[Zum Zeugen gewandt:]
Was können Sie über die Bedeutung der SD-Arbeit in dieser Zeit sagen?
HOEPPNER: Die SD-Arbeit in dieser Zeit war fast ohne jede Bedeutung. Es handelte sich zunächst um ein Suchen der eigentlichen Aufgabe, um ein Herstellen des Nachrichtennetzes, um das Suchen des notwendigen Grundlagematerials; insbesondere ist wesentlich, daß der Sicherheitsdienst in dieser Zeit nach außen kaum hervortrat.
DR. GAWLIK: Von der Anklagebehörde ist vorgetragen worden, daß die SS und auch der SD eine Elitegruppe der Partei gewesen sei – die draufgängerischsten Anhänger der Nazi-Sache –, die die Verpflichtung zur blinden Ergebenheit für die Nazi-Prinzipien übernahm und bereit gewesen sei, diese, ohne lange zu fragen, auszuführen, was es auch kosten möge. Ich bitte, in diesem Zusammenhange auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite VII A, B hinweisen zu dürfen.
Ich frage Sie, Herr Zeuge, sind die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter des SD nach diesen Grundsätzen ausgesucht worden?
HOEPPNER: Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter sind danach ausgesucht worden, daß sie fachlich etwas konnten und daß sie charakterlich ordentliche Männer waren.
DR. GAWLIK: Beantworten Sie mir zuerst die Frage mit Ja oder Nein.
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Und geben Sie bitte jetzt die Begründung.
HOEPPNER: Ich sagte bereits, daß die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter danach ausgesucht worden sind, daß sie fachlich etwas konnten und charakterlich in Ordnung waren. Es war weder für die haupt- noch für die ehrenamtliche Mitarbeit Voraussetzung, daß jemand Parteigenosse oder daß er etwa SS-Angehöriger war.
DR. GAWLIK: Hat der SD Dinge getan, für die keine Regierungsstelle oder politische Partei, selbst nicht die Nazi-Partei, öffentlich die volle Verantwortung tragen wollte?
Ich bitte, die Aufmerksamkeit des Gerichts hierbei auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite 7, Absatz 2, lenken zu dürfen.
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Arbeitete der SD in der Zeit, die Sie schilderten, von der Gründung bis 1939 hinter den Kulissen und ganz im geheimen?
HOEPPNER: Nein, man könnte eine ganze Reihe von Beispielen anführen. Erstens trugen die hauptamtlichen Angehörigen Uniform. Sie hatten das Zeichen SD auf dem Ärmel. Die Dienststellen waren beschildert, standen im Telephonbuch und so weiter.
DR. GAWLIK: Hatten die Angehörigen des SD während des Zeitabschnitts von 1934 bis 1939 eine allgemeine und gemeinsame Vereinbarung getroffen, sich an Verbrechen gegen den Frieden, gegen die Kriegsgesetze oder gegen die Menschlichkeit zu beteiligen?
HOEPPNER: Nein.
VORSITZENDER: Es wäre jetzt ein geeigneter Zeitpunkt für eine Unterbrechung.
[Pause von 10 Minuten.]
DR. GAWLIK: Haben die Angehörigen des SD während der Zeit von 1934 bis 1939 das Ziel und die Aufgabe verfolgt, irgendwelche Personen zu unterstützen, die einen allgemeinen und gemeinsamen Plan zur Begehung von Verbrechen gegen den Frieden, die Kriegsgesetze und gegen die Menschlichkeit gefaßt hatten?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Bestand eine derartige Unterstützung auch nicht dadurch, daß der SD durch Erlangung von Auskünften über tatsächliche und mögliche Gegner der Nazi-Führung zur Vernichtung und Unschädlichmachung der Opposition beitrug?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Können Sie die Frage beantworten und begründen?
HOEPPNER: Jawohl.
DR. GAWLIK: Aber bitte ganz kurz.
HOEPPNER: Es war die Aufgabe des Sicherheitsdienstes, Fehlentwicklungen auf den Lebensgebieten nachzugehen. Einzelfälle waren Beispiele. Es war nicht die Aufgabe, gegen einzelne Personen Verfahren bei irgendwelchen anderen Dienststellen einzuleiten.
DR. GAWLIK: Mußte nicht die Stimmungsberichterstattung und die Berichterstattung auf den Lebensgebieten, insbesondere seit der Rheinlandbesetzung bis zum Beginn des zweiten Weltkrieges, die Angehörigen des SD davon überzeugen, daß in Deutschland alles den Krieg erwartete?
HOEPPNER: Ganz im Gegenteil...
DR. GAWLIK: Bitte beantworten Sie zuerst die Frage mit Ja oder Nein.
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Geben Sie jetzt bitte die Begründung.
HOEPPNER: Ich sagte schon, ganz im Gegenteil. Es hat in dieser Zeit kaum jemand in Deutschland gegeben, der einen Krieg erwartete und gerade die Lageberichterstattung auf den Lebensgebieten, etwa auf den Gebieten der Ernährung, Wirtschaft und Industrie hat zwar gezeigt, daß eine Rüstung in einem beschränkten Umfang im Anrollen war, hat aber in keinem Umfang... hat aber in keiner Weise Anhaltspunkte dafür gegeben, daß auf einen Angriffskrieg hingearbeitet wurde.
DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zum Verhältnis des SD zur SS. War der SD immer ein untrennbarer und wichtiger Teil der SS?
Ich beziehe mich hierbei auf das Protokoll vom 9. Dezember, wo dies von der Anklagebehörde vorgetragen worden ist. Bitte beantworten Sie meine Frage.
HOEPPNER: Nein. Zur Begründung möchte ich dazu folgendes sagen: Nachdem die Aufgabe für die SS, den Versammlungsrednern und zum Führerschutz zu helfen, erledigt war, ist die neue Aufgabe, völlig unabhängig von der SS, auch unabhängig vom Reichsführer-SS, aus dem eigenen Mitarbeiterstab des Sicherheitsdienstes herausgebildet und weiterentwickelt worden.
