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[Pause von 10 Minuten.]

RA. BÖHM: Herr Vorsitzender! Im Zusammenhang mit dem Reiterkorps möchte ich Bezug nehmen auf die eidesstattlichen Versicherungen Nummer 1 bis 5, die sich mit der Bestimmung, dem Aufbau und der Organisation des Reiterkorps beschäftigen. Nummer 6 und 7 bestätigen die Tätigkeit in Verbindung mit der Pferdezucht, Pferdepflege und der Fahrausbildung.

Daß das Reiterkorps sich in keiner Weise verbrecherisch betätigt hat und auch ohne verbrecherischen Charakter war, sollen die eidesstattlichen Versicherungen Nummer 9, 11, 12, 13, 86, 71, 72, 73, 74, 19 bis 24, 87 und 88 beweisen. Daß das Reiterkorps in keinem Zusammenhang mit der Wehrmacht stand und daß auch aus dem Pferdematerial des Reiterkorps kein Ersatz für die Wehrmacht entnommen worden ist, sollen beweisen die eidesstattlichen Versicherungen 11, 13, 86; daß das Reiterkorps bei der Machtergreifung nicht beteiligt war, die eidesstattlichen Versicherungen 71 bis 74; und daß keine Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt wurden, die eidesstattlichen Versicherungen 19 bis 24, 87 und 88.

Die Stellungnahme der Angehörigen des Reiterkorps in der Judenfrage soll bewiesen werden durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen 19, 20, 21 und 88. Zur Kirchenfrage durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherungen 22 und 23 und dazu, daß zwischen dem Reiterkorps und der NSDAP politische Meinungsverschiedenheiten bestanden, die eidesstattlichen Versicherungen 25 und 29; ja, daß die Parteiführung dem Reiterkorps mißtrauisch gegenübergestanden ist, die eidesstattlichen Versicherungen 31 und 85; und daß der Reiterkorpsangehörige kaum auf den Gedanken hätte kommen können, mit der Zugehörigkeit zum NS-Reiterkorps einer Verbrecherorganisation angehört zu haben, die eidesstattlichen Versicherungen 76, 34, 77, 33 und 35.

Und zum Schluß möchte ich noch eine kurze Zusammenstellung geben, die sich auf die einzelnen Zonen und auf die einzelnen Gegenden Deutschlands beziehen, und zwar die Verhältnisse in der englischen Zone im Zusammenhang mit dem Reiterkorps.

Im Rheinland beweisen die eidesstattlichen Versicherungen NSRK-37, 38, 39, 40, 78; in Westfalen: 41, 42, 79; in Hannover: 43, 44, 45; in Oldenburg: 46; in Ost-Friesland: 47; in Bremen, Hamburg, Holstein: 48.

In der amerikanischen Zone: für Bayern die eidesstattlichen Versicherungen 49, 50, 51; Württemberg: 52, 53, 54; Hessen: 55, 56, 57, 80; Baden: 58, 59, 60; Oberschwaben: 61 und 62 und Pfalz: 63.

Französisches Rheingebiet: 81 und für die russische Zone: Sachsen: Nummer 64; Thüringen: 65; Ostpreußen: 66 und 67; Berlin-Brandenburg: Nummer 82; Pommern, Mecklenburg: Nummer 83; Schlesien: 84.

Herr Vorsitzender! Ich möchte nun noch zwei Anträge stellen; den einen Antrag, daß die von dem Herrn Vertreter der Anklage vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen von Dr. Kurt Schumacher und vom Generalstaatsanwalt Dr. Stapff von Braunschweig von mir eingeführt werden dürfen. Ich würde bitten, dann der eidesstattlichen Versicherung von Dr. Kurt Schumacher die Nummer SA-91 zu geben und der eidesstattlichen Versicherung des Herrn Generalstaatsanwalts Dr. Stapff von Braunschweig die Nummer SA-92 zu geben.

VORSITZENDER: Sind sie von der Anklage bereits als Beweismittel vorgelegt worden?

RA. BÖHM: Sie sind als Beweismittel noch nicht vorgelegt; aber ich möchte sie in diesem Prozeß einführen. Ob sie von der Anklage vorgelegt werden, weiß ich nicht; ich glaube jedenfalls wesentliches entlastendes Material in diesen eidesstattlichen Versicherungen, die nicht ich, sondern die Herren Vertreter der Anklage veranlaßt haben, zu finden.

VORSITZENDER: Warum berufen Sie sich dann auf die Anklagebehörde?

RA. BÖHM: Die Anklagebehörde hat diese eidesstattlichen Versicherungen im Original, Herr Vorsitzender. Ich habe nur eine Abschrift dieser eidesstattlichen Versicherungen in mein Fach gelegt bekommen und auf diese Art und Weise Kenntnis erhalten. Ich muß das betonen, weil ich in diesem Zusammenhang die Anklage bitten muß, mir die Originale zu geben, damit ich sie vorlegen kann.

VORSITZENDER: Ja, gut, Sir David, haben Sie Einwendungen dagegen?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Das waren die Affidavits, auf die wir uns am Ende der Beweisaufnahme des Zeugen Jüttner bezogen haben. Wie ich dem Gerichtshof bereits gesagt habe, Euer Lordschaft, haben wir den Vorschlag gemacht, gewisse Affidavits als Gegenbeweis vorzulegen. Diese beiden Affidavits wollten wir nicht verwenden, aber wir haben der Verteidigung Abschriften gegeben, und ich sagte, daß ich nichts dagegen habe, daß die Verteidigung diese Dokumente verwendet, wenn sie es wünscht. Falls sie glaubt, daß sie ihr irgendwie nützen können, dann kann sie, soweit es von der Anklagebehörde abhängt, sie verwenden. So steht die Sache, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Gut, Dr. Böhm, Sie können also diese Dokumente als Beweismaterial vorlegen. Sie sagten, es waren SA-91 und 92, nicht wahr?

