1939 hervor, wo er sagt – ich zitiere:

»... es muß, um nicht die Kriegsmarine wiederum mit dem Odium des uneingeschränkten U-Bootkrieges vor der Geschichte zu belasten, von einer öffentlichen Verkündigung verschärfender Seekriegsmaßnahmen dringend abgeraten werden.« (Dokument C-100.)

Das ist also der gemeinsame Plan mit genau derselben Begründung, wie sie Jodl und Dönitz im Februar 1945 dafür anführten, daß man einfach die Bestimmungen der Genfer Konvention umgehen solle, anstatt zu verkünden, daß Deutschland sich von diesem Abkommen lossage (Dokument D-106). Hier zeigt sich wieder einmal die Lehre von der militärischen Zweckmäßigkeit: Wenn es für Deutschland nützlich ist, ein Gesetz zu brechen, ist es dazu voll berechtigt – immer vorausgesetzt, daß es in der Weise geschieht, daß eine Entdeckung und die Verurteilung durch die Weltmeinung vermieden wird.

Man darf nicht glauben, daß bei der Einführung dieser Politik der warnungslosen Versenkung und der Mißachtung der Gesetze des Seekriegs Raeder drastischer vorging als Dönitz. In seiner Verteidigung machte Dönitz große Anstrengungen, seinem Befehl vom 17. September eine harmlose Auslegung zu geben. Ich bitte den Gerichtshof, sich den Wortlaut ins Gedächtnis zu rufen:

»Jeglicher Rettungsversuch von Angehörigen versenkter Schiffe... hat zu unterbleiben. Rettung widerspricht den primitivsten Forderungen der Kriegführung nach Vernichtung feindlicher Schiffe und Besatzungen.« (Dokument D-630.)

Sein Tagebuch vom gleichen Datum, das diesen Befehl bestätigt, beginnt – ich zitiere:

»Alle Kommandanten werden nochmals darauf hingewiesen, daß alle Rettungsversuche den primitivsten Forderungen der Kriegführung widersprechen...«

Der Angeklagte hat bestritten, daß dies bedeute, daß die Mannschaften getötet oder vernichtet werden sollten. Aber die Vorgeschichte macht es vollkommen klar, daß dies eine Aufforderung an die U-Bootkommandanten war, die Mannschaften schiffbrüchiger Handelsschiffe zu vernichten, während Dönitz gleichzeitig eine Ausrede haben wollte, falls dies, wie es nun auch tatsächlich geschehen ist, notwendig wird. Dies war letzten Endes die Methode, die von Hitler festgelegt wurde, als er zu Oshima am 3. Januar 1942 sagte, – ich zitiere: er müsse

»... den Befehl geben, daß, falls die fremden Seeleute nicht zu Gefangenen gemacht werden könnten... die U- Boote nach Torpedierung auftauchten und die Rettungsboote zusammenschössen.« (Dokument D-423.)

Die Beweisaufnahme zeigt den dauernden Druck Hitlers auf Erlaß dieses Befehls von dieser Zeit ab. Es wird zugegeben, daß er während einer Zusammenkunft mit beiden, Dönitz sowohl wie Raeder, am 14. Mai 1942 den Erlaß dieses Befehls verlangt und diese Frage wieder am 5. September 1942 aufgegriffen hat. Dönitz verwies persönlich auf den Druck Hitlers während des »Laconia«-Zwischenfalls. Sie haben die Bestätigung, daß der Befehl, der am 17. September erlassen wurde, so auszulegen war, wie es von der Anklage in den Aussagen der Zeugen Heisig und Möhle geschehen ist. Ist es denkbar, daß ein hoher Offizier vom 17. September 1942 an bis zum Ende des Krieges bei der Erteilung von Weisungen an die Kommandanten der Hunderte von U-Booten, die von Kiel ausgelaufen sind, diesen hätte andeuten dürfen, daß es sich um Vernichtungsbefehle handle, falls dies nicht die Absicht der Seekriegsleitung gewesen wäre? Es ist erwiesen, daß Dönitz jeden U-Bootkommandanten vor und nach seiner Fahrt persönlich gesehen hat; dann seine eigenen Geständnisse in Bezug auf die Kommentare, die von seinen Stabsoffizieren zur Zeit des Befehlserlasses gemacht wurden, sowie seine allgemeine Einstellung, die sich aus einem Befehl vom Oktober 1939 ergibt – ein Befehl, von dem er zugibt, daß es ein Befehl zur Nichtrettung war, ein nach unserer Auffassung vollkommen unhaltbarer Befehl an sich. Dazu kommt noch der Zufall, daß genau dasselbe Argument, das von Hitler Oshima gegenüber benutzt wurde – nämlich, wie wichtig es sei, die Alliierten daran zu hindern, die für das ungeheure Aufbauprogramm Amerikas erforderlichen Mannschaften zu beschaffen – auch am 14. Mai zugegebenermaßen von Dönitz benutzt worden ist und identisch ist mit dem Argument, das Heisig gehört haben will, wie auch dem Grund, der für den später erlassenen Befehl angeführt wurde, daß bei Angriffen auf Geleitzüge in erster Linie Rettungsschiffe zu versenken seien. Sie kennen die Fälle der »Antonice«, der »Noreen Mary« und des »Peleus«; während der Mann, der sein Entsetzen ausdrückt bei dem Gedanken, er sei fähig, solch einen Befehl zu erlassen, zugegebenerweise das Logbuch des U-Bootes gesehen hat, das die »Sheaf Mead« versenkt hat, mit dem brutalen Eintrag, der die Leiden der im Wasser gebliebenen Leute beschreibt. Dönitz selbst erklärte, daß – ich zitiere:

