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[Zum Zeugen gewandt:]

Es handelt sich um ein an Sie gerichtetes Schreiben von Brandt. Es stammt vom 3. Dezember 1942 und ist an Sie, den »SS-Standartenführer Sievers, Das Ahnenerbe«, gerichtet. Es lautet:

»Lieber Kamerad Sievers!

Ich habe heute noch einmal Ihren Vermerk vom 3. 11. 1942 vor mir.

Mit SS-Obergruppenführer Pohl konnte ich damals kurz sprechen. Wenn ich mich recht entsinne, hat er mir auch eine Mitteilung zukommen lassen, daß selbstverständlich diese von Ihnen geschilderten Mängel, die ich ihm allerdings im einzelnen nicht vorgetragen habe, abgestellt werden. Ich hatte Ihren Brief nämlich gerade erst an dem Morgen erhalten, an dem ich zu SS-Obergruppenführer Pohl ging. Es war mir daher nicht möglich, ihn vorher noch durchzulesen. Ich hatte lediglich noch im Gedächtnis, was Sie mir mündlich gesagt hatten. Sollte ein nochmaliges Einschalten meinerseits notwendig sein, geben Sie mir bitte Nachricht.«

Was waren denn die in Ihrem Schreiben an Pohl geschilderten Mängel? Versuchen Sie doch, sich daran zu erinnern.

SIEVERS: Das kann ich nicht sagen, um was es sich da im einzelnen gehandelt hat. Ich bitte um Vorlage des Vermerkes.

MAJOR ELWYN JONES: Können Sie sich denn überhaupt nicht erinnern, worin diese Mängel bestanden? Waren diese nicht mit der Bezahlung der für die Experimente verwendeten Gefangenen verbunden?

SIEVERS: Ich kann mich nicht entsinnen daran.

MAJOR ELWYN JONES: Auf jeden Fall wurden die Lost-Experimente bis April 1944 fortgesetzt, nicht wahr?

SIEVERS: Das kann ich aus dem Kopf auch nicht sagen.

MAJOR ELWYN JONES: Versuchen Sie doch, sich zu erinnern, Wurden sie nicht bis April 1944 fortgesetzt? Sehen Sie doch bitte einmal das Dokument NO-015 an. Sie sind einer Zusammenarbeit gänzlich unzugänglich. Es handelt sich um GB-581. Das ist ein weiteres von Ihnen an den SS-Obersturmbannführer Dr. Brandt, Berlin, gerichtetes Schreiben.

Es befindet sich auf Seite 6 Ihres Dokumentenbuches, Euer Lordschaft.

Es stammt vom 11. April 1944. »Geheime Kommandosache. Der Reichsführer-SS, Persönlicher Stab, Amt ›A‹.« Sie wenden sich an Brandt:

»Betreff: Führerbefehl vom 1. 3. 1944:

Lieber Kamerad Brandt!

Ich habe weisungsgemäß mit SS-Brigadeführer Prof. Dr. Brandt nach in Verbindung gesetzt und ihm am 31. 3. in Beelitz über die Forschungsarbeiten von SS- Hauptsturmführer Prof. Dr. Hirt Vortrag gehalten Dabei habe ich ihm den inzwischen von Prof. Hirt ausgearbeiteten Behandlungsplan gegen die L.-Schädigung übergeben, von dem ich auch für Sie gegebenenfalls zur Vorlage beim Reichsführer-SS ein Stück beifüge.«

Das ist die Lost-Schädigung, Zeuge, nicht wahr?

SIEVERS: Ja.

MAJOR ELWYN JONES:

»Prof. Brandt erklärte mir, daß er in der ersten Aprilwoche in Straßburg sei und dann mit Prof. Hirt Einzelhei ten besprechen wolle, um danach wieder mit mir Fühlung zu nehmen. Ich werde Sie stets auf dem laufenden halten.«

Nun, Sie sehen, daß diese Versuche mit dem Gift Lost an menschlichen Lebewesen das ganze Jahr 1944 hindurch fortgesetzt wurden, nicht wahr?

