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[Pause von 10 Minuten.]

RA. BÖHM: Herr Präsident! Ich habe jetzt nur noch vier Fragen, die sich mit dem Affidavit von Herrn. Ministerpräsident Dr. Högner, das gestern vorgelegt worden ist, beschäftigen. Und das sind die letzten Fragen.

Herr Zeuge! In der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Ministerpräsidenten Dr. Högner, die gestern hier verlesen worden ist, heißt es:

»Bereits im Jahre 1922 – ich glaube, es war der sogenannte ›Deutsche Tag von Coburg‹ – beherrschte die SA mit ihren bewaffneten Banden die Straße, machte Überfälle auf die friedliche Bevölkerung – insbesondere auf politisch anders Denkende – und fuhr in Lastwagen zu allen Veranstaltungen der nationalsozialistischen Bewegung.«

Ich möchte Sie nun fragen: Wie lagen die Verhältnisse in Coburg, und wie spielten sich dort die Ereignisse ab? Wer überfiel wen? Bitte fassen Sie sich kurz.

JÜTTNER: Ich habe an dem erstmaligen Heraustreten der SA außerhalb Münchens am Deutschen Tag von Coburg nicht teilgenommen, bin aber durch eine Reihe von Mitarbeitern, die Teilnehmer waren, genau unterrichtet. Lange Zeit vorher schon forderte die gegnerische Fresse dazu auf, diesen SA-Aufmarsch zu verhindern und hetzte dagegen. Bereits bei Abfahrt der Transporte in München kam es zu Zusammenstößen, und die Polizei nahm Durchsuchungen der abfahrenden SA auf Waffen vor. Das gleiche geschah bei dem Eintreffen der Transporte in Coburg. In Coburg war eine Mehrheit der politischen Gegner, SPD und so weiter; die SA war weit in der Minderheit. Daß es dort nicht zu größeren Auseinandersetzungen gekommen ist, ist ausschließlich ihrem disziplinierten Verhalten zuzuschreiben.

Dafür ist gerade Coburg ein klassisches Beispiel. Die Überfälle wurden nicht nur von den Coburger politischen Gegnern, sondern auch von den auswärts Zugeströmten, die sich in größerer Übermacht gegenüber der Stärke der SA befanden, begonnen und durchgeführt.

RA. BÖHM: Dr. Högner sagt in seiner eidesstattlichen Erklärung dann weiter:

»Das Auftreten der SA war umso gefährlicher, als sie selbst von der Reichswehr als eine Art Hilfstruppe ausgebildet wurde und teils eigene geheime Waffenlager besaß, teils Zugang zu den geheimen Waffenlagern der Reichswehr hatte.«

Ist das richtig?

JÜTTNER: Diese Behauptung ist mir geradezu unverständlich. Die Reichswehr hat damals mit Zustimmung der Regierung Ausbildung betrieben, nämlich für Grenzschutzzwecke, besonders nach den Aufständen an der polnischen Grenze zum Schutze der Landesgrenzen. Die Männer, die zur Ausbildung herangezogen waren, wurden aus den Verbänden entnommen: »Stahlhelm«, »Jung-Deutscher Orden«, »Reichsbanner«. Nur eine Organisation war zu dieser Ausbildung nicht zugelassen, das war nämlich die SA, und zwar hauptsächlich auf Betreiben der Zivilbehörden, die meiner Erinnerung nach Herrn Dr. Högners Partei damals außerordentlich nahestanden. Zweitens hat die Reichswehr ebenfalls für die Grenzschutzaufgaben Waffenlager gehalten, und diese Waffenlager hat sie streng geheimgehalten, mit Recht, weil in Deutschland überall Aufstände und Aufruhr – ich denke an Braunschweig, Hamburg und so weiter – aufflackerten, damit diese Waffen nicht in die Hände von Unbefugten fielen. Bei dem Polenaufstand, wo ich selbst in einem Freikorps teilgenommen habe, wurde eines dieser Lager auch mit Zustimmung der dort vorhandenen Interalliierten Kommission benutzt, von der ein englischer Offizier mir besonders nahestand aus dem vorigen Kriege und der uns in der ritterlichsten Form unterstützte. Es ist eigenartig, daß Herr Dr. Högner diese Waffenlager auf die SA überträgt, obwohl er doch eigentlich wissen mußte, daß sein ihm nahestehender Minister Noske die Zustimmung zur Anlegung dieser Lager von der Reichswehr gegeben hat. Drittens habe ich dazu zu sagen, daß zwischen SA und Reichswehr eine außerordentliche Spannung bestand. Das weiß ich von Generaloberst Heye, der der Nachfolger von Generaloberst Seeckt war und den ich aus dem vorigen Kriege her gut kenne. Es geht auch daraus hervor, daß der General von Lossow im November 1923 der General war, der die Aktion in München, die von der SA mitgetragen wurde, zum Scheitern brachte. Es geht aber auch daraus hervor, daß der Generaloberst von Seeckt stark gegen die NSDAP eingestellt war. Das hätte Herr Högner auch wissen müssen, denn über diese Frage hat dann später...

VORSITZENDER: Das ist Auffassungssache.

RA. BÖHM: Das genügt. Meine Frage war nur, ob Sie zu diesen Lagern – wenn diese Lager überhaupt als geheime Reichswehrlager vorhanden waren – Zugang hatten?

JÜTTNER: Nein, kam gar nicht in Frage. Darf ich fortfahren?

RA. BÖHM: Das genügt. Dr. Högner hat in seinem Affidavit dann weiter behauptet, daß am 9. November 1923 Ludendorff in Aussicht genommen war, den Nationalkrieg zu entfesseln. Was ist Ihnen davon bekannt?

JÜTTNER: Ich bitte um Entschuldigung, aber so etwas kann eigentlich nur ein Phantast behaupten. General Ludendorff hat nach dem vorigen Kriege sich für einen freundschaftlichen Ausgleich...

VORSITZENDER: Es genügt, wenn der Zeuge Ihre Frage mit Nein beantwortet. Die Erklärungen sind nichtig.

RA. BÖHM: Jawohl, Herr Präsident!