RA. BÖHM: Jawohl, Herr Vorsitzender. Dann möchte ich noch einen Antrag stellen auf Zulassung einer eidesstattlichen Versicherung von Arnolf Rechberg. Mit dieser eidesstattlichen Versicherung soll bewiesen werden entgegen der Behauptung der Anklage, daß die SA ein einheitliches Ganzes gewesen sei und daß die Konspiration der SA als ein geschlossenes Einheitliches zu betrachten sei, daß das nicht wahr ist. In dieser eidesstattlichen Versicherung wird davon gesprochen, daß sehr wohl in der SA eine Uneinheitlichkeit bestanden hat, indem nämlich die nationalsozialistischen Kampforganisationen der SA und der SS bewußt von Moskau aus, von moskautreuen Elementen durchsetzt worden seien und daß diese Durchsetzung bereits vor dem Juli 1930 begonnen hat, daß bis Juli 1932 bereits 24000 Kommunisten, davon ein Teil auf Weisung Moskaus, in die SA übergewechselt seien. Es wird weiter davon gesprochen, daß diese Durchsetzung auch nach der Machtübernahme noch angehalten habe.

VORSITZENDER: Ist dieses Affidavit schon den in den Kommissionen eingesetzten Richtern vorgelegt und auch der Anklagebehörde übergeben worden?

RA. BÖHM: Gewiß, Herr Vorsitzender. Dieses Affidavit war Gegenstand der Betrachtung in der Kommission und ist in der Kommission nicht zugelassen worden. Ich habe aber die Möglichkeit, dieses Dokument dann vor dem Court zu besprechen und bitten... und zu bitten, es zuzulassen. Von dieser Möglichkeit habe ich jetzt Gebrauch gemacht.

Ich möchte meine Auffassung vielleicht damit unterbauen, daß ich sage, dieses Dokument ist insofern von größtem Beweiswert, als die SA grundsätzlich nach nationalen Gedankengängen aufgebaut war, während durch diese doch zweifelsohne nicht national, sondern andersdenkenden Menschen ein Geist in die SA gekommen ist, der den einheitlichen Geist der SA, den die Anklage behauptet, zweifelsohne zerstört, der auch der einheitlichen Zielsetzung, wie sie die SA behauptet, die Möglichkeit nimmt, tatsächlich vorhanden gewesen zu sein, denn die Zielsetzungen der nationalsozialistischen Gedankengänge waren doch zweifelsohne ganz andere als die Zielsetzung der Leute, von denen in dieser eidesstattlichen Versicherung die Rede ist.

VORSITZENDER: Ja, Sir David?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich erhebe Einspruch gegen die Zulassung dieses Affidavits, da es vollkommen unerheblich ist und auf Quellen beruht, die nicht den geringsten Beweiswert haben.

Euer Lordschaft! Wenn Euer Lordschaft das Protokoll über das Verfahren vor der Kommission vor sich haben, so finden Sie auf Seite 3221 eine Zusammenfassung des Affidavits. Der Absatz 1 dieser Zusammenfassung lautet:

»Die nationalsozialistischen Kampforganisationen SS und SA wurden auf Befehl Moskaus bewußt mit moskau-treuen Elementen durchsetzt.«

Euer Lordschaft! Das zeigt, welcher Art die von Herrn Rechberg gemachte Behauptung ist. Aus dem Affidavit selbst geht hervor, daß man keinerlei Grund hat, dessen Aussagen Glauben zu schenken.

Das gleiche gilt auch für die Behauptung im Absatz 2 über die 24000, Euer Lordschaft.

Euer Lordschaft! Im Absatz 4 wird auf einen Briefwechsel zwischen Herrn Rechberg und Sir Wyndham Charles und Sir William Turral, wie er damals hieß, Bezug genommen. Ich habe die Briefe nochmals durchgesehen. Es sind offensichtlich Fälle, in denen jemand diese Leute mit Briefen belästigt und daher eine Antwort bekommen hat.

VORSITZENDER: Sir David! Welche Angaben macht der Mann, der diese Erklärung abgegeben hat, über sich selbst? Ist er Mitglied der SA?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich weiß nicht... Ich habe das Affidavit heute morgen nur in deutscher Sprache gesehen. Er sagt nicht, daß er SA-Mitglied war, Euer Lordschaft.

Er ist nur ein Geschäftsmann, der an diesen Angelegenheiten interessiert war. Er zitiert zwei Seiten aus Zeitungen, Euer Lordschaft – eine davon ein zweitrangiges Blatt, das andere eine fast unbekannte deutsche Zeitung –, die Erklärungen eines Sowjetbeamten enthalten.

Euer Lordschaft! Es hieße meines Erachtens die Aufgabe dieses Gerichtshofs mißbrauchen, wenn man Behauptungen einer unbekannten deutschen Zeitung über angebliche Erklärungen eines Sowjetbeamten diesem Fall als Beweise zugrunde legen würde.

Euer Lordschaft! Wie ich bereits gesagt habe... auch wenn all dies auf ordentliche Beweise gegründet wäre und auch wenn das Affidavit von einer Person stammen würde, deren Affidavits mit gutem Grunde als brauchbar anzusehen wären, dann wäre es immer noch ganz unerheblich für die dem Gerichtshof vorliegende Frage der Verbrecherischkeit. Euer Lordschaft! Ich bitte daher Euer Lordschaft ergebenst, die Entscheidung des in der Kommission eingesetzten Richters, der dieses Beweisstück vor der Kommission nicht zugelassen hat, zu bestätigen.

VORSITZENDER: Dr. Böhm! Haben Sie etwas hinzuzufügen?

RA. BÖHM: Herr Vorsitzender! Ich bin zu diesen Ausführungen der Anklage ganz anderer Auffassung...

OBERST J. W. POKROWSKY, STELLVERTRETENDER HAUPTANKLÄGER FÜR DIE SOWJETUNION: Euer Lordschaft! Die Sowjetische Anklagevertretung teilt die Ansicht, die Sir David soeben ausgesprochen hat. Ich möchte um die Erlaubnis bitten, nur noch ein paar Worte zu den Ausführungen von Sir David hinzuzufügen. Abgesehen davon, daß die Kommission dieses Dokument als unerheblich und ohne jegliche Beweiskraft abgelehnt hat, bitte ich den Gerichtshof, noch in Betracht zu ziehen, daß der Verfasser dieses Dokuments als Urheber einer Reihe von herausfordernden Hirngespinsten, die gegen die Sowjetunion gerichtet waren, allgemein bekannt ist. In diesem Falle handelt es sich um ein Dokument, das nur verleumderische, herausfordernde, schmutzige Ausfälle enthält in einem Stil, der dem Verfasser eigentümlich und für ihn bezeichnend ist und mit unserem Fall hier, ich wiederhole es noch einmal, nichts zu tun hat.