DR. GAWLIK: Die Anklagebehörde hat weiter vorgetragen, die Allgemeine SS sei die Grundlage, die Hauptwurzel gewesen, aus der die verschiedensten Zweige hervorwuchsen.
Nehmen Sie dazu im Hinblick auf den Inlandsnachrichtendienst Stellung.
HOEPPNER: Das kann für den Inlandsnachrichtendienst schon deshalb nicht gelten, weil etwa nur zehn Prozent der hauptamtlichen Mitarbeiter aus der Allgemeinen SS hervorgegangen sind, und weil mindestens 90 Prozent der sämtlichen ehrenamtlichen Mitarbeiter und der Vertrauensmänner des SD der SS weder angehört haben, noch ihr angehören wollten, noch ihr, vom Apparat aus gesehen, angehören sollten.
DR. GAWLIK: Gab es in der SS ein einheitliches Oberkommando, unter dem die einzelnen Hauptämter gemeinsam operierten oder in der Weise automatisch zusammenwirkten, daß jeder Zweig der SS eine bestimmte Spezialaufgabe im Rahmen des Ganzen erfüllte? Ich beziehe mich hierbei auf das Protokoll vom 19. Dezember 1945. Nehmen Sie hierzu Stellung.
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Geben Sie eine Begründung.
HOEPPNER: Die einzige institutionelle Gesamtverkörperung der SS war der Reichsführer-SS. Die Hauptämter, die unter ihm standen, waren in keiner Weise ein Oberkommando. Sie vertraten nach außen in gleichen Fragen verschiedene Standpunkte, sie konkurrierten miteinander, sie waren oft auch eifersüchtig aufeinander. Es war auch nicht so, daß jedes dieser Hauptämter irgendwie einen Zweig dargestellt hätte, der für das Ganze notwendig war, weil sich ihre Aufgaben, ihre Zuständigkeiten überschnitten. So waren zum Beispiel für Volkstumsfragen vier bis fünf Hauptämter mitverantwortlich, und es war nicht möglich, obwohl gerade vom Reichssicherheitshauptamt aus der Vorschlag gemacht wurde, die Zuständigkeit eines Amtes herbeizuführen. Es gab unter diesen verschiedenen Hauptämtern auch kein Führungsamt. Das sogenannte Führungshauptamt hatte lediglich Funktionen der Waffen-SS zu erfüllen. Wenn irgendein Amt diese Führung beansprucht hätte, wären die anderen sofort dagegen aufgestanden.
DR. GAWLIK: Welchen Einfluß hatte Himmler auf die Entwicklung der Aufgaben des Inlandsnachrichtendienstes gehabt?
HOEPPNER: Himmler hat einen positiven Einfluß auf die Entwicklung der eigentlichen Lebensgebietaufgaben des Inlandsnachrichtendienstes nicht gehabt. Die Aufgabe hat sich aus dem Amt heraus entwickelt, sie hatte sich auch ebensogut an einer ganz anderen Stelle entwickeln können, und es hat sogar eine ganze Reihe von Fällen gegeben, wo die Aufgabe dadurch, daß sie an einen Mann gebunden war, der in der Führung einer unter mehreren war, daß die Aufgabe dadurch gelitten hat, weil es nicht immer möglich war, Berichte über den Reichsführer hinweg an die Stellen zu bringen, an die sie kommen sollten.
DR. GAWLIK: Zum Nachweis eines einheitlichen Willens, einer planmäßigen Verbindung zwischen SD und SS hat sich die Anklagebehörde insbesondere auf das Buch von Dr. Best: »Die Deutsche Polizei« und auf die Rede Himmlers über die Organisation und Ziele der SS und Polizei berufen. Es handelt sich hierbei um die Dokumente 1852-PS und 1992-PS. Ist Ihnen das Buch von Dr. Best und ist Ihnen die Rede von Himmler über die Organisation und Ziele der SS und Polizei bekannt?
HOEPPNER: In großen Zügen, ja.
DR. GAWLIK: Nehmen Sie dazu Stellung, ob in dem Buch von Dr. Best und in der Rede von Himmler das Verhältnis von SS und SD richtig wiedergegeben wird.
HOEPPNER: Es handelt sich bei dieser Frage im wesentlichen um die Klärung des Begriffes, der in verschiedenen Reden und Veröffentlichungen mit Staatsschutzkorps bezeichnet worden ist. Dieser Staatsschutzkorps-Gedanke ist von Himmler und Heydrich sehr früh, etwa seit 1936, vertreten worden. Er hat seinen Inhalt gewandelt, er ist aber, obwohl er immer wieder in Reden auftauchte, in Wirklichkeit niemals durchgeführt worden, sondern die einzelnen Teile dieses von Himmler so genannten Staatsschutzkorps haben sich selbständig entwickelt, haben sich selbständig entfaltet, sind keine Einheit gewesen, so daß man hier davon sprechen kann, daß es zwar der Wunsch Himmlers gewesen ist, dieses Staatsschutzkorps zu bilden, daß es aber zu einer tatsächlichen Durchsetzung dieser Gedanken nicht gekommen ist.
DR. GAWLIK: Hatten die Höheren SS- und Polizeiführer auch über den SD Befehlsgewalt, und hatten sie die Tätigkeit des SD zu überwachen? Ich beziehe mich hierbei auf den Trial-Brief gegen die Gestapo und den SD, Seite 12 der englischen Ausgabe, und auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite 12 der englischen Ausgabe.