»... die Herausgabe von solchen Anordnungen nur gerechtfertigt sei, wenn ein entscheidender militärischer Erfolg dabei erzielt wird.«

Lag nicht der Grund dafür, daß dieser Befehl erlassen wurde – wie es aus seinem eigenen Dokument hervorgeht – in der Tatsache, daß nämlich der Prozentsatz der Schiffe, die außerhalb von Geleitzügen im September 1942 versenkt wurden, so hoch war, daß ein entscheidender militärischer Erfolg hätte erzielt werden können, während aber im April 1943, als beinahe alle Versenkungen aus Geleitzügen stattfanden, es nicht mehr notwendig war, einen weiteren noch eingehenderen Befehl dieser Art herauszugeben?

Die Anklage behauptet mit Nachdruck und Bestimmtheit, daß der Angeklagte Dönitz mit diesem Befehl beabsichtigte, soviel U-Bootkommandanten als möglich anzufeuern und zu veranlassen, die Mannschaften der Handelsschiffe zu vernichten, daß er aber ganz vorbedacht den Befehl in seinem hier vorliegenden Wortlaut abgefaßt hat, um, falls die Umstände es erfordern sollten, das Gegenteil behaupten zu können. Auf Grund der Aussage von Admiral Wagner, daß die Seekriegsleitung den Befehl vom 17. September 1942 bezüglich der Überlebenden gebilligt habe, kann sich Raeder der Verantwortung nicht entziehen, und tatsächlich – er war ja bei der Besprechung mit Hitler im Mai dieses Jahres zugegen und hat den Führerbefehl vom 5. September 1942 erhalten, Anweisungen zur Tötung von Überlebenden herauszugeben (Dokumente Dönitz 16 und 39) – kann nur geringer Zweifel darüber bestehen, daß er voll und ganz in das Vorgehen seiner Untergebenen verwickelt war.

Obgleich nach wenigen Monaten die alliierte Luftwaffe es den U-Booten in den meisten Zonen unmöglich machte, überhaupt das Auftauchen nach Abschuß ihres Torpedos zu riskieren und das Problem deshalb an Wichtigkeit verlor, ist es interessant festzustellen, daß, als der Befehl gegen Rettungsschiffe am 7. Oktober des folgenden Jahres erlassen wurde, dieselbe Redensart »Vernichtung der Dampferbesatzungen« wiederkehrte. (Dokument D-663.)

Trotz des Leugnens des Kapitänleutnants Eck (Dokument Dönitz 36) kann kein ernstlicher Zweifel daran bestehen, daß er nach seiner Instruierung durch Möhle tat, was seine Vorgesetzten wollten, daß er tun solle. Warum sollte man auch annehmen, daß ein Mann, der einen Monat später Hitlers Kommandobefehl ohne Protest hinnahm, vor dem Befehl, auf Flößen oder an Schiffstrümmern angeklammerte Seeleute zu töten, zurückschrecken sollte, nachdem Hitler seine militärische Notwendigkeit dargetan hatte? Eck, der den Befehlen Raeders und Dönitz' gehorchte, hat dies mit der Todesstrafe bezahlt. Sollen diese leichter wegkommen?

Ich komme nun zu einem weiteren Kriegsverbrechen, dem Einsatz von Sklavenarbeitern. Ihre Wichtigkeit für die deutsche Kriegsmaschine ist von den Angeklagten lange schon vor Kriegsausbruch erkannt worden. Hitler hat diese Tatsache in »Mein Kampf« erwähnt und sie bei der Besprechung im Mai 1939 betont. Einige Wochen später, im Juni, plante der Reichsverteidigungsrat – Göring, Frick, Funk, Raeder und Vertreter aller anderen Staatsministerien – 20000 Konzentrationslagerhäftlinge und Hunderttausende von Arbeitern aus dem Protektorat im kommenden Krieg zu verwenden.

Hitlers Plan für Polen, den er Schirach und Frank entwickelte, war folgender:

»Das Ideal-Bild sei: Der Pole darf im Gouvernement nur kleine Grundparzellen besitzen, die seine eigene Ernährung bzw. die seiner Familie einigermaßen sicherstellen. Was er sonst an Geld für Kleidung, zusätzliche Nahrung usw. usw. braucht, müsse er durch Arbeit in Deutschland verdienen. Das Gouvernement sei die Ausleihzentrale für ungelernte Arbeiter, insbesondere für landwirtschaftliche Arbeiter. Die Existenz dieser Arbeiter sei eine völlig gesicherte, denn sie würden immer als billige Arbeitskräfte gebraucht werden.« (Dokument USSR-172.)

Diese Politik war natürlich eine kurzfristige Politik, da das wirkliche Ziel die Vernichtung der östlichen Völker war. Sauckel wurde zum Bevollmächtigten ernannt mit der Aufgabe, zwei Millionen deutsche zur Wehrmacht einberufene Arbeiter zu ersetzen. Er sagt selbst, daß, nachdem Hitler betont hatte, es sei kriegsnotwendig, er keine Bedenken hatte; und einen Monat nach seiner Ernennung hat er sein erstes Arbeitseinsatzprogramm an Rosenberg gesandt.

»Gelingt es nicht, die benötigten Arbeitskräfte auf freiwilliger Grundlage zu gewinnen, so muß unverzüglich zur Aushebung derselben bzw. zur Zwangsverpflichtung geschritten werden... eine gewaltige Anzahl fremder Arbeitskräfte... Männer und Frauen... eine unbedingte Notwendigkeit.« (Dokument 016-PS.)