Gleichzeitig möchte ich dem Gerichtshof sagen, daß wir gegen die Dokumente Nummer 85, 286, 287, 132 Einspruch erheben. Sir David hat bedauerlicherweise die Kopien dieser Dokumente nicht zur Hand gehabt und konnte sie daher in seine Schlußfolgerungen nicht einbeziehen. Alle vier Dokumente, die ich eben genannt habe, beziehen sich auf das Jahr 1925, auf die Probleme des innerpolitischen Kampfes in Deutschland und haben mit unserem Fall überhaupt nichts zu tun.

Das letzte Dokument, gegen das wir protestieren, ist Nummer 82, von dem wir jetzt erst zum erstenmal gehört haben. Es handelt sich hier um irgendeine Person, deren Familienname ich vergessen habe. Der Verteidiger sagte, daß es sich um einen früheren Kommunisten handele, der Aufschluß darüber gibt, daß die SA nach Artikel 6 des Statuts keine verbrecherische Organisation wäre. Wir sind der Ansicht, daß niemand diese Person ermächtigt hat, als Fachmann über Fragen Schlußfolgerungen zu ziehen, für die allein dieser Gerichtshof zuständig ist. Das ist alles, Euer Lordschaft, was ich zu sagen habe.

VORSITZENDER: Ich danke vielmals.

Dr. Böhm! Wollen Sie noch etwas sagen, bevor der Gerichtshof seine Entscheidung fällt?

RA. BÖHM: Gewiß, Herr Vorsitzender. Es liegt mir selbstverständlich vollkommen fern, so wie es die Anklage eben ausgeführt hat, daß ich beabsichtige, vielleicht den Gerichtshof zu mißbrauchen; sondern von der Anklage wurde nicht nur einmal, sondern zu wiederholten Malen ausweislich der Protokolle vom 18. Dezember nachmittags und 19. Dezember vormittags vorgetragen, daß die SA ein einheitliches Ganzes als solche und auch in ihrer Zielsetzung ein einheitliches Ganzes gewesen sei.

Ich bin nun der Auffassung, daß der Inhalt dieser eidesstattlichen Versicherung dagegen spricht, und es ist auch nicht richtig, dies hier vorzutragen, daß der Mann vielleicht nicht den notwendigen Glauben geschenkt bekommen könnte, denn die Herren Vertreter der Anklage wissen seit der Besprechung dieses... dieser eidesstattlichen Versicherung vor der Kommission von dem Inhalte dieser eidesstattlichen Versicherung und kennen alle auch den Namen dieses Mannes und wissen, daß er hier in Deutschland und wo er wohnt. Wenn also gegen seine Glaubwürdigkeit etwas vorzutragen gewesen wäre, dann hätte das heute getan werden können, und das ist offensichtlich nicht geschehen. Damit, daß man einfach erklärt, er genieße keinen Glauben, ist es kein Grund zu sagen, es möge diese eidesstattliche Versicherung nicht zugelassen werden.

Nachdem ich aber nach wie vor der Auffassung bin, daß eine so große Anzahl von politisch andersdenkenden Menschen die gemeinsame, einheitliche Zielsetzung der SA stören und sie aufheben, muß ich darauf bestehen, daß diese eidesstattliche Versicherung zugelassen wird.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Entscheidung des in der Kommission eingesetzten Richters richtig war, und das Dokument wird aus diesem Grund nicht zugelassen, überdies auch, weil es unerheblich ist und der Aussteller des Affidavits nicht angegeben hat, aus welchen Quellen seine Kenntnis stammt. Das Dokument ist daher abgelehnt.

RA. BÖHM: Herr Vorsitzender! Ich möchte dann noch eine Frage klären, nämlich die: Mir war nicht... Ich war nicht in der Lage, das gesamte Beweismaterial, das sich in meinen Dokumentenbüchern befindet, mit Rücksicht auf die Kürze... oder auf die kurze mir zur Verfügung stehende Zeit... Ich möchte nun die Frage stellen, ob bei der Urteilsfindung zum Gegenstand der rechtlichen und tatsächlichen Betrachtung alle Dokumente gemacht werden, die sich in meinem Dokumentenbuch befinden; denn andernfalls würde ja nur ein Teil dessen berücksichtigt, worauf ich Wert lege... ich lege nämlich Wert darauf, daß alles berücksichtigt werden muß, was von mir vorgelegt worden ist. Wenn ich hätte alles berücksichtigen wollen, dann hätte meine Beweisführung vielleicht sechs Stunden gedauert; nun war ich dazu nicht in der Lage. Ich möchte aber erreichen, daß meine sämtlichen Dokumente Gegenstand der Urteilsfindung werden.

VORSITZENDER: Dr. Böhm! Es ist vielleicht gut, wenn wir Ihre Stellungnahme zu den Affidavits hören, gegen die der sowjetische Anklagevertreter Einspruch erhoben hat. Es sind dies 82, 85, 86, 87 und 132. Ich nehme an, daß der Kommissionsrichter diese Affidavits zugelassen hat. Haben Sie die Nummern?

RA. BÖHM: Herr Vorsitzender! All die Dokumente und eidesstattlichen Versicherungen, die ich heute in der Sitzung besprochen habe, waren Gegenstand der Besprechung vor der Kommission.

OBERST POKROWSKY: Ich bitte um Entschuldigung, Herr Vorsitzender. Offenbar ist bei der Übersetzung ein Mißverständnis entstanden. Ich habe die Nummern 85, 286, 287, 132 genannt. Das sind keine schriftlichen Aussagen und sind demnach der Kommission nicht vorgelegt worden. Die letzte Nummer, die ich genannt habe, war Nummer 82; dieses Dokument wurde heute zum erstenmal erwähnt.

VORSITZENDER: Worum handelt es sich? Sind das Affidavits oder was sonst?

OBERST POKROWSKY: Dokumente, Herr Vorsitzender, mit Ausnahme der Nummer 82; die Nummern 85, 132, 286 und 287 sind verschiedene Dokumente.

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, Oberst Pokrowsky. Ich habe die Nummern nicht genau in der Übersetzung gehört. Welche Nummern sind es? Lesen Sie bitte langsam.

OBERST POKROWSKY: 85...

VORSITZENDER: Sagten Sie 85? In der Übersetzung verstand ich 285, Sie sagen 85?