HOEPPNER: Die Höheren SS- und Polizeiführer hatten weder Befehlsgewalt, noch hatten sie den Sicherheitsdienst zu überwachen. Sie waren in ihren Bereichen lediglich Repräsentanten des Reichsführers, ohne daß sie irgendwie eine sachliche oder disziplinäre Zuständigkeit über den Sicherheitsdienst hatten. Versuche in dieser Richtung sind im Zusammenhang mit dem vorhin erwähnten Staatsschutzkorps-Gedanken gemacht worden, sind aber gerade vom Inlandsnachrichtendienst aus abgewehrt worden.
DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zum Verhältnis des SD zur Partei. Wie war das organisatorische Verhältnis zwischen dem Inlandsnachrichtendienst und der politischen Leitung der NSDAP?
HOEPPNER: Der Inlandsnachrichtendienst war zwar eine Einrichtung der Partei, aber er gehörte nicht der Organisation der Politischen Leiter an. Ein organisatorischer Zusammenhang bestand also nicht. Die eigentliche und letzte Aufgabe des Inlandsnachrichtendienstes ist ihm auch nicht von der Partei gegeben worden. Der von der Partei gegebene Auftrag war, wie ich vorhin bereits erwähnte, im wesentlichen in den Jahren 1938/1939 erledigt.
DR. GAWLIK: Hatte der SD die Aufgabe, die Nazi- Führung an der Macht zu erhalten?
HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst hatte die Aufgabe...
DR. GAWLIK: Können Sie die Frage zuerst mit Ja oder Nein beantworten?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Geben Sie bitte jetzt die Begründung.
HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst hatte eine andere Aufgabe. Der Sicherheitsdienst hatte die Aufgabe, die Auswirkung von Maßnahmen der Führung von Staat, Partei, Wirtschaft, von Selbstverwaltungskörperschaften zu beobachten, festzustellen, was das Volk dazu sagte, ob diese Auswirkungen positiv oder negativ waren und dann die Führung über das, was er erfahren hatte, zu unterrichten.
DR. GAWLIK: War der Inlandsnachrichtendienst der Spionagedienst der NSDAP? Ich beziehe mich hierbei auf den Trial-Brief gegen die SS, Seite 8 a und 8b der englischen Ausgabe.
HOEPPNER: Nein. Erstens war der Sicherheitsdienst überhaupt kein Spionagedienst, zweitens hat er seine Berichte an sämtliche Führungsstellen gegeben, nicht nur an die Partei, sondern auch an die Führungsstellen des Staates.
DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zum nächsten Beweisthema, zu dem Verhältnis des SD zur Gestapo. Waren Gestapo und SD ein immer enger werdendes einheitliches Polizeisystem?
Ich beziehe mich hierbei auf den Trial-Brief gegen die Gestapo und den SD. In welchem Zusammenhang standen die Organisationen Gestapo und SD hinsichtlich der Ziele, Aufgaben, Tätigkeiten und Methoden?
HOEPPNER: Zunächst die erste Frage: Es handelte sich nicht um ein einheitliches Polizeisystem, da Sicherheitsdienst und Polizeisystem überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Sicherheitsdienst und Geheime Staatspolizei waren zwei vollständig verschiedene Organisationen. Während sich der Sicherheitsdienst aus einer Gliederung der Partei heraus entwickelt hatte, war die Geheime Staatspolizei die Fortsetzung einer bereits bestehenden staatlichen Einrichtung.
Während der Sicherheitsdienst seine Ziele und seine Aufgabe darin sah, einen Überblick auf Lebensgebieten oder über bestimmte Tätigkeitsformen anderer weltanschaulicher Gruppen zu finden, den Einzelfall als System und Beispiel ansah, war die Aufgabe der Geheimen Staatspolizei, auf Grund von gegebenen Gesetzen, Verordnungen, Erlassen und so weiter sich gerade um den Einzelfall zu bekümmern, vorbeugend oder nachfolgend in Polizeiexekutive, die Fortsetzung einer bereits bestehenden staatlichen Einrichtung. Während die Geheime Staatspolizei mit Exekutivmitteln, wie Vernehmung, Beschlagnahme und so weiter arbeitete, hatte der Sicherheitsdienst zu keiner Zeit eine Exekutive.
DR. GAWLIK: Hatte der SD die Aufgabe, die Sicherheitspolizei zu unterstützen, wie dies in Erlassen und anderen Verlautbarungen, insbesondere im Runderlaß vom 11. November 1938 – ich beziehe mich hierbei auf das Dokument 1638-PS – zum Ausdruck gebracht worden ist?
HOEPPNER: Nein, das ist mißverständlich ausgedrückt. Ich darf vielleicht zu dem Runderlaß vom 11. November 1938 mit einigen Worten Stellung nehmen:
Es handelt sich bei diesem Runderlaß darum, daß zum erstenmal eine Vereinbarung zwischen dem Sicherheitsdienst und einer staatlichen Dienststelle geschlossen wurde. Der Hauptzweck dieser Vereinbarung war, daß der Sicherheitsdienst damit von einer staatlichen Dienststelle offiziell nach außen anerkannt wurde...
DR. GAWLIK: Langsamer.
HOEPPNER:... und daß Beamte, die in ihm mitarbeiteten, nicht, wie es bis dahin wiederholt geschehen war, auf Grund dieser Mitarbeit etwa wegen Bruches ihrer Schweigepflicht verfolgt werden konnten. Die Vereinbarung wurde damals davon abhängig gemacht, daß irgendeine staatliche Aufgabe genannt werden konnte. Da einmal der Sicherheitsdienst nach außen in dieser Zeit 1938 kaum hervortrat, zum anderen die Lebensgebietsarbeit von der Partei überhaupt noch nicht legitimiert war, so daß sie im Erlaß nicht angerührt werden konnte, hat Heydrich das Beispiel der Unterstützung der Sicherheitspolizei angeführt, weil das von außen her nicht nachprüfbar war.
