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[Das Gericht vertagt sich bis

29. August 1946, 10.00 Uhr.]

Zweihundertvierzehnter Tag.

Donnerstag, 29. August 1946.

Vormittagssitzung.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Euer Lordschaft! Als sich der Gerichtshof vertagte, beschäftigte ich mich mit einigen Punkten aus dem Plädoyer von Dr. Klefisch und ich fahre mit dessen Behandlung fort:

Dr. Klefisch und alle Verteidiger haben viel Nachdruck auf die ernsten Folgen gelegt, welche eine Schuldigerklärung für die betroffenen Personen nach sich ziehen würde, nicht nur für diejenigen, gegen welche späterhin ein Gerichtsverfahren eröffnet werden könnte, sondern auch für alle anderen. Es wird gesagt, daß »das den Mitgliedern der für verbrecherisch erklärten Verbände aufgedrückte Brandmal unauslöschlich wäre... Millionen Mitglieder der für verbrecherisch erklärten Verbände würden zeitlebens gebrandmarkt bleiben. Man würde mit Fingern auf sie zeigen und sagen: ›Seht da, der SA-Verbrecher!‹« Wenn sie aber schuldig sind, wenn sie ein System, welches die Welt in einen Krieg stürzte, unterstützt und ihm Beihilfe gewährt haben, so daß die Schrecken der Sklaverei, der Verfolgung und des Massenmordes wieder auflebten, sollten sie dann nicht derartig gebrandmarkt werden? Dies kann keine Ungerechtigkeit sein: Es ist weniger – viel weniger – als sie verdienen. Die einzige Hoffnung für Deutschland und für die Welt besteht darin, daß das deutsche Volk seine Verantwortlichkeit für das, was geschehen ist, erkennt und Buße tut. Dr. Servatius hat Sie ersucht, Ortsgruppenleiter freizusprechen, weil sie dem unteren Mittelstand, welcher der politischen Erfahrung mangelte, angehörten. Ist es wirklich möglich, daß nur die oberen Schichten des deutschen Volkes imstande sind, Angriffskriege mit dem Ziele der Weltherrschaft, der Sklaverei, des Mordes und der Verfolgung, als Verbrechen zu erkennen?

Und dennoch mag hierin mehr Wahrheit liegen als man zu denken wagt. Sie haben jetzt viele Zeugen gesehen und gehört, die – einige haben dies selbst eingestanden – persönlich in scheußliche Verbrechen tief verwickelt waren. Ist es Ihnen möglich gewesen, ein Schuldbewußtsein, ein Gefühl der Schande oder der Reue zu erkennen? Stets ist es derjenige, der die Befehle erteilte, der zu tadeln sei; nie derjenige, der diese Befehle ausführte. Immer ist es irgend ein anderes Staatsorgan, das verantwortlich gewesen sei; aber diesen Staat zu unterstützen und mit jenen anderen Staatsorganen zusammenzuarbeiten, wird nicht bemängelt. Wenn dies die heutige Auffassung jener Menschen ist, dann kann es keine dringendere Notwendigkeit noch eine größere Rechtfertigung geben, als diese Schuldigen zu Verbrechern zu stempeln.

Ich habe nun die Absicht, das Beweisergebnis hinsichtlich dieser drei Organisationen, für deren Bearbeitung die Britische Delegation in besonderer Weise verantwortlich ist, und die nach wohlerwogener Ansicht aller vier anklagenden Mächte verbrecherischen Charakter haben, zu erörtern. Ich hoffe indessen, daß der Gerichtshof mir vor Darlegung des Beweisergebnisses gestattet, ein oder zwei allgemeine Betrachtungen zu der zugunsten all dieser Organisationen vorgebrachten Verteidigung vorzubringen.