SIEVERS: Nein, das verhält sich nicht so, und zwar geht dieses Schreiben auf folgendes zurück: Professor Brandt wurde zum Generalkommissar für Kampfstofffragen ernannt. Ich bekam eine Abschrift dieses Ernennungsbefehles zugeschickt mit der Weisung, nunmehr nach dieser Ernennung Hirt zu veranlassen, daß er mit Brandt spreche. Hirt erklärte, er könne deswegen nicht zu Brandt nach Beelitz fahren. Ich bin deshalb auf die Bitte von Hirt zu Brandt gefahren.

MAJOR ELWYN JONES: Nun gut, Zeuge. Ich möchte mich nunmehr einem anderen Gebiet Ihrer Arbeit zuwenden, nämlich den Rascher-Experimenten. Sie erinnern sich wohl, mir erklärt zu haben, daß Sie keinen Einblick in die Rascher-Experimente gehabt hätten?

SIEVERS: Ich habe erklärt, daß ich im allgemeinen nur, aber nicht im einzelnen diese Einsichten hatte.

MAJOR ELWYN JONES: Ich möchte Sie nun bitten, einen Blick auf Ihr Tagebuch des Jahres 1944 zu werfen, das »Ahnenerbe«-Tagebuch, Dokument Nummer 3546-PS.

Es wurde bereits als Beweisstück GB-551 bezeichnet. Euer Lordschaft werden einige Auszüge daraus auf Seite 29 des Dokumentenbuches finden.

Zeuge! Ich habe einige Auszüge aus Ihrem Tagebuch anfertigen lassen, und es wird Ihnen behilflich sein, wenn Sie diesen Auszügen folgen würden. Wenn Sie diese mit Ihren eigenen Tagebuchaufzeichnungen vergleichen wollen, werden Sie in der Lage hierzu sein. Es geht aus ihnen hervor, daß Sie in diesem Jahr mit Rascher und all diesen anderen Mordumtrieben innig verknüpft waren. Die erste Eintragung ist für den 6. Januar, 18.30 Uhr:

»SS-Hauptsturmführer Dr. Rascher:

c.) Schreiben Reichsführer-SS an Obergruppenführer Pohl wegen Unterstützung wissenschaftlicher Forschungsarbeiten. Räumlichkeiten f. Durchführung der Erfrierungsuntersuchungen.«

Diese wurden in Dachau durchgeführt, nicht wahr?

SIEVERS: Ja, sie sollten durchgeführt werden, aber wie ich bereits sagte in der Kommissionsvernehmung, sind sie nicht durchgeführt worden. Es handelt sich hier um eine Besprechungsnotiz einer Unterredung mit Rascher, wo er darüber berichtet.

MAJOR ELWYN JONES: Zeuge! Sagen Sie, die Erfrierungsexperimente in Dachau seien nicht durchgeführt worden?

SIEVERS: Rascher hat mir gesagt, daß er diese Versuche noch nicht durchführen könne, sie müßten in einer Gegend durchgeführt werden, wo konstante Kältetemperaturen erforderlich sind, und diese Versuche haben dann nicht stattgefunden.

MAJOR ELWYN JONES: Aber Sie haben doch tatsächlich die Durchführung einiger dieser Versuche in Dachau persönlich gesehen, nicht wahr? Sie waren doch von Zeit zu Zeit in Dachau?

SIEVERS: Ich fürchte, daß hier eine Verwechslung vorliegt zwischen den Unterkühlungsversuchen der Luftwaffe und den Erfrierungsversuchen, die wegen der Erfrierungen im Osten später angeschlossen werden sollten. Und hier handelte es sich im Jahre 1944, diese Erfrierungsversuche...

MAJOR ELWYN JONES: Welches waren die Erfrierungsversuche, die Sie zu beobachten pflegten?

SIEVERS: Ich kenne nur die Unterkühlungsversuche der Luftwaffe.

MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie die Durchführung von irgendwelchen dieser Experimente gesehen?

SIEVERS: Ich hatte den Auftrag, Professor Hirt zu begleiten, der mit Rascher an diesem Problem zusammenarbeiten sollte, um es einer Lösung entgegenzuführen. Bei dieser Gelegenheit bin ich einmal dabeigewesen.

