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[Zum Zeugen gewandt:]

Das Dokument ist wieder ein Schreiben Ihres Stabes an Brandt, den Adjutanten Himmlers:

»An SS-Standartenführer Ministerialrat Dr. Brandt. Persönlicher Stab Reichsführer-SS, Berlin.«

Ist das das »Ahnenerbe?« Stimmt das? Das Schreiben trägt das Datum 5. September 1944. »Geheime Reichssache.« Damals waren die Alliierten auf dem Vormarsch auf Straßburg, stimmt das?

SIEVERS: Das stimmt.

MAJOR ELWYN JONES:

»Betr. Jüdische Skelettsammlung.

Gemäß Vorschlag vom 9. 2. 42 und dortiger Zustimmung vom 23. 2. 42... wurde durch SS-Sturmbannführer Professor Hirt die bisher fehlende Skelettsammlung angelegt. Infolge Umfang der damit verbundenen wissenschaftlichen Arbeit sind Skelettierungsarbeiten noch nicht abgeschlossen. Hirt erbittet im Hinblick auf etwa erforderlichen Zeitaufwand für 80 Stück Weisungen, falls mit Bedrohung Straßburgs zu rechnen ist, wegen der Behandlung der im Leichenkeller der Anatomie befindlichen Sammlung. Er kann Entfleischung und damit Unkenntlichmachung vornehmen, dann allerdings Gesamtarbeit teilweise umsonst und großer wissenschaftlicher Verlust für diese einzigartige Sammlung, weil danach Hominitabgüsse nicht mehr möglich wären. Skelettsammlung als solche nicht auffällig. Weichteile würden deklariert als bei Übernahme Anatomie durch Franzosen hinterlassene alte Leichenreste und zur Verbrennung gegeben. Erbitte Entscheidung zu folgenden Vorschlägen:

1. Sammlung kann erhalten bleiben.

2. Sammlung ist teilweise aufzulösen.

3. Sammlung ist im Ganzen aufzulösen.«

Warum wollten Sie die Körper entfleischen, Zeuge?

SIEVERS: Ich muß hierzu sagen, daß dieser Brief als gleiche Anfrage von Professor Hirt zu mir gelangt ist und in diesem Fernschreiben weitergegeben ist. Deswegen konnte ich mich auch, wie ich vorhin sagte, nicht mehr genau daran erinnern, da mir die Art der ganzen Behandlung hier als Laie vollkommen unbekannt war.

MAJOR ELWYN JONES: Warum schlugen Sie vor, daß man die Schuld den Franzosen in die Schuhe schieben solle? Sie wußten, daß es Morde gab in Zusammenhang mit dieser Skelettsammlung, nicht wahr, das wußten Sie doch genau, Zeuge?

SIEVERS: Ich habe eben gesagt, daß ich hier eine Anfrage von Professor Hirt weitergegeben habe und das damit erklärt, daß ich in dieser Form eine eigene Anfrage nicht stellen konnte, weil ich als Laie das gar nicht beurteilen konnte. Ich habe also hierzu erklärt, daß diese Anfrage von Hirt weitergegeben ist von mir.

MAJOR ELWYN JONES: Waren Sie imstande, die Vorschläge auf Entfleischung dieser Leichen auszuführen?

SIEVERS: Dazu kann ich nichts sagen, weil ich mir darunter nichts vorstellen kann.

MAJOR ELWYN JONES: Nun, glücklicherweise haben wir wiederum ein Dokument, das die ganze Geschichte aufdeckt. Sehen Sie es sich nur an, denn Sie haben natürlich nicht die Absicht, selbst die Wahrheit zu sagen. Dokument NO-091, GB-579. Zwei Aktennotizen aus den Akten Himmlers. Die erste ist unterzeichnet von SS-Hauptsturmführer Berg:

»Am 12. 10. 1944 habe ich telephonisch mit SS-Standartenführer Sievers gesprochen und ihn gefragt, ob entsprechend der durch SS-Standartenführer Baumert gegebenen Weisung die Straßburger Skelettsammlung bereits ganz aufgelöst worden ist. SS-Standartenführer Sievers konnte mir darüber nichts mitteilen, da er von Professor Hirt noch nichts Näheres erfahren habe. Ich sagte ihm, daß, falls die Auflösung noch nicht durchgeführt worden sei, ein Teil der Sammlung noch erhalten bleiben solle. Es müsse allerdings die Gewähr geboten sein, daß die völlige Auflösung rechtzeitig erfolgen könne, falls die militärische Lage Straßburg gefährdet. SS-Standartenführer Sievers sagte zu, entsprechende Feststellungen treffen zu lassen und darüber zu berichten.«

Und das nächste vom 26. Oktober 1944, ein Vermerk für Dr. Brandt:

»Bei seiner Anwesenheit auf der Feldkommandostelle am 21.10. 1944 teilte mir SS-Standartenführer Sievers mit, daß die Sammlung in Straßburg mittlerweile ent sprechend der damals gegebenen Weisung schon völlig aufgelöst sei. Er ist der Ansicht, daß diese Regelung in Anbetracht der ganzen Lage die beste wäre.«

SIEVERS: Aus dem Vermerk des Hauptsturmführers Berg geht ja die Richtigkeit meiner Aussage hervor. Es heißt ja, »Standartenführer Sievers konnte mir darüber nichts mitteilen, da er von Professor Hirt nichts Näheres erfahren habe.« Ich war also hier in jeder Hinsicht immer auf die Angaben, Berichte und Vorschläge von Professor Hirt angewiesen. Meine persönliche Einstellung zu dieser Angelegenheit spielte in dieser Sache gar keine Rolle, wie ich auch bereits in der Kommissionsvernehmung sagte, daß ich bei all diesen Dingen weder veranlassend noch verhindernd eingreifen konnte.

