[Zum Zeugen gewandt:]
Was Göring gerade zu der Zeit, als er Ihnen den Befehl zur Gründung Oranienburgs gab, sagte, war folgendes:
»Volksgenossen, meine Maßnahmen werden nicht angekränkelt sein durch irgendwelche juristischen Bedenken. Meine Maßnahmen werden nicht angekränkelt sein durch irgendeine Bürokratie. Hier habe ich keine Gerechtigkeit zu üben, hier habe ich nur zu vernichten und auszurotten, weiter nichts! Dieser Kampf, Volksgenossen, wird ein Kampf gegen das Chaos sein, und solch einen Kampf führe ich nicht mit polizeilichen Machtmitteln. Das mag ein bürgerlicher Staat getan haben. Gewiß, ich werde die staatlichen und polizeilichen Machtmittel bis zum äußersten auch dazu benutzen, meine Herren Kommunisten, damit Sie hier nicht falsche Schlüsse ziehen, aber den Todeskampf, in dem ich euch die Faust in den Nacken setze, führe ich mit denen da unten, das sind die Braunhemden.«
Haben Sie diese damalige Rede je gelesen oder von ihr gehört? Es sieht nicht so aus, als ob Göring von der regulären Polizei viel gehalten hätte, als er die Gründung Oranienburgs befahl, nicht wahr? Wollen Sie dem Gerichtshof erzählen, daß Göring nach dieser seiner Rede ein Lager schaffen wollte, das so mild, menschlich und gerecht war, wie Sie es in Ihrer Aussage zu beschreiben versuchen?
SCHÄFER: Ich kenne diese Rede nicht, Herr Anklagevertreter. Ich lese aber, daß sie am 3. März 1933 gehalten worden sein soll. Zur damaligen Zeit bestand das Lager Oranienburg noch nicht und war auch noch gar nicht irgendwie im Entstehen begriffen oder geplant.
MAJOR BARRINGTON: Es wurde im gleichen Monat ins Dasein gerufen.
SCHÄFER: Ende März, jawohl.
MAJOR BARRINGTON: Nun, Zeuge, werde ich Ihnen in einem Satz die Wahrheit über Oranienburg sagen: Als Sie das Konzentrationslager Oranienburg zuerst einrichteten, war es ein gewöhnliches, brutales SA-Konzentrationslager. Aber im Spätsommer 1933 entschieden Sie sich, es als Modell-Konzentrationslager zu verwenden, um dem Ausland zu zeigen, wie mild und gerecht das System der Konzentrationslager war. Ist das richtig oder falsch?
SCHÄFER: Nein, Herr Anklagevertreter, das stimmt nicht. Das stimmt in keiner Weise, und ich könnte ja heute – und es ist in meiner Situation dann am beweiskräftigsten, wenn ich das vor aller Öffentlichkeit sage –, ich könnte die ersten Gefangenen des Lagers Oranienburg, die unter meiner Führung damals dort lebten, hier als Zeugen aufrufen, daß ich nicht bereit gewesen wäre, nur des äußeren Eindruckes wegen ein Modell-Lager zu schaffen; sondern mir ist anständige Führung eines solchen Lagers ein inneres Bedürfnis gewesen, und ich bitte, auch hiervon zur Kenntnis zu nehmen, daß mir das nicht etwa eine aus der Vernunft zugewachsene Frage ist, Herr Anklagevertreter, sondern eine Angelegenheit meines inneren Empfindens. Ich möchte daraufhin noch das eine anknüpfen, daß es mir, der aus dem politischen Kampf, der sehr schwer war in Deutschland, herkam, nicht unbekannt geblieben war, daß man durch die Schaffung des Typs von Märtyrern seine eigene Stellung nicht stärkt. Also konnte ich logischerweise an der Schaffung von Märtyrern keineswegs interessiert sein und war auch daran nicht interessiert.
MAJOR BARRINGTON: Nun, schrieben Sie Ihr Buch nicht mit aus dem Gedankengang heraus, mit Ihrem Modell-Lager die Ausländer zu überzeugen? Ist das nicht ein Teil der Grundidee Ihres Buches? Es wurde geschrieben, um irgendwie Ausländer zu überzeugen, nicht wahr? Das haben Sie, wie Sie wohl wissen, vor der Kommission gesagt.