DR. GAWLIK: Hatte der SD die Aufgabe, die Angehörigen der Gestapo zu überwachen?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Ergibt sich aus der Einrichtung der Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD eine Verbindung dieser beiden Organisationen?
HOEPPNER: Nein, die Inspekteure hatten lediglich eine gewisse Aufsichtsbefugnis über die Organisation im einzelnen. Sämtliche Weisungen, Aufgabestellungen und so weiter kamen von Berlin.
DR. GAWLIK: Wie war das Verhältnis der Abteilungen III bei den Dienststellen der Befehlshaber beziehungsweise bei den Kommandeuren der Sicherheitspolizei und des SD?
HOEPPNER: Die Frage ist mir nicht ganz verständlich; Verhältnis zu wem?
DR. GAWLIK: Zur Sicherheitspolizei.
HOEPPNER: Die Abteilungen III der Dienststellen der Befehlshaber und Kommandeure waren ebenso Abteilungen wie die Abteilung IV. Sie bearbeiteten sicherheitsdienstliche Aufgaben, während die Abteilung IV staatspolizeiliche Aufgaben bearbeitete. Sie waren Abteilungen des Befehlshabers, der Dienststelle des Befehlshabers und nicht Teile oder Einrichtungen des Amtes III des Reichssicherheitshauptamtes, ebensowenig wie die Abteilung IV Einrichtungen des Amtes IV des Reichssicherheitshauptamtes waren.
DR. GAWLIK: Ich komme nunmehr zur kurzen Erörterung der einzelnen Kriegsverbrechen, die dem SD zur Last gelegt werden. Zunächst zu den Einsatzgruppen.
Ich beziehe mich hierbei auf Beweistatbestand VIA des Trial-Briefs.
Waren die Einsatzgruppen und Einsatzkommandos, die im Osten eingesetzt waren, ein Teil des SD?
HOEPPNER: Nein, diese Einsatzgruppen und Einsatzkommandos waren Einrichtungen ganz eigener Art.
DR. GAWLIK: Ist die Organisation des SD-Inland für die Tätigkeit der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos verwendet worden? Das ist etwas Wichtiges.
HOEPPNER: Die Frage muß in der Weise, wie sie gestellt worden ist, verneint werden. Es ist nicht so, daß etwa Teile der Organisation zu diesen Einsatzgruppen abgeordnet worden sind. Wenn einzelne Angehörige des Sicherheitsdienstes zu den Einsatzgruppen oder Einsatzkommandos kamen, dann ist das vergleichbar einer militärischen Einberufung. Ebenso wie ein Beamter, der zur Wehrmacht einberufen wird, dort andere Aufgaben bekommt, zumindest bekommen kann, war das auch bei den Angehörigen des Sicherheitsdienstes der Fall. Soweit von den Einsatzgruppen sicherheitsdienstliche Aufgaben zu erledigen waren, also Berichterstattungen, kamen Weisungen an die Einsatzgruppen von Amt III.
DR. GAWLIK: Haben die Angehörigen des SD und der nachgeordneten Dienststellen durch die Berichte aus dem Osten oder von Einsatzgruppenberichten Kenntnis über Massenerschießungen, sonstige Verbrechen, also Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit erhalten?
HOEPPNER: Derartige Einsatzgruppenberichte wurden an die nachgeordneten Dienststellen im Reich überhaupt nicht weitergegeben, so daß also auch die Angehörigen dieser Dienststellen keine Kenntnis von diesen Dingen haben konnten.
DR. GAWLIK: Hatte der SD die Verantwortung für die Errichtung, Einteilung, Bewachung und Verwaltung von Konzentrationslagern?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Können Sie die Antwort begründen?
HOEPPNER: Es gibt da keine Begründung. Der Sicherheitsdienst hatte mit diesen Dingen zuständigkeitsmäßig nie etwas zu tun.
DR. GAWLIK: Hat der SD irgendwelche Konzentrationslager errichtet?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Hat der SD irgendwelche Konzentrationslager eingeteilt?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Ist die Organisation des SD zur Bewachung der Konzentrationslager verwendet worden?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: War der SD für die Einweisung und Behandlung von Konzentrationslagerhäftlingen zuständig?
HOEPPNER: Nein.
DR. GAWLIK: Hatte der Inlandsnachrichtendienst Weisung von Himmler, sich bei Zusammenstößen zwischen deutschen und englischen und amerikanischen Fliegern nicht einzumischen?
HOEPPNER: Nein, der Sicherheitsdienst hat schon deshalb keine Weisung haben können, weil er keine polizeilichen Funktionen hatte und eine Einmischung überhaupt nicht in Frage gekommen wäre.
DR. GAWLIK: Hat der Inlandsnachrichtendienst Standgerichte gebildet, um Personen in besonderen und abgekürzten Verfahren zu verurteilen?
Diese Frage bezieht sich auf den Beweistatbestand VIH des Trial-Briefs.
HOEPPNER: Es gehörte überhaupt nicht zu den Funktionen des Sicherheitsdienstes, Standgerichte zu bilden, also auch nicht Standgerichte dieser Art, weil auch das wieder eine Exekutivmaßnahme gewesen wäre, die mit Sicherheitsdienst nichts zu tun hatte.
DR. GAWLIK: Hat der Inlandsnachrichtendienst Amt III Personen in Konzentrationslagern hingerichtet oder gefangengehalten wegen Verbrechen, die angeblich von den Verwandten begangen worden sind? Diese Frage bezieht sich auf den Beweistatbestand VIJ des Trial-Briefs.
HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst hatte damit nichts zu tun.
DR. GAWLIK: Hat der SD Verhöre dritten Grades durchgeführt? Diese Frage bezieht sich auf den Beweistatbestand VIL.
HOEPPNER: Der Sicherheitsdienst hat überhaupt keine Verhöre durchgeführt, infolgedessen auch nicht solche dritten Grades.