Ich möchte unter Hinweis auf den Vortrag von Dr. Böhm erklären, daß niemand später sagen kann, es sei ihm nicht jede Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Verfahren wurde angewandt, um das Beweismaterial über die Organisationen zu erhalten und dem Gerichtshof zu unterbreiten. Es wurden 102 Zeugen vor Ihren kommissarisch eingesetzten Richtern verhört – Zeugen, die von der Verteidigung aus vielen Tausenden verfügbarer Organisationsmitglieder ausgewählt wurden.

Sie besitzen die schriftlichen Protokolle ihrer Aussagen. Von diesen Zeugen hat die Verteidigung 20 ausgewählt, die vor diesem Gerichtshof ausgesagt haben, und die Sie selbst gesehen und gehört haben. Außer dieser mündlichen Vernehmung wurde Ihnen auch der Inhalt von nicht weniger als 136213 eidesstattlichen Versicherungen für die SS, 155000 für die Politischen Leiter, 2000 für die Gestapo, 10000 für die SA und 7000 für den SD, insgesamt 310213 unterbreitet. Ihren kommissarisch eingesetzten Richtern wurden weitere 1809 eidesstattliche Versicherungen vorgelegt, entweder auszugsweise oder in vollem Umfang, von denen der größte Teil jetzt in den Protokollen über die von den kommissarisch eingesetzten Richtern geführten Verfahren enthalten ist.

Diese von fast allen Zeugen vor Ihren beauftragten Richtern gemachten Aussagen sind offensichtlich unwahr. Sie selbst haben einige von diesen Zeugen gesehen und gehört, die von der Verteidigung wahrscheinlich deswegen ausgewählt wurden, weil man sie für die Zuverlässigsten und am ehesten geeignet hielt, Eindruck auf Sie zu machen. Ihre Aussagen sind nicht besser.

Sie werden sich an den Zeugen der SS, Sievers, erinnern, der leugnete, von den Experimenten an Menschen Kenntnis gehabt und an ihnen teilgenommen zu haben, und dem eine Akte mit seiner eigenen belastenden Korrespondenz vorgelegt wurde.

Der Zeuge Morgen beschrieb das Varieté, das Kino, die Büchereien und übrigen Annehmlichkeiten von Buchenwald. Dachau, sagte er, war ein Erholungslager.

Brill, der als Obersturmbannführer in der SS-Division Leibstandarte von Juni bis August 1941 an der Ostfront gedient hat, wußte nichts von den Einsatzgruppen, der Hinschlachtung der Juden in den Ostgebieten oder von der Behandlung der Bevölkerung Polens und Rußlands, die zur Zwangsarbeit in die Gefangenschaft verschleppt wurde. Hatten sich die Verhältnisse im Juni so geändert im Vergleich zu denen vor zwei Monaten, als Himmler allen Offizieren dieser Division erklärt hatte:

»Sehr oft sagt sich der Angehörige der Waffen-SS – und diese Gedanken kamen mir heute so – wie ich da draußen diese sehr schwierige Tätigkeit ansah, die die Sicherheitspolizei, unterstützt von Euren Leuten, die Ihnen sehr gut helfen, hat: das Hinausbringen dieses Volkes hier. – Genau dasselbe hat bei 40° Kälte in Polen stattgefunden, wo wir Tausende und Zehntausende und Hunderttausende wegtransportieren mußten, wo wir die Härte haben mußten – Sie sollen das hören und sollen das aber auch gleich wieder vergessen – Tausende von führenden Polen zu erschießen.« (1918-PS, US- 304.)

General Hauser, eine Zeitlang Befehlshaber der SS-Division »Das Reich« und später Kommandeur eines Korps, einer Armee und Heeresgruppe, wußte nichts von SS-Grausamkeiten. Er hat niemals von dem Blutbad von Lidice gehört.

Gauleiter Hoffmann, der vor Ihrem kommissarisch eingesetzten Richter ausgesagt hat, um seinen Befehl vom 25. Februar 1945, der zur Lynchjustiz an alliierten Fliegern aufhetzte, abzuleugnen, sagte, daß der Befehl aus seiner Befehlsstelle »herausgeschlüpft« sei, nachdem er sich geweigert hatte, den ihm von seinem Stabsoffizier unterbreiteten Entwurf herauszugeben.

