HOME

<< Zurück
|
Vorwärts >>

[Pause von 10 Minuten.]

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich bin mit meiner Vorlage von Dokumenten fertig. Ich habe nur noch drei Fragen, die ich dem Zeugen im Kreuzverhör vorlegen möchte; dann werde ich mein Kreuzverhör beendet haben.

VORSITZENDER: Ehe Sie Buch 16 B weglegen, wollen Sie bitte Seite 27 aufschlagen. Der Gerichtshof möchte gerne von dem Zeugen wissen, was der »SA-Sturm zur besonderen Verwendung« gewesen ist.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich erwähne das, weil ich darauf hingewiesen habe, daß Korn im Stabe der Obersten SA-Führung war; das steht auf der letzten Zeile auf Seite 26, daß Korn gegenwärtig in München im Stabe der Obersten SA- Führung ist.

Jetzt will ich dem Zeugen die Frage vorlegen:

Zeuge! Wollen Sie dem Gerichtshof sagen, was der »SA-Sturm zur besonderen Verwendung« gewesen ist, der in Nürnberg in der alten Samariterwache am Hallplatz Nummer 4 stationiert war? Welche Aufgabe führte er zur Unterstützung der Polizei aus?

JÜTTNER: SA-Stürme und Sturmbanne zur besonderen Verwendung hatten wir an verschiedenen Orten, meines Wissens auch in Nürnberg. Allgemeine Aufgabe dieser Einheiten war, sich zur Verfügung zu stellen im Katastrophenfalle, ferner für polizeiliche Zwecke, wenn sie von der Polizei angefordert oder von dieser als Hilfspolizisten für die Dauer des Einsatzes verpflichtet wurden. Auch im Feuerlöschdienst waren sie tätig. Im Kriege im Luftschutzdienst, zum Beispiel in Hamburg und in Westfalen. Das waren so im allgemeinen die Aufgaben der Sturmbanne zur besonderen Verwendung, die sich aus Männern zusammensetzten, die beruflich zu solchen Einsätzen in der Lage waren – zeitlich und beruflich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Im Beispiel, das wir jetzt vor uns haben, haben diese Männer unter Korn, der im Stabe der Obersten SA-Führung war, diesen Kommunisten durch die Bastonade auf seine Füße zu Tode geschlagen.

War das ein Fall der »besonderen Verwendung«, denen dieser Sturm sich in seiner Freizeit widmete? War das eine der Sonderaufgaben? Die Kommunisten im August 1933 zu erschlagen; war das eine besondere Aufgabe dieses Sturmes?

JÜTTNER: Nein! Niemals war das die Aufgabe, und wenn Korn das getan hat, dann muß er der gerechten Strafe zugeführt werden.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie müssen doch den Korn gekannt haben. Er war im Stabe der Obersten SA-Führung?

JÜTTNER: Ich habe Korn gekannt, aus dem Jahre 1934 etwa.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie haben doch dann weiter jahrelang mit Korn gearbeitet, nicht wahr?

JÜTTNER: Er war noch länger im Personalamt tätig. Von dieser Untat, von der eben hier berichtet wird, war mir nichts bekannt bis heute.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wußten bis heute nichts davon, obwohl Sie doch Stellvertretender Stabschef der SA gewesen sind? Wollen Sie dem Gerichtshof wirklich einreden, daß Sie nichts davon wußten, daß ein Mann aus dem Stab der Obersten SA-Führung in diesen schmutzigen und brutalen Mord in Nürnberg verwickelt war? Sie haben nichts davon gehört? Wollen Sie eine solche Geschichte erzählen?

JÜTTNER: Es scheint dem Herrn Vertreter der Anklage entgangen zu sein, daß ich erst ab 1939 Stellvertreter des Stabschefs war. Bis dahin war ich im Führungsamt Abteilungschef und dann Chef des Führungsamtes.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich habe nicht vergessen, was Sie zu Beginn Ihrer Aussage hier erklärt haben, daß Sie einen Bericht über die SA vom Jahre 1933 an über alle wichtigen Punkte geben könnten. Wenn das jedoch Ihre Antwort ist, will ich davon abgehen.

Ich will jetzt noch auf eine andere Behauptung von Ihnen eingehen. Schauen Sie sich Dokument 1721-PS an.

Herr Vorsitzender! Es ist ein Dokument aus dem Original-Dokumentenbuch, das die Ereignisse im November 1938 behandelt. Euer Lordschaft werden sich erinnern, daß der Zeuge gestern behauptet hat, daß das Dokument nicht echt sei.

Herr Zeuge! Ich will mit Ihnen nicht streiten, aber ich möchte Sie auf verschiedene Dinge in diesem Dokument aufmerksam machen und es dann dem Gerichtshof übergeben. Sie bestreiten nicht, daß Sie das Dokument vom 29. November 1938 geschrieben haben, dessen Abschrift das erste in der Mappe ist. Es ist das Dokument, in dem von der Übergabe des von der SA beschlagnahmten Vermögens der Juden an die Gestapo die Rede ist.

Ich habe Sie gestern dahin verstanden, daß Sie nicht bestreiten, das Dokument geschrieben zu haben, von dem ich hier die Abschrift habe. Stimmt das?

JÜTTNER: Ich habe gestern schon gesagt, daß ich dieses Dokument anerkenne.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Möchten Sie auf die untere Ecke dieses Dokuments sehen? Sie werden dort den Stempel der SA-Gruppe Kurpfalz finden. Sehen Sie das?

JÜTTNER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie über dem Stempel die Buchstaben H, W und G?

JÜTTNER: Ja, so ähnlich können sie lauten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Unten neben dem Stempel sehen Sie die Buchstaben »zdA«. Das bedeutet – wir wollen keine Zeit damit verlieren – »Zu den Akten«. Sehen Sie die Abkürzung »zdA«?

