[Das Gericht vertagt sich bis
9. August 1946, 10.00 Uhr.]
Einhundertneunundneunzigster Tag.
Freitag, 9. August 1946.
Vormittagssitzung.
VORSITZENDER: Ich glaube, ich sagte schon – jedenfalls möchte ich es nochmals feststellen – daß der Gerichtshof morgen bis 1.00 Uhr mittags in offener Sitzung verhandeln wird.
MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Gestern bin ich mit Ihnen die Auszüge aus Ihrem Tagebuch von 1944 durchgegangen. Haben Sie ein Exemplar zur Hand? Ich nehme Bezug auf das Dokument 3546-PS, das GB-551 wird.
Ich möchte feststellen, Euer Lordschaft, daß diese Auszüge, die hier in 3546-PS vorgelegt werden, nur sporadische Auszüge aus dem Tagebuch mit Bezug auf die medizinischen Experimente sind. Es befinden sich in dem Tagebuch noch viele andere Einträge, die sich auf andere Punkte der Tätigkeit des »Ahnenerbe« beziehen.
Wir sind gestern bis zum 2. Februar gekommen. Sehen Sie sich nun die Eintragungen vom 22. Februar an. Sie werden sehen, daß Sie eine Besprechung mit einem Dr. May hatten; und dann ist da eine Eintragung da über die Zusammenarbeit mit Dr. Plötner und Professor Schilling. Was war damals Dr. Plötners Arbeit?
SIEVERS: Ich höre die deutsche Übertragung nicht... Jetzt höre ich.
VORSITZENDER: Haben Sie die Frage gehört?
SIEVERS: Ja.
Dr. Plötner war tätig bei Professor Schilling. Es bezog sich auf die Mitteilung von Himmler am 23. Januar, wonach die Berichte Schillings Dr. May zugeleitet werden sollten. Diese Berichte sind nicht zugeleitet worden, weil Schilling eine Zusammenarbeit ablehnte.
MAJOR ELWYN JONES: Nun, blättern Sie weiter zum 25. Februar.
VORSITZENDER: Ist dies ein gesondertes Dokument, oder ist es in dem Buch?
MAJOR ELWYN JONES: Es ist im Dokumentenbuch, Euer Lordschaft, Seite 29 des Dokumentenbuches, Beweisstück 3546-PS.
Am 25. Februar haben Sie eingetragen:
»Befehl Reichsführer-SS wegen seiner Arbeiten in Dachau und Zusammenarbeit mit Rascher bekanntgegeben.«
»22. März... 18.30-21.00 Uhr SS-Hauptsturmführer Dr. Rascher:... Vorbereitung der Kälteversuche für Win terhalbjahr 44/45.«
Sie waren doch an jenem Tag mit Rascher in Dachau, nicht wahr?
SIEVERS: Es handelt sich um die Versuche, die Himmler, wie ich bereits in der Kommissionssitzung sagte, wegen der Erfrierungen im Osten durchgeführt haben wollte. Diese Versuche ließen sich in Dachau nicht durchführen. Das wurde Himmler gemeldet, und er ordnete an, daß sie dann in dem nächsten Winterhalbjahr durchgeführt werden sollten. Sie sind nicht zur Durchführung gekommen, weil Rascher bereits im April verhaftet wurde.
MAJOR ELWYN JONES: Für wen führten Sie die Experimente aus, für die Wehrmacht?
SIEVERS: Diese Versuche sollten in Verbindung mit dem Reichsarzt-SS Grawitz durchgeführt werden.
MAJOR ELWYN JONES: Er war der Hauptarzt der SS, nicht wahr, Grawitz?
SIEVERS: Jawohl.
MAJOR ELWYN JONES: Diese Experimente wurden zum Vorteil der Waffen-SS durchgeführt, stimmt das?
SIEVERS: Grawitz hat die Durchführung dieser Experimente selbst abgelehnt, und durch die laufenden Verhandlungen sind sie auch – wie Himmler es haben wollte – vor dem Winter 1943/1944 nicht durchgeführt worden. Grawitz stand auf dem Standpunkt, daß, wenn solche Untersuchungen gemacht werden sollten, Herr Rascher sich an die Front begeben und in den Lazaretten arbeiten sollte.
MAJOR ELWYN JONES: Sie haben meine Frage nicht beantwortet, Zeuge. Für wen wurden die Experimente durchgeführt? Für die Waffen-SS?
SIEVERS: Der Durchführungsauftrag lag gar nicht vor. Die Arbeiten... die Zusammenarbeit bestand zwischen dem Reichsarzt-SS und der Wehrmacht. Im einzelnen bin ich da nicht informiert.
MAJOR ELWYN JONES: Bitte... Sehen Sie sich die nächste Eintragung an:
»14. April... Station Rascher: Stand der Arbeiten, zukünftige Arbeiten, Anweisungen für die vorläufige Fortführung, SS-Hauptsturmführer Dr. Plötner eingewiesen.«
Nun, das war doch die Zeit, als Rascher verhaftet wurde?
SIEVERS: Jawohl, als Rascher verhaftet war.
MAJOR ELWYN JONES: Und Hauptsturmführer Plötner war Raschers Nachfolger, nicht wahr?
SIEVERS: Jawohl.
MAJOR ELWYN JONES: Und die Experimente in Dachau und anderen Orten wurden fortgeführt? Die Entfernung von Rascher machte keinen Unterschied, nicht wahr?
SIEVERS: Das waren ganz andere Arbeiten als die, die Rascher begonnen hat... als die, die Rascher durchgeführt hat.
MAJOR ELWYN JONES: Sie waren bei einigen Experimenten Raschers anwesend. Waren Sie das nicht?
SIEVERS: Ich bin mehrmals in Dachau gewesen, ja.
MAJOR ELWYN JONES: Und Sie waren verschiedene Male mit Himmler dort, wenn Rascher seine Experimente durchführte. Waren Sie das nicht?
SIEVERS: Nein, ich bin mit Himmler zusammen niemals in Dachau bei Rascher gewesen.
MAJOR ELWYN JONES: Sehen Sie sich das Dokument an, 2428-PS, GB-582, eine eidesstattliche Versicherung von Dr. Pacholegg, von dem Sie gestern gesprochen haben.
Euer Lordschaft! Sie finden es auf Seite 25 im englischen Dokumentenbuch und Seite 32 im deutschen Dokumentenbuch.