Dieses Programm sollte er

»... mit allem Nachdruck und unter Einsatz aller Kräfte...« (Dokument 017-PS)

durchführen.

Es ist unnötig, auf das umfangreiche Beweismaterial für die Durchführung dieser Politik der Rekrutierung von Arbeitskräften zurückzukommen. Es genügt, nochmals Sauckels Ansprache auf der Zentralen Planung im März 1944 zu zitieren:

»... einen Agentenstab...« von Männern und Frauen »... heranzubändigen, die..., wie es früher ein Shanghaien gegeben hat,... die Leute... nach Deutschland bringen... Von den 5 Millionen ausländischen Arbeitern, die nach Deutschland gekommen sind, sind keine 200000 freiwillig gekommen.« (Dokument R-124.)

Die bei den Zwangsdeportationen angewandten Methoden sind scheußlich in ihrer Brutalität und müssen jedem einzelnen der Angeklagten bekannt gewesen sein. Im April 1941 hielt Himmler eine Ansprache an die Offiziere der SS-Leibstandarte Adolf Hitler:

»Sehr oft sagt sich der Angehörige der Waffen-SS – und diese Gedanken kamen mir heute so, wie ich da draußen diese sehr schwierige Tätigkeit ansah, die die Sicherheitspolizei, unterstützt von Eueren Leuten, die ihnen sehr gut helfen, hat – das Hinausbringen dieses Volkes hier. Genau dasselbe hat bei 40° Kälte in Polen stattgefunden, wo wir Tausende und Zehntausende und Hunderttausende wegtransportieren mußten,...« (Dokument 1918-PS.)

Und weiter:

»Ob bei dem Bau eines Panzergrabens 10000 russische Weiber an Entkräftung umfallen oder nicht, interessiert mich nur insoweit, als der Panzergraben für Deutschland fertig wird... Wenn mir einer kommt und sagt: ›Ich kann mit den Kindern oder den Frauen den Panzergraben nicht bauen. Das ist unmenschlich, denn dann sterben die daran‹, – dann muß ich sagen: ›Du bist ein Mörder an Deinem eigenen Blut, denn, wenn der Panzergraben nicht gebaut Wird, dann sterben deutsche Soldaten, und das sind Söhne deutscher Mütter‹...

Wir müssen uns auch darüber klar sein, daß wir 6 bis 7 Millionen Ausländer in Deutschland haben. Vielleicht sind es jetzt sogar 8 Millionen. Wir haben Gefangene in Deutschland. Die sind alle nicht gefährlich, solange wir bei der kleinsten Kleinigkeit hart zuschlagen.« (Dokument 1919-PS.)

Im August 1943 war das Bedürfnis für Arbeiter sogar noch größer geworden. Himmler ordnete an,

»... daß die einsatzfähigen jungen Gefangenen weiblichen Geschlechts über die Dienststelle des Reichskommissars Sauckel nach Deutschland in Arbeit zu vermit teln sind, Kinder, alte Frauen und alte Männer sind in... Frauen- und Kinderlagern auf Gütern zu sammeln und zur Arbeit einzusetzen.« (Dokument 744-PS.)

Die an die in der Ukraine tätigen Gruppenführer des SD erteilten Befehle zeigten dieselbe Dringlichkeit.

»Die Tätigkeit der Arbeitsbehörden...« ist »... weitgehendst zu unterstützen. Dabei wird es nicht immer ohne Zwangsmittel abgehen... Bei der Überholung von Dörfern bzw. notwendig werdenden Niederbrennung eines Dorfes wird die gesamte Bevölkerung dem Beauftragten zwangsweise zur Verfügung gestellt. Grundsätzlich werden keine Kinder mehr erschossen... Wenn wir also unsere harten sicherheitspolizeilichen Maßnahmen vorübergehend einschränken, so geschieht dies nur aus folgendem Grund. Das Wichtigste ist die Arbeiterbeschaffung.« (Dokument 3012-PS.)

Speer hat zugegeben – wie könnte er es auch leugnen? –, daß er Kenntnis von der Art und Weise hatte, in welcher die Arbeiter angeworben und gegen ihren Willen nach Deutschland gebracht wurden. Hier liegt auch Kaltenbrunners Brief an seinen Freund Blaschke vor:

»Aus... besonderen Gründen habe ich inzwischen angeordnet einige Evakuierungstransporte nach Wien... zu leiten. Es handelt sich zunächst um 4 Transporte mit etwa 12000 Juden, die bereits in den nächsten Tagen in Wien eintreffen.... Die nichtarbeitsfähigen Frauen und Kinder dieser Juden, die sämtlich für eine Sonderaktion bereitgehalten und deshalb eines Tages wieder abgezogen werden, müssen auch tagsüber in dem bewachten Lager verbleiben.« (Dokument 3803-PS.)

Hier wieder die finstere Redewendung: »Sonderbehandlung«, »Sonderaktion«, deren Bedeutung sie alle so gut kannten. Mord bleibt Mord, mit welcher Beschönigung die Mörder ihn auch zu umschreiben versuchen.

Das Bedürfnis nach Arbeitern wurde so dringend, daß nicht nur sogar Juden von den Gaskammern verschont wurden, solange sie arbeitsfähig waren, sondern auch Kinder erfaßt und zum Arbeiten gezwungen wurden.

