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[Keine Antwort.]

MAJOR BARRINGTON: Ich vermute, die Antwort ist Ja, nicht wahr?

SCHÄFER: Herr Anklagevertreter! So einfach kann ich auch diese Frage nicht beantworten. Ich habe keine Erklärung abgegeben, wonach ich Ebert und Heilmann in menschenwürdige Verhältnisse gebracht hätte, sondern ich entsinne mich sehr genau, eben gesagt zu haben, daß ich dafür gesorgt habe, daß sie nicht weiteren Mißhandlungen durch Mitinhaftierte ausgesetzt waren.

MAJOR BARRINGTON: Ich habe nicht gefragt, was Sie jetzt aussagten. Ich fragte Sie, was Sie vor der Kommission gesagt haben. Und Sie sagten vor der Kommission, Sie hätten sich bemüht, den Insassen ein menschenwürdiges Leben zu bereiten, nicht wahr?

SCHÄFER: Selbstverständlich.

MAJOR BARRINGTON: Erinnern Sie sich daran, daß Sie das gesagt haben?

SCHÄFER: Jawohl.

MAJOR BARRINGTON: Bereiteten Sie nun Heilmann und Ebert ein menschenwürdiges Leben?

SCHÄFER: Jawohl.

MAJOR BARRINGTON: Wirklich?

SCHÄFER: Ich habe ihnen niemals etwas vorenthalten, was irgendwie nicht etwa mit menschlicher Würde zu tun gehabt hätte. Sie haben selbstverständlich das Leben so geführt, wie jeder Inhaftierte es in einem solchen Lager führen muß.

MAJOR BARRINGTON: Aber Sie sagten...

SCHÄFER: Es ist wohl verständlich, Herr Anklagevertreter...

MAJOR BARRINGTON: Nach Ihrer eigenen Aussage wußten Sie, daß dies ein Lager für eine beträchtliche Zahl prominenter Personen war. Sie sagten, daß Sie ihnen allen ein menschenwürdiges Leben bereiten wollten. Aber verlieren wir keine Zeit damit. Lassen Sie mich Ihnen Ihr eigenes Buch zeigen.

Euer Lordschaft! Das ist 2824-PS, Beweisstück US-423. Das Buch ist von dem Zeugen selbst geschrieben und trägt den Titel »Konzentrationslager Oranienburg«, veröffentlicht im Jahre 1934.

[Zum Zeugen gewandt:]

Ich möchte, daß Sie sich zuerst Seite 23 ansehen, Herr Zeuge!

SCHÄFER: Ja, ich habe die Seite.

MAJOR BARRINGTON: Nun, auf dieser Seite schreiben Sie in ziemlich sarkastischem Ton über die Leute, die in die Lager kamen. Sehen Sie die ganz kurze Stelle, wo Sie sagen – und ich denke, dies faßt Ihre ganze Einstellung über Ihr Lager zusammen:

»...war endlich der Augenblick gekommen, wo unsere alten SA-Männer einigen dieser besonders politisch exponiert gewesenen Hetzern das Gedächtnis stärken konnten.«

Sehen Sie das?

[Keine Antwort.]

MAJOR BARRINGTON: Die Übersetzung mag nicht ganz genau mit Ihrem Buch übereinstimmen; aber sehen Sie die Stelle? Sie steht in Klammern.

SCHÄFER: Ich habe diesen Absatz, ja.

MAJOR BARRINGTON: Nun, was meinen Sie damit, daß Ihre alten SA-Männer diesen Hetzern das Gedächtnis auffrischten? Ich dachte, Sie hätten eben gesagt, es seien andere Lagerinsassen gewesen, die deren Gedächtnis auffrischten? Waren es aber nicht Ihre eigenen SA-Männer, die das Gedächtnis Eberts und Heilmanns auffrischten?

SCHÄFER: Hierzu möchte ich aber noch...

MAJOR BARRINGTON: Nun, Sie schrieben es! Lassen Sie mich Ihr Gedächtnis ein bißchen auffrischen. Sehen Sie auf Seite 173.

Herr Vorsitzender! Ich bedauere sehr, daß diese Stellen nicht übersetzt wurden. Ich habe sie erst heute morgen nachgesehen.