JÜTTNER: Ja, die sehe ich.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wollen Sie sich das Dokument ansehen, von dem Sie sagen, daß es nicht echt sei. Sie werden darauf denselben Stempel der SA-Gruppe Kurpfalz finden und dieselben Buchstaben H, W und G. Sehen Sie das?

JÜTTNER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Und sehen Sie – ich glaube, es ist oben auf dem zweiten Dokument, dem Dokument vom 11. – die Abkürzung »zdA« in derselben Handschrift wie auf dem ersten Dokument. Sehen Sie das »zdA« oben auf dem Dokument?

JÜTTNER: Ja, ich habe es gesehen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Jetzt möchte ich Sie noch auf zwei andere Punkte in diesem Dokument, dem Bericht an die SA-Gruppe Kurpfalz, der von einer Anzahl von Standarten handelt, aufmerksam machen. Sehen Sie die Stelle, wo es unter »Standarte 145« heißt: »Synagoge in Bensheim«, »Synagoge in Lorsch«, »Synagoge in Heppenheim«, »Synagoge in Birkenau«? Sehen Sie das nächste an. Sehen Sie, daß das nächste das »Gebetshaus in Alsbach« ist?

JÜTTNER: Welche Seite, wenn ich fragen darf?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist auf der Liste. Es nennt eine Anzahl von Standarten: die erste ist 115, und die nächste ist 145. Sehen Sie das?

JÜTTNER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sehen Sie, daß zuerst vier Synagogen genannt werden und dann das Gebetshaus in Alsbach? Sehen Sie das?

JÜTTNER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie eine Seite weiterblättern, finden Sie einen Aktenvermerk über einen fernmündlichen Anruf des Führers der Brigade 50, Darmstadt, Brigadeführer Lucke. Sehen Sie das?

JÜTTNER: Ja.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wenn Sie jetzt unten in derselben Gruppe nachschauen, werden Sie sehen, daß es dort heißt:

»Die Synagoge in Bensheim durch Brand zerstört. Die Synagoge in Lorsch bei Bensheim durch Brand zerstört. Die Synagoge in Heppenheim durch Sprengung zerstört. Die Synagogen in Rimbach und Birkenau zerstört.«

Dann heißt es doch: »Die Bethalle in Alsbach... zerstört«?

JÜTTNER: Ja, Bethalle in Alsbach.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Der gleiche Unterschied wird hier zwischen einer Synagoge und einer Bethalle gemacht, die entweder Gebetshaus oder Bethalle genannt wird. Nun, die anderen Seiten enthalten Berichte von anderen Standarten.

Herr Vorsitzender! Ich möchte nicht über diesen Punkt streiten, aber ich wollte diese Punkte aus dem Zeugen herausbringen, da er die Echtheit dieses Dokuments bestritten hat.

Nun, Zeuge, möchte ich, daß Sie mir bei Klarstellung einer anderen Sache behilflich sind. Sie wissen, daß nach diesen Zwischenfällen vom 9. und 10. November 1938 14 SA-Männer schuldig erkannt wurden, Juden getötet zu haben. Wußten Sie das? Männer in verschiedenen Rangstufen in der SA wurden schuldig erkannt, Juden getötet zu haben. Geben Sie das zu? Das Dokument mit der Entscheidung des Parteigerichts liegt dem Gerichtshof vor. Ich will damit keine Zeit verschwenden, wenn Sie einen Punkt, den ich Ihnen vorhalte, zugeben. Geben Sie zu, daß 14 SA-Männer vom Parteigericht nach dem 9. und 10. November für schuldig erkannt wurden, Juden getötet zu haben?

JÜTTNER: Ich habe dieses Dokument hier erfahren in der Gefangenschaft, in dem die 14 SA-Leute genannt sind, die Juden erschossen oder erschlagen haben sollen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun, Sie haben nicht nur einmal, sondern mehrmals behauptet, daß SA-Männer, wann immer sie schuldig erkannt wurden, Ausschreitungen begangen zu haben, bestraft worden sind. Wissen Sie, daß alle diese SA-Männer, die Juden erschlagen hatten, freigelassen worden sind? Nur solche SA-Männer wurden bestraft, die einen Raub oder einen Diebstahl begangen hatten. Es waren drei, die einen Raub und einen Diebstahl begangen hatten. Wissen Sie, daß alle diese 14 SA-Offiziere von diesem Mord freigesprochen wurden?

JÜTTNER: Ich bin überzeugt, daß sie von der SA bestraft worden sind. Die Bestrafung für die hier genannten Mordtaten war Sache der ordentlichen Gerichte. Ob sie dort bestraft worden sind, weiß ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie können meinen Worten glauben, denn das Dokument ist dem Gerichtshof vorgelegt worden. Das ordentliche Gericht sprach sie frei, weil sie unter die Parteigenossen fielen, die, von einer anständigen nationalsozialistischen Gesinnung und Haltung ausgehend, nur über das Ziel hinausgeschossen hätten. Deshalb hat sie das Parteigericht freigesprochen, wie aus seinem eigenen Dokument hervorgeht. Behaupten Sie nun noch immer, daß die Partei oder die SA Leute wegen Mißhandlung von Juden bestraft hat, nachdem diese 14 Mörder jüdischer Frauen, Kinder und Männer freigesprochen wurden mit der Begründung, daß ihr Motiv eine anständige nationalsozialistische Gesinnung gewesen sei? Behaupten Sie, daß sie bestraft wurden?

JÜTTNER: Ich bitte, mir das Dokument zu zeigen. Ich halte das für ausgeschlossen, daß die Oberste SA- Führung diese Stellungnahme eingenommen hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist das Oberste Parteigericht, der Oberste Gerichtshof der Partei, der sich aus Gauleitern zusammensetzte.

