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[Pause von 10 Minuten.]

VORSITZENDER: Sir David! Der Gerichtshof ist der Meinung mit Bezug auf alle weiteren Dokumente, die Sie noch haben mögen, daß es vielleicht Zeit sparen würde, wenn Sie die Dokumente einfach ohne Kreuzverhör vorlegen wollten, falls es sich nicht um Dokumente handelt, die vom Zeugen selbst herrühren.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich werde das tun, um Zeit zu sparen. Ich begrüße dies. Ich werde gerne tun, was Euer Lordschaft vorschlagen. Es dient meinen Zwecken viel besser.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Die Einführung der Dokumente, die ich noch nicht kenne, als Beweismittel ist meiner Ansicht nach unzulässig, denn ich habe keine Möglichkeit, dazu Stellung zu nehmen, weil ich ja zu Ende bin mit meinem Beweismaterial. Ich habe das ganze Material, die Affidavits und Dokumente eingereicht, und meine Zeugen sind vernommen. Ich weiß nicht, wie ich dann dagegen Stellung nehmen soll.

VORSITZENDER: Ich bin sicher, daß Sir David den Verteidigern sobald wie möglich die Dokumente zukommen lassen wird, und wenn es dem Verteidiger unmöglich ist, sie sogleich zu überprüfen, dann kann er auf das Dokument später antworten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es stehen Abschriften zur Verfügung, und sie werden Dr. Servatius sofort überreicht. Das nächste Dokument über die Kirchenfrage, das ich vorbringen wollte, ist Dokument D-901, ein neues Dokument. Es enthält vier Berichte von Ortsgruppenleitern. Ich wollte sagen, daß es GB-536 ist.

VORSITZENDER: Sie gaben dem anderen Dokument doch eine Nummer. Ich meine das andere, das Sie eingereicht haben. War da nicht ein anderes neues Dokument, das Sie eingereicht haben, 1507-PS?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: GB-535, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Ja, sehr gut.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Dieses Dokument enthält vier Berichte von Ortsgruppenleitern und die Bemerkungen, die dazu vom Kreisleiter gemacht wurden. Euer Lordschaft, ich möchte dem Gerichtshof lediglich die ersten Sätze der beiden ersten Berichte vorlegen, welche zeigen werden, was sie sind. Der erste Bericht stammt von der Ortsgruppe Darmstadt-Schloßgarten vom 20. Februar 1939. »Punkt 9: Kirchliche Fragen.« Ich zitiere:

»Wie mir der Hausverwalter des Gemeindehauses der Martinsgemeinde, Blockleiter Pg. Keil, mitteilt, finden zur Zeit im Martinstift, Müllerstraße (Ortsgruppe Gutenberg) wieder Veranstaltungen der Bekenntnisfront unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Einlaß haben nur Besitzer einer roten Ausweiskarte.«

Dann beanstandet er, daß die Bibelstunden hinter abgeschlossenen Türen stattfinden und erwähnt die Gestapo.

Der zweite bezieht sich auf eine Äußerung eines Geistlichen. Es kommt von der Ortsgruppe Pfungstadt vom 17. Februar 1939:

»›Wer aus der Kirche austritt, wird mit einer anderen Steuer belegt‹, so sprach wieder einmal unser schon so viel besprochener Bekenntnispfarrer Strack im Rahmen eines Mütterabends. Man sollte doch wirklich einmal diesem Herrn ernstlich auf die Finger klopfen.«

Der dritte sendet ein Gedicht der Bekenntnisfront ein, und der vierte spricht vom Fortbestehen des evangelischen Jugendvereins.

Euer Lordschaft! Die Bemerkungen des Kreisleiters stehen auf der dritten Seite. Ich will nur eine oder zwei davon lesen:

»Politischer Lagebericht für Februar 1939.«

»1.) Meldung des Ortsgruppenleiters Wimmer (Martinsgemeinde). (SD, Gestapo und der zuständige Ortsgruppenleiter werden von mir unterrichtet.)