Hupfauer von der Deutschen Arbeitsfront, der die Arbeit dieser Organisation in Essen während des letzten Teiles des Krieges zu beaufsichtigen hatte und persönlich für den Umlauf von Himmlers Befehlen verantwortlich war, welche »die Disziplin und Leistung ausländischer Arbeiter« gewährleisten sollten, leugnete jedes Wissen um die brutale Behandlung von Zwangsarbeitern.

Rathcke, der für die SA vor Ihrem in der Kommission eingesetzten Richter gerufen war, beschrieb wie »im Frühling 1933 die SA in allen deutschen Gegenden in die Kirchen strömte«.

Schneider, ein anderer vor Ihren kommissarisch eingesetzten Richter gerufener Politischer Leiter, 55 Jahre alt, leugnete ab, jemals von dem Boykott vom April 1933 gehört zu haben.

Best, der Versklaver von Dänemark, sagte vor Ihnen für die Gestapo aus. Können Sie nach Einsicht der Urkunden, die ihm während des Kreuzverhörs vorgelegt wurden, ein einziges Wort seiner Aussage glauben?

Beispiele von Aussagen dieser Art könnten aus den Protokollen fast jedes Zeugen, der zur Verteidigung dieser Organisationen herangezogen wurde, zitiert werden.

Betrachten Sie dieses Beweisergebnis von einem anderen Gesichtswinkel. Wir wissen, daß in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 sogenannte »Demonstrationen« im ganzen Reich gegen die Juden organisiert und durchgeführt wurden, in deren Verlauf 36 Juden ermordet, 20000 verhaftet und eingekerkert wurden, und zwar lediglich deshalb, weil sie Juden waren; wir wissen, daß 177 Synagogen durch Feuer zerstört oder beschädigt wurden, daß 7500 Läden zerstört wurden, und daß sich der Glasschaden allein auf 6 Millionen Reichsmark belief.

Sogar der Oberste Parteigerichtshof berichtete:

»Auch die Öffentlichkeit weiß bis auf den letzten Mann, daß politische Aktionen, wie die des 9. November, von der Partei organisiert und durchgeführt sind, ob dies zugegeben wird oder nicht. Wenn in einer Nacht sämtliche Synagogen abbrennen, so muß das irgendwie organisiert sein und kann nur organisiert sein von der Partei.« (3063-PS, US-332.)

»Ob dies zugegeben wird oder nicht!« Finden Sie unter den 102 Zeugen, die für die Parteiorganisationen geladen wurden, einen einzigen Mann, der bereit ist, dies oder Ähnliches zuzugeben? Finden Sie ein einziges Wort des Eingeständnisses unter den eidesstattlichen Versicherungen, die von über 312000 Mitgliedern dieser Parteiorganisationen abgegeben wurden? Wenn es nicht die Politischen Leiter waren, wenn es nicht die SA oder SS war, wenn es nicht die Gestapo oder der SD war – in wem kann dann der gesunde Menschenverstand den Organisator und Leiter dieser Demonstrationen erblicken?

Wir wissen, daß in ganz Deutschland Zwangsarbeiter verwendet und in viehischer Weise mißhandelt wurden. Wir wissen, daß es im Jahre 1943 sogar notwendig wurde – notwendig, um die Produktion zu steigern und nicht aus Gründen der Menschlichkeit – die – ich zitiere – »bisher geübte Behandlung von Ostarbeitern zu ändern« und daß die Parteikanzlei und das RSHA an alle Politischen Leiter bis herunter zu den Ortsgruppenleitern und wahrscheinlich an alle SD- und Gestapo-Stellen Befehle herausgeben mußte:

»Ungerechtigkeiten, Kränkungen, Schikanen, Mißhandlungen usw. müssen also unterbleiben. Die Anwendung der Prügelstrafe ist verboten.« (205-PS, GB-538.)