Soviel über ihre Verschickung nach Deutschland. Was war nun ihr Schicksal bei ihrer Ankunft? Schon im März 1941 wurden den Kreisbauernverbänden Instruktionen über die Behandlung von polnischen Landarbeitern erteilt. (Dokument EC-68.) Sie sollten kein Beschwerderecht haben. Es war ihnen verboten – diesen religiösen Menschen – Kirchen zu besuchen; jede Art von Unterhaltung und die öffentlichen Verkehrsmittel waren ihnen versagt. Ihre Arbeitgeber erhielten das Recht, Prügelstrafen zu verhängen und waren »in keiner Weise irgendeiner offiziellen Stelle verantwortlich«. Und als letztes wurde befohlen:

»Die Landarbeiter polnischen Volkstums sollen nach Möglichkeit aus der Hausgemeinschaft entfernt werden und können in Stallungen usw. untergebracht werden. Irgendwelche Hemmungen dürfen dabei nicht hindernd im Wege stehen.«

Die Behandlung der Industriearbeiter war noch schlimmer. Sie werden sich an die eidesstattliche Versicherung des polnischen Arztes in Essen erinnern, der sein möglichstes tat, um die russischen Kriegsgefangenen zu behandeln:

»... Menschen zusammengewürfelt untergebracht, dazu in einer katastrophalen Art, so daß keine sanitäre Behandlung möglich war... und es erschien mir als Arzt menschenunwürdig, in welcher Lage die Leute sich befanden... Täglich wurden mir bis zu 10 Personen vorgeführt, die den Körper mit blauen Flecken überdeckt hatten auf Grund des dauernden Schlagens mit Gummischläuchen, Stahlruten oder Stöcken. Die Leute wälzten sich oft vor Schmerzen, ohne daß ich die Möglichkeit hatte, auch nur eine kleine medizinische Hilfe den Leuten zuteil werden zu lassen... Es war für mich schwer mitanzusehen, wie man solche schwerleidenden Menschen zu den schweren Arbeiten heranziehen konnte... Oft lagen Tote zwei bis drei Tage auf ihren Strohsäcken, bis ihre Körper derart gestunken haben, daß Mitgefangene sie nach draußen brachten und irgendwo an einer Stelle verscharrten... Ich war auch Zeuge bei einer Unterhaltung mit russischen Frauen, welche mir persönlich erzählten, daß sie in den Kruppschen Betrieben arbeiteten und daß sie täglich auf barbarische Weise geschlagen würden.... Schlagen war an der Tagesordnung.« (Dokument D-313.)

Gegen Ende des Jahres 1943 arbeiteten mehr als fünf Millionen Männer, Frauen und Kinder im Reich, und wenn wir Kriegsgefangene dazurechnen, war die Gesamtzahl der zu jener Zeit in Deutschland Arbeiteraden knapp unter sieben Millionen. (Dokument D-524.) Hierzu kommen die Hunderttausende, welche während des Jahres 1944 nach Deutschland verbracht wurden-Millionen Männer und Frauen, auf brutalste Art und Weise aus ihren Heimen herausgeholt, in jeder Witterung in Viehwagen aus allen Teilen Europas herantransportiert, im ganzen Reich auf Bauernhöfen und in Fabriken beschäftigt, häufig unter abscheulichen Bedingungen; die Kinder wurden ihren Eltern weggenommen, viele wurden zu Waisen gemacht und in Unkenntnis gelassen über ihre Identität oder ihren richtigen Namen; weggeführt, bevor sie alt genug waren, um sich an den Ort zu erinnern, aus dem sie stammten. Was ist das, dieses Verbrechen? Nicht ein einziger auf dieser Anklagebank kann die Kenntnis davon oder seine Beihilfe dazu ableugnen. Die Protokolle der Zentralen Planung müssen in jeder staatlichen Behörde gelesen worden sein. Sie haben die Masse des Beweismaterials gesehen, das die militärischen Führer und jeden anderen Verwaltungszweig mit diesem kolossalen Versklavungsprogramm in Verbindung bringt. Keiner dieser Männer kann von diesem Verbrechen freigesprochen werden; keinem von ihnen kann das Ausmaß und die Brutalität, womit es ausgeführt wurde, unbekannt gewesen sein.

Ich gehe nun zu einer Angelegenheit über, die damit im Zusammenhang steht, aber noch entsetzlicher ist: der allgemeinen Art und Weise, in der die Angeklagten die Besetzung der von ihnen überrannten Gebiete durchführten.

Das Beweismaterial dafür, daß diese Gebiete der Schauplatz für Mord, Sklaverei, Terror und Plünderung in einem Ausmaß waren, das keinen Präzedenzfall in der Geschichte kennt, und die Verletzung der elementarsten Regeln über die Besatzung ist nicht ernstlich bestritten worden. Diese Verbrechen kamen keineswegs nur sporadisch oder vereinzelt vor, je nach dem Sadismus eines Koch hier oder der Grausamkeit eines Frank dort. Sie waren ein wesentlicher Bestandteil eines vorsätzlichen und systematischen Plans, für den ihre Handlungsweise in der Frage der Zwangsarbeiter nur symptomatisch war. Um das »Tausendjährige Reich« zu begründen, begannen sie mit der Ausrottung oder der dauernden Schwächung der rassischen und völkischen Gruppen Europas oder jener Schichten, wie zum Beispiel der Intelligenz, von denen das Überleben jener Gruppen in großem Maße abhängig war.