DR. GAWLIK: Schildern Sie ganz kurz die Ziele, Aufgaben, Tätigkeiten und Methoden der Gruppe III A des Reichssicherheitshauptamtes, die Sie zeitweise geleitet haben.
HOEPPNER: Es war Aufgabe der Gruppe III A, die Auswirkungen von Gesetzgebung, Rechtspflege und Verwaltungsmaßnahmen auf das deutsche Volk zu beobachten, diese Beobachtungen berichtsmäßig zusammenzustellen und den Führungsstellen zugänglich zu machen. Es war weiter Aufgabe der Gruppe III A, und zwar der Abteilung IIIA4, in regelmäßigen Berichten über die allgemeine Stimmung und Haltung der deutschen Bevölkerung den Führungsstellen ein laufendes Bild über diesen Tatbestand zu geben.
DR. GAWLIK: War die Mitgliedschaft im SD freiwillig oder das Ergebnis gesetzlicher Anordnung?
HOEPPNER: Diese Frage läßt sich mit Ja oder Nein nicht beantworten. Ich darf vielleicht als Beispiel meine eigene Gruppe nehmen. Ich hatte in meiner Gruppe zum Schluß etwa über 60 Personen beschäftigt. Davon waren ungefähr 75 Prozent kraft gesetzlicher Anordnung tätig. Zum Beispiel waren meine sämtlichen vier Abteilungsleiter zum Sicherheitsdienst abgeordnet, notdienstverpflichtet oder kommandiert. Ich glaube, daß man für den gesamten Sicherheitsdienst die Zahl auf etwa 50 bis 60 Prozent schätzen kann, die kraft gesetzlicher Anordnung tätig waren. Diese verhältnismäßig hohe Zahl ergibt sich daraus, daß einmal bei Kriegsbeginn eine ganze Masse hauptamtlicher Kräfte eingezogen wurde, daß zweitens das Aufgabengebiet räumlich vergrößert wurde, daß also Männer, zum Teil auch weibliche Hilfskräfte, zum Einsatz in die besetzten Gebiete geschickt werden mußten; und daß drittens überhaupt die Gesamtaufgaben des Sicherheitsdienstes im Krieg anwuchsen und das Personal mit den dafür gegebenen gesetzlichen Maßnahmen notdienstverpflichtet wurde, und so weiter.
DR. GAWLIK: Herr Präsident! Ich habe keine weiteren Fragen.
VORSITZENDER: Wünscht die Anklage ein Kreuzverhör vorzunehmen?
MAJOR HARTLEY MURRAY, HILFSANKLÄGER FÜR DIE VEREINIGTEN STAATEN: Hoher Gerichtshof! Ich werde als Vertreter der Vereinigten Staaten das Kreuzverhör durchführen.
Zeuge! Wann wurden Sie Chef des Amtes III A des RSHA?
HOEPPNER: Im Juli 1944.
MAJOR MURRAY: Wer war Chef des Amtes III zu dieser Zeit und einige Zeit vorher?
HOEPPNER: Das Amt III hat überhaupt nur einen Chef gehabt, das war der damalige Gruppenführer Ohlendorf.
MAJOR MURRAY: Zeitweise haben Sie Ohlendorf vertreten, nicht wahr?
HOEPPNER: Ich glaube, es ist nicht alles durchgekommen. Ich habe nur »zeitweise vertreten« gehört.
MAJOR MURRAY: Zu verschiedenen Zeiten während Ihrer Amtszeit vertraten Sie Ohlendorf als Chef des Amtes III, nicht wahr?
HOEPPNER: Nein. Als ich im Amt war, war Ohlendorf immer da. Außerdem gab es keinen allgemeinen Vertreter. Wenn er auf Dienstreise war, vertraten ihn die Gruppenleiter für ihre eigenen Gebiete. Das ist aber in der Zeit, in der ich in Berlin war, verhältnismäßig selten vorgekommen.
MAJOR MURRAY: Kennen Sie Dr. Wilhelm Höttl, der ein Mitglied des Amtes VI des RSHA war?
HOEPPNER: Darf ich nochmals um den Namen bitten; ich habe den Namen nicht verstanden.
MAJOR MURRAY: Vielleicht habe ich ihn nicht richtig ausgesprochen. Dr. Wilhelm Höttl, ich buchstabiere: H-ö-t-t-l.
HOEPPNER: Höttl? Habe ich überhaupt erst hier kennengelernt.
MAJOR MURRAY: Sie wissen, daß er eine verantwortliche Stellung im SD hatte, nachdem Sie ihn hier kennengelernt haben, nicht wahr?
HOEPPNER: Nein. Ich habe mit Höttl auch hier nicht gesprochen, da er immer von uns getrennt war.
MAJOR MURRAY: Mit Erlaubnis des Gerichtshofs möchte ich kurz aus dem Affidavit Dr. Höttls vorlesen, Dokument 2614-PS, das die Tätigkeit des SD behandelt. Es wird US-918. Dr. Höttl schrieb dieses Affidavit am 5. November 1945, ich zitiere:
»Die Aufgabe des SD war, seinen Chef Himmler und über diesen das Nazi-Regime über alle Vorgänge im Deutschen Reich, in den besetzten Gebieten und im sonstigen Auslande zu unterrichten. Diese Tätigkeit wurde im Deutschen Reich vom Amte III – Inlandsnachrichtendienst, im Ausland vom Amt VI – Auslandsnachrichtendienst durchgeführt.«
Einige Zeilen weiter lesen wir:
»Für die Aufgabe im Inlande hatte das Amt III ein großes Netz von Vertrauensleuten geschaffen, das von den verschiedenen regionalen Dienststellen des SD aus operierte. Dieser Apparat bestand aus vielen Hunderten hauptamtlichen SD-Angehörigen, die von Tausenden ehrenamtlichen SD-Angehörigen und Vertrauenspersonen unterstützt wurden. Diese Vertrauenspersonen und ehrenamtlichen Mitarbeiter waren in allen Gebieten der Wirtschaft, Kultur, der Staats- und Parteiverwaltung etc. plaziert. Vielfach hielten sie ihre Tätigkeit in ihren Betrieben geheim. Dieser Nachrichtenapparat berichtete über die Stimmung des deutschen Volkes über alle wichtigen Vorkommnisse im Staat, sowie auch über Einzelpersonen.«
Halten Sie das für eine richtige Darstellung der Aufgaben des SD?