SCHÄFER: Sehr richtig, ich sagte es..., ich bitte um Verzeihung, ich möchte diese Erklärung zu Ende führen. Ich sagte es damals aus, so wie ich es jetzt aussage: Dieses Buch ist von mir bewußt geschrieben worden, um den lügenhaften Berichten – anders kann ich es nicht bezeichnen –, die im Auslande über dieses Lager erschienen waren, pflichtgemäß entgegenzutreten. Das ist meiner Auffassung nach mein gutes Recht gewesen, das ich hier für mich in Anspruch nehmen durfte.
MAJOR BARRINGTON: Wer hat Sie beauftragt, dieses Buch zu schreiben? War es Göring? Hat Göring Ihnen vorgeschlagen, dieses Buch zu schreiben?
SCHÄFER: Hier kann ich mit aller Offenheit erklären, daß ich von keiner Seite den Auftrag bekommen habe, dieses Buch zu schreiben, sondern...
MAJOR BARRINGTON: Haben Sie sich mit Göring darüber ausgesprochen?
SCHÄFER: Nein! Ich glaube, daß Herr Göring mich heute wohl zum erstenmal sieht, und ich sehe ihn heute auch zum erstenmal auf diese Entfernung. Wir haben uns nie ausgesprochen über diese Dinge.
MAJOR BARRINGTON: Haben Sie den preußischen Justizminister zu Rate gezogen, als Sie Ihr Buch schrieben?
SCHÄFER: Nein! Ich habe eben schon eindeutig erklärt, Herr Anklagevertreter, daß ich mich mit keiner dritten Seite irgendwie über dieses Buch unterhalten habe, sondern daß ich es geschrieben habe, als mir eine Unsumme von derartigen Zeitungsberichten zugeleitet worden war und ich daraufhin aus mir selbst heraus einmal eine Rechtfertigung für das Lager Oranienburg schaffen wollte. Ich habe mich auch verpflichtet gefühlt...
MAJOR BARRINGTON: Nun, erzählen Sie über diese Zeitungsberichte. Waren das nur abfällige Kritiken über Oranienburg oder auch über andere Lager? War Oranienburg das einzige, das kritisiert wurde? Vielleicht war es so.
SCHÄFER: Die Artikel? Ich habe die erste Erklärung hier in meinem Kopfhörer nicht mitbekommen, Herr Anklagevertreter.
MAJOR BARRINGTON: Sie haben uns von vielen feindseligen Zeitungsartikeln erzählt, die eine Zurückweisung erforderten. Waren sie nur feindselig gegen Oranienburg oder auch gegen andere Lager?
SCHÄFER: Soweit ich in meinem Buch Stellung genommen habe, habe ich natürlich nur zu diesen Artikeln Stellung genommen, die sich mit Oranienburg beschäftigt haben. Mit anderen Lagern habe ich mich nicht befaßt.
MAJOR BARRINGTON: Das habe ich Sie nicht gefragt. Gab es andere Artikel über andere Lager? Sind Ihnen irgendwelche Artikel über andere Lager zu Gesicht gekommen?
SCHÄFER: Dessen entsinne ich mich nicht. Ich bekam nur die Artikel zugeleitet, die Oranienburg betrafen.
MAJOR BARRINGTON: Wer hat sie Ihnen zugeleitet? Göring?
SCHÄFER: Diese Artikel habe ich von allen möglichen Bevölkerungsschichten zugesandt bekommen und auch zum Teil von Ausländern, die daran interessiert waren, daß ich einmal Einblick gewinne in ihre Pressenotizen.
MAJOR BARRINGTON: Nun, einer dieser Artikel erschien in der englischen Tageszeitung »Times«. Stimmt das? Sie haben ihn in Ihrem Buch abgedruckt. Dieser Artikel war sehr feindselig gegen Oranienburg.
Herr Vorsitzender! Auszüge dieses Artikels befinden sich im Dokumentenbuch 16 A, Seite 35. Es ist Dokument Nummer 2824a-PS.