OBERST POKROWSKY: 85. Ich wiederhole ständig die Zahl 85. Dann kommt Nummer 286, 287, 132; das sind Dokumente. Und die letzte Nummer ist 82, das ist ein Affidavit.

VORSITZENDER: Danke.

Nun, Dr. Böhm, wollen Sie sich jetzt dazu äußern?

OBERST POKROWSKY: Ich bitte um Entschuldigung, Herr Vorsitzender, in unserem Exemplar habe ich die Nummer eines Dokuments falsch genannt. Ich bitte, die Nummer 85 auf Nummer 285 zu korrigieren. Demnach heißen die Nummern 285, 286, 287. Wir haben dem Gerichtssekretär soeben eine Liste dieser Dokumente vorgelegt.

RA. BÖHM: Herr Vorsitzender...

VORSITZENDER: Einen Augenblick bitte, Dr. Böhm.

Der Gerichtshof wird über diese Einsprüche gegen die Dokumente beraten.

Und nun, Dr. Böhm, möchte ich Ihnen Gelegenheit geben vorzubringen, was Sie zu diesen Dokumenten zu sagen haben.

RA. BÖHM: Zunächst möchte ich mich gegen den Vorwurf verwahren, daß diese Dokumente mit der Anklage nicht besprochen seien. In meinem Dokumentenbuch befindet sich kein Dokument, das ich nicht mit Herrn Griffith-Jones besprochen hätte und darüber hinaus ist nichts aufgenommen worden. Die beanstandeten Dokumente wurden im Einvernehmen mit Herrn Griffith-Jones in das Dokumentenbuch aufgenommen. Die Dokumente 285, 286, 287 sind Auszüge aus der Rechtsprechung des Staatsgerichtshofs zum Schütze der Republik und des Reichsgerichts. Der Inhalt ist dem Gericht bekannt, er liegt vor. Es dreht sich hier nicht um eine Einstellung von irgendeiner Seite zur Tätigkeit der Kommunisten in der hier besprochenen Zeit, sondern um eine Feststellung aus einer Zusammenfassung des Polizeipräsidiums in Stuttgart, die sich wortgetreu der Urteile, die in diesen Dingen ergangen sind, bedient hat.

Mein Dokument 132 ist eine Photokopie aus der »Deutschen Tageszeitung«, eines Aufmarschplanes der Kommunisten, die beabsichtigten, kommunistische Putschpläne in Berlin durchzuführen. Diese Aufmarschpläne sind hier wiedergegeben, sie sind kommentiert, und sie zeigen die Notwendigkeit, die in Deutschland bestanden hat, eine Schutzorganisation gegen diese Absichten zu gründen, und nur aus diesem Grund ist dieses Dokument 132 in mein Dokumentenbuch aufgenommen worden.

Die eidesstattliche Versicherung Nummer 82 ist wohl eine der letzten gewesen und ist gleichfalls mit Herrn Griffith-Jones... mit Herrn Marreco besprochen. Dieses Dokument ist auch von der Kommission genehmigt worden. Ich glaube, daß die Einwendungen, die in dieser Hinsicht heute gemacht werden, reichlich verspätet sind.

VORSITZENDER: Dr. Böhm! Der Gerichtshof wird über diese Dokumentenfrage beraten und Ihnen seinen Entschluß bekanntgeben.

RA. BÖHM: Sehr wohl, Herr Vorsitzender. Ich kann damit meine Ausführungen beenden, Herr Vorsitzender.

VORSITZENDER: Jawohl.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Euer Lordschaft! Ich habe zur Widerlegung der von der Gegenseite beantragten Beweise folgende wenigen Dokumente einzureichen. Zuerst, Euer Lordschaft, ein Dokument, auf das sich Sir David in seinem Kreuzverhör mit Jüttner vor kurzem bezogen hat, das aber nicht formell vorgelegt wurde. Es ist D-972 und erhält nun die Nummer GB-618.

Euer Lordschaft! Zweitens habe ich als Gegenbeweis ein Dokument vorzulegen zur Widerlegung eines Dokuments im SA-Verteidigungsbuch, SA-156. Dies ist eine Verfügung des SA-Hochschulamtes München, die auf der ersten Seite bekanntzugeben scheint, daß die Mitgliedschaft der SA für alle Studenten obligatorisch sei.

Euer Lordschaft! Ich habe noch ein anderes Dokument, das diesem sehr ähnlich ist und auf derselben Verfügung der Obersten SA-Führung beruht. Diese Verfügung wurde vom SA-Hochschulamt Köln, zwei Tage vor dem Münchener Erlaß, den Dr. Böhm vorgelegt hat, herausgegeben. Ich glaube, daß Sie Abschriften und Übersetzungen von beiden Dokumenten erhalten haben. Ich will später noch einmal darauf zurückkommen. Im Augenblick möchte ich nur Ihre Aufmerksamkeit auf Ziffer 3 in beiden Dokumenten lenken.

Euer Lordschaft! Ich erlaube mir, zuerst die Münchener Verfügung, das SA-Dokument, vorzunehmen. Dort heißt es in Ziffer 3:

»Laut Verfügung vom 7. Februar 1934 ist für alle Mitglieder der deutschen Studentenschaft der SA-Dienst (SS-Dienst) zur Pflicht gemacht.

Gemäß Verfügung der Obersten SA-Führung F-6914 vom 27. März 1934 ist in der Zeit vom 25. April bis 5. Mai 1934 die Aufnahmesperre für neu immatrikulierte Studenten aufgehoben. Damit besteht für sämtliche neu immatrikulierte Studenten die Pflicht, in die SA einzutreten.

Die Anmeldung hat bis spätestens 5. Mai 1934 bei den örtlichen SA-(SS-) Dienststellen zu erfolgen.«

Wenn ich den Gerichtshof jetzt auf die ähnliche Ziffer des Erlasses des SA-Hochschulamtes der Kölner Universität aufmerksam machen darf, so sieht man, daß das zumindest nicht bei allen Universitäten der Fall war. Der Gerichtshof wird sehen, daß er gleichlautend beginnt:

»Laut Verfügung vom 7. 2. 1934 ist für alle Mitglieder der deutschen Studentenschaft der SA-Dienst zur Pflicht gemacht.«

Ich behaupte, daß der SA-Dienst, der hier und in dem Münchener Erlaß erwähnt ist, nicht Mitgliedschaft in der SA bedeutet, sondern daß es sich um einen von der SA geleiteten Ausbildungskurs handelt. Um eine Parallele zu ziehen, ist es ungefähr dasselbe, was wir in England als »Offizier-Trainingskorps« in den öffentlichen Schulen kennen.

