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[Zum Zeugen gewandt:]

Es ist klar, daß in Zeiten der Revolution natürlich Übergriffe stattfinden. Nun, sind auch Übergriffe von Seiten der SA- und NSDAP-Angehörigen vorgekommen?

SCHÄFER: Das kann und soll doch nicht bestritten werden.

RA. BÖHM: Und wie erklären Sie sich diese Übergriffe?

SCHÄFER: Es handelt sich hierbei einmal um jene Gruppe von politischen Heißspornen, die in einer solchen Zeit des Umbruchs weit über das Maß des ihnen gesteckten Zieles hinausstießen. Es handelt sich aber auch; wie ich vorhin schon einmal eindeutig erklärt habe, um dunkle Elemente, die in die SA und in die Partei unkontrollierbar, weil sie von auswärts zugezogen waren, Einlaß gefunden haben.

Diese Elemente hatten natürlich zur Zeit des Umbruchs die beste Gelegenheit zur Begehung strafbarer Handlungen. Aber ich möchte hierbei betonen, daß von unserer Seite nichts unterlassen worden ist, dort wirklich schärfstens durchzugreifen, wo uns derartige Übergriffe gemeldet wurden. Es hatte die Partei zu diesem Zweck ein eigenes Feldjägerkorps gegründet, das dafür bekannt war, daß es ohne Ansehen der Person und ohne Rücksicht auf Dienstrang und Stellung durchgriff.

RA. BÖHM: Auf welche Grundlage war eine Verhaftung und Verbringung in das Konzentrationslager zurückzuführen?

SCHÄFER: Der Verhaftung lag immer der Schutzhaftbefehl zugrunde.

RA. BÖHM: Von wem wurde der Schutzhaftbefehl gegeben?

SCHÄFER: Der Schutzhaftbefehl wurde durch die Politische Polizei beziehungsweise durch die Kreispolizeibehörde ausgestellt.

RA. BÖHM: Zu welcher Arbeit wurden die Leute in den Konzentrationslagern herangezogen?

SCHÄFER: Sie wurden zur Arbeit, die einmal dem Konzentrationslager selbst zu Nutzen kam, in der Verwaltung, und dann auch zu Landkultivierungsarbeiten herangezogen.

RA. BÖHM: Sind Klagen bei Ihnen als dem Kommandanten von den Häftlingen über eine unzulängliche Behandlung eingelaufen?

SCHÄFER: Mir persönlich, erinnere ich mich, sind Klagen nicht vorgetragen worden.

RA. BÖHM: Nun sind aber doch Mißstände bekanntgeworden. Sind Sie diesen nachgegangen?

SCHÄFER: Durch meine ständige Fühlungnahme mit den Inhaftierten – ich habe mich außerordentlich viel und lange im Lager aufgehalten – habe ich von gelegentlichen Mißständen erfahren, und ich kann hier die Versicherung abgeben, daß ich nichts unterlassen habe, um derartige Mißstände sofort, nachdem ich sie erfahren hatte, abzustellen.

RA. BÖHM: Fanden in der Zeit, in der dieses Konzentrationslager von SA bewacht wurde, irgendwelche Exekutionen statt?

SCHÄFER: Nein.

RA. BÖHM: Waren in diesem Lager Folterungs- oder Vernichtungsmaschinen zum Zwecke der Vernichtung von Menschen während Ihrer Kommandantur vorhanden?

SCHÄFER: Nein, auch nicht.

RA. BÖHM: Wer hatte die Bewachung des Lagers nach der Übergabe durch Sie?

SCHÄFER: Nach mir hatte die SA die Bewachung noch wenige Monate, etwa zwei Monate, und dann übernahm die SS Oranienburg.

RA. BÖHM: Und haben Sie als erster Kommandant des Lagers etwas dazu zu sagen?

SCHÄFER: Die Übernahme des Lagers erfolgte nicht etwa wegen festgestellter Unzulänglichkeit oder Mißstände, sondern es war nach dem 30. Juni der SS vorbehalten, diese Konzentrationslager nun weiterzuführen. Es war der Reichsführer-SS Himmler, der dann die Konzentrationslager übernahm und fortan auch mit seinen Männern führte. Die SA schied also 1934 vollkommen aus diesen Konzentrationslagern aus.

RA. BÖHM: Ich möchte nun noch fragen, hatten Sie Veranlassung, auf Grund von eventuell vorgekommenen Übergriffen strafend gegen die Bewachungsmannschaften einzuschreiten?

SCHÄFER: Übergriffe wurden natürlich bestraft. Bei Übergriffen, die bedeutsam erschienen, war ich verpflichtet, diese der vorgesetzten Dienststelle, das heißt in diesem Falle dem Staat zur Kenntnis zu bringen. Ich habe gegen zwei Sturmbannführer und gegen einen Sturmführer, die mir zugeteilt waren, derartige Meldungen erstatten müssen. Es sind diese beiden Sturmbannführer und der Sturmführer sofort ihrer Ämter enthoben worden und in ein ordentliches Verfahren übergeleitet worden, was ihre Angelegenheit betraf.