2.) Den aus Pfungstadt meldenden Ortsgruppenleiter Frick werde ich morgen zum Kreisleiter bestellen und ihn veranlassen, seine Zeugen zu benennen. Diese werden Ihnen und der Gestapo (letzterer unter Meldung des Vorfalls) mitgeteilt. Der hinreichend bekannte Pfarrer Strack ist reif für das Konzentrationslager, bezw. für das Sondergericht. Seine angeführte Feststellung vor Volksgenossen stellt ein Vergehen gegen das Heimtückegesetz dar. Auf jeden Fall muß der Kerl aus dem Kreis- bzw. Gaugebiet verschwinden.«

Euer Lordschaft! Ich glaube nicht, daß ich den Gerichtshof mit der Sache noch weiter belästigen soll. Dies ist der wesentliche Punkt.

Euer Lordschaft! Nun habe ich zwei Dokumente über die Sklavenarbeit vorzulegen, die ebenfalls neu sind. Euer Lordschaft, das erste ist 315-PS; es wird GB-537. Euer Lordschaft, es handelt sich um das Protokoll einer Konferenz über die Behandlung von Fremdarbeitern vom 12. März 1943.

Euer Lordschaft! Dieses Dokument soll zeigen, daß eine bewußte und allgemeine Wendung der Politik auf diesem Gebiete eingetreten war, und wenn Euer Lordschaft die Mitte des zweiten Absatzes ansehen, werden Sie folgenden Satz finden:

»Hier habe sich die bisherige Behandlung der Ostarbeiter« – diesen Punkt will ich besonders betonen – »nicht allein leistungsmindernd, sondern auch äußerst nachteilig auf die politische Einstellung der Bevölkerung der besetzten Ostgebiete selbst ausgewirkt und zu den bekannten Schwierigkeiten für die Truppen geführt. Zur Entlastung der militärischen Operationen sei eine Besserung der Stimmung im Wege einer besseren Behandlung der Ostarbeiter im Reich zu fordern.«

Euer Lordschaft! Die Bedeutung dieser Sache zeigt sich, sobald sie in die Dienstwege der Partei kommt, was im nächsten Dokument 205-PS gezeigt wird; es wird GB-538.

Euer Lordschaft! Dies ist einem Erlaß des Angeklagten Bormann entnommen. Das Papier kommt aus der Parteikanzlei und lautet:

»Das Reichspropagandaministerium und das Reichssicherheitshauptamt haben gemeinsam ein Merkblatt über die Behandlung der im Reich tätigen ausländischen Arbeitskräfte herausgegeben.

Ich bitte, an Hand des beiliegenden Abdrucks die Partei- und Volksgenossen in geeigneter Weise über die Notwendigkeit einer strengen, aber gerechten Behandlung der ausländischen Arbeitskräfte aufzuklären.«

Die Verteilung erfolgt an die Reichs-, Gau-, Kreis- und Ortsgruppenleiter.

Euer Lordschaft! Auf Seite 2, Nummer 1, dritter Absatz steht:

»Jeder, auch der primitive Mensch, hat ein feines Empfinden für Gerechtigkeit. Daher muß sich jede ungerechte Behandlung verheerend auswirken. Ungerechtigkeiten, Kränkungen, Schikanen, Mißhandlungen usw. müssen also unterbleiben. Die Anwendung der Prügelstrafe ist verboten. Über die scharfen Maßnahmen bei widersetzlichen und aufrührerischen Elementen sind die fremdvölkischen Arbeiter entsprechend aufzuklären.«

Euer Lordschaft! Wichtig ist der Anklagevertretung das Wort »unterbleiben«.

Euer Lordschaft! Wenn Euer Lordschaft die beiden Dokumente zusammen ansehen, zeigt der Zusammenhang, daß hier ein ausgesprochener Wandel vorliegt.

