[Zum Zeugen gewandt:]
Ich will Ihnen nur zwei oder drei kurze Auszüge zeigen, weil ich behaupten werde, daß diese absolut der Wahrheit entsprechen; es ist, glaube ich, auf Seite 112 Ihres Buches:
»... wir kamen in das Konzentrationslager in Oranienburg... Über drei Stunden mußten wir in Reih und Glied stramm stehen; wer sich setzen wollte, wurde geschlagen... Jeder bekam einen kleinen Topf mit Kaffee und ein Stück Schwarzbrot, unsere erste Nahrung an diesem Tage.«
Dann etwas weiter unten:
»Prominente Gefangene wurden öfters geschlagen wie die anderen; doch erhielt jedermann seinen vollen Anteil an Schlägen...«
Und noch etwas weiter unten:
»Sie bekamen es auch fertig, sie vollständig mit schwarzer Schuhwichse einzureiben und überzeugten sich am nächsten Tage, ob auch alles abgewaschen war.«
Und schließlich:
»Die meisten der Gefangenen durften kein Wort über die empfangenen Schläge sagen; aber alle Nächte konnten wir ihre Schreie hören. Wer entlassen wurde, hatte zwei Schreiben zu unterzeichnen, ein weißes, in dem stand, daß die Behandlung im Lager gut war, und ein blaues...«
Dieser Artikel erwähnt auch unter anderen wohlbekannten Häftlingen einen gewissen Dr. Levy. Ist das richtig? Erinnern Sie sich an Dr. Levy?
SCHÄFER: Jawohl.
MAJOR BARRINGTON: In Ihrem Buch, veröffentlichten Sie nach dem Artikel der »Times« auch einen von Dr. Levy am 25. September 1933 an die »Times« gerichteten Brief, in welchem Dr. Levy – ungefähr sechs Tage nach Erscheinen dieses Artikels – verneinte, daß es irgendwelche Greueltaten in Oranienburg gäbe. Können Sie diesen Brief finden?
SCHÄFER: Ja.
MAJOR BARRINGTON: Dieser Brief des Dr. Levy wurde in Potsdam geschrieben? Ist das richtig? Unterhalb der Adresse steht: »Potsdam«.
SCHÄFER: Ja! Ich sehe, daß im Buch steht: »Potsdam, 25. September.« Ich bitte aber hier etwas erklären zu dürfen, Herr Anklagevertreter. Es handelt sich bei diesem Artikel, den Sie soeben auszugsweise vorgelesen haben, um Fürsorgezöglinge der jüdischen Kultusgemeinde in Berlin, die seinerzeit Oranienburg zugeführt wurden. Es handelte sich hierbei um ausgesprochen kriminelle Elemente, derer sich die jüdische Gemeinde seinerzeit entledigt hatte, indem sie durch die Hergabe entsprechenden Geldes in einem eigenen Fürsorgeerziehungsheim diese Knaben unterbrachte. Es ist absolut unzutreffend...
MAJOR BARRINGTON: Was hat das mit Dr. Levy zu tun? Ich sagte, war der Brief Dr. Levys aus Potsdam geschrieben? Wollen Sie dem Gerichtshof erzählen, daß dieser Brief freiwillig geschrieben wurde? Oder erhielten Sie ihn durch Drohungen? Sie konnten dieses Schreiben von ihm leicht durch Drohungen erhalten haben, nicht wahr? Das konnten Sie doch? Oder konnten Sie das nicht?
SCHÄFER: Herr Anklagevertreter! Ich bitte, meine Erklärungen bis zum Schluß anzuhören. Ich komme sofort auf Dr. Levy zu sprechen. Herr Dr. Levy ist es gewesen – ich kann diese Versicherung hiermit vor aller Öffentlichkeit abgeben –, der damals sich persönlich bei mir melden ließ und darum bat, ich möge dafür Sorge tragen, daß die sich keineswegs ordentlich benehmenden Fürsorgezöglinge eine Abteilung für sich bilden sollten.
Herr Dr. Levy ist ein bekannter Strafrechtsverteidiger gewesen, der seinerzeit in Oranienburg eingeliefert worden war. Er ist dann bald nach seiner Einlieferung entlassen worden. Ich selbst entsinne mich, daß Herr Dr. Levy, bevor er Oranienburg verließ, sich bei mir herzlich verabschiedet hat. Ich bin keineswegs der Auffassung, daß er zu diesem Artikel oder zu diesem Brief an mich, der in der »Times« erschien, irgendwie gezwungen wurde, ihn in Potsdam zu schreiben. Im Gegenteil, ich möchte annehmen, daß Dr. Levy deswegen Potsdam darüber gesetzt hat, um eine Unterscheidung zu treffen. Der Name Levy ist früher in Deutschland nicht selten gewesen. Vielleicht wollte er damit zum Ausdruck bringen, daß es sich hier um den Strafrechtsverteidiger Levy aus Potsdam handelte. Was anderes kann ich mir nicht denken. Ich bin der festen Überzeugung, daß es heute noch gelingen könnte, Herrn Dr. Levy zu hören. Er war damals ein Mann in den besten Jahren, und er wird sicher noch leben; und es muß möglich sein, ihn über diese Frage noch zu hören. Aber ich glaube niemals, daß Dr. Levy sich jemals hat zwingen lassen, einen solchen Artikel zu schreiben. Wenn man unterstellt, Herr Anklagevertreter, es wäre so gewesen –, wer sollte die »Times« gezwungen haben, diesen Bericht zu bringen, wenn er nicht ihrer Ansicht entsprach?