Aber können Sie einen einzigen unter den 102 Zeugen und unter den Personen finden, die eidesstattliche Versicherungen abgegeben haben, der jemals von der Mißhandlung ausländischer Arbeiter etwas gesehen oder gehört hat, abgesehen von ein oder zwei Ausnahmefällen?

Die Aussage aller dieser Zeugen ist die gleiche. Sie wurden gefragt, ob sie von der Verfolgung und Vernichtung der Juden wüßten, von der grauenvollen Arbeit der Gestapo, von den Greueln innerhalb der Konzentrationslager, von der Mißhandlung der Zwangsarbeiter, von der Absicht und Vorbereitung zur Durchführung eines Angriffskrieges, von der Ermordung tapferer Soldaten, Seeleute und Flieger. Und ihre Antwort war »das ewige Nein«. Das Wort eines großen Irländers mag Ihnen in Erinnerung gebracht werden: »Falschheit hat ewigen Frühling.«

Ich darf mich jetzt mit denjenigen drei Organisationen befassen, für die ich zuständig bin – dem Korps der Politischen Leiter, der SA und der SS.

Es sind gewisse Feststellungen allgemeiner Art über das Korps der Politischen Leiter von der Verteidigung und den Entlastungszeugen gemacht worden, die zweckmäßig vor dem Eingehen auf das Beweismaterial behandelt werden.

Es wird behauptet, daß Zellen- und Blockleiter nicht zu den Politischen Leitern zu rechnen seien; daß sie niemals als solche gegolten und keinerlei Machtbefugnis noch politische Aufgaben gehabt hätten; daß sie den Amtsleitern der Ortsgruppe unterstanden hätten, die die Anklagebehörde auszunehmen sich bereit erklärt hat; daß sie völlig unwichtig und tatsächlich kaum mehr als Botengänger ihrer Ortsgruppenleiter gewesen seien.

Demgegenüber stellen wir fest, daß dies nach Maßgabe des überwältigenden Beweismaterials nicht der Fall war. Bei Untersuchung des Beweismaterials ergibt sich, daß sie in verbrecherische Handlungen aller Art verwickelt waren. Ich möchte ganz besonders daran erinnern, daß im regulären Dienstbetrieb des Korps der Politischen Leiter Schriftverkehr nur bis zum Ortsgruppenleiter hinunter stattgefunden hat. Das Organisationsbuch der Partei hat verfügt, ich zitiere:

»Der Blockleiter hat seine Dienstobliegenheiten grundsätzlich mündlich zu erledigen bzw. Meldungen mündlich entgegenzunehmen und weiterzugeben. Schriftverkehr findet nur bei unbedingter Zweckmäßigkeit bzw. Notwendigkeit statt.«

Der Zeuge Meyer-Wendeborn hat bestätigt, daß dies tatsächlich so gewesen ist:

»Zwischen den Blockleitern und Zellenleitern einerseits und den Ortsgruppenleitern andererseits sollten keine schriftlichen Weisungen erteilt werden, um diesen Leuten untergeordneten Ranges oder geringerer Stellung nicht zu viel Arbeit zu verursachen.«

In Anbetracht dieser Tatsache werden Sie es wohl merkwürdig finden, daß wir dennoch so viele Urkunden auffinden konnten, welche die Zellen- und Blockleiter unmittelbar belasten. Bei der Beweiswürdigung werde ich besonders auf diese Urkunden hinweisen. Aber ich möchte gleichfalls die übrigen Beweismittel hervorheben, die Ihnen für die überaus wichtige und wesentliche Rolle der Zellen- und Blockleiter vorliegen.