JÜTTNER: Das Oberste Parteigericht ist nicht das SA-Gericht. Das SA-Gericht...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein! Aber es ist der Oberste Gerichtshof des Nationalsozialismus, und er empfahl, diese 14 SA-Mörder freizusprechen. Wie verträgt sich das mit Ihrer Behauptung, daß ein Mord geahndet wurde?

JÜTTNER: Ich bitte, doch verstehen zu wollen, daß das Oberste Parteigericht eine Reichsinstitution der Partei war, während die SA ihr SA-Gericht hatte. Nur auf dieses SA-Gericht hatte die SA-Führung und der Stabschef – vor allen Dingen als Oberster SA-Richter – Einfluß, nicht auf das Oberste Parteigericht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Wußten Sie, Zeuge, daß der Oberste Parteigerichtshof diese 14 Mörder in der SA nach 1938 freigesprochen hat?

JÜTTNER: Das habe ich erst hier erfahren in der Gefangenschaft aus diesem Dokument.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: So? Der stellvertretende Stabschef wußte nicht, daß 14 Offiziere seiner eigenen Organisation grausame und blutige Morde begangen hatten? Wollen Sie dies dem Gerichtshof weismachen?

Ich möchte Sie noch etwas anderes fragen.

JÜTTNER: Der Stellvertreter des Stabschefs war und ist auch heute noch überzeugt, daß alle Ausschreitungen vom 9. und 10. November, soweit sie von SA- Angehörigen begangen und bekannt wurden, nicht nur von der SA, sondern auch von ordentlichen Gerichten bestraft wurden. Ich weiß aus den Worten des Stabschefs Lutze, daß er in aller Schärfe darauf bestanden hat. Daß ihm die eine oder andere Untat nicht bekannt wurde, will ich nicht bestreiten.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nun möchte ich Ihnen noch einen anderen Punkt vorhalten. Sie haben den Stabschef Röhm als einen friedliebenden, in die Kirche gehenden Mann geschildert. Ist dies der Eindruck, den Sie dem Gerichtshof vom Charakter des Stabschefs Röhm vermitteln wollen, – daß er ein friedliebender Mann war, der in die Kirche ging?

JÜTTNER: Eine Frage, deren tiefer Sinn schwer zu verstehen ist. Ich habe behauptet, Stabschef Röhm gehörte der Kirche an. Er nahm also nicht Stellung gegen die Kirche. Er war auch friedlich eingestellt, denn es ist erwiesen, und ich bin selbst Zeuge, wie er nicht nur seinen SA-Führern, sondern auch Vertretern der ausländischen Mächte gegenüber immer wieder die von ihm angestrebten freundnachbarlichen Beziehungen betont hat.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich möchte Sie bitten, sich einen Auszug aus einer Rede Hitlers vom 13. Juli 1934, 14 Tage nach dem Putsch, anzusehen.

Herr Vorsitzender! Ich habe dem Zeugen Schulthess' Geschichtskalender für 1934 vorlegen lassen. Einen Auszug werde ich zu gegebener Zeit einreichen:

Auf Seite 182 erklärte Hitler vor dem Reichstag:

»Ich muß an dieser Stelle aber für die Gegenwart und Nachwelt die Feststellung treffen, daß diese Männer überhaupt kein Recht mehr besaßen, sich auf den Nationalsozialismus der Weltanschauung zu berufen.« – Gemeint sind hier Röhm und seine Freunde. – »Ihr Leben war so schlecht geworden wie das Leben derjenigen, die wir im Jahre 1933 überwunden und abgelöst hatten. Das Auftreten dieser Männer hat es mir unmöglich gemacht, sie bei mir einzuladen oder das Haus des Stabschefs in Berlin auch nur einmal zu betreten. Was aus Deutschland im Falle eines Sieges dieser Sekte geworden wäre, ist schwerlich auszudenken.«

Nun, Zeuge, Sie wußten sehr wohl, und ich bitte Sie, es dem Gerichtshof zu sagen, warum Hitler auch nicht ein einziges Mal Röhms Haus betreten wollte?

JÜTTNER: Das lag im Ermessen von Hitler, aber nicht in meinem. Darüber kann ich keine Auskunft geben.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Sie wissen doch sicher sehr wohl, daß er der berüchtigtste Homosexuelle in Deutschland gewesen ist?

JÜTTNER: Daß er in der Hinsicht krankhaft veranlagt war, ist mir nicht unbekannt, aber ob das der Grund für Hitler war, weiß ich nicht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich bitte um Entschuldigung, ich habe vergessen, daß ich noch etwas zu erledigen hatte. Euer Lordschaft haben mich gebeten, die eidesstattliche Versicherung des Dr. Högner, des Ministerpräsidenten von Bayern, diesem Zeugen vorzulegen. Euer Lordschaft werden sich erinnern, daß Dr. Böhm sich darauf bezogen hat und Sie mir vorgeschlagen haben, sie dem Zeugen im Kreuzverhör vorzulegen. Ich glaube, der Gerichtshof hat Abschriften davon. Es ist Dokument D-930, GB-617.

VORSITZENDER: Sir David! Ich erinnere mich nicht, gesagt zu haben, daß Sie sie ihm vorlegen sollen. Ich glaube, nur gesagt zu haben, daß, wenn Sie sie ihm vorlegen, Dr. Böhm dann Gelegenheit haben würde, ihn nochmals darüber zu befragen. Wenn Sie sie nicht zum Beweis vorlegten, würde sie kein Beweismittel sein, da sie noch nicht vorliegt.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich will sie nicht vorlegen. Ich dachte jedoch, Euer Lordschaft wünschten, daß ich sie vorlege. Sie ist eine aus der Gruppe der eidesstattlichen Versicherungen, von der ich dem Gerichtshof sagte, daß ich sie sofort der Verteidigung geben würde; es handelt sich um allgemein gehaltene Erklärungen von Ministern und anderen prominenten Persönlichkeiten Deutschlands zur Widerlegung der von der Verteidigung vorgelegten Affidavits. Herr Vorsitzender! Ich war damit zufrieden, ich hatte sogar vorgeschlagen, und der Gerichtshof hat es gebilligt, daß sie bei Besprechung der Dokumente nach den Dokumenten der Verteidigung verlesen werden sollten, daß ich sie aber der Verteidigung gleich übergeben sollte, damit sie Gelegenheit hat, sie vorher einzusehen. Herr Vorsitzender! Das ist meine Stellungnahme, und ich will gern dabei bleiben.

