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[Pause von 10 Minuten.]

RA. BÖHM: Herr Präsident! Ich habe mir die Anordnung des Gerichts, wonach die Zeugen über die Themen vernommen werden sollen, die vor der Kommission noch nicht besprochen worden sind, zu Herzen genommen. Aber der Fragebogen an den Zeugen hat sich deswegen etwas erweitert, weil die Punkte Seger ja besprochen werden mußten, die erst in allerletzter Zeit bekanntgeworden sind und der Zeuge Diels eine eidesstattliche Versicherung abgegeben hat, zu der der Zeuge Stellung nehmen mußte.

Zur Zeit der Einvernahme dieses Zeugen vor der Kommission war der Fragebogen und die eidesstattliche Versicherung Diels' noch unbekannt.

VORSITZENDER: Es bestand kein Einwand gegen sein Verhör über das Affidavit. Das wurde in der Kommission ja nicht besprochen. Wir wollen nur nicht nochmals in alle Details eingehen, die bereits vor der Kommission behandelt worden sind.

RA. BÖHM: Ich habe jetzt ungefähr nur noch zehn Fragen an den Zeugen, Herr Präsident, und ich werde den Zeugen bitten, seine Antworten auf das kürzeste zu fassen.

[Zum Zeugen gewandt:]

Bestand, Herr Zeuge, in der Zeit Ihrer Eigenschaft als Kommandant von Oranienburg über dieses Lager eine staatliche Überwachung?

SCHÄFER: Jawohl. Das Lager Oranienburg wurde durch den Regierungspräsidenten in Potsdam, durch den Polizeipräsidenten Helldorf, und durch höhere und höchste Beamte des Preußischen Ministeriums überwacht.

RA. BÖHM: Hatte auch die Kreispolizeibehörde ein Überwachungsrecht?

SCHÄFER: Ja. Ebenfalls der Landrat des Kreises Barnim.

RA. BÖHM: Wurden von diesen Stellen auch tatsächlich Kontrollen und Überprüfungen vorgenommen?

SCHÄFER: Es haben des öfteren Kontrollen, und zwar sehr eingehende Kontrollen stattgefunden.

RA. BÖHM: Haben Ausländer und sonstige prominente Persönlichkeiten Gelegenheit gehabt, das Lager Oranienburg zu besuchen und Inhaftierte zu sprechen?

SCHÄFER: Es haben in weitgehendstem Umfange derartige Besuche in Oranienburg stattgefunden, und zwar waren daran beteiligt die ausländische Presse, inländische Presse, politisch daran interessierte Privatpersönlichkeiten des Auslandes in einer größeren Zahl, die auch Gelegenheit bekamen, sich hierbei mit den Inhaftierten. Völlig freimütig innerhalb des Lagers und auf den Arbeitsstellen zu unterhalten.

RA. BÖHM: Ist es richtig, daß Ihnen gelegentlich eines dieser Besuche vorgehalten worden ist: »Sie werden uns von diesem Lager lediglich das zeigen, was wir sehen sollen, und alles übrige bleibt uns vorenthalten.«

SCHÄFER: Das ist richtig, das ist mir vorgehalten worden, und ich habe daraufhin veranlaßt, daß die Betreffenden von selbst die Türen öffnen konnten, die sie zu öffnen wünschten. Es war in Oranienburg nichts zu verbergen, es war daher auch nichts zu verschweigen. Es konnten die Betreffenden selbst sich ein Urteil gründen, sie erhielten hierzu die Gelegenheit.

RA. BÖHM: Äußern Sie sich kurz über die Verpflegung in diesem Lager.

SCHÄFER: Die Verpflegung der Inhaftierten war gut, das beweisen durchwegs die Gewichtszunahmen der Inhaftierten. Es war auch sonst alles geschehen, was notwendig und erforderlich war, um die Inhaftierten in menschenwürdigen Verhältnissen zu halten. Sie hatten sogar ihre eigene Kantine, in der sie ihre täglichen Bedürfnisse befriedigen konnten.

RA. BÖHM: Und nun noch einige wenige Fragen über die Strafgefangenenlager in Emsland.