Der Ursprung dieses fürchterlichen Anschlags auf das Dasein freier und alter Völker geht auf die gesamte Lehre der Nazis vom Totalen Krieg zurück, die den Krieg ablehnte, der nur gegen die Staaten und deren Heere gerichtet war, wie vom Völkerrecht vorgeschrieben. Der Totale Krieg der Nazis war auch ein Krieg gegen die Zivilbevölkerungen, gegen ganze Völker. Nach Abschluß des Polenfeldzugs sagte Hitler zu Keitel:

»Klugheit und Härte in diesem Volkstumskampf müssen es uns ersparen, dieses Landes wegen noch einmal auf das Schlachtfeld zu müssen.« (Dokument 864-PS.)

Die Ziele der Rassenausrottung wurden von Hitler in seiner Unterredung mit Hermann Rauschning folgendermaßen formuliert:

»Nach dem Kriege beklagten sich die Franzosen darüber, daß es zwanzig Millionen Deutsche zu viel gäbe. Wir nehmen die Behauptung auf. Wir begünstigen die planmäßige Leitung von Bevölkerungsbewegungen. Unsere Freunde werden uns jedoch verzeihen müssen, wenn wir die zwanzig Millionen von anderswo abziehen. Nach all diesen Jahrhunderten von Gewinsel über den Schutz der Armen und Niedrigen ist es an der Zeit, den Entschluß zu fassen, den Starken gegen den Niedrigen zu schützen. Es wird für alle Zeiten eine der wichtigsten Aufgaben deutscher Staatskunst sein, durch jedes in unserer Macht liegende Mittel eine Zunahme der slawischen Völker zu verhüten. Die natürlichen Instinkte gebieten allen Lebewesen, ihre Feinde nicht bloß zu besiegen, sondern auch zu vernichten. In früheren Zeiten war es Vorrecht des Siegers, ganze Stämme, ganze Völker auszurotten. Dadurch, daß wir dies all mählich und ohne Blutvergießen tun, beweisen wir unsere Menschlichkeit.« (Dokument USSR-378.)

Himmlers Vision war ähnlich, ich zitiere:

»Für uns bedeutet das Ende dieses Krieges den freien Weg nach dem Osten, die Schaffung des Germanischen Reiches und auf diese oder jene Art... das Hereinholen von 30 Millionen Menschen unseres Blutes, sodaß wir noch zu unseren Lebzeiten ein Volk von 120 Millionen Germanen werden. Das bedeutet, daß wir dann an den Frieden herangehen können, in dem wir für die ersten 20 Jahre willens sind, unsere Dörfer und Städte wieder aufzubauen und aufzulockern und die deutschen Volkstumsgrenzen um 500 Kilometer nach Osten hinauszuschieben.« (Dokument L-70.)

Ihre Ziele gingen über die reine Germanisierung, die Oktroyierung des deutschen Kultursystems auf andere Völker hinaus. Hitler war entschlossen, Nichtdeutsche von dem Grund und Boden zu vertreiben, den er benötigte, sie aber besaßen, und ihn mit Deutschen zu besiedeln. Dies ist vollkommen klar in »Mein Kampf« ausgedrückt.

Ich zitiere:

»Die von so vielen geforderte Polenpolitik im Sinne einer Germanisation des Ostens fußte leider fast immer auf dem gleichen Trugschluß. Auch hier glaubte man, eine Germanisation des polnischen Elements durch eine rein sprachliche Eindeutschung desselben herbeiführen zu können. Auch hier wäre das Ergebnis ein unseliges geworden: ein fremdrassiges Volk, in deutscher Sprache seine fremden Gedanken ausdrückend, die Höhe und Würde unseres eigenen Volkstums durch seine eigene Minderwertigkeit kompromittierend.« (Dokument US- 256, Seite 429, 430.)

Himmler hat es noch klarer zum Ausdruck gebracht:

»Unsere Aufgabe ist es, den Osten nicht im alten Sinne zu germanisieren, das heißt, den dort wohnenden Menschen deutsche Sprache und deutsche Gesetze beizubringen, sondern dafür zu sorgen, daß im Osten nur Menschen wirklich deutschen, germanischen Blutes wohnen.« (Dokument 2915-PS.)

Die Angeklagten haben ihre wahren Ziele sehr sorgfältig vor ihren Opfern verheimlicht. Ein erbeuteter Bericht vom Januar 1940 besagt:

»Zur Entlastung des Wohnraumes der Polen sowohl im Generalgouvernement als auch im befreiten Osten sollte man billige Arbeitskräfte zu vielen Hunderttausenden auf Zeit herausnehmen, sie für einige Jahre im Altreich ansetzen und sie damit zugleich aus ihrem heimatlichen biologischen Wachstumsprozeß ausschalten.«

Und schließt:

»Es ist strengstens darauf zu achten, daß geheime Zirkulare, Denkschriften und Dienstkorrespondenzen, die polenschädigende Anweisung enthalten, unter dauerndem Verschluß gehalten werden, damit sie nicht eines Tages in Paris oder USA gedruckte Weißbücher füllen.« (Dokument 661-PS.)

Ferner am Tage vor der Ernennung Rosenbergs zum Ostminister sagte Hitler zu ihm in Gegenwart von Keitel, Göring und Bormann, ich zitiere:

»Wir müßten hier genau so vorgehen wie in den Fällen von Norwegen, Dänemark, Holland und Belgien. Auch in diesen Fällen hätten wir nichts über Aussichten gesagt, und wir würden dies auch weiterhin klugerweise nicht tun. Wir werden also wieder betonen, daß wir gezwungen waren, ein Gebiet zu besetzen, zu ordnen und zu sichern; im Interesse der Landeseinwohner müßten wir für Ruhe, Ernährung, Verkehr usw. sorgen; deshalb unsere Regelung. Es soll also nicht erkennbar sein, daß sich damit eine endgültige Regelung anbahnt! Alle notwendigen Maßnahmen, Erschießen, Aussiedeln etc. – tun wir trotzdem und können wir trotzdem tun.« (Dokument L-221.)