Nun, Euer Lordschaft, das dritte Dokument ist D-884, das die Nummer GB-539 erhält und, Euer Lordschaft, vom 28. März 1944 datiert ist. Es ist ein von der Gauleitung Baden-Elsaß in Straßburg am 28. März 1944 herausgegebener Parteibefehl. Sie sehen, daß es die Überschrift »Der Gaustabsamtsleiter« und den Vermerk »Geheim« trägt und vom Geschlechtsverkehr zwischen ausländischen Arbeiterinnen und Deutschen handelt. Und, Euer Lordschaft, es erklärt, was mit den ausländischen Arbeiterinnen zu geschehen habe und was zu tun sei, falls den Beziehungen ein Kind entspringen sollte, und, Euer Lordschaft, oben auf der Seite 2 des Dokuments heißt es:

»Hinsichtlich des Geschlechtsverkehrs zwischen deutschen Männern und weiblichen fremdvölkischen Arbeitskräften bestehen folgende Grundsätze:

Ist die fremdvölkische Arbeiterin durch den deutschen Mann (z.B. unter Ausnutzung eines Abhängigkeitsverhältnisses) zum Geschlechtsverkehr veranlaßt, wird sie kurzfristig in Schutzhaft genommen, sodann in eine andere Arbeitsstelle vermittelt. In anderen Fällen erfolgt Einweisung der fremdvölkischen Arbeiterin in ein Frauen-Konzentrationslager. Schwangere sind erst nach erfolgter Entbindung und Ablauf der Stillzeit in ein Konzentrationslager einzuweisen. Die Behandlung des deutschen Beteiligten untersteht ebenfalls besonderen Richtlinien; hat er seine Aufsichtspflicht oder erzieherische Pflicht erheblich verletzt, werden ihm weibliche fremdvölkische Arbeitskräfte entzogen und auch in Zukunft keine mehr zugewiesen. Es erfolgen je nach Lage des Falles weitere staatspolitische Maßnahmen.

Die bisher angeführten Grundsätze finden insbesondere auf folgende Personengruppen Anwendung: a) Ar beitskräfte polnischen Volkstums, b) fremdvölkische Arbeitskräfte nichtpolnischen Volkstums aus dem Generalgouvernement... c) Arbeitskräfte aus Litauen, d) Arbeitskräfte aus dem altsowjetischen Gebiet... e) Arbeitskräfte aus... Serbien.«

Absatz 2 handelt von dem Kind und zunächst, Euer Lordschaft, lautet die Überschrift am Ende des ersten Absatzes:

»Über die Behandlung schwangerer ausländischer Arbeiterinnen und der im Reich von diesen geborenen Kinder.«

Der letzte Satz des ersten Absatzes heißt:

»Im folgenden wird der Arbeitsgang eines Antrages auf Schwangerschaftsunterbrechung nochmals klargestellt.«

Und dann gibt es noch verschiedene gesundheitliche und rassische Untersuchungen.

In den Absätzen 5 und 6 steht folgendes:

»Ergeben die Überprüfungen, daß es sich um gutrassischen und erbgesunden Nachwuchs handelt, kommen die Kinder zur NSV-Betreuung in Kinderheime für Ausländerkinder oder in Familienpflege.

In negativen Fällen werden die Kinder in Ausländer- Kinderpflegestätten untergebracht.«

Und dann der letzte Absatz:

»Ich bitte die Kreisleiter, im Benehmen mit dem Kreisobmann der DAF und dem Kreisbauernführer sofort die Erfassung sämtlicher bereits vorgekommener Schwangerschaftsfälle sowie der bereits geborenen Kinder auf dem genannten Wege durchzuführen. Ebenfalls ist die Überprüfung aller bereits vor der Neuregelung in die Betreuung der NSV genommenen Kinder von ausländischen Arbeiterinnen entsprechend den neuen Richtlinien erforderlich.«