VORSITZENDER: Sie sollten ihn die andere Frage beantworten lassen, die Sie ihm über Seite 23 stellten.

MAJOR BARRINGTON: Ich bitte um Verzeihung, Herr Vorsitzender. Ich habe nicht gemerkt, daß der Zeuge etwas sagen wollte.

Zeuge! Sie wollten etwas über die Stelle auf Seite 23 sagen, nicht wahr?

SCHÄFER: Ja, ja. Dieser Satz, Herr Anklagevertreter, ist aus dem Zusammenhang herausgegriffen. Man müßte, um diesen Satz richtig verstehen zu können, natürlich den ganzen Abschnitt lesen; denn so, wie er hier natürlich herausgegriffen ist, wird er – ich bitte, mich hier richtig zu verstehen – in Ihrem Sinne, also im Sinne der Anklagevertretung ausgesprochen, natürlich...

MAJOR BARRINGTON: Nun, geben Sie dem Gerichtshof kurz den Sinn des Zusammenhanges an. Sagen Sie uns, was der Sinn des Zusammenhanges ist.

SCHÄFER: Ich kann natürlich jetzt der Anklagevertretung nicht den ganzen Abschnitt erzählen, nachdem sie nur einen derartigen Satz vorgelegt hat. Ich darf Ihnen aber hierzu nur eines sagen, daß, wenn ich von Menschenwürde gesprochen habe, ich es nicht doppelsinnig, sondern es ganz eindeutig getan habe und der Satz hier, aus dem Zusammenhang gegriffen, nicht das Gegenteil beweist.

MAJOR BARRINGTON: Gut, dann übergehe ich diese Stelle. Blättern Sie bitte auf Seite...

VORSITZENDER: Was meinen Sie, welches der Zusammenhang ist? Aus welchem Zusammenhang wurde es gerissen? Was verstehen Sie unter »ihr Gedächtnis auffrischen«?

SCHÄFER: Gestatten, Euer Lordschaft, daß ich vielleicht für mich allein die Zusammenhänge nochmals kurz durchlese. Mir ist mein Buch natürlich nicht mehr so gegenwärtig. Ich muß zu diesem Zweck, um diese Frage beantworten zu können, mir einmal den etwas erweiterten Absatz durchlesen. Dann kann ich vielleicht eine entsprechende Antwort geben, die Euer Lordschaft wünscht.

VORSITZENDER: Sie sagen also, Sie wüßten nicht, was Sie mit »ihr Gedächtnis auffrischen« meinen?

SCHÄFER: Ja.

MAJOR BARRINGTON: Lassen Sie mich Ihnen ein wenig dadurch helfen, daß ich Sie auf eine andere Stelle, nicht weit davon, verweise. Schlagen Sie Seite 25 auf, und Sie sehen dort eine Stelle in Klammern:

»Selten habe ich so fabelhafte Erzieher gesehen wie meine alten SA-Männer, die, selbst zum Teil dem proletarischen Milieu entstammend, mit außerordentlicher Hingabe sich dieser besonders flegelhaft auftretenden kommunistischen Radauhelden annahmen.«

Ist nicht die Stärkung des Gedächtnisses der Provokateure – in Wirklichkeit dasselbe wie Erziehung – die fabelhafte Erziehung, die Ihre alten SA-Männer ihnen gaben? Was ist diese Erziehung, wenn Sie nicht wissen, was Sie mit »Stärkung ihres Gedächtnisses« meinten? Was meinten Sie mit »fabelhafter Erziehung«?

SCHÄFER: Herr Anklagevertreter! Was Sie sagen wollen, empfinde ich. Sie wollen damit wohl von mir hören, daß ich hier eine Erklärung abgebe, wonach Mißhandlungen stattgefunden hätten.

So habe ich Sie wohl richtig verstanden. Ich möchte hier aber erklären...

VORSITZENDER: Beantworten Sie bitte die Frage. Die Frage ist: Was meinen Sie mit der Erziehung, von der Sie gerade gesprochen haben?

SCHÄFER: Eine Erziehung durch das persönliche Beispiel gegeben, Euer Lordschaft. Das meine ich damit, nicht eine Erziehung durch Mißhandlungen oder ähnliche Übertretungen.