Nachdem er seinen Spießgesellen diese Worte der Vorsicht eingeprägt hatte, fuhr – wie Sie sich erinnern werden – Hitler fort, seine Pläne zur Vernichtung des Sowjetvolkes zu unterbreiten. Die Krim, sagte er, müsse von allen Fremden geräumt und nur mit Deutschen besiedelt werden.

»Grundsätzlich kommt es also darauf an, den riesenhaften Kuchen handgerecht zu zerlegen, damit wir ihn erstens beherrschen, zweitens verwalten und drittens ausbeuten können.« (Dokument L-221.)

Ein Beispiel für diese Methode war der berüchtigte Plan Neuraths und Franks für Böhmen und Mähren – desselben Neurath, dessen Verteidiger Sie vorgestern bat, die Heiligkeit der Person zu respektieren.

Ein Beispiel für diese Methode, ich wiederhole, sieht man in ihrem Plan für Böhmen und Mähren. Kein fürchterlicheres Dokument wurde in dieser Verhandlung als Beweismaterial vorgelegt, und keines, welches die Falschheit des Schlagwortes »Lebensraum«, das als Vorwand für den Raub der Tschechoslowakei diente, stärker enthüllte. Dieser Plan fordert die Vernichtung der Intelligenz, der Träger der tschechoslowakischen Geschichte und Tradition; und da die langfristige Lösung der vollständigen Ausweisung aller Tschechen aus dem Lande und deren Ersetzung durch Deutsche infolge des Mangels an Deutschen nicht sofort in die Tat umgesetzt werden konnte, wurde die kurzfristige Lösung der Germanisierung des Restes der Bevölkerung gefunden. Dies geschah dadurch, daß ihre Sprache nur als Dialekt behandelt wurde, ferner durch Abschaffung einer höheren Bildung, durch Einführung einer strengen Heiratspolitik nach vorheriger rassischer Prüfung. Sie werden sich an Franks Zusammenfassung erinnern – ich zitiere:

»Neben ständiger Werbung für das Deutschtum und Gewährung von Vorteilen als Anreiz, schärfste Polizeimethoden mit Landesverweisung und Sonderbehandlung gegen alle Saboteure. Grundsatz: ›Zuckerbrot und Peitsche‹.« (Dokument 3859-PS.)

Sie werden sich auch an den in Hitlers Zug am 12. September 1939 von Ribbentrop, Keitel und Jodl besprochenen Plan für Polen erinnern, wie er in der Aussage des Zeugen Lahousen beschrieben ist, und an die Unterhaltung zwischen Hitler, Schirach und Frank, drei Wochen später, nach dem Abendessen in des Führers Wohnung:

»... es dürfe für die Polen nur einen Herrn geben, und das sei der Deutsche; zwei Herren nebeneinander könne es nicht geben und dürfe es nicht geben, daher seien alle Vertreter der polnischen Intelligenz umzubringen. Dies klinge hart, aber es sei nun einmal das Lebensgesetz.« (Dokument USSR-172.)

Solcher Art waren die Pläne für die Sowjetunion, für Polen und für die Tschechoslowakei. Der Völkermord beschränkte sich nicht auf die Ausrottung des jüdischen Volkes oder der Zigeuner. Er fand in verschiedenen Formen auch Anwendung in Jugoslawien, bei den nichtdeutschen Bewohnern von Elsaß-Lothringen und bei den Völkern der Niederlande und von Norwegen. Die Methode wechselte von Nation zu Nation, von Volk zu Volk. Das langfristige Endziel war in allen Fällen das gleiche.

Die Methoden folgten alle einem ähnlichen Muster: Zuerst ein vorsätzliches Programm des Mordes, der völligen Vernichtung. Dies war die bei der polnischen Intelligenz, bei den Zigeunern und bei den Juden angewandte Methode. Das Umbringen von Millionen, selbst mit Hilfe der Gaskammern und der Massenerschießungen war keine leichte Sache. Die Angeklagten und ihre Spießgesellen benutzten auch Methoden der langsamen Vernichtung; bevorzugt war das Umbringen der Opfer durch Arbeit; daher auch Himmlers Übereinkommen mit dem Justizminister im September 1942, nach dem antisoziale Elemente der SS ausgeliefert wurden, um durch Arbeit umgebracht zu werden (Dokument 654-PS). Am 14. desselben Monats empfahl Goebbels diese Methode mit den Worten:

»Hinsichtlich der Vernichtung asozialen Lebens steht Dr. Goebbels auf dem Standpunkt, daß Juden und Zigeuner schlechthin, Polen, die etwa 3-4 Jahre Zuchthaus zu verbüßen hätten, Tschechen und Deutsche, die zum Tode, lebenslangem Zuchthaus oder Sicherungsverwahrung verurteilt wären, vernichtet werden sollen. Der Gedanke der Vernichtung durch Arbeit sei der beste.« (Dokument 682-PS.)