VORSITZENDER: Wenn Sie sie verwenden wollen, dann, glaube ich, sollten Sie sie zum Beweis anbieten, damit sie formelles Beweisstück wird.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gut, Herr Vorsitzender, ich bin gern damit einverstanden. Sie werden als eidesstattliche Versicherung zum Beweis angeboten werden. Es ist nur eine Frage des Verfahrens, Herr Vorsitzender; mir ist es gleichgültig, welche... natürlich wird der Gerichtshof darüber entscheiden. Die Verteidigung legt ungefähr 300000 eidesstattliche Versicherungen vor, welche in einer Anzahl von allgemeinen eidesstattlichen Versicherungen zusammengefaßt werden. Ich habe kürzlich vorgeschlagen, daß wir gleichzeitig diese wenigen eidesstattlichen Versicherungen, die wir als Gegenbeweis haben, vorlegen sollten.

VORSITZENDER: Gut, tun Sie es dann. Legen Sie es jetzt als Beweis vor.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Gewiß, Herr Vorsitzender, ich werde das tun.

VORSITZENDER: Haben Sie noch andere Gegenbeweise außer diesen eidesstattlichen Versicherungen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Es ist diese Gruppe – hier ist, glaube ich, noch ein Zusatz; aber das ist, soweit ich weiß, alles, was wir an Gegenbeweisen haben.

VORSITZENDER: Ja! Sie werden also keine zusätzlichen Zeugen rufen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Nein, Herr Vorsitzender! Ich kann keine Erklärungen für meine Kollegen abgeben, aber soweit mir bekannt ist, nein. Ich werde das sofort feststellen lassen.

Herr Vorsitzender! Niemand von der Anklagevertretung wird irgendwelche mündliche Gegenbeweise unterbreiten.

VORSITZENDER: Sehr gut.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Dies ist die eidesstattliche Erklärung des bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Wilhelm Högner. Zunächst gibt er seine Anschrift an. Im zweiten Absatz sagt er:

»Die beiden mir vorgelegten Broschüren – Teil I und Teil II – ›Hitler und Kahr, die bayerischen Napoleongrößen von 1923. Ein im Untersuchungsausschuß des Bayerischen Landtags aufgedeckter Justizskandal‹ sind von mir verfaßt. Ich war damals Mitberichterstatter des Untersuchungsausschusses des Bayerischen Landtags über den Hitler-Putsch von 1923. Sämtliche in diesen Broschüren angeführten Tatsachen stammen aus Gerichtsakten, die ich persönlich durchgearbeitet und von denen ich mir Auszüge gemacht habe. Das gilt insbesondere auch für die in den Broschüren zum Teil wörtlich aufgeführten militärischen Befehle und Anordnungen.«

Und dann, Herr Vorsitzender, gibt er einen langen Bericht über die ungesetzlichen Taten und Gewaltakte der SA von 1921 bis 1933. Herr Vorsitzender! Das ist ein langer Absatz; dann fährt er fort und schildert die Ereignisse in den Jahren 1933 und 1934.

»Die SA hat sich auch später in ihrem Auftreten nicht geändert. Besonders seit 1930 tat sie sich in Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern durch ihre Gewalttätigkeit und Rücksichtslosigkeit hervor. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten brach sie als schwerbewaffnete Horde in die Wohnungen politischer Gegner ein, mißhandelte und verhaftete sie. Es ist mir bekannt, daß die SA auch bei den Judenverfolgungen im April 1933 eine üble Rolle spielte. Das gleiche war bei der Besetzung der Gewerkschaftshäuser am 2. Mai 1933 der Fall. Schon vorher allerdings war der Vorsitzende der Münchener Gewerkschaften, Gustav Schiefer, von Angehörigen der SA im Gewerkschaftshaus überfallen und so schwer mißhandelt worden, daß er lange Zeit in einem Krankenhaus weilen mußte.«

Dann, Herr Vorsitzender, fährt er im nächsten Absatz mit einigen weiteren Angaben über die SS fort. Im vor vorletzten Absatz heißt es dann:

»Vor meinem Weggang aus Deutschland waren im Konzentrationslager Dachau – glaublich im Mai 1933 – die früheren kommunistischen Landtagsabgeordneten Dressel und Schlaffer ermordet worden. Ob von SS oder SA, ist mir nicht sicher erinnerlich. Ich weiß den Vorfall deshalb sehr genau, weil ich mich deswegen beim Reichsjustizminister Dr. Gürtner, Berlin, beschwert habe.«

Dann erinnert er an einen Zwischenfall, wo die SS jemand anderen ermordet hat. Dann sagt er:

»Die groben Ausschreitungen der SA und der SS im Dienste der NSDAP vollzogen sich derart vor aller Öffentlichkeit, daß die gesamte Bevölkerung darüber unterrichtet war. Jeder, der zu diesen Organisationen als Mitglied ging, war über derartige Ausschreitungen unterrichtet.«

VORSITZENDER: Gibt er an, wann er Deutschland verlassen hat?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich glaube nicht, daß er das tut.

VORSITZENDER: Das ist doch ziemlich wichtig, nicht wahr?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich werde dies noch klären lassen. Euer Lordschaft haben natürlich vollständig recht. Wir sollten das niedergelegt haben, wann er Deutschland verlassen hat.