VORSITZENDER: Zeuge! Beantworten Sie die Frage bitte! Halten Sie das für eine richtige Darstellung der Aufgaben des SD? Sie brauchen nicht das Dokument zu Ende zu lesen, beantworten Sie diese Frage.
HOEPPNER: Es ist Richtiges mit Unrichtigem durcheinander gemischt. Ich empfinde diese Art und Weise, wie der Bericht über die Sicherheitsdienstarbeit urteilt, etwas oberflächlich. Es macht nicht den Eindruck, als ob Höttl sehr lange im Inlandsnachrichtendienst gearbeitet hat, nach diesem Dokument.
VORSITZENDER: Sie wissen doch, nicht wahr, Zeuge, daß Ihr Chef Ohlendorf im Jahre 1941 und 1942 der Chef der Einsatzgruppe D in Südrußland war? Sie wurden doch davon in Kenntnis gesetzt?
HOEPPNER: Jawohl.
VORSITZENDER: Sie wußten auch, nicht wahr daß diese Einsatzgruppen aus Mitgliedern des SD, der Gestapo und der Kriminalpolizei gebildet waren?
HOEPPNER: Ich wußte, daß Angehörige von diesen Organisationen zum Einsatz kommandiert waren.
VORSITZENDER: Sie wußten, daß sie von SD-Mitgliedern befehligt wurde, nicht wahr?
HOEPPNER: Die Einsatzgruppen und Kommandos wurden von Angehörigen ganz verschiedener Sparten kommandiert, von Angehörigen der Staatspolizei, der Kriminalpolizei, auch des Sicherheitsdienstes. Ich selbst bin übrigens nicht im Einsatz gewesen.
MAJOR MURRAY: Ich möchte mich, wenn der Gerichtshof es gestattet, auf das Affidavit Ohlendorfs beziehen. Es ist Dokument 2620-PS, das US-919 wird. Dieses Affidavit ist noch nicht als Beweis benutzt worden. Es ist sehr kurz und sagt folgendes:
»Die Einsatzgruppen und die Einsatzkommandos wurden vom Personal der Gestapo, des SD oder der Kriminalpolizei geführt...« Manchmal auch von Mitgliedern der regulären Polizei. »...Gewöhnlich wurden die kleineren Einheiten von Angehörigen...«
HOEPPNER: Darf ich unterbrechen? Daß sie von Mitgliedern der... ich bitte um Entschuldigung... daß sie von Mitgliedern der regulären Polizei angeführt wurden, steht nicht im Dokument, sondern es steht nur im Dokument, daß »zusätzliche Mannschaften von der Ordnungspolizei und von der Waffen-SS gestellt wurden«.
MAJOR MURRAY: Ich habe das ausgelassen, ich bin einige Zeilen weiter unten:
»Gewöhnlich wurden die kleineren Einheiten von einem Angehörigen des SD, der Gestapo oder Kriminalpolizei geführt«,
so daß also tatsächlich Mitglieder des SD diese Einsatzgruppen im Osten anführten; war das nicht so?
HOEPPNER: In der eidesstattlichen Versicherung steht, daß sowohl Angehörige des Sicherheitsdienstes wie der Staatspolizei und der Kriminalpolizei derartige Einheiten anführten.
MAJOR MURRAY: Die Offiziere der Einsatzgruppen trugen doch SD-Uniformen im Dienst, nicht wahr?
HOEPPNER: Entschuldigung, da sind wieder nur einige Worte durchgekommen; die Einsatzgruppen trugen Uniformen?
MAJOR MURRAY: Die Offiziere der Einsatzgruppen trugen die Uniform des SD während ihres Einsatzes im Osten, stimmt das?
HOEPPNER: Sämtliche Angehörige der Einsatzkommandos trugen feldgraue Uniform und trugen an den Ärmeln das Zeichen »SD«. Das ist einer der Hauptgründe für zahlreiche Verwechslungen, die vorgekommen sind, weil nämlich auch die Angehörigen der Sicherheitspolizei dieses Abzeichen »SD« trugen – das bezieht sich ebenso auf die SS-Sonderformation SD, von der ganz am Anfang der heutigen Vernehmung die Rede war –, und weil darüber hinaus sogar diejenigen Angehörigen der Einsatzkommandos und Einsatzgruppen Uniform trugen, die überhaupt nicht SS-Angehörige waren, und die also im Frieden im Altreich niemals eine Uniform getragen hätten. Sie wurden als sogenannte Uniformträger in den Einsatz geschickt und bekamen Dienstgrade entsprechend ihrem Beamtenrang.
MAJOR MURRAY: Jedenfalls waren viele Mitglieder der Einsatzgruppen Angehörige des SD, und viele jener Offiziere trugen die Uniform des SD, als sie diese Menschen in den Ostgebieten töteten, nicht wahr?
HOEPPNER: Ich verstehe den Inhalt der Frage nicht ganz. Es waren vom Sicherheitsdienst sehr wenig Leute für diese Einsatzgruppen, Einsatzkommandos abgeordnet, am wenigsten von den drei genannten Sparten, und diese Männer und Führer trugen während ihrer ganzen Einsatzzeit Uniform mit dem »SD« am Ärmel.