Eine andere beliebte Vernichtungstechnik war das Verhungernlassen. Rosenberg, der große Baumeister an dieser Politik des Volksmordes, sagte zu seinen Mitarbeitern im Juni 1941:

»Die deutsche Volksernährung steht in diesen Jahren zweifellos an der Spitze der deutschen Forderungen im Osten, und hier werden die Südgebiete und Nordkaukasien einen Ausgleich für die deutsche Volksernährung zu schaffen haben. Wir sehen durchaus nicht die Verpflichtung ein, aus diesen Überschußgebieten das russische Volk mit zu ernähren. Wir wissen, daß das eine harte Notwendigkeit ist, die außerhalb jeden Gefühles steht. Zweifellos wird eine sehr umfangreiche Evakuie rung notwendig sein, und dem Russentum werden sicher sehr schwere Jahre bevorstehen.« (Dokument 1058-PS.)

Die im Elsaß angewandte Methode war die Deportation. Ein erbeuteter Bericht lautet:

»Die erste Ausweisungsaktion wurde im Elsaß in der Zeit vom Juli bis Dezember 1940 durchgeführt und von ihr 105000 Personen ausgewiesen bzw. an der Rückkehr verhindert. Es waren dies hauptsächlich Juden, Zigeuner und andere Fremdrassige, Verbrecher, Asoziale und unheilbare Geisteskranke, ferner Franzosen und Frankophile. Die Patois-Bevölkerung wurde von dieser Aussiedlungswelle in der gleichen Weise wie die übrigen Elsässer durchgekämmt.« (Dokument RF-753.)

Der Bericht fährt dann fort, daß neue Deportationen in Vorbereitung seien, und faßt nach Aufzählung der betroffenen Klassen die zu treffenden Maßnahmen zusammen:

»... ist zu bemerken, daß das rassische Problem in den Vordergrund gestellt worden ist, und zwar in der Weise, daß rassisch wertvolle Personen in das Altreich und rassisch minderwertige nach Frankreich ausgesiedelt werden sollen.« (Dokument RF-753.)

Die Nazis wendeten auch verschiedene sogenannte biologische Methoden zum Völkermord an. Sie verminderten geflissentlich die Geburtsziffern in den besetzten Gebieten durch Sterilisation, Kastration und Abtreibung, durch Trennung von Ehemann und Ehefrau, von Mann und Frau durch Behinderung der Eheschließung.

Ich zitiere:

»Wir müssen entvölkern« – sagte Hitler zu Rauschning – »als Bestandteil unserer Aufgabe, die deutsche Bevölkerung zu erhalten. Wir werden eine Technik der Entvölkerung entwickeln müssen. Wenn Sie mich fragen, was ich unter Entvölkerung verstehe, so meine ich die Entfernung ganzer Rasseeinheiten. Und das ist es, was ich auszuführen gedenke – das ist, allgemein gesprochen, meine Aufgabe. Die Natur ist grausam, also müssen wir es auch sein. Wenn ich die Blüte des deutschen Volkes in die Hölle des Krieges ohne das geringste Mitleid für das Vergießen kostbaren deutschen Blutes schicken kann, so habe ich gewiß das Recht, Millionen einer sich wie Ungeziefer vermehrenden niedrigeren Rasse zu vernichten.« (Dokument USSR-378.)

Sie haben gesehen, wie Neurath diese biologischen Methoden für seinen Plan für die Tschechoslowakei verwandte. Hören Sie Bormanns Weisungen für die Ostgebiete, zusammengefaßt von einem von Rosenbergs Untergebenen.

Ich zitiere:

»Die Slawen sollen für uns arbeiten. Soweit wir sie nicht brauchen, mögen sie sterben. Impfzwang und deutsche Gesundheitsfürsorge sind daher überflüssig. Die slavische Fruchtbarkeit ist unerwünscht. Sie mögen Präservative benutzen oder abtreiben, je mehr desto besser. Bildung ist gefährlich. Es genügt, wenn sie bis 100 zählen können. Höchstens die Bildung, die uns brauch bare Handlanger schafft, ist zulässig.« (Dokument R-36.)

Ebenso läßt sich Himmler vernehmen:

»... ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und zu sonst niemandem. Wie es den Russen geht, wie es den Tschechen geht, ist mir total gleichgültig. Das, was in den Völkern an gutem Blut unserer Art vorhanden ist, werden wir uns holen, indem wir ihnen, wenn notwendig, die Kinder rauben und sie bei uns großziehen. Ob die anderen Volker in Wohlstand leben oder ob sie verrecken vor Hunger, das interessiert mich nur soweit, als wir sie als Sklaven für unsere Kultur brauchen, anders interessiert mich das nicht.« (Dokument 1919-PS.)

Das Gegenstück zu den Maßnahmen zur Verminderung der Geburtenziffer in den besetzten Gebieten war die künstliche Erhöhung der Geburtenziffer in Deutschland. Im Februar 1941 organisierte der Angeklagte Seyß-Inquart ein System zur Verheiratung holländischer Mädchen an deutsche Soldaten. Unter Verletzung des Artikels 43 der Haager Konvention befahl er Änderungen der niederländischen Gesetze, damit er elterliche und vormundschaftliche Rechte über Mädchen übernehmen konnte, um sich dadurch selbst an die Stelle der Eltern zu setzen, falls diese ihren Töchtern die Erlaubnis verweigerten, deutsche Soldaten zu heiraten.