Weshalb sind diese Strafgefangenenlager entstanden?

SCHÄFER: Es bestand 1933 eine Überbelegung in den Strafanstalten Deutschlands, und zwar hervorgerufen zum größten Teil wohl auch durch die große soziale Not, die damals in Deutschland geherrscht hatte. Es war ein besonderer Wunsch des Ministerpräsidenten Göring damals, daß Inhaftierte an den großen Ems-Kultivierungen teilnehmen sollten, und es war die SS damals beauftragt worden, einige große Lager zu errichten, um dort die Inhaftierten in den Kultivierungsarbeiten zusammenzufassen. Aber die großzügige Weihnachtsamnestie des Ministerpräsidenten hat diese Aufgabe in Frage gestellt, und es ist damals dem preußischen Justizminister Kerrl die Möglichkeit eingeräumt worden, nunmehr mit kriminellen Verbrechern die Lager zu füllen; das ist dann auch geschehen.

RA. BÖHM: Hatte die Oberste SA-Führung eine Befehlsgewalt über die Lager in Emsland?

SCHÄFER: Nein. Das war ein rein staatliches Lager, das einzig und allein der Reichsjustizverwaltung unterstand.

RA. BÖHM: Sie haben vorhin schon zum Ausdruck gebracht, daß es sich in diesem Lager um rein kriminelle Verbrecher handelte, die dort beschäftigt worden sind.

SCHÄFER: Jawohl.

RA. BÖHM: Und nun möchte ich noch eine letzte Frage an Sie stellen. Wieviel SA-Leute wurden im Konzentrationslager Oranienburg als Bewachungsmannschaften und als Beamte der deutschen Polizei beschäftigt?

SCHÄFER: Zu Beginn des Lagers waren es etwa 30 bis 40, zur Zeit der Höchstbelegung etwa 90.

RA. BÖHM: Können Sie mir sagen, wer vom Anfang an des Bestehens des Lagers Dachau dort die Bewachungsmannschaften gestellt hat?

SCHÄFER: Soviel ich weiß, war Dachau ein reines SS-Lager. SA ist in Dachau niemals tätig geworden.

RA. BÖHM: Ich habe weiter zunächst keine weiteren Fragen an diesen Zeugen, Herr Präsident.

MAJOR BARRINGTON: Zeuge! Sie wissen wahrscheinlich schon, wenn aber nicht, so können Sie mir glauben, daß während der letzten acht Monate dieser Gerichtshof eine große Menge von Beweisen über Konzentrationslager angehört hat.

Leugnen Sie jetzt, daß man schon im Jahre 1933 in ganz Deutschland die Konzentrationslager mit Schrecken betrachtet hat?

SCHÄFER: Ich habe, Herr Anklagevertreter, diese Frage nicht ganz verstanden.

MAJOR BARRINGTON: Ich werde sie wiederholen: Leugnen Sie, daß man schon im Jahre 1933 die Konzentrationslager in ganz Deutschland mit Schrecken betrachtet hat?

SCHÄFER: Es wird natürlich derjenige, der festgenommen wird, in jedem Falle damit einen persönlichen Schrecken empfinden, denn es ist allein die Fortnahme der Freiheit ja schon etwas, was ihn zu dieser Feststellung zwingt. Es lag aber keine Veranlassung vor, damals einen Schrecken vor dieser Inhaftierung zu empfinden.

MAJOR BARRINGTON: Sie haben heute morgen über den Reichstagsabgeordneten Herrn Gerhard Seger gesprochen. Er hat ein Buch über das Konzentrationslager Oranienburg geschrieben. Ich werde jetzt nicht über das Buch sprechen, Sie erinnern sich aber, daß der Titel des Buches war: »Ein terrorisiertes Volk.« Erinnern Sie sich an diesen Titel?

SCHÄFER: Nein, Herr Anklagevertreter.

MAJOR BARRINGTON: Halten Sie das für einen zutreffenden Titel für ein Buch über Oranienburg?

SCHÄFER: Nein.

MAJOR BARRINGTON: Wäre es ein zutreffender Titel für die Konzentrationslager Wuppertal oder Hohnstein gewesen?