Sie sehen dann, daß der weitere Text dieses Absatzes ganz anders lautet:

»Gemäß Verfügung der Obersten SA-Führung... ist die Aufnahmesperre für neu immatrikulierte Studenten aufgehoben... in der Zeit« – und jetzt ist dieselbe Zeitspanne vom 25. April bis 5. Mai genannt – »... Damit ist jedem Studenten die Möglichkeit gegeben, in die SA einzutreten.«

Der SA-Dienst ist Zwang, aber der Eintritt in die SA ist dem Studenten selbst überlassen. Es wird ihm nur die Möglichkeit gegeben beizutreten.

Euer Lordschaft! Die Angelegenheit wird von Sir David in seinem Schlußplädoyer, dem Gerichtshof vorgetragen werden, und ich kann auf einen Augenblick davon abgehen und Ihre Aufmerksamkeit auf diese zwei Absätze lenken. Das Dokument wird GB-619. Der Münchener Erlaß ist SA-156. Dann, Euer Lordschaft, habe ich noch eine Anzahl kurzer Affidavits vorzulegen zur Widerlegung der vielen tausend Affidavits, die von der Verteidigung vorgelegt wurden.

Zuerst möchte ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf die zwei Affidavits lenken, deren Vorlage Dr. Böhm beantragt hat. Zuerst auf das Affidavit von Dr. Stapff. Es ist D-946. Ich möchte hierzu bemerken, daß diese zwei Affidavits von der Anklagevertretung allein aus dem Grunde nicht vorgelegt worden sind, weil sie nicht eigentlich in Form von Affidavits ausgestellt sind, sondern in der Form von Erklärungen. Es wurde bei der Beschaffung derselben ein Fehler gemacht, und es geht aus dem Titelblatt nicht hervor, daß es überhaupt Affidavits sind.

VORSITZENDER: Oberst Griffith-Jones! Haben wir sie nicht bereits zugelassen?

Sir David sagte, daß er gegen ihre Zulassung nichts einzuwenden hätte.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ich wollte mir erlauben, die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf eine Stelle zu lenken. Im Falle des Dokuments D-946 verspricht sich Dr. Böhm offenbar vom zweiten Absatz eine Unterstützung. Ich möchte jedoch die Aufmerksamkeit des Gerichtshof auf den letzten Absatz verweisen, der die SS behandelt. Das übrige Dokument beschreibt die schreckenerregenden Greuel, die sich in Dachau ereignet haben im und um das Jahr 1934 herum; besonders im letzten Absatz:

»Soweit es sich im Gegensatz zur Waffen-SS, deren Verhältnis ich nicht beurteilen kann, um die eigentliche SS handelt, kann meines Erachtens der Einwand zwangsweiser Mitgliedschaft keinerlei Gehör finden.«

Und dann fährt er fort zu erklären, wie er zu dieser Ansicht gekommen sei.

VORSITZENDER: Sie sprechen über SA-91 oder 92, nicht wahr?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: 91. Ich hatte vergessen, daß sie genannt worden waren. Das zweite ist das Affidavit von Dr. Schumacher, D-947, das dem Gerichtshof als SA-92 vorgelegt wird. Ich denke, Dr. Böhm wird sich vermutlich auf die zweite Hälfte des ersten Absatzes berufen.

»Daß eine freiwillige Mitgliedschaft auch nach 1934 weitgehend üblich war, lag in dem Wunsch, geschäftliche oder berufliche Interessen (Beamte) zu fördern. In einer großen Anzahl von Fällen ist die Mitgliedschaft auch auf direkten oder indirekten Druck erfolgt, oder das Ergebnis persönlicher Fehlspekulation.«

Und dann sagt er weiter, daß das besonders auf den Stahlhelm zutreffe und daß der Stahlhelm aus einer Anzahl von Personen bestanden habe, die keine Nationalsozialisten gewesen seien.

Euer Lordschaft! Ich möchte den Gerichtshof besonders auf den letzten Absatz dieses Affidavits verweisen, auf Ziffer 4, die von Block- und Zellenleitern handelt.

Sie waren die »Grundlage des ganzen Terrorsystems, die Tätigkeit der Gestapo mit inbegriffen«.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Dieses Dokument, das eingefügt wird, richtet sich gegen die Politischen Leiter. Ich widerspreche der Verwendung, und zwar aus einem anderen Grunde, als der bisher vorgetragen ist. Mir sind eine Reihe Abschriften dieser Affidavits zugegangen. Sie stellen das Ergebnis einer Umfrage dar. Es werden zugänglich gemacht einige; ich stehe aber auf dem Standpunkt, daß, wenn schon das Ergebnis einer Enquete verwendet wird, dann auch alle Antworten vorgelegt werden müssen, und ich bin der Ansicht, daß, wenn – ich vermute – hundert Anfragen gerichtet worden sind, in den nicht vorgelegten entlastende Momente für die Politischen Leiter sein müssen. Ich bitte daher, wenn es zugelassen wird, anzuordnen, daß dann auch alle Ergebnisse dieser Rundtragen vorgelegt werden, um ein wirkliches Bild zu bekommen, das mir vielleicht nützlicher ist, als die Aussagen meiner Mitglieder, denn diejenigen, die diese Spitzenaffidavits abgeben, sind ja Gegner des Nationalsozialismus, und ich muß annehmen, daß in den nicht vorgelegten entlastende Momente enthalten sind, die sehr wertvoll wären für die Gesamtbeurteilung.