MAJOR BARRINGTON: Schauen Sie sich nochmals Seite 23 an. Da ist ein anderer Absatz in Klammern. Haben Sie ihn?

SCHÄFER: Ja.

MAJOR BARRINGTON: Er lautet:

»Zu verschweigen, daß einige der Verhafteten keine allzu sanfte Behandlung inzwischen erfahren hatten, wäre töricht und auch völlig unverständlich. Unverständlich insofern, als eine derartige Behandlung einer dringenden Notwendigkeit entsprach.«

Welches war denn die dringende Notwendigkeit einer nicht zu sanften Behandlung der Gefangenen? Wollen Sie sagen, daß es eine rein disziplinäre Behandlung war? Das steht auf derselben Seite, von der ich zuerst vorgelesen habe, auf der gleichen Seite, wo von der »Stärkung ihres Gedächtnisses« die Rede ist.

Gut, ich will diese Stelle sein lassen und zu Seite 173 übergehen.

SCHÄFER: Ich hätte gerne noch eine Antwort darauf gegeben, Herr Anklagevertreter! Ich habe hier in diesem Buch ganz offen über diese Dinge geschrieben; und ich stehe auch nicht an, zu erklären, daß es in ganz wenigen vereinzelten Fällen notwendig geworden war, daß Gefangene, die entsprechend auftraten, auch entsprechend behandelt wurden. Ich habe keine Veranlassung zu verschweigen – und ich habe es auch in meinem Buch nicht getan –, daß derartige ausgesprochen renitente Radaubrüder – anders kann ich sie nicht bezeichnen – entsprechend dann natürlich auch zur Ordnung gerufen werden mußten.

MAJOR BARRINGTON: Sie schrieben Ihr Buch in einer ziemlichen Begeisterung für ein nazifiziertes Deutschland im Jahre 1934, nicht wahr? Wenden Sie sich nun Seite 173 zu.

SCHÄFER: Ich möchte auch hierzu eine Erklärung abgeben...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof möchte wissen, wie Sie die Leute behandelt haben. Sie sagten, in gewissen Fällen mußten Häftlinge »entsprechend« behandelt werden. »Entsprechend« soll wohl bedeuten »nicht zu sanft«? Das meinten Sie wohl?

SCHÄFER: Euer Lordschaft! Die Frage ist einfach so zu beantworten: Wenn ein Inhaftierter mit Brutalität – und es hat auch derartige Fälle gegeben – glaubte, seinen Willen noch durchsetzen zu müssen, dann war es meine Pflicht, ihn darauf nachdrücklich hinzuweisen, daß er in diesem Augenblick ein Recht hierzu nicht besaß.

MAJOR BARRINGTON: Nun erzählen Sie doch dem Gerichtshof so kurz wie möglich, was Sie gerade gegen Ebert und Heilmann hatten? Was machten Sie ihnen denn zum Vorwurf, das eine solche Behandlung erforderlich machte?

SCHÄFER: Ebert und Heilmann haben eine besondere Behandlung in diesem Sinne nicht erfahren. Wir hatten auch keine Veranlassung, sie irgendwie besonders zu behandeln. Sie sind auch nicht etwa besonders behandelt worden, wie ich vorhin schon erklärt habe, aber...

MAJOR BARRINGTON: Setzen Sie nur fort.

SCHÄFER: Sie sind beide normal behandelt worden, und sie können beide nicht irgendwie erklären, daß sie anders behandelt worden wären. Mir ist jedenfalls nichts bekannt.

MAJOR BARRINGTON: Sehen wir, wie die Normalbehandlung war. Gehen Sie über auf Seite 173. Haben Sie Seite 173? Lesen Sie den Teil in Klammern.

SCHÄFER: Jawohl.

MAJOR BARRINGTON: Ich lese die Übersetzung:

»Und dann, am nächsten Tag, in Drillichhose und Rock, Ebert mit Schaufel und Heilmann mit Besen, auf dem Vorhof des Lagers, bereit zur Arbeit. Nichts war für die Häftlinge des Lagers so wohltuend, als der Anblick ihrer Prominenten – wie sie jetzt, gleichgeschaltet mit ihnen, einen Weg, eine Straße gingen – zur Arbeit.«

Das nennen Sie gleiche Behandlung, Normalbehandlung, nicht wahr?