SCHÄFER: Dazu kann ich mich nicht äußern. Ich habe Wuppertal nie kennengelernt, und von Hohnstein weiß ich nur soviel, daß man dort schärfstens durchgegriffen hat, als Mißstände festgestellt worden sind, und es ist mir später bekanntgeworden, daß die leitenden Männer des Konzentrationslagers Hohnstein mit sehr langen Zuchthaus- und Freiheitsstrafen bestraft worden sind.

MAJOR BARRINGTON: Sie wissen aber auch, daß diese strengen Strafen in den ärgsten Fällen auf ungefähr die Hälfte herabgesetzt wurden. Das wissen Sie doch?

SCHÄFER: Nein, das ist mir nicht bekannt.

MAJOR BARRINGTON: Sie wissen doch auch, daß die Anzahl der in Hohnstein Verurteilten 25 war und daß der offizielle Bericht darüber feststellte, daß das nicht alle waren, die an den Ausschreitungen teilgenommen haben, sondern nur die führenden Leute. Wußten Sie das?

SCHÄFER: Das ist mir in den Einzelheiten nicht bekannt. Ich weiß nur, daß damals sehr scharf und energisch durchgegriffen worden ist.

MAJOR BARRINGTON: Und wußten Sie damals von den Greueltaten in Wuppertal und in Hohnstein? Damals wußten Sie doch von diesen Greueltaten, nicht wahr?

SCHÄFER: Nein.

MAJOR BARRINGTON: Sie wußten, daß diese Lager – oder jedenfalls wissen Sie es jetzt –, daß die SA diese Lager führte. Ist das richtig?

SCHÄFER: Nein, auch das habe ich nicht gewußt.

MAJOR BARRINGTON: Sie wußten nicht, daß die SA die Leitung hatte?

SCHÄFER: Nein, das weiß ich nicht.

MAJOR BARRINGTON: Schauen Sie sich ein Dokument an, Zeuge! – Es ist 787-PS, im Buch 16 A, auf Seite 16, Herr Vorsitzender. – Es ist ein Brief von Reichsjustizminister Dr. Gürtner an Hitler, und am Anfang dieses Briefes beschreibt er die Mißhandlung von Gefangenen in Hohnstein einschließlich Folterungen durch einen Tropfapparat. Wenn Sie sich das Ende dieses Briefes ansehen, ungefähr zehn Zeilen vor Schluß, so werden Sie sehen, daß er über den hauptschuldigen SA-Mann, einen gewissen Vogel, spricht:

»Er hat durch seine Handlungsweise die verurteilten SA-Führer und -Männer in ihrem Tun bestärkt....«

Das zeigt doch, daß die Ausschreitungen in Hohnstein durch SA-Leute begangen wurden. Stimmt das nicht?

SCHÄFER: Herr Anklagevertreter! Es ist mir natürlich im Laufe einer kurzen Minute nicht möglich, ein fünf Seiten langes Schreiben durchzulesen. Ich möchte hierzu nur erklären, daß mir später bekanntgeworden ist, daß gegen die SA-Führer und SA-Männer, die sich in Hohnstein vergangen haben, entsprechend scharf durchgegriffen worden ist.

Ich möchte aber auch darauf hinweisen, daß es der Reichsjustizminister Dr. Gürtner selbst gewesen ist, der mich als einen ihm bekannten SA-Führer in seinen Strafvollzug übernommen hat. Er hat also damit nicht etwa das verallgemeinert, was er hier als Einzelfall in seinem Schreiben an den Führer zur Kenntnis gebracht hat. Es handelt sich ja nur um Einzelfälle, die auch entsprechend bestraft worden sind.

MAJOR BARRINGTON: Zeuge! Wenn Sie sagen, Sie wüßten nicht, was in Hohnstein und Wuppertal damals vorging, lassen Sie mich folgendes fragen: Sie kannten doch Gürtner ziemlich gut, nicht wahr?

SCHÄFER: Ja.

MAJOR BARRINGTON: Und Sie kannten auch Kerrl ziemlich gut, nicht wahr?

SCHÄFER: Jawohl.

MAJOR BARRINGTON: Kerrl war doch Lutzes Onkel?