RA. BÖHM: Haben Sie selbst Strafen verhängt und möglicherweise welche?

VORSITZENDER: Ist das nicht schon vor der Kommission besprochen worden?

RA. BÖHM: Zum Teil, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Sie besprechen jetzt den Fall von drei Offizieren. Entweder ist er vor der Kommission besprochen worden oder nicht.

RA. BÖHM: Das ist vor der Kommission schon erwähnt worden. Was heute noch dazu kommen sollte, wäre die Frage gewesen, ob nicht auch SA-Männer und nicht nur diese drei Vorgesetzten bestraft und entlassen worden sind.

VORSITZENDER: Dann können Sie doch diese Sache mit den drei Offizieren auslassen.

RA. BÖHM: [zum Zeugen gewandt] Ist es richtig, daß neben diesen Vorgesetzten, von denen Sie vor der Kommission gesprochen haben, auch SA-Männer entlassen worden sind, die mit in diesem Zusammenhang standen?

SCHÄFER: Jawohl.

RA. BÖHM: Ist es richtig, daß Sie wegen der ordnungsgemäßen Führung des Lagers Oranienburg Chef des Strafvollzugs des Reichsjustizministers geworden sind?

SCHÄFER: Ich bin durch die Preußische Justizverwaltung 1934 übernommen worden. Ich wurde nicht Chef des Reichsstrafvollzugs, aber ich übernahm den größten Betrieb innerhalb des Strafvollzugs, die Emsanlage, als Kommandeur. Ich wurde dann im Laufe des Jahres Strafanstaltsdirektor und bin dann im Strafvollzug geblieben.

RA. BÖHM: In diesem Zusammenhang ist es vielleicht notwendig zu prüfen, was Sie unter dem Begriff SA-Hilfspolizei verstanden.

SCHÄFER: Die SA-Hilfspolizei war, wie der Name besagt, ein Hilfsmittel der Polizei. Um die Revolution, wie befohlen, unblutig durchführen zu können, war es natürlich notwendig, daß eine stärkere Überwachung der Verhältnisse stattfand. Da die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht ausreichend waren, bediente sich der Staat einer verhältnismäßig kleinen Zahl von SA-Männern, die einen besonders guten polizeilichen Leumund zum Beispiel nachweisen mußten und in ihrer bisherigen Lebensführung einwandfrei gewesen sein mußten. Sie wurden durch alte und erfahrene Polizeibeamte in ihren Dienst eingewiesen und haben dann im Rahmen allgemeiner polizeilicher Dienstobliegenheiten ihren Dienst gemeinsam mit den Polizeibeamten versehen. Es war dies aber nur eine vorübergehende Maßnahme.

RA. BÖHM: Worin erblickten Sie als Kommandant des Lagers Oranienburg Ihre Aufgaben?

SCHÄFER: Es war meine Aufgabe, in allererster Linie das Lager zu führen, und zwar im Sinne der Sauberkeit und Korrektheit, und weiterhin war es meine Aufgabe, die Maßnahmen, die gegen die Inhaftierten ergriffen wurden, zu überwachen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Euer Lordschaft! Ich unterbreche das Verhör Dr. Böhms mit größtem Widerstreben. Aber ich kann nicht bemerken, daß er sich an die Instruktionen gehalten hat, die Euer Lordschaft der Verteidigung bei verschiedenen Gelegenheiten während der letzten Woche gegeben hat. Dieser Zeuge machte vor der Kommission Aussagen, die ich vor mir habe. Heute morgen bespricht Dr. Böhm diese Dinge viel ausführlicher als es vor der Kommission geschah. Wenn ich die Verfügung des Gerichtshofs richtig verstanden habe, dann soll der Verteidiger nicht wiederholen, was vor der Kommission schon behandelt worden ist, sondern soll die wichtigen Punkte auswählen, diese behandeln und so Euer Lordschaft und dem Gerichtshof Gelegenheit geben, den Zeugen zu beurteilen und seine Glaubwürdigkeit entsprechend einzuschätzen.

Euer Lordschaft! Ich bitte ganz ergebenst, dieses entgegen den Regeln des Hohen Gerichtshofs sehr ausgedehnte Verhör etwas einzuschränken.

VORSITZENDER: Nun, Dr. Böhm, wenn Sie die Verfügung des Gerichtshofs in dieser Angelegenheit nicht beachten, müßte der Gerichtshof das Verhör dieses Zeugen einstellen. Sie müssen das im Auge behalten.

Der Gerichtshof wird sich jetzt vertagen und hofft, daß Sie nach der Pause die Verfügungen beachten werden, sonst würden wir, wie gesagt, das Verhör dieses Zeugen einstellen.