Dieses Verfahren von Seyß-Inquart wurde später durch die höchsten Stellen des Deutschen Reiches, Hitler, Keitel und Lammers, am 28. Juli 1942 gebilligt. Es erging eine Verordnung zur Gewährung von Unterstützung und Arbeitsvorrechten für holländische und norwegische Frauen, die Angehörigen der deutschen Wehrmacht Kinder gebären. Und sie haben jetzt die Unverschämtheit, über die Unantastbarkeit des Individuums zu sprechen!

Es war einfach ein Plan, die biologischen Hilfsquellen Hollands und Norwegens für das deutsche Volk dienstbar zu machen, als ob sie irgendeine Handelsware seien. Himmler war einer der Befürworter des Kinderraubs, als er am 14. Oktober 1943 sagte:

»Es ist ganz klar, daß es in diesem Gemisch von Völkern immer wieder einige rassisch sehr gute Typen geben wird. Hier haben wir, glaube ich, die Aufgabe, deren Kinder zu uns zu nehmen, sie aus der Umgebung herauszunehmen, und wenn wir sie rauben oder stehlen müßten... Entweder wir gewinnen das gute Blut, das wir verwerten können und ordnen es bei uns ein, oder... wir vernichten dieses Blut.« (Dokument L-70.)

Im Falle Rußland ebnete Keitel durch seinen Befehl vom 13. Mai und 23. Juli 1941 (Dokumente C-50 und C-52) den Weg, nachdem er das Schlagwort »Schlauheit und Strenge« als Grundsatz für die Ausbeutung Polens gelernt hatte. Ich zitiere aus dem letzteren, der von Jodl nach seinem eigenen Eingeständnis entworfen war:

»Die zur Sicherung der besetzten Ostgebiete zur Verfügung stehenden Truppen reichen bei der Weite dieser Räume nur dann aus, wenn alle Widerstände nicht durch die juristische Bestrafung der Schuldigen geahndet werden, sondern wenn die Besatzungsmacht denjenigen Schrecken verbreitet, der allein geeignet ist, der Bevölkerung jede Lust zur Widersetzlichkeit zu nehmen... Nicht in der Anforderung weiterer Sicherungskräfte, sondern in der Anwendung entsprechender drakonischer Maßnahmen müssen die Befehlshaber das Mittel finden, um ihre Sicherungsräume in Ordnung zu halten.« (Dokument C-52.)

Die unmittelbaren Bedürfnisse der Kriegsmaschine retteten zweifellos die westlichen Gebiete vor einer ähnlichen Zerstörung. Doch besitzt der Gerichtshof hinreichende Beweise für die Plünderung Frankreichs, der Niederlande und der sonstigen Gebiete, die diese Männer soweit wie überhaupt nur irgend möglich ausbeuteten. Angesichts ihrer mörderischen Politik ist es nicht überraschend, daß die von den Angeklagten mit der Durchführung Beauftragten Rohlinge waren. In Rosenbergs Amtsbereich zum Beispiel war es Koch, der von Rosenberg für den Posten des Kommissars in Moskau ganz ausschließlich auf Grund einer »völligen Rücksichtslosigkeit« empfohlen worden war. Koch war es, der die Abschlachtungen mehrerer hundert völlig unschuldiger Menschen im Waldgebiet von Zuman veranlaßte, um einen privaten Jagdbezirk zu haben. Ein anderer von Rosenbergs ausführenden Organen war Kube, der schrieb:

»... haben wir in Weißruthenien in den letzten 10 Wochen rund 55000 Juden liquidiert. Im Gebiet Minsk- Land ist das Judentum völlig ausgemerzt, ohne daß der Arbeitseinsatz dadurch gefährdet worden ist. In dem überwiegend polnischen Gebiet Lida sind 16000 Juden, in Slonim 8000 Juden usw. liquidiert worden.« (Dokument 3428-PS.)

In Bezug auf Polen wurden Frank folgende Befehle gegeben:

»Rücksichtslose Ausschlachtung... Drosselung der gesamten Wirtschaft Polens auf das für die notdürftigste Lebenshaltung der Bevölkerung unbedingt notwendige Minimum.... ›Die Polen werden die Sklaven des Großdeutschen Weltreiches werden‹.« (Dokument EC-344.)

Und wir wissen, wie er diese ausführte. Im Januar 1940 macht er folgende Aufzeichnung:

»Billige Arbeitskräfte müssen zu Hunderttausenden aus dem Generalgouvernement weggeschafft werden. Das wird die biologische Fortpflanzung der Einwohner hemmen.« (Dokument 2233-PS.)

Im Mai sagte er:

»... indem wir uns die Konzentrierung des Welt-Interesses auf die Westfront zunutze machen und Tausende von Polen liquidieren, und zwar zuerst die Führer der polnischen Intelligenz.« (Dokument 2233-PS.)

Und im Dezember:

»Die Polen müssen merken, daß sie nur eine Pflicht haben: zu arbeiten und zu gehorchen. Alle Maßnahmen müssen wir erbarmungslos durchführen. Verlassen Sie sich auf mich.« (Dokument 2233-PS.)

Wir, die wir versuchen, die Probleme Osteuropas zu verstehen, müssen versuchen, uns folgendes klar zu machen:

Die Einzelheiten von Polens Märtyrertum spotten der Beschreibung: Ein Drittel der Bevölkerung ermordet; Millionen in völliger Verarmung zurückgelassen, krank, verstümmelt und hilflos. Die Befreiung erfolgte gerade noch rechtzeitig, um dieses alte Volk vor der Ausführung des entsetzlichen Plans zu retten, den diese Männer ausgeheckt hatten.

Wäre es Ihnen jetzt recht, wenn...

VORSITZENDER: Natürlich.