VORSITZENDER: Oberst Griffith-Jones! Der Gerichtshof hält es nicht für richtig, in diesem Prozeßstadium dieses Dokument als Beweis gegen die Politischen Leiter zuzulassen, und deshalb soll das Dokument überhaupt ausgeschlossen werden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Euer Lordschaft! Wenn dem so ist, wird das natürlich auch für die anderen acht oder neun Affidavits gelten, die die Anklagevertretung besitzt. Wir haben diese Affidavits besorgt, um damit die große Masse von Material, die in Form von Affidavits von all diesen Organisationen vorgelegt wurde, zu widerlegen. Ich kann behaupten, daß tatsächlich außer den Affidavits, die ich dem Gerichtshof vorlegen will, und den beiden, die wir ursprünglich nicht vorlegen wollten, da sie, wie ich bereits sagte, nicht in Form von Affidavits ausgestellt wurden, keine weiteren Affidavits vorhanden sind. Jedenfalls haben wir keine anderen Affidavits... alle oder die meisten von ihnen behandeln entweder eine oder mehrere oder alle Organisationen. Sie sind lediglich vorgelegt als Gegenbeweis zu der großen Masse von Material, das dem Gerichtshof von der Verteidigung der Organisationen vorgelegt worden ist. Und, wenn ich so sagen darf...

VORSITZENDER: Ich glaube, Sie sollten die Dokumente vorlegen, damit wir sie sehen können. Wir haben dieses eine gesehen und haben natürlich seinen Worten entnommen, daß es ein Dokument ist, das die Anklagevertretung bereits früher hatte, aber nicht anbieten wollte. Mit den anderen mag es sich aber anders verhalten.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Euer Lordschaft! Es sind alle so ziemlich gleichartig, und die Verteidigung hat auch bereits seit ungefähr 14 Tagen die Abschriften gehabt.

VORSITZENDER: Nun, Sie sollten sie uns vorlegen, damit wir sie durchsehen können.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Und ohne den Gerichtshof auf besondere Stellen zu verweisen?

VORSITZENDER: Nein, ich glaube, Sie sollten sie vorlegen und auf die in Frage kommenden Stellen verweisen. Wir könnten dann sehen, ob wir sie zulassen wollen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Wie Euer Lordschaft es wünschen.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Darf ich noch eine Bemerkung machen? Diese eidesstattlichen Versicherungen stammen alle von Personen, die sich heute in hohen staatlichen Ämtern befinden. Es sind wohl die wichtigsten, die bisher vorgelegt worden sind, und ich habe nun keine Gelegenheit zu erforschen, was nun im einzelnen dagegen vorgebracht werden kann. Ich müßte ja etwas nachprüfen können; das ist mir in diesem Stadium... Augenblick nicht mehr möglich. Ich wußte ja auch gar nicht, ob sie noch eingeführt würden, nachdem ich meinen Vortrag abgeschlossen habe und ich vor dem Plädoyer stehe.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Euer Lordschaft! Darf ich hierzu etwas sagen? Sir David hat, wie sich der Gerichtshof erinnern wird, schon vor einigen Tagen den Gerichtshof gebeten, diese Dokumente vorlegen zu dürfen. Die Verteidigung hatte daher seither Gelegenheit, diese Dokumente einzusehen und zu überprüfen und Dr. Servatius behauptet, er habe keine Gelegenheit gehabt, diese Dokumente zu überprüfen oder was er darunter versteht. Die Anklagevertretung hatte überhaupt keinerlei Gelegenheit, diese dreihunderttausend Affidavits, die von der Verteidigung vorgelegt wurden, zu überprüfen.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die Anklagevertretung sich diese noch ansehen sollte.

DR. SERVATIUS: Herr Präsident! Darf ich Sie auf einen formellen Punkt aufmerksam machen? Ich habe die Dokumente selbst jetzt nicht vorliegen, aber soweit ich gesehen habe, sind sie nach dem 7. Mai – es ist ein Stichtag – aufgenommen worden und entsprechen nicht der Form. Sie mußten vor einem Offizier aufgenommen werden und stammen zum Teil von einem... nur beglaubigt von einem Notar, so daß sie nach den Regeln des Gerichtshofs bis jetzt zurückgewiesen werden müssen. Ich selbst konnte keine Versicherungen mehr einführen, die nicht von einem Offizier beglaubigt waren... beschworen waren.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Die Hälfte der Affidavits wurde vor Herrn Marreco ausgestellt, dem Ihnen bekannten Anwalt. Andere, wie die aus Norddeutschland, wurden – wie ich zugebe – vor örtlichen Notaren ausgestellt. Einige wurden vor Herrn Marreco, einem alliierten Offizier, ausgestellt, und andere scheinen vor Notaren beschworen zu sein.

Die zwei Affidavits, die Dr. Böhm hofft vorlegen zu dürfen – behaupte ich – sind von niemand unterzeichnet worden.

VORSITZENDER: Ich denke, wir sollten die Dokumente sehen, bevor wir den Einspruch prüfen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Darf ich zuerst D-929 als GB-620 überreichen? Es ist ein Affidavit von Dr. Anton Pfeiffer, dem bayerischen Staatsminister im Staatsministerium für Sonderaufgaben.

VORSITZENDER: Wann war er Minister?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Er ist es jetzt. Er sagt: »Zur Zeit der Machtergreifung im Jahre 1933... war ich Generalsekretär der Bayerischen Volkspartei.«

RA. BÖHM: Herr Präsident! Gerade um diesen Prozeßverlauf, wie er sich jetzt gestaltet, zu vermeiden, habe ich gelegentlich der Einvernahme des Zeugen Jüttner...

VORSITZENDER: Dr. Böhm! Der Prozeßverlauf, wie er sich jetzt gestaltet, ist der Prozeßverlauf, den der Gerichtshof eben angeordnet hat. Der Gerichtshof wünscht die Dokumente zu sehen, um darüber Beschluß fassen zu können.

Fahren Sie fort, Herr Griffith-Jones.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Euer Lordschaft! Er behauptet in diesem Affidavit, auf gewisse Beamte, das heißt auf Staatsbeamte, sei ein Druck ausgeübt worden, um sie zu veranlassen, der Partei beizutreten. In der zweiten Hälfte der eidesstattlichen Versicherung stellt er weiter fest, daß er und andere Leute Kenntnis hatten von den Greueltaten, die sich im Osten ereigneten und von der Vernichtung der Juden. Er sagt im mittleren Absatz:

»Daß Beamte, die Pg. waren, mit Dienstentlassung bedroht wurden, wenn sie kein politisches Parteiamt wie Block- oder Zellenleiter angenommen hätten, ist mir nicht bekannt. Ich habe« – sagt er – »jedenfalls von einem solchen Falle nichts gehört.«

Euer Lordschaft! Ich glaube nicht, daß ich noch weitere Stellen aus diesem Affidavit Nummer D-929 verlesen muß.