MAJOR BARRINGTON: Darüber werde ich nicht mit Ihnen streiten. Meine Behauptung ist vollkommen klar, daß der Brief Dr. Levys ein durchsichtiger Versuch Ihrerseits war, den Artikel in der »Times« zu widerlegen, von dem Sie wußten, daß er wahr war. Wir wollen darüber nicht länger diskutieren. Offenbar stimmen Sie mit mir nicht überein. Sie werden aber wohl zugeben, daß Dr. Seger in seinem Buch mit dem Artikel der »Times« anscheinend übereinstimmt. In seinem Buch »Eine terrorisierte Nation« vertritt er doch sehr stark die gleichen Ansichten wie der »Times«-Artikel.
Schauen Sie sich jetzt einen anderen Brief in Ihrem Buch an.
SCHÄFER: Herr Anklagevertreter! Auch hierauf eine Antwort! Das Buch von Seger heißt nicht »Eine terrorisierte Nation«, sondern heißt »Oranienburg«, und Herr Seger – das möchte ich hier auch gleich zu Anfang sagen –, hat einen bewußten Meineid geleistet, als er an den Anfang seines Buches die Eidesformel vor deutschen Gerichten stellte, und sich dann in jedem Fall widerlegen lassen mußte.
MAJOR BARRINGTON: Ich verstehe Ihre Einstellung dazu, und – dessen bin ich sicher – der Gerichtshof versteht Sie auch. Aber schauen Sie sich nur noch einen anderen Brief In Ihrem Buch an, bevor ich beende. Schlagen Sie Seite 241 auf. Haben Sie es? Am Ende der Seite findet sich ein Brief eines Gefangenen, den Sie ungefähr so wie den Brief Dr. Levys veröffentlichten, um – wie ich glaube – zu zeigen, wie gut die Verhältnisse waren. Und wenn Sie auf Seite 242 umschlagen, so heißt es in dem Brief:
»Sehr verehrter Herr Schäfer!... daß die Tage von Oranienburg immer zu den besten Erinnerungen meines Lebens gehören werden...«
Sehen Sie diese Stelle, »die Tage von Oranienburg werden immer zu den besten Erinnerungen meines Lebens gehören«?
SCHÄFER: Ja.
MAJOR BARRINGTON: Glauben Sie nicht, daß das zu schön ist, um wahr zu sein? Oder halten Sie das heute noch aufrecht?
SCHÄFER: Herr Anklagevertreter! Ich möchte hierzu folgendes sagen: Gewiß, ich gebe zu, daß dieser Brief im Überschwang der Freude, frei zu sein, geschrieben war. Aber ich bezweifle nicht, daß der Briefschreiber hier es ehrlich gemeint hat, als er den Brief an mich schrieb. Man müßte ihn hierzu selbst hören.
MAJOR BARRINGTON: Er mag die besten Absichten gehabt haben, aber warum soll er gesagt haben, daß die Tage im Konzentrationslager, wo ihm seine Freiheit genommen war, zu den besten Erinnerungen seines Lebens gehörten? Kann irgendein Mensch...
SCHÄFER: Herr Anklagevertreter! Ich darf vielleicht sagen, daß es Menschen gegeben hat vor diesen Konzentrationslagern – ich habe auch dazu gehört –, die vor den Arbeitslosenstempelstellen gestanden und die bitterste Not gelitten haben, die hier im Konzentrationslager zum ersten Male satt geworden sind. Das möchte ich hier ganz klar herausstellen.
MAJOR BARRINGTON: Sie hatten genug zu essen, und Sie erinnern sich, daß Sie der Kommission sagten, daß Sie sie wiegen ließen und alle an Gewicht zugenommen hätten.
Wenn Sie sich die zwei letzten Seiten Ihres Buches ansehen wollen, so werden Sie dort eine Tabelle über die Gewichtszunahme der Gefangenen während ihrer Lagerzeit finden. Haben Sie das?
Herr Vorsitzender! Das ist 2824-PS, Seite 17, glaube ich... Seite 32, unmittelbar nach dem Artikel der »Times«.