MAJOR ELWYN JONES: Wollen wir nun zum Dokument Nummer 3546-PS übergehen. Ich habe aufs Geratewohl einige Eintragungen ausgewählt, um Ihre enge Verbindung mit dieser Sache zu zeigen:

»23. Januar, 11.30 Uhr: Vortrag beim Reichsführer-SS zusammen mit SS-Obersturmbannführer Dr. Brandt: 1. Wir sollen Berichte von Prof. Schilling zugeleitet bekommen.«

Nun, Professor Schilling ist der Mann, der seiner Malariaexperimente in Dachau wegen zum Tode verurteilt worden ist, nicht wahr?

SIEVERS: Ja.

MAJOR ELWYN JONES: Er war auch ein Mitglied Ihrer Gruppe von Wissenschaftlern? Stimmt das?

SIEVERS: Wir haben mit Schilling nichts zu tun gehabt, bei diesem Vortrag...

MAJOR ELWYN JONES: Sie haben nur seine Berichte erhalten? Das war alles, nicht wahr?

SIEVERS: Das ist erstmalig gewesen, daß von der Arbeit Schillings mir gegenüber überhaupt gesprochen wurde. Und zwar erklärte Himmler bei dieser Zusammenkunft, daß Schilling ganz aufsehenerregende Immunitätsergebnisse erzielt habe, und dieser Bericht sollte uns zugeleitet werden, damit das Entomologische Institut davon Kenntnis nehmen sollte, was Dr. May an der Malariaforschung, und zwar an der Anopheles-Arbeit, vollbrachte.

MAJOR ELWYN JONES: Setzen wir mit der nächsten Eintragung in Ihrem Tagebuch fort, vom 28. Januar. Ihr eigenes Tagebuch weist tägliche Eintragungen aller dieser Einzelheiten auf.

Nun ein anderer Auszug:

»28. Januar. Zusammenarbeit mit Institut R. Dachau.«

Das ist doch das Institut Dr. Raschers in Dachau, nicht wahr?

SIEVERS: Jawohl.

MAJOR ELWYN JONES: Dann eine Eintragung vom 29. Januar:

»Mit SS-Hauptsturmführer Rascher und Dr. Pacholegg nach Dahlem.«

Wer war Dr. Pacholegg?

SIEVERS: Dr. Pacholegg war ein Häftling, den Rascher zur Mitarbeit herangezogen hatte.

MAJOR ELWYN JONES: Sie haben ihn wohl selbst ganz gut gekannt, nehme ich an?

SIEVERS: Ich habe ihn vielleicht zwei- oder dreimal gesehen.

MAJOR ELWYN JONES: Bei einigen der von Ihnen beobachteten Experimente war er doch auch anwesend, nicht wahr?

SIEVERS: Es handelte sich hier bereits um Arbeiten zur Herstellung eines Blutstillungsmittels, Polygal...

MAJOR ELWYN JONES: Beantworten Sie meine Frage. War Dr. Pacholegg bei einigen der von Ihnen beobachteten Versuche anwesend oder nicht?

SIEVERS: Er war ja Mitarbeiter von Rascher und arbeitete mit ihm. Ob er immer dabeigewesen ist, weiß ich nicht.

MAJOR ELWYN JONES: Wenn Sie die Beantwortung der von mir gestellten Frage verweigern, will ich diese nicht noch einmal stellen. Wir wollen die Besprechung Ihrer Tagebucheintragungen fortsetzen:

»2. Februar. CA-Arbeit. Erstmalige Darstellung lebender Krebszellen und ihre Bekämpfung. Hirt gelang die Darstellung lebender Krebszellen und dabei der Nachweis, daß Tripaflavin in Zellkern eindringt als krebszellenschädigender Farbstoff... Fleckfieberschutzimpfung von Prof. Haagen. Die Fleckfieberschutzimpfung läuft in Natzweiler mit gutem Erfolg.«

Euer Lordschaft! Mein Kreuzverhör wird noch eine halbe Stunde in Anspruch nehmen.

VORSITZENDER: Dann werden wir uns jetzt vertagen.