Euer Lordschaft! Das nächste Affidavit, auf das ich verweisen will, ist D-949, das GB-621 wird. Es ist ein vom Oberbürgermeister von Braunschweig ausgestelltes Affidavit, in dem er zuerst Angaben über seine Person und sein Amt macht. Sodann beschreibt er die Tätigkeit der SA von 1921 bis 1923, und zwar im ersten Absatz der Ziffer 1. Dann fährt er fort, deren Tätigkeit zu schildern, wie er selbst im Jahre 1933 durch die SA seines Amtes enthoben wurde. Auf der nächsten Seite beschreibt er wieder, wie er von der SA aus dem Rathaus heraus in das Gefängnis geführt wurde. Er stellt fest, daß die Mitgliedschaft in der SA bis 1937 unbedingt freiwillig war:

»Während bis 1933 bei manchem SA-Mann noch guter Glaube angenommen werden kann, daß die SA eine gerechte Aufgabe zur Bekämpfung des Kommunismus' hatte, ist nach meiner Auffassung nach den Ereignissen vom März 1933 nicht mehr zweifelhaft gewesen, daß die SA durch ihre Mitwirkung bei der Machtergreifung durch Hitler ungesetzlich vorging.«

Dann fährt er fort zu erzählen, wie sie sich später durch rechtswidriges Verhalten besonders hervorgetan habe.

Sodann spricht er über die SS. Er sagt, die Mitgliedschaft sei freiwillig gewesen mit Ausnahme jener SS-Männer, die während des Krieges gezwungen wurden einzutreten oder die während des Krieges in die SS eingezogen wurden.

Im letzten Absatz auf derselben Seite schildert er dann seine eigene ungesetzliche Verhaftung durch die SA... SS und die entsetzlichen Mißhandlungen, die ihm von den Mitgliedern dieser Organisation zugefügt wurden. Er sagt zwölf Zeilen nach Beginn der nächsten Seite:

»Vor der Mißhandlung wies ich darauf hin, daß ich schwer kriegsbeschädigt sei, darauf sagte der Sturmführer Meyer, dann solle der Arm (durch Granatverletzung im Ellenbogengelenk versteift) geschont werden.«

Dann wurde er mit Nilpferdpeitschen geschlagen, bis er bewußtlos wurde, darauf mit kaltem Wasser wieder zu sich gebracht und neuerlich bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen.

Der nächste kurze Absatz auf Seite 3 lautet:

»Die Organisation und die Ideenwelt der SS war derart genau und erbarmungslos auf Beseitigung der politischen Gegner und der sogenannten rassisch Minderwertigen eingestellt, daß jeder, der ihr beitrat, den verbrecherischen Charakter der Organisation erkennen mußte.«

Euer Lordschaft! Ich gehe nun zum nächsten Affidavit über, das ich dem Gerichtshof zum Beweis anbiete. Es ist D-938 und wird GB-622. Es ist ein Affidavit von Dr. Viktor Fenyes, Präsident des Hauptausschusses ehemaliger politischer Häftlinge der Provinz Hannover. Dieses Affidavit handelt vor allem vom Führerkorps, hauptsächlich von den Block- und Zellenleitern.

VORSITZENDER: Möchten Sie bei Vorlage dieser Affidavits jeweils angeben, wie und vor wem sie ausgestellt wurden.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Euer Lordschaft! Ich danke sehr, natürlich. Das eben genannte Affidavit ist, wie der Gerichtshof bei einem Blick auf die nächste Seite feststellen kann, vor einem Notar in Hannover aufgenommen worden. Das Affidavit, das ich vorher besprochen habe, Euer Lordschaft, ist vor einem Notar in München beschworen worden, aber ich fürchte, es ist ohne Zeugen aufgenommen worden. Um auf D-938 zu kommen, Euer Lordschaft: Es handelt, wie ich sagte, von Block- und Zellenleitern und stellt fest, daß absolut Druck auf die Leute ausgeübt wurde, um sie zu bestimmen, der Partei beizutreten, und zwar wurde dieser Druck mit Drohungen ausgeübt. Daß sie bei der Verfolgung der Juden mitgeholfen hätten und daß die Block- und Zellenleiter fast ausnahmslos sich an der Brandstiftung an den Synagogen im Jahre 1938 beteiligt hätten. Es handelt dann von der SA: »Die Mitgliedschaft war freiwillig.« In den letzten drei Zeilen erklärt er, daß frühere SA-Männer, die heute einwenden, daß sie nur unter Druck der Organisation beigetreten wären, nicht die Wahrheit sagen, da tatsächlich nicht einmal jedermann zur SA zugelassen wurde. Es spricht dann weiter von der SS, Euer Lordschaft, aber ich glaube, daß es nur kumulativ wäre, irgend etwas davon zu verlesen.

Euer Lordschaft! Das nächste Dokument ist vor Dr. Marreco gezeichnet worden, es ist D-931, das GB-623 wird. Es ist vom Generalsekretär des Bayerischen Bauernverbandes in München, Dr. Schlögl, ausgestellt, der zur Zeit der Machtergreifung der Nazis Abgeordneter des Bayerischen Landtags war.

Dr[*2]. Alois Schlögl, Euer Lordschaft, wurde das Opfer eines Überfalles. Das Urteil des Gerichts gegen die SA-Männer, die den Überfall begingen, liegt dem Gerichtshof schon vor. Es ist D-936, GB-616, und der Gerichtshof wird sich noch an die Entscheidung erinnern, die besagt, daß die Tat und Absichten der SA-Männer nur das Wohl der nationalsozialistischen Bewegung im Auge gehabt hätten. Es wären daher die politischen Beweggründe und die Lauterkeit der Absichten über jeden Zweifel erhaben.

Dr. Schlögl beschreibt in seiner eidesstattlichen Erklärung die ihm zugefügten Mißhandlungen.

Er sagt dann im dritten Absatz:

»Die Täter wurden auf meine Klage hin nicht bestraft, sondern amnestiert. Der Anführer, Bernhard, wurde zur Belohnung befördert und stieg, wie mir jetzt gesagt wurde, bis zum Brigadeführer auf.«

Er fährt dann fort, daß nach seiner Meinung die verbrecherische Natur der SA und SS allgemein bekannt waren und jeder, der den Organisationen beitrat, wissen mußte, zu welchen Zwecken sie von der Partei verwendet werden würden. Und schließlich im letzten Absatz...