SCHÄFER: Herr Anklagevertreter! Jeder Inhaftierte des Lagers bekam zur Schonung seiner eigenen Bekleidungsgegenstände zur Arbeit eine Drillichhose und einen Rock. Das bekam jeder, und wir machten und konnten Ebert und Heilmann gegenüber keine Ausnahme machen. Im übrigen haben beide, soweit ich mich heute noch entsinne, darum gebeten, an der körperlichen Arbeit teilnehmen zu können, was ihnen auch gewährt worden ist.

MAJOR BARRINGTON: Sie wissen, nehme ich an, daß Heilmann schließlich als Krüppel in einem Konzentrationslager verschied, nicht wahr?

SCHÄFER: Nein, das weiß ich nicht.

MAJOR BARRINGTON: Sie und Ihre SA-Männer schufen und leiteten das Lager Oranienburg auf einen Befehl hin, der ursprünglich von Göring als preußischen Innenminister gegeben worden war, nicht wahr? Ihre Befehle kamen doch von dort auf dem SA- Dienstwege?

SCHÄFER: Ja.

MAJOR BARRINGTON: Und Sie erzählten dem Gerichtshof, daß die SA, die das Lager unter Ihrer Leitung betreute, der Polizei unterstellt war, und daß sie zu diesem Zwecke Hilfspolizisten wurden. Das haben Sie doch ausgesagt?

SCHÄFER: Ja.

MAJOR BARRINGTON: Sagen Sie mir folgendes: Warum wählte Ihrer Ansicht nach Göring SA-Männer für diese Aufgabe aus? War es deswegen, weil die reguläre Polizei es nicht tun wollte?

SCHÄFER: Nein, Herr Anklagevertreter! Vorhin habe ich eingehend ausgeführt, daß die zur Verfügung stehenden Polizeikräfte nicht ausreichend waren, um das zu gewährleisten, was der Führer in seinem Befehl zur Durchführung einer unblutigen Revolution verlangt hatte; und zu diesem Zweck bediente sich das Preußische Innenministerium der ausgewählten SA- Männer als Hilfspolizei.

MAJOR BARRINGTON: Nun, nehmen wir an, daß die reguläre Polizei ausreichend gewesen wäre. Wollen Sie dem Gerichtshofe erklären, daß dann, wenn die reguläre Polizei diese Lager Oranienburg, Wuppertal und Hohnstein unter sich gehabt hätte, wollen Sie behaupten, daß sich diese Ausschreitungen ereignet hätten, wenn die reguläre Polizei diese Lager geleitet hätte? Würden Sie selbst die vereinzelten Zwischenfälle, von denen Sie sprachen, gehabt haben, wenn die reguläre Polizei sie geleitet hätte?

SCHÄFER: In Oranienburg, Herr Anklagevertreter, waren vom ersten Tage des Bestehens an Polizeibeamte. Wie das in Wuppertal gewesen ist, weiß ich nicht. Aber ich erkläre hiermit, daß kein SA-Führer oder SA-Mann, der in einem Einzelfall sich einen Übergriff zuschulden kommen ließ, das irgendwie befehlsgemäß gemacht hat, sondern dann hat er das von sich selbst aus getan. Es schützte ihn dann aber kein Befehl, es schützte ihn aber auch seine Handlung vor einer Strafe nicht, die er dann erhielt.

MAJOR BARRINGTON: Ich behaupte, Zeuge, daß die SA aus dem ganz einfachen Grunde zur Führung Oranienburgs erwählt wurde, weil die Bewegung allein der SA vertrauen konnte, daß sie brutal genug für das Lager Oranienburg sein würde. Stimmen Sie mit mir darüber überein oder nicht?

SCHÄFER: Nein, da kann ich mit Ihnen nicht übereinstimmen.

MAJOR BARRINGTON: Wenn Sie vergessen haben, was Göring damals von der regulären Polizei, dachte, dann möchte ich Ihnen ein kurzes Zitat aus einer Rede vorlesen, die er am 3. März 1933 hielt. Das muß also gerade um die Zeit gewesen sein, als er den Befehl zur Gründung des Lagers Oranienburg gab?

Herr Vorsitzender! Das ist Dokument 1856-PS – Dokumentenbuch 16 A, auf Seite 28 – US-437.