VORSITZENDER: Man sollte vielleicht aus diesem Dokument schließen, daß es sich nur auf 1933 bezieht.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Herr Präsident, er sagt:

»Unmittelbar nach der Machtergreifung hat die SA« –

und so weiter. Das war am Anfang, und dann geht er weiter bis zu Mai 1933 und spricht über die Gewerkschaften. Aber Sie haben ganz recht, Euer Lordschaft, es ist kein bestimmtes Datum nach 1933 angegeben. Ich werde diesen Punkt noch klären. Vielen Dank, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Herr Dr. Böhm! Wäre es nicht vielleicht gut, wenn Sie mit Ihrem Wiederverhör warten, bis Dr. Seidl seine Fragen gestellt hat, wenn er solche stellen will?

RA. BÖHM: Gewiß, ich möchte nur noch eine Anregung vorausgeben. Die Erklärung des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Högner ist auf meine Veranlassung, wie ich vorhin entnommen habe, vorgelegt worden. Und ich würde nun bitten, daß auch die Erklärungen des Generalstaatsanwalts beim Oberlandesgericht in Braunschweig und die Erklärung des Herrn Dr. Schumacher und die Erklärung des Herrn Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt Braunschweig gleichfalls hier mit eingeführt werden. Es sind das eidesstattliche Versicherungen, die mir mit der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Dr. Högner in mein Fach gelegt worden sind.

VORSITZENDER: Sie wollen also, daß wir die übrigen sieben eidesstattlichen Erklärungen, welche Ihnen gleichzeitig übergeben wurden, mit in Betracht ziehen?

RA. BÖHM: Gewiß. Nach dem Verhandlungsgang habe ich jetzt erfahren, daß die eidesstattliche Versicherung des Herrn Dr. Högner deshalb eingeführt worden ist, weil ich gestern darauf Bezug genommen habe. Nun sind diese weiteren eidesstattlichen Versicherungen, die eine Reihe entlastendes Material beinhalten, zur gleichen Zeit mir zugänglich gemacht worden beziehungsweise in mein Fach gelegt worden; ich würde den Herrn Vertreter der Anklage bitten, auch die eben genannten eidesstattlichen Erklärungen mit in Vorlage zu bringen beziehungsweise jetzt mit in den Prozeß einzuführen, damit ich noch Gelegenheit habe, im Rahmen der Beweisaufnahme zu dem Inhalt dieser eidesstattlichen Versicherungen durch den Zeugen Stellung nehmen zu lassen.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Herr Vorsitzender! Ich habe natürlich nichts dagegen einzuwenden, daß Dr. Böhm diese Dokumente vorlegt. Wir haben ihm, glaube ich, alle zur Verfügung gestellt, gleichgültig, ob wir uns zu ihrer Verwendung entschlossen haben oder nicht. Einige davon waren nicht in Form von eidesstattlichen Erklärungen, und wir haben deshalb von ihrer Verwendung Abstand genommen. Wenn Herr Dr. Böhm glaubt, daß er Dokumente, die die Anklagevertretung hat, verwerten kann, haben wir natürlich keine Einwendung gegen deren Verwendung.

RA. BÖHM: Herr Präsident...

VORSITZENDER: Dr. Böhm! Sie können diese eidesstattlichen Versicherungen oder andere Dokumente als Beweise anbieten, wenn Sie wollen.

RA. BÖHM: Jawohl. Ich bin also wohl in der Lage, im Rahmen dieses Beweisverfahrens auf diese eidesstattlichen Versicherungen Bezug zu nehmen.

VORSITZENDER: Aber zum Zwecke der Protokollierung müssen Sie sie als Beweismaterial vorlegen und mit den entsprechenden Beweisstücknummern versehen.

RA. BÖHM: Jawohl.

DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DER ANGEKLAGTEN HESS UND FRANK: Herr Präsident! Die Anklage hat gestern ein neues Dokument vorgelegt, GB-602, ein Schreiben des Befehlshabers der Sicherheitspolizei im Generalgouvernement an den Angeklagten Dr. Frank.

VORSITZENDER: Wie lautet die andere Nummer des Dokuments? Sie sagten GB-602. Es muß noch ein anderes Kennzeichen vorhanden sein.

DR. SEIDL: Nummer D-970. Es ist das Schreiben des Befehlshabers der Sicherheitspolizei im Generalgouvernement an den Angeklagten Dr. Frank vom 25. September 1944. Aus dem Dokument selbst ergibt sich, daß es eine Anlage ist, und ich stelle den Antrag, das zu diesem Dokument gehörige Aktenstück, nämlich einen Auszug aus dem Tagebuch Franks, das sehr kurz ist, verlesen zu dürfen.

VORSITZENDER: Jawohl, wenn es sich auf dieses Dokument bezieht.

DR. SEIDL: Es handelt sich um den Eintrag vom Dienstag, den 26. September 1944: »Besprechung mit Staatssekretär Dr. Bühler...« und anderen Personen. In dieser Besprechung wird zunächst zu der Erschießung des Priors des Karmeliter-Klosters Czerna Stellung genommen.

»Da der vom Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD im Generalgouvernement über diesen Vorfall erstattete Bericht« – das ist der Bericht von der Anklage – »nach Meinung des Herrn Generalgouverneurs Unklarheiten enthält und die Staatspolizeistelle Kattowitz selber ›die Gewähr übernehmen will, daß in Zukunft nicht SA-Männer, sondern Polizeibeamte derartige Unternehmen durchführen,‹ beauftragte der Herr Generalgouverneur den Ersten Staatsanwalt Rother mit einer eingehenden Untersuchung dieses Falles.«

Aus dem Tagebuch ergibt sich nun nicht, was mit diesen SA-Leuten geschehen ist, und ich habe daher eine eidesstattliche Versicherung des Angeklagten Frank aufgenommen, von der ich bitte, daß ich sie hier als Beweisstück vorlegen darf; sie ist sehr kurz. Aus ihr ergibt sich, daß die Leute vor Gericht gestellt und schwer bestraft wurden.