MAJOR ELWYN JONES: Sie waren der Geschäftsführer dieses wissenschaftlichen Mordexperiments, nicht wahr? Das war doch Ihre Funktion? Sie waren ein wesentliches Rad in der Maschine dieses »Ahnenerbes«?

SIEVERS: Sie war keineswegs ein wesentlicher Teil, wie sich aus der Kommissionsvernehmung ja ergibt. Das »Ahnenerbe« umfaßte mehr als 50 Abteilungen und hatte große Forschungsvorhaben und hatte sich – entsprechend seiner ursprünglichen Struktur auf wissenschaftlicher Basis aufgebaut – mit diesen Dingen so ausschließlich befaßt, daß diese Angelegenheiten, die meinem Empfinden nach höchst bedauerlicherweise von Himmler damit verknüpft wurden, kaum eine Rolle spielen. Ich habe ja auch vergeblich versucht, diese Verknüpfung zu verhindern.

MAJOR ELWYN JONES: Sie gehen so weit zuzugeben, daß sich einige unglückliche Dinge im Zusammenhang mit der Arbeit des »Ahnenerbe« abgespielt haben, nicht wahr?

SIEVERS: Das habe ich bisher nie bestritten.

MAJOR ELWYN JONES: In welchem Zusammenhang standen Sie mit den Experimenten an lebenden Menschen mit dem chemischen Gift oder Giftgas »Lost«, Experimente von Gegenmitteln auf Wunden, die durch Ihr Präparat »Lost« verursacht worden waren?

SIEVERS: Professor Hirt hatte eine Therapie entwickelt zur Heilung von Lostschäden. Er hatte bei der Entwicklung dieser Therapie versuchshalber Eigenversuche vorgenommen, die dann auch zu schweren gesundheitlichen Störungen führten, wie ja aus den hier vorgelegten Dokumenten hervorgeht.

MAJOR ELWYN JONES: Experimentierte er auch an anderen Leuten als sich selbst?

SIEVERS: Ich fahre fort. Himmler interessierte sich für diese Versuche und war sehr erregt als er hörte, daß Hirt diese Versuche an sich selbst ausgeführt habe, und er verwies dabei auf den Führererlaß, daß zu solchen Versuchen freiwillige Häftlinge oder zum Tode verurteilte Schwerverbrecher genommen werden sollten. Hirt hat dann, und zwar nur auf die Aufforderung Himmlers hin, an 20 Personen Kontrollversuche durchgeführt, als aber bereits durch seine eigenen Versuche feststand, daß Schädigungen nachhaltiger Art gar nicht mehr entstehen. Er verwies weiter darauf hin, daß es viel wichtiger sei – und das war ja überhaupt der erste Arbeitskontakt mit Hirt – genügend Versuchstiere für die Versuche zu bekommen, weil bei Ausbruch des Krieges der Versuchstierbestand so dezimiert war, daß die erforderlichen wissenschaftlichen Versuche gar nicht mehr durchgeführt...

MAJOR ELWYN JONES: Einen Augenblick, Zeuge. Können Sie meine Frage nicht beantworten, ohne lange Reden zu halten? Haben Sie Menschen an die Stelle von Tieren gesetzt, um diese Experimente durchzuführen?

SIEVERS: Sie meinen in Bezug auf Professor Hirt?

MAJOR ELWYN JONES: Natürlich.

SIEVERS: Ja, ich sagte ja, daß er nach seinem Eigenversuch an 20 Personen Versuche durchgeführt hat, die sich freiwillig gemeldet hatten dazu.

MAJOR ELWYN JONES: Haben Sie an Brandt im Zusammenhang mit den Lost-Experimenten geschrieben und gewisse Schwierigkeiten erklärt, die Ihnen vom Konzentrationslager Natzweiler aus bereitet wurden?

SIEVERS: Ich habe das Dokument nicht hier.

MAJOR ELWYN JONES: Machen Sie sich keine Sorge. Versuchen Sie nur, meine Frage zu beantworten. Machen Sie sich keine Sorge, ob Sie das Dokument vor sich haben. Ich weiß wohl, daß die Auffindung des Dokuments Sie in Verlegenheiten setzen würde. Beantworten Sie nur meine Frage: Haben Sie an Brandt im Zusammenhang mit den Lost-Experimenten geschrieben und die Schwierigkeiten, die man Ihnen vom Konzentrationslager aus bereitete, geschildert?

SIEVERS: Ich weiß nicht mehr im einzelnen, um was für Schwierigkeiten es sich da gehandelt hat. Es kann wohl sein, daß ich das geschrieben habe.

MAJOR ELWYN JONES: Versuchen Sie, sich daran zu erinnern, was Sie im Zusammenhang mit diesen Lost-Experimenten geschrieben haben.

SIEVERS: Ja, ich kann nur erwähnen, wie vorhin, daß diese Dinge an Hand von Notizen und Berichten von Hirt mir zugingen, daß ich das weitergegeben habe, ohne mich im einzelnen an die Dinge erinnern zu können, denn es waren ja einzelne Vorgänge in der Masse und Fülle der Gesamtvorgänge meines ganzen Arbeitsgebietes, so daß Einzelheiten ja nach so langer Zeit in meinem Gedächtnis nicht haften können.

MAJOR ELWYN JONES: Ich weiß die Fülle der Arbeit, in die Sie vertieft waren, wohl zu schätzen. Ich habe aber Ihre Aufmerksamkeit auf noch vier oder fünf andere Mordexperimente zu lenken. Betrachten Sie einmal das Dokument NO-092.

Seite 19 in Euer Lordschaft Dokumentenbuch, GB-580.