Euer Lordschaft, Sie werden den Verteiler sehen. Er lautet: An den Gauobmann der Deutschen Arbeitsfront, also an den Vertreter der DAF im Gau, an den Gaupropagandaleiter, den Gaupresseamtsleiter, an den Gauamtsleiter des Amtes für Rassenpolitik, für Volksgesundheit, für Landvolk, für Volkswohlfahrt, für Volkstumsfragen, an die Gaufrauenschaftsleitung, an das Gauarbeitsamt, dann an die Kreisleiter, Kreisobmänner der DAF und Kreisbauernführer. Es geht außerdem, Euer Lordschaft, an die Sicherheitspolizei und den SD, an den Leiter der Dienststelle des Beauftragten des Reichskommissars für die Festigung deutschen Volkstums.

Euer Lordschaft! Ich danke Ihnen vielmals dafür. Es erspart uns sehr viel Zeit.

DR. SERVATIUS: Herr Vorsitzender! Ich habe eine Frage zu der Beweisführung. Das letzte Dokument 205-PS, das hier vorgebracht wurde, ist hier neu angerührt worden. Der Zeuge ist überhaupt nicht dazu gefragt worden. Ich nehme an, die Beweisaufnahme ist an sich geschlossen, und es können keine neuen Dokumente hier eingefügt werden. Ich bitte, daß dieses Dokument gestrichen wird. Es hätte vor die Kommission gebracht und dem Zeugen gezeigt werden sollen. Ich hätte dann die Möglichkeit gehabt, weiteres Beweismaterial zu beschaffen. Es ist dies eine grundsätzliche Frage, die hier nun häufiger auftauchen wird. Es ist ja nicht dem Zeugen vorgehalten worden, um seine Glaubwürdigkeit zu prüfen.

VORSITZENDER: Es ist dem Zeugen mit Rücksicht auf den Beschluß, den der Gerichtshof soeben gefaßt hat, nicht vorgelegt worden. Um Zeit zu sparen, hat der Gerichtshof Sir David Maxwell-Fyfe angewiesen, daß er das Dokument in dieser Weise vorlegen soll. Ich sagte – wobei ich Ihr Einverständnis annahm –, daß das Dokument Ihnen gezeigt werden sollte und daß Sie angemessene Gelegenheit haben sollten, es zu kritisieren.

DR. SERVATIUS: Ich kenne das Dokument. Aber ich möchte die prinzipielle Frage klären, ob der Beweisantritt durch die Staatsanwaltschaft grundsätzlich geschlossen ist oder ob hier im Verfahren neue Dokumente eingeführt werden können?

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Meinung, daß die Anklagevertretung sicherlich Beweise und Dokumente vorbringen kann, wenn sie damit die für die Organisation vorgelegten Beweise widerlegen will.

DR. SERVATIUS: Ohne daß sie dem Zeugen gezeigt wurden?

VORSITZENDER: Der einzige Grund, warum es dem Zeugen nicht gezeigt worden ist, war, daß das Dokument nicht vom Zeugen selbst herrührt, und deshalb schien es sich dem Gerichtshof nur um die Erörterung des Dokuments zu handeln. Wenn Sie selbst Veranlassung haben, dem Zeugen das Dokument vorzulegen oder das Dokument zu erörtern, so steht Ihnen jede Gelegenheit dazu frei.

DR. SERVATIUS: Dann würde ich also, wenn es nötig ist, die Erlaubnis erhalten, ein Gegendokument vorzulegen?

VORSITZENDER: Ja, gewiß. Sie können dem Zeugen hier jede beliebige Frage über das Dokument stellen.

DR. SERVATIUS: Herr Vorsitzender! Der Zeuge ist zuletzt weniger über Tatsachen gefragt worden, es erfolgte vielmehr eine Argumentation, und ich glaube, ich kann darauf in meinem Schlußwort eingehen.

VORSITZENDER: Ich habe nicht ganz verstanden, was Sie über eine Argumentation gesagt haben.