VORSITZENDER: Bieten Sie die eidesstattliche Versicherung als Beweisstück an?

DR. SEIDL: Ich will diese eidesstattliche Versicherung als Beweisstück Nummer Frank-25 anbieten.

VORSITZENDER: Ist das das einzige, oder haben Sie noch andere Dokumente, die Sie als Beweisstücke vorlegen wollen?

DR. SEIDL: Das ist das einzige neue Dokument, das ich als Beweis anbieten will.

VORSITZENDER: Gut. Wir können es ebensogut gleich einreichen, und Sie werden es als Beweisstück Nummer Frank-25 vorlegen. Sie haben uns jedoch nicht...

DR. SEIDL: Frank-25.

VORSITZENDER: Haben Sie die Stelle im Tagebuch des Angeklagten Frank bezeichnet, die Sie soeben verlesen haben?

DR. SEIDL: Es ist ein Eintrag vom 26. September 1944.

VORSITZENDER: Wurde dieser bereits als Beweis vorgelegt? Es ist mir bekannt, daß einige Stellen aus dem Tagebuch vorgelegt wurden. Ist aber diese Stelle bereits als Beweismaterial vorgelegt worden?

DR. SEIDL: Es ist ein Teil des Dokuments GB-602.

VORSITZENDER: Wollen Sie das bitte wiederholen? Was war die Nummer des Schriftstücks?

DR. SEIDL: GB-602.

VORSITZENDER: Das ist nicht das Tagebuch von Frank, oder doch? GB-602?

DR. SEIDL: Nein, aber das von der Anklagebehörde vorgelegte Schreiben des Befehlshabers der Sicherheitspolizei.

VORSITZENDER: Das ist mir bekannt. Ich habe nach der Nummer gefragt, die die Tagebucheintragung des Angeklagten Frank vom 26. September 1944 hat, wenn sie überhaupt schon eine Beweisstücknummer erhalten hat.

DR. SEIDL: Die hat die Nummer Frank-10, nachdem ich das ganze Tagebuch unter dieser Nummer als Beweismittel vorgelegt habe.

VORSITZENDER: Gut.

MR. DODD: Herr Vorsitzender! Ich habe nicht die Absicht, gegen die Vorlage dieser eidesstattlichen Versicherung Einspruch zu erheben; ich möchte aber bemerken, daß, falls von anderen Angeklagten andere eidesstattliche Versicherungen vorgelegt werden, die Anklagebehörde notfalls von dem Recht des Kreuzverhörs Gebrauch machen wird. Die Notwendigkeit eines solchen Kreuzverhörs kann eintreten, wenn die Angeklagten versuchen, weiteres Beweismaterial zu ihren Gunsten unter dem Vorwand von eidesstattlichen Erklärungen vorzulegen.

DR. SEIDL: Herr Präsident! Ich hatte zunächst die Absicht, den Antrag zu stellen, den Angeklagten Frank nochmals im Zeugenstand darüber vernehmen zu dürfen. Wenn ich eine eidesstattliche Versicherung vorlege, so geschieht das aus Zeitersparnis und aus keinem anderen Grunde. Mir wäre der erstere Weg der sympathischere.

MR. DODD: Ich bin nicht durchaus sicher, Herr Vorsitzender, daß dies geschieht, um Zeit zu sparen. Ich habe vielmehr das Gefühl, daß es mehr im Interesse einer Verlängerung der Zeit erfolgt.

VORSITZENDER: Wir brauchen darüber nichts weiter zu hören, Dr. Seidl. Wir haben das Dokument zugelassen.

DR. SEIDL: Ich darf annehmen, daß ich auch die sehr kurze eidesstattliche Versicherung in das Protokoll verlesen darf, nachdem das Beweisstück Nummer 602 auch in das Protokoll verlesen wurde.

VORSITZENDER: Haben Sie es noch nicht verlesen? Verlesen Sie es zur Aufnahme ins Protokoll, wenn Sie sagen, daß es kurz ist.

DR. SEIDL: Ich zitiere:

»In der zweiten Hälfte des September 1944 wurde mir von dem Gouverneur Dr. von Burgsdorff gemeldet, daß der Prior des Karmeliter-Klosters Czerna unter Umständen ums Leben gekommen war, die den Verdacht einer strafbaren Handlung nahelegten. Ich habe sofort die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und gegebenenfalls die Strafverfolgung angeordnet. Im Zuge dieses Ermittlungsverfahrens erstattete der Befehlshaber der Sicherheitspolizei im Generalgouvernement am 25. September 1944 einen Bericht, der nunmehr von der Anklagevertretung unter der Nr. D-970 als Beweisstück GB-602 vorgelegt wurde. Dieser Bericht bildete auch den Gegenstand einer Besprechung, die ich am 26. September 1944 mit den Staatssekretären Dr. Bühler und Koppe und anderen höheren Beamten hatte und in deren Verlauf ich den ersten Staatsanwalt Rother mit einer eingehenden Untersuchung des Falles beauftragte. – Die weiteren Ermittlungen haben ergeben, daß die in dem Bericht vom 25. September 1944 (GB-602) erwähnten SA-Männer nicht zu einer SA-Einheit des Generalgouvernements gehörten. Wie sich schon aus dem Bericht vom 25. September 1944 ergibt, lag das Kloster Czerna zwar noch innerhalb der Grenzen des Generalgouvernements, die ganze Gegend unterstand jedoch auf Grund eines Führerbefehls vom Sommer 1944 in Bezug auf Zoll-, Polizei- und Militärverwaltung der benachbarten Provinz Oberschlesien und damit dem Reich. Der Befehl des Führers war im Zusammenhang mit den damals durchzuführenden Befestigungsarbeiten im Osten erteilt worden. Daraus erklärt es sich – was sich ebenfalls aus dem Dokument GB-602 ergibt – daß die Ermittlungen von der Staatspolizeistelle Kattowitz, also von einer im Reichsgebiet gelegenen Staatspolizeistelle, geführt wurden. Ilkenau lag nicht im Generalgouvernement, sondern im Reich (Oberschlesien).