MAJOR MURRAY: Ich möchte ein weiteres kurzes Dokument vorlegen, es ist 2992-PS, US-494. Es ist jener Teil des Affidavits, der vorher nicht als Beweismaterial verlesen wurde. Es ist das Affidavit von Hermann Friedrich Gräbe.
Ich nehme an, daß sich der Gerichtshof an dieses Affidavit erinnert, in welchem dieser deutsche Staatsangehörige erklärt, daß durch die SS und SD eine große Anzahl hilfloser Menschen erschossen worden sind. Es ist das Dokument, auf das der britische Hauptankläger vor einigen Tagen hingewiesen hat.
Im ersten Teil dieses Affidavits sagt Gräbe:
»Der SS-Mann, der als Schütze auf dem Grubenrand bei der Erschießung der jüdischen Männer...«
VORSITZENDER: Einen Moment, dieses Dokument ist schon Beweismaterial, nicht wahr?
MAJOR MURRAY: Es ist so, Euer Lordschaft, aber nicht diese besondere Stelle, die sich mit dem SD beschäftigt. Ich hatte nicht die Absicht, die anderen Teile zu wiederholen, aber diese Stellen beschäftigen sich besonders mit dem SD, und ich möchte nur zwei Sätze verlesen.
Absatz 1:
»Der SS-Mann, der als Schütze auf dem Grubenrand bei der Erschießung der jüdischen Männer, Frauen und Kinder auf dem Flugplatz bei Dubno tätig war, trug eine SS-Uniform mit einem grauen, etwa 3 cm breiten Ärmelstreifen am unteren Ärmelende mit schwarzen, eingewebten oder aufgestickten Buchstaben ›SD‹.«
Im letzten Teil des zweiten Absatzes lesen wir folgendes:
»Ich erkannte am Morgen des 14. Juli innerhalb des Ghettos 3 oder 4 SS-Leute, die mir persönlich bekannt waren und alle dem SD in Rowno angehörten. Auch diese Leute trugen den bereits oben erwähnten Ärmelstreifen.«
Es ist doch Tatsache, nicht wahr, Zeuge, daß viele der Mitglieder dieser Einsatzkommandos Mitglieder Ihres SD waren?
HOEPPNER: Ich sagte vorhin schon, daß wenige Mitglieder dieser Einsatzgruppen und Einsatzkommandos Angehörige des Sicherheitsdienstes waren. Es ist in keiner Weise gesagt, daß diejenigen, auf die in diesem Dokument Bezug genommen wird, irgend etwas mit dem Inlandsnachrichtendienst zu tun haben; und wenn einer dabei ist, der dem Inlandsnachrichtendienst angehörte – was sich aus dem Dokument überhaupt nicht ergibt – da lediglich darin steht, daß er eine Uniform mit dem Zeichen »SD« trug, dann war er zu diesem Einsatz kommandiert, genau so wie irgend jemand anderes zur Wehrmacht eingezogen wird. Es ist ja gerade der Hauptgrund für eine große Zahl von Verwechslungen, die mit dem Begriff SD vorkamen, daß eben die Angehörigen, die im Einsatz waren, sämtlich die gleiche Uniform getragen haben.
MAJOR MURRAY: Aber Ohlendorf war auf jeden Fall Angehöriger des SD, nicht wahr?
HOEPPNER: Ohlendorf war Amtschef des Amtes III, das hat aber nichts damit zu tun, daß er eine Einsatzgruppe führte. Die Einsatzgruppe hätte genau so gut der Amtschef IV oder V oder ein Inspekteur oder irgend jemand anders führen können. Das hat mit der Tätigkeit Ohlendorfs als Amtschef III nichts zu tun.
MAJOR MURRAY: Nun, Ohlendorf hat ausgesagt, daß häufig Berichte von Einsatzgruppen aufgestellt und an die Zentrale geschickt wurden. Haben Sie solche Berichte gesehen, während Sie in der Zentrale des RSHA waren?
HOEPPNER: Nein, das ist schon deshalb nicht möglich, weil in der Zeit, als ich nach Berlin kam, die meisten Einsatzgruppen aus dem Osten zum größten Teil zurückgezogen waren. Jedenfalls kamen keine Berichte mehr; und ich bin überhaupt der Meinung, daß im Amt III, dem Inlandsnachrichtendienst, nur ganz wenige Männer die Berichte der Einsatzgruppen gesehen haben.
MAJOR MURRAY: Ich möchte Ihnen gern eine Reihe von 55 Wochenberichten über die Tätigkeit der Einsatzgruppen zeigen. Und zufällig sind die Einsatzgruppen als Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD bekannt.
HOEPPNER: Nein, nein, es gab keine Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes, sondern es gab im Osten nur die Einsatzgruppen A, B, C und D, und zwar war das mit gutem Grund so gewesen.
MAJOR MURRAY: Bevor ich Ihnen dieses Dokument vorlege, Herr Zeuge, möchte ich, daß Sie sich Dokument 3876-PS ansehen, das bereits als US-808 zugelassen worden ist. Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf das Titelblatt des Dokuments lenken, das von Heydrich unterzeichnet ist und wie folgt beginnt:
»Als Anlage übermittle ich den neunten zusammenfassenden Lagebericht über die Tätigkeit der Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD in der UdSSR. Die Lageberichte werden in Zukunft laufend übersandt. Gezeichnet Heydrich.«
Irren Sie sich nicht, wenn Sie sagen, daß diese nicht als Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD bekannt waren?
HOEPPNER: Nein. Diese Einsatzgruppen haben als Einsatzgruppe A, B, C und D figuriert. Sie wurden angeführt von einem Beauftragten des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD bei den betreffenden Heeresgruppen beziehungsweise bei einer Armee.
Die Bezeichnung: Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei und des SD ist leider falsch.
MAJOR MURRAY: Entweder hat Heydrich wieder unrecht, nicht wahr, und alle Dokumente sind falsch?