VORSITZENDER: Vielleicht können Sie uns die Dokumente nur überreichen und nicht zwecks Aufnahme ins Protokoll verlesen, da der Gerichtshof es sich vorbehält, diese Dokumente nicht zuzulassen.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Ja, Euer Lordschaft.

Ich lege dann Dokument D-934 vor, das GB-624 wird. Es ist ein Affidavit, das vor Herrn Marreco beschworen wurde und von Albert Roßhaupter, dem bayerischen Arbeitsminister in München, ausgestellt ist.

D-932, das GB-625 wird, ist ein Affidavit, das ebenfalls von Herrn Marreco beschworen wurde.

D-933, das GB-626 wird, ist ein Affidavit von einem gewissen Joseph Ackermann, einem Direktor in München, ebenfalls vor Herrn Marreco beschworen.

Und Affidavit D-950, das GB-627 wird, stammt von einem Herrn Adolf Fahlbusch und ist vor einem Notar in Hannover beschworen.

Ich möchte vielleicht noch hinzufügen, daß alle Affidavits, die nicht von Herrn Marreco aufgenommen wurden, von der Rechtsabteilung der Kontrollkommission für Deutschland aufgenommen wurden oder zumindest unter deren Leitung. Die Rechtsabteilung der Kontrollkommission für Deutschland wurde ersucht, diese Affidavits zu beschaffen, und es mag daher kommen, daß sie nicht gemäß den vom Gerichtshof bestimmten Vorschriften beschworen wurden.

VORSITZENDER: Ist das alles?

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Euer Lordschaft! Ich habe noch ein weiteres Affidavit, das sich von den anderen einigermaßen unterscheidet. Es behandelt nämlich die Frage, welche Bedeutung der Gerichtshof den Affidavits der Verteidigung beimessen soll. Es ist das Affidavit eines SS-Mannes, der in einem Internierungslager in der britischen Zone war, als der Fragebogen im Lager ausgefüllt wurde. Der Fragebogen wurde, wie ich hörte, von der Verteidigung mit Genehmigung des Gerichtshofs Häftlingen in diesen Lagern vorgelegt.

Euer Lordschaft! Dieses Affidavit, das ich dem Gerichtshof vorlege, ist D-973 und wird GB-628. Es ist ein Atfidavit von Herrn Kurt Ehrhardt.

Euer Lordschaft! Er war SS-Mann, der der SS im Jahre 1933 beitrat. Er beteiligte sich nie an deren Tätigkeit und wurde im Jahre 1937 aus der SS ausgeschlossen, weil er einen jüdischen Geschäftsteilhaber und einen jüdischen Schwager hatte. Er war...

VORSITZENDER: Ich vermute, daß ich das alles dem Affidavit entnehmen kann.

OBERSTLEUTNANT GRIFFITH-JONES: Euer Lordschaft! Aus der Abschrift des Affidavits ist nicht ersichtlich, in wessen Gegenwart es unterzeichnet wurde und daß es beschworen wurde; aus dem Original geht jedoch hervor, Euer Lordschaft, daß es vor Major Hill von der Britischen Delegation beschworen wurde. Euer Lordschaft! Das...

VORSITZENDER: Können Sie mir sagen, wann Sir David Maxwell-Fyfe diese Affidavits zum Beweise angeboten oder angedeutet hat, daß er die Absicht habe, es zu tun?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Ich werde es in der Pause untersuchen. Ich glaube, es war eine Woche vor dem vergangenen Freitag, Euer Lordschaft, denn es war bestimmt vor meinem Kreuzverhör der SA-Zeugen. Wie Euer Lordschaft sich erinnern werden, habe ich zwei Möglichkeiten vorgeschlagen: Entweder die Affidavits den SA-Zeugen vorzuhalten oder sie vorzulegen, nachdem die Dokumente der Verteidigung vorgelegt worden waren.

VORSITZENDER: Das wollte ich wissen. Es wird aus dem Protokoll hervorgehen, nehme ich an, daß Sie sagten... Wenn Sie uns das angeben können...

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft, soviel ich weiß, wurde angenommen, daß Euer Lordschaft gefragt hätten, ob irgendwelche Einwände dagegen bestehen, und ich sagte, ich würde sofort Abschriften beibringen. Und, Euer Lordschaft, es wurde von der Gegenseite kein Einspruch erhoben. Das habe ich übersehen, Euer Lordschaft, aber ich werde es gutmachen.

RA. BÖHM: Herr Präsident! Ich entsinne mich dieses Vorganges sehr genau. Diese eidesstattlichen Versicherungen sind zur Sprache gekommen durch mich während der Einvernahme des Zeugen Jüttner, und das Gericht hat auf meine Einwendungen hin damals erklärt, wenn diese eidesstattlichen Versicherungen vorgelegt werden sollen, dann mögen sie jetzt vorgelegt werden, weil ich eingewendet habe, daß ich nicht in der Lage bin, das Gegenteil des Inhalts der eidesstattlichen Versicherungen zu beweisen, wenn mein letzter Zeuge vernommen ist und ich zu einer anderen Beweisführung nicht mehr in der Lage bin. Aus der Entscheidung des Tribunals habe ich entnehmen müssen, daß es meinen Vorschlag, nämlich auf eidesstattliche... die Vorlage von eidesstattlichen Versicherungen dann zu verzichten, wenn ich dann nicht mehr dazu Stellung nehmen kann im Rahmen meiner Beweisaufnahme, daß mir das Gericht da beigepflichtet hat, und es hätten diese eidesstattlichen Versicherungen im Rahmen der Beweisführung oder schon vorher vorgelegt werden müssen...

VORSITZENDER: Dr. Böhm! Wir werden im Protokoll nachlesen, um den Sachverhalt feststellen zu können.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Es wurde davon schon vor diesem Zwischenfall gesprochen. Die Frage wurde aufgeworfen, als Dr. Högners Affidavit während der Zeugenvernehmung Jüttners zur Sprache kam. Es wurde schon über alle Affidavits zu einem früheren Zeitpunkt gesprochen, den ich während der Pause werde feststellen lassen.

VORSITZENDER: Gut. Der Gerichtshof wird jetzt die Verhandlung vertagen und um 14.30 Uhr die Verhandlung wieder aufnehmen.