Die Ermittlungen haben weiter ergeben, daß die beteiligten SA-Männer nicht von einer höheren SA- Dienststelle in Dienst genommen waren, sondern von dem Baustab Kattowitz (Oberschlesien). In diesem Kommando sind nicht nur SA-Männer, sondern auch Angehörige anderer Organisationen, wie zum Beispiel Volkssturmmänner, eingesetzt worden.

Auf Grund der von dem Staatsanwalt Rother durchgeführten Ermittlungen wurde gegen mehrere SA-Männer in Kattowitz ein Strafverfahren eingeleitet. Mir wurde später gemeldet, daß dieses Verfahren mit der Verurteilung mehrerer Angeklagter zu schwersten Strafen geendet hat.«

gezeichnet »Dr. Hans Frank«.

VORSITZENDER: Nun, Dr. Böhm, wünschen Sie den Zeugen ins Rückverhör zu nehmen?

DR. SEIDL: Ich will keine weiteren Fragen stellen, sondern die Aufmerksamkeit des Tribunals auf ein Dokument, und zwar auch im Namen des Angeklagten Frank, lenken, das heute vorgelegt wurde, GB-615, Dokument D-923. Aus dem Bericht des Angeklagten Frank vom 6. September 1933 ergibt sich, und zwar in Ziffer 3, daß der Angeklagte mit aller Schärfe die Strafverfolgung der beschuldigten SA- Führer verlangt hat und daß er sogar anordnete...

VORSITZENDER: Der Gerichtshof hat dieses Dokument schon zur Kenntnis genommen, und es ist nicht notwendig, daß der Verteidiger des Angeklagten Frank uns noch einmal darauf hinweist. Der Gerichtshof wird das Dokument in Betracht ziehen.

DR. SEIDL: Für den Angeklagten Rudolf Heß bitte ich, den Antrag stellen zu dürfen, daß der Anklagevertretung aufgegeben wird, das Antwortschreiben des Stellvertreters des Führers zu dem Dokument 784-PS mir zugänglich zu machen. Es ist das der Brief des Reichsministers der Justiz an den Stellvertreter des Führers vom 5. Juni 1935. Aus dem mir übergebenen Aktenstück ergibt sich nicht, was zwischen diesem Schreiben und der späteren Entscheidung Hitlers in diesem Verfahren geschehen ist. Es ergibt sich insbesondere nicht die Stellungnahme, die Heß damals selbst eingenommen hat.

VORSITZENDER: Haben Sie das Dokument nicht bekommen? Sie sprechen vom Dokument 784-PS und bitten, daß wir ein anderes Dokument auch noch zur Kenntnis nehmen. Haben Sie dieses Dokument erhalten?

DR. SEIDL: Nein, das habe ich nicht. Aber ich möchte das Gericht bitten, daß der Anklagevertretung der Auftrag gegeben wird, die Antwort des Angeklagten Heß auf dieses Dokument mir zugänglich zu machen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird die Anklagebehörde beauftragen, das Dokument vorzulegen, wenn sie es hat.

OBERSTLEUTNANT J.M.G. GRIFFITH-JONES, HILFSANKLÄGER FÜR DAS VEREINIGTE KÖNIGREICH: Das wird geschehen, Herr Präsident. Ich kann jedoch augenblicklich nicht angeben, ob wir das Dokument haben oder nicht. Wenn wir es haben, wird es geschehen.

VORSITZENDER: Sehr gut. Nun, Dr. Böhm, haben Sie weitere Fragen? Glauben Sie, daß wir bis 1.00 Uhr fertig werden können?

RA. BÖHM: Das ist ausgeschlossen, Herr Präsident.

VORSITZENDER: Werden Sie bald darnach fertig sein?

RA. BÖHM: Nein. Ich glaube, daß diese Einvernahme nach diesem Kreuzverhör vielleicht drei Stunden dauert. Es ist eine Reihe neuer Dokumente vorgelegt worden.

VORSITZENDER: Sehr wohl. Wir hoffen, daß sie erheblich sein werden.

RA. BÖHM: Herr Zeuge! Die erste Frage, die gestern der Vertreter der Anklagebehörde an Sie gestellt hat, war die, ob Sie sich...

VORSITZENDER: Herr Dr. Böhm! Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß es unbillig ist, drei Stunden für das nochmalige Verhör in Anspruch zu nehmen. Sie müssen sich vor Augen halten, daß im Wiederverhör keine Suggestivfragen vorgelegt werden dürfen; das ist die erste Vorschrift, und eine weitere Vorschrift besagt, daß im Wiederverhör nur solche Fragen gestellt werden dürfen, die aus dem Kreuzverhör entstehen, und keine neuen Beweise vorgebracht werden dürfen, die im Kreuzverhör noch nicht berührt worden sind. An diese Vorschriften werden Sie sich genau zu halten haben.

RA. BÖHM: Ich glaube, daß sich das Kreuzverhör, wie es von der Anklage geführt worden ist, mit einer Reihe von neuen Sachen beschäftigt, insbesondere mit Sachen, die heute und gestern nachmittag neu eingeführt worden sind.

VORSITZENDER: Ich will keine Erörterungen von Ihnen hören. Ich habe Ihnen die Vorschriften des Gerichtshofs bekanntgegeben. Wenn sich Ihre Fragen aus dem Kreuzverhör ergeben, sind sie zulässig, wenn nicht, sind sie nicht zulässig. Wollen Sie bitte in Ihrem Wiederverhör fortfahren?

RA. BÖHM: Herr Zeuge! Die erste Frage, die gestern an Sie gestellt worden ist von der Anklage, war, ob Sie sich – ich nehme an, daß in diesem Falle Sie persönlich beziehungsweise als SA-Führer und damit auch die ganze SA – mit der Behandlung von Menschen beschäftigt haben, die außerhalb der Reichsgrenzen lebten.