HOEPPNER: Nein, daß das Dokument falsch ist, will ich nicht behaupten, sondern ich behaupte nur, daß die Bezeichnung nicht richtig ist. Ich bitte, auch den Verteiler zu beobachten, da steht: »An die Chefs der Einsatzgruppen A, B, C und D.« Im übrigen hießen auch die Einsatzkommandos nicht Kommandos der Sicherheitspolizei des SD, sondern hatten arabische Ziffern, soweit ich gehört habe, 1 bis 12.
MAJOR MURRAY: Dies ist natürlich ein Bericht Ihres Chefs Heydrich, und ich will nicht weiter darauf eingehen. Gehen Sie jetzt zu Seite 31 und 32; unten auf Seite 32 finden. Sie folgende Erklärung: »In Weißruthenien...«
HOEPPNER: Einen Moment bitte, Seite 31 und 32 gibt es bei mir nicht.
MAJOR MURRAY: Es ist ein sehr kurzer Absatz, und ich werde ihn Ihnen vorlesen:
»In Weißruthenien ist die Säuberung von Juden im Gange. Die Zahl der Juden in dem bisher der Zivilverwaltung übergebenen Teil beläuft sich auf 139000 Juden.«
HOEPPNER: Ja.
MAJOR MURRAY: Im letzten Satz:
»33210 Juden wurden inzwischen von der Einsatzgruppe der Sicherheitspolizei und des SD erschossen.«
Da steht nichts von Gruppe A, B, C und D.
HOEPPNER: Nein, es steht hier Sicherheitspolizei und SD.
Ich verstehe nur nicht, was das mit dem Inlandsnachrichtendienst, Sicherheitsdienst, zu tun haben soll?
MAJOR MURRAY: Ausgenommen, daß Ohlendorf Chef Ihrer Organisation war, nicht wahr?
HOEPPNER: Wenn er als Amtschef III tätig war, in Berlin war, aber in der Zeit, wo er die Einsatzgruppe D geführt hat, war er im Einsatz und die Einsatzzeit wird genau so behandelt wie die Zeit einer militärischen Einziehung.
MAJOR MURRAY: Zeuge! Wissen Sie, daß der SD vor der Kriegserklärung Deutschlands an die Vereinigten Staaten, Spionagetätigkeiten in den Vereinigten Staaten ausführte?
HOEPPNER: Ich kann mir nicht vorstellen, daß der Inlandsnachrichtendienst in den Vereinigten Staaten gearbeitet hätte.
MAJOR MURRAY: Ich möchte dem Gerichtshof Dokument 4053-PS als Beweisstück vorlegen, das US-920 wird. Dieses Dokument ist ein Fernschreiben des Auswärtigen Amtes vom 11. Juli 1941. Ich möchte aus diesem Dokument nur einen Satz verlesen:
»Zu Tel. Nr. 2110 vom 5. 7. aus Washington, bittet Sie Herr RAM...« – das war Ribbentrop, nicht wahr? – »... Herr RAM um umgehende Vorlage eines Schriftberichtes darüber, wer von den in New-York wegen Spionageverdachtes Verhafteten mit der Abwehr und wer mit dem SD zusammengearbeitet hat.«
Zeuge! Sieht das nicht aus, als ob der SD Spionagetätigkeiten in Neuyork lange Zeit vor der Kriegserklärung an die Vereinigten Staaten betrieben hat?
HOEPPNER: Eine der ersten Fragen, die mir vorhin Herr Gawlik vorlegte, war die, ob man auch den Auslandsnachrichtendienst mit »SD« bezeichnet. Ich habe das bejaht. Und die weitere Erörterung bezog sich dann darauf, daß Inlandsnachrichtendienst und Auslandsnachrichtendienst verschiedene Organisationen sind. Ob der Auslandsnachrichtendienst, der Auslands-SD, das Amt VI, etwa mit dieser Angelegenheit zu tun hat, kann ich nicht beurteilen, weil ich im Amt VI nie gearbeitet habe und von diesen Dingen nichts verstehe.
MAJOR MURRAY: Natürlich, wenn sie alle dem SD angehörten, so waren sie auch nach meiner Meinung Mitglieder des SD.
Ich habe keine Frage mehr.
VORSITZENDER: Wollen Sie den Zeugen im Rückverhör vernehmen?
Wollte der sowjetische Anklagevertreter einige Fragen stellen?
OBERJUSTIZRAT L. N. SMIRNOW, HILFSANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Herr Präsident! Ich wollte einige Fragen an den Zeugen richten, aber diese Fragen stehen im Zusammenhang mit einem neuen Dokument, einem ziemlich interessanten Dokument, das wir erst heute erhalten haben. Aus diesem Grund konnten wir noch keine Übersetzung ins Englische machen lassen. Ich weiß daher nicht, ob es angebracht ist, diese Fragen jetzt zu stellen, da ich noch keine englische Übersetzung dem Gerichtshof übergeben kann.
VORSITZENDER: Vielleicht können wir das morgen vormittag tun. Es könnte dann bis dahin übersetzt werden. Vielleicht können Sie die Fragen morgen vormittag stellen.
OBERJUSTIZRAT SMIRNOW: Danke, Herr Vorsitzender, jawohl.
VORSITZENDER: Dr. Gawlik! Wollen Sie den Zeugen jetzt im Rückverhör vernehmen?
DR. GAWLIK: Herr Präsident! Ich weiß nicht, ob ich nicht nach dem neuen Dokument auch noch Fragen habe. Das kann ich ja jetzt noch nicht beurteilen.
VORSITZENDER: Gut, sollte sich aus diesem neuen Dokument etwas ergeben, so können Sie die Fragen später stellen. Sie werden hierzu, wenn nötig, Gelegenheit erhalten.
DR. GAWLIK: Jawohl.