DR. SERVATIUS: Der Zeuge ist über Dinge gefragt worden, die er ja selbst nacht kannte. Es sind ihm nur Beispiele vorgehalten worden über Vorgänge in einzelnen Gauen, von denen er nichts weiß. Er mußte nur Schlußfolgerungen ziehen, in welcher Form die Dokumente auszulegen sind.

VORSITZENDER: Über allgemeine Grundsätze können Sie ihn zu allem rückverhören, was sich direkt aus seinem Kreuzverhör ergibt. Wenn er im Kreuzverhör über ein Dokument befragt wurde oder wenn das Dokument jetzt vorgelegt wurde, wie es eben geschah, so können Sie in Bezug auf das Dokument oder auf das im Kreuzverhör vorgelegte Dokument jede Frage an ihn richten.

DR. SERVATIUS: Ja, ich habe einige Fragen.

Herr Zeuge! Ihnen ist das Dokument vorgelegt worden, eine Anordnung des Stellvertreters des Führers, Heß, vom 13. März 1940. Das ist im deutschen Dokumentenbuch auf Seite 43. Es handelt sich da um die Belehrung der Zivilbevölkerung und sachgemäßes Verhalten bei Landungen feindlicher Flugzeuge oder Fallschirmabspringer auf deutschem Reichsgebiet. Sie wurden da auf die Ziffer 4 verwiesen, wo es heißt:

»Ebenso sollen feindliche Fallschirmjäger sofort festgenommen oder unschädlich gemacht werden.«

Haben Sie darauf geachtet, daß das Schreiben vom Jahre 1940 stammt, und wie war damals die Luftlage?

KAUFMANN: Das Schreiben liegt mir im Augenblick nicht mehr vor. Ich erinnere mich, daß es aus dem Jahre 1940 stammt, und ich habe bereits in meiner ersten Antwort auf diese Frage zum Ausdruck bringen wollen, daß die Luftlage und die ganze Kriegssituation nur eine humane Auslegung dieses Begriffes aus der damaligen Situation, soweit es zu Irrtümern führen könnte, zuläßt.

DR. SERVATIUS: War es nicht so, daß die Gefahr bestand, daß zu Spionagezwecken Flieger herunterkamen und daß die Worte »unschädlich machen« in Verbindung damit standen?

KAUFMANN: Abgesprungen sind im Luftkrieg die verschiedensten Leute: Flieger in Not, Sabotagekommandos, Agenten in Zivil und ähnliches. Auf welche Gruppe dies Bezug haben soll, geht aus dem Text nicht einwandfrei hervor.

DR. SERVATIUS: Darf ich Ihre Aufmerksamkeit auf folgendes lenken: In Ziffer 2 heißt es:

»Die Flieger sind sofort festzunehmen, und vor allem ist ein Wiederstart, sowie die Zerstörung oder Verbrennung des Flugzeuges oder seines Inhalts zu verhindern.«

Ziffer 4 sagt:

»Ebenso sollen feindliche Fallschirmjäger sofort festgenommen oder unschädlich gemacht werden.«

Ist aus dem Wort »ebenso« nicht zu schließen, daß es in erster Linie sich nur um eine Festnahme handelte?

KAUFMANN: Ich wiederhole, daß ich unter der Bezeichnung »unschädlich« im Jahre 1940 im Hinblick auf die damalige Kriegslage ausschließlich verstand, sie wehrlos zu machen, aber in keinem Falle sie zu mißhandeln oder zu töten.

DR. SERVATIUS: Ich habe keine weiteren Fragen mehr an den Zeugen.

VORSITZENDER: Zeuge! Waren diese Politischen Leiter bezahlt, bekamen sie von der Partei Gehälter?

KAUFMANN: Nein. Ein ganz geringer Prozentsatz, weniger als 0,1 Prozent, waren nach meiner Schätzung hauptamtlich und bezahlt, die Masse war ehrenamtlich ohne jede Entschädigung tätig.