Es ist hier eingewendet worden, sie seien entgegen der Behauptung der Anklagebehörde keine Hoheitsträger gewesen, und eine Reihe von Urkunden ist von der Verteidigung vorgelegt worden, um diese Auffassung zu stützen. Ob das nun so ist oder nicht, hat wenig zu sagen. Sie werden sich erinnern, daß sie im Organisationsbuch der Partei zu den Hoheitsträgern gerechnet wurden; dort heißt es:

»Innerhalb der Politischen Leiter nehmen die Hoheitsträger eine Sonderstellung ein.«

Es wird nun eingewendet, daß das Organisationsbuch ungenau sei. Dasselbe behauptet man vom »SA- Mann«, einer ebenso unbequemen Druckschrift für die Mitglieder der SA. Gibt es denn überhaupt irgendeine amtliche Veröffentlichung der parteiamtlichen Verlagsinstitute, die genau ist?

Tatsache bleibt, daß die Zellen- und Blockleiter das unentbehrliche Fundament der gesamten Parteimaschine bildeten, ganz einerlei, wie man sie bezeichnet. Gauleiter Kaufmann gab zu: »Blockleiter und Zellenleiter waren die Ausführungsorgane des Ortsgruppenleiters.«

Zellenleiter Schneider wurde gefragt: »Würden Sie mit mir der Ansicht sein, daß ohne die Zellenleiter und Blockleiter die Ortsgruppenleiter niemals die von ihnen zu erfüllenden Aufgaben hätten ausführen können?« und antwortete: »Ja, das stimmt.«

Sie waren bedeutend mehr als reine Botengänger, als die sie nun hingestellt werden sollen. Hirth erklärte, daß lediglich Persönlichkeiten, die »politisch unbedingt zuverlässig« waren, zu Mitarbeitern bei den Stäben der Gaue, Kreise und Ortsgruppen oder als Zellen- und Blockleiter bestellt wurden und daß alle in den Stellungen eines Zellen- und Blockleiters Stützen der Partei zu sein schienen. Das Beweismaterial zeigt, mit welcher Art Aufgaben sie betraut waren, wozu auch die Verantwortlichkeit für die »Unterstützung bei der Aufstellung der politischen Beurteilung« der Bewohner ihres Bezirks gehörte.

Es ist hier behauptet worden, daß Politische Leiter – vor allem in Kriegszeiten – gegen ihren Willen gezwungen worden seien, ihre Ernennung anzunehmen. Tatsächlich war jedoch Grundlage des ganzen Systems der freiwillige Dienst, bezahlt oder unbezahlt, und dies ist von ihrem eigenen Zeugen Meyer- Wendeborn bestätigt worden. Ich darf aus seinem Kreuzverhör vor dem kommissarisch eingesetzten Richter zitieren:

»F.: Kann ich davon ausgehen, daß die Politischen Leiter sämtlich freiwillig ihren Posten innehatten?

A.: Jawohl.

F.: Und das bezieht sich auch auf die Zellenleiter und Blockleiter, nicht wahr?

A.: Die Zellenleiter und Blockleiter wurden durch den Ortsgruppenleiter nach Erörterung mit seinen Mitarbeitern ernannt. Aber wenn jemand glaubte, daß er der Aufgabe nicht gewachsen war, oder daß er nicht imstande war, den Posten auszufüllen, oder daß er die Zeit dazu nicht hatte, sahen wir uns nach jemand anders um.

F.: Und stand es völlig im Willen der Zellenleiter oder Blockleiter, ob sie den Posten annahmen oder nicht?

A.: Jawohl.«

Wenn wirklich, wie der Zeuge Hirth angibt, Druck auf einige ausgeübt worden ist, so dürfte dies lediglich in ganz außergewöhnlichen Fällen erfolgt sein. Da man von den Inhabern dieser Ämter verlangte, daß sie »politisch unbedingt zuverlässig« seien, wäre es doch merkwürdig, wenn man unter ihnen zahlreiche Gegner der Partei vorfände, die gegen ihren Willen zu handeln gezwungen gewesen wären.