JÜTTNER: Nein, mit der Behandlung solcher Menschen hat die SA-Führung sich nicht beschäftigt, es sei denn, daß Deutsche außerhalb der Reichsgrenzen tätig waren, die der SA angehörten.

RA.BÖHM: Es wurde gestern ein vertraulicher Bericht der Obersten SA-Führung in Form eines dritten Berichts über die Tätigkeit der SA im Kriege neu vorgelegt, und es wurde von der Anklage im Zusammenhange mit diesem Bericht behauptet, daß sein Inhalt sich bezöge auf die letzten Wochen vor dem 23. Juni 1941, das ist nämlich der Tag der Erstellung dieses Berichts.

Ich möchte Sie nun fragen, ob es richtig ist, daß der Beginn dieses Berichts unter Ziffer 1 auf der ersten Seite »Die gesamte Arbeit der SA ist von Anbeginn des Krieges...« und auf Seite 2 die letzten vier Zeilen »An Auszeichnungen, die auf die SA entfallen...«

VORSITZENDER: Haben Sie uns die Nummer dieses Dokuments angegeben?

RA. BÖHM: Es ist das erste Dokument, das gestern vorgelegt worden ist, 4011-PS, auf Seite 1 die erste Zeile und auf Seite 2 die letzten vier Zeilen. Wenn ich dann weiter fortfahren darf.

VORSITZENDER: Ich wollte nur die Kennzeichnung des Dokuments haben. Fahren Sie fort!

RA. BÖHM:

»An Auszeichnungen, die auf die SA entfallen, konnten bisher festgestellt werden: 21 Ritterkreuze des E. K., 31125 E. K. II und E. K. I.«

Ist es richtig, wenn ich sage, daß daraus hervorgeht, daß die Behauptung der Anklage, es handle sich in dem Bericht nur um den Bericht über Wochen vor dem 23. Juni 1941, falsch ist? Ist es richtig, wenn ich daraus entnehme, daß es sich bei dem dritten Bericht über die Tätigkeit der SA im Kriege um einen Bericht handelte, der seinen Ausgangspunkt nimmt mit der Tätigkeit, die die SA entfaltet hat am 1. September 1939?

JÜTTNER: Diese Berichte sind immer zusammenfassende Berichte gewesen. Der dritte Bericht – ich glaube, ich habe ihn sogar selbst unterschrieben – ist eine Zusammenfassung der Betätigung der SA vom Kriegsbeginn bis zur Berichterstattung.

RA. BÖHM: Die Anklage hat gestern behauptet, daß es sich bei der Tätigkeit der SA im Hinterlande um eine Tätigkeit der SA im besetzten Gebiet gehandelt habe. Wenn Sie, Herr Jüttner, auf Seite 4 dieses Berichts mitlesen, daß nämlich bei der Hochwasserkatastrophe an der Elbe im Frühjahr 1941 zum Beispiel die SA-Pionier-Einheiten, die als erste zur Hilfeleistung zur Stelle waren und mittels ihres schwimmenden Gerätes Menschen und Tiere vor dem Untergang retteten, kann man dann aus dieser Darstellung wohl annehmen, daß das, was Sie unter »Hinterland« bezeichneten, innerhalb der Reichsgrenzen gewesen ist?

JÜTTNER: Mit »Hinterland« war die Heimat gemeint.

RA. BÖHM: Dann schlagen Sie bitte auf Seite 5 des gleichen Berichts auf.

JÜTTNER: Ich hatte es gestern vorgelegt.

RA. BÖHM: Dann will ich es Ihnen vorlesen. Auf Seite 5 des gleichen Berichts:

»Der DAF wurden zahlreiche SA-Führer und Unterführer für ihre Aufgaben innerhalb der Organisation Todt zur Verfügung gestellt.

Behördliche Anforderungen erfüllte die SA ebenfalls in weitem Umfange..., z.B. im Grenzaufsichtsdienst...«

Geht daraus nicht klar hervor, daß die SA aus der Kommandogewalt der Obersten SA-Führung ausgeschieden und wie sonst eingezogene deutsche Volksgenossen in Erfüllung einer Aufgabe anderen Befehls- beziehungsweise Verwaltungsstellen unterstellt worden ist?

JÜTTNER: Bei all diesen Dienstleistungen haben wir die Männer freigegeben von der SA. Wir haben sie nicht angeboten, sondern freigegeben. Die betreffenden Dienststellen der Organisation Todt oder auch Behörden haben solche Männer ausgehoben, wollten sie für sich verpflichten und fragten dann bei der SA an, ob sie entbehrlich seien.

VORSITZENDER: Das hat der Zeuge schon ausgesagt, nicht wahr? Er hat im Kreuzverhör schon angegeben, daß diese Leute, wenn sie außerhalb des Reiches verwendet worden sind, nicht als SA-Leute in SA-Einheiten tätig waren.

JÜTTNER: Auch innerhalb des Reiches war es so.

RA. BÖHM: Was ich gefragt habe, mußte einer Frage vorausgehen, die jetzt kommen soll.

Ich möchte Sie jetzt fragen, Herr Jüttner, waren die gleichen Voraussetzungen nicht auch gegeben bei Ihrer Mitteilung über die 21 Gruppen SA-Männer, die zur Bewachung von Gefangenen eingesetzt worden sind?

VORSITZENDER: Auch das hat der Zeuge bereits gesagt, Dr. Böhm. Er hat schon gesagt, daß alle Tätigkeiten, von denen in diesem Bericht die Rede ist, soweit sie von SA-Männern durchgeführt wurden, nicht auf Befehl von SA-Männer oder SA-Einheiten durchgeführt wurden.

RA. BÖHM: Jawohl.

VORSITZENDER: Wir werden uns jetzt vertagen.