VORSITZENDER: Trifft das auf alle Ränge der Parteifunktionäre zu?

KAUFMANN: Nein. Die Summe der Aufgabe in den höheren Dienststellen ließ die Freizeit als nicht genügend erscheinen, um neben dem Beruf ehrenamtlich die Summe der geforderten Aufgaben zu erfüllen.

VORSITZENDER: Waren alle Gauleiter bezahlt?

KAUFMANN: Nach der Machtübernahme jawohl, das heißt die Gauleiter, soweit sie nicht ein staatliches Amt innehatten.

VORSITZENDER: Und wieviel wurde ihnen bezahlt?

KAUFMANN: Ich selbst habe als Gauleiter nie ein Gehalt bezogen. Bis 1928 habe ich meinen Unterhalt selbst verdient. Ab 1928 war ich Parlamentsabgeordneter, und ab 1933 war ich Statthalter, ähnliches galt für die meisten meiner Kameraden.

VORSITZENDER: Sie meinen also, daß von 1933 an die meisten von ihnen Staatsämter innehatten, die Gehälter einbrachten?

KAUFMANN: Jawohl.

VORSITZENDER: Und wie war es bei den Kreisleitern?

KAUFMANN: Bis zur Machtübernahme waren alle Kreisleiter grundsätzlich ehrenamtlich und ohne Bezahlung.

VORSITZENDER: Und nachher?

KAUFMANN: Und später jahrelang auch noch. Ich schätze, daß sie in ihrer Masse, aber auch dann noch mit Ausnahmen, etwa von 1937/1938 an hauptamtlich wurden und damit besoldet wurden.

VORSITZENDER: Sie wurden also Staatsbeamte?

KAUFMANN: Nein, nicht Staatsbeamte, Parteiangestellte.

VORSITZENDER: Und bekamen Gehälter; ich verstehe. Und die unteren Rangstufen, wie Ortsgruppenleiter und Blockleiter?

KAUFMANN: Nein, vom Kreisleiter abwärts war niemand mehr hauptamtlich, alle ehrenamtlich.

VORSITZENDER: Sogar nach 1933?

KAUFMANN: Jawohl.

VORSITZENDER: Und nach 1937?

KAUFMANN: Auch. Beim Kreisleiter waren die wichtigsten Mitglieder des Stabes zum Teil hauptamtlich und besoldet, die Masse seiner Mitarbeiter ehrenamtlich, vom Ortsgruppenleiter an abwärts einschließlich Ortsgruppenleiter alle ehrenamtlich ohne Besoldung.

VORSITZENDER: Aus welcher Quelle wurden sie bezahlt, wenn sie eine Bezahlung erhielten?

KAUFMANN: Vom Reichsschatzmeister der Partei.

VORSITZENDER: Aus welcher Quelle bekam er das Geld, um sie zu bezahlen?

KAUFMANN: Aus den Beiträgen der Mitglieder der Bewegung.

VORSITZENDER: Die Parteigelder wurden getrennt gehalten, nicht wahr?

KAUFMANN: Der Reichsschatzmeister hatte eine vollkommen eigene Geldverwaltung.

VORSITZENDER: Wurden die Rechnungen der Partei veröffentlicht?

KAUFMANN: Nein, ich weiß nur, daß bei Führertagungen der Reichsschatzmeister einen kurzen Rechenschaftsbericht gelegentlich erteilt hat. Publiziert wurde dieser nicht.

VORSITZENDER: Wurde im staatlichen Budget oder bei staatlichen Rechnungen auf Parteifonds Bezug genommen?

KAUFMANN: Nein, im Gegenteil, ich war unter dem Eindruck, daß der Reichsschatzmeister aus den Einnahmen der Partei Versicherung und aus den Einnahmen der Mitgliedsbeiträge über außerordentlich viel Mittel verfügte.