Es heißt gleichfalls, daß ihre Ernennung nicht wie in Friedenszeiten bestätigt worden, daß ihnen ein Eid nur in unregelmäßigen Abständen abgenommen worden sei, und daß sie, da ihnen eine Uniform nicht geliefert worden sei, nicht nach den Worten der Anklage »nach allgemeiner Nazi-Terminologie Politische Leiter irgendeines Grades oder Ranges waren«.

Ich möchte feststellen, daß eine derartige Folgerung jeder Grundlage entbehrt. Sie erledigten dieselben Aufgaben, wurden gleichermaßen als Funktionäre angesehen und hatten Machtbefugnis und Einfluß gleicher Natur wie diejenigen, deren Stelle sie einnahmen.

Es heißt weiter, daß es kein »Korps«, beziehungsweise keine Organisation der Politischen Leiter gegeben habe; die Beweisaufnahme dagegen zeigt, daß die Politischen Leiter, aller Klassen ein festgefügtes und schart abgegrenztes Korps gebildet haben. Sie werden auch im Organisationsbuch als »Korps« bezeichnet. Alle zusammen hatten sie als gemeinsame Zielsetzung »die restlose Durchdringung des deutschen Volkes im nationalsozialistischen Geist.«

Sie trugen alle dieselbe Uniform. Sie erhielten alle denselben Personalausweis, der sich von dem der übrigen Bevölkerung unterschied. Jedes Jahr leisteten sie einen gemeinschaftlichen Eid auf ihren Führer:

»Ich schwöre Adolf Hitler unverbrüchliche Treue. Ich schwöre ihm und den Führern, die er mir bestimmt, unbedingten Gehorsam.«

Und, wie das Organisationsbuch von jedem einzelnen von ihnen sagt:

»Der Politische Leiter fühlt sich unlöslich mit dem Gedankengut und der Organisation der NSDAP verbunden.«

Zu einem weiteren Punkt sollte ich noch ein Wort der Erklärung geben: Es ist von der Verteidigung vorgebracht worden, daß eine große Zahl der Amtsleiter bei den Stäben der verschiedenen Hoheitsträger nicht in die »Verbrecherischerklärung« einbezogen werden dürften, die Sie etwa gegen das Korps der Politischen Leiter aussprechen. Genau wie es von den Blockleitern hieß, sie seien unschuldige, harmlose Botengänger gewesen, so wird auch behauptet, diese Amtsleiter seien harmlose und unschuldige Sachberater ihrer jeweiligen Gau-, Kreis- oder Ortsgruppenleiter gewesen. Sachberater mögen sie gewesen sein, aber darüber hinaus waren sie bedeutend mehr, und ganz sicherlich waren sie weder unschuldig noch harmlos. Sie waren ordnungsgemäß ernannte Politische Leiter, Leute, die »politisch vollkommen zuverlässig« und Stützen der Nazi-Partei waren. Sie alle, genau wie die Hoheitsträger selbst, leisteten einen jährlichen Treueid, der sie in blindem Gehorsam an ihren Führer band. Obwohl sie natürlich ihre Anweisungen für ihre einzelnen Tätigkeitsgebiete von der Staatsbehörde erhielten, der sie zugeteilt waren, unterstanden sie nichtsdestoweniger dem Befehl ihrer Hoheitsträger in allen politischen Angelegenheiten und in Sachen der Parteidisziplin. Sie dürfen wohl glauben, daß diese Männer einen ebenso gefährlichen Einfluß ausübten wie jeder sonstige Politische Leiter, denn gerade sie waren in engster Verbindung mit allen Teilen der Gesellschaft und mit allen Berufen und Gewerben. Wir besitzen zwar keine Urkunden, die jede einzelne Klasse dieser sogenannten unpolitischen Politischen Leiter belasten, doch sind sehr viele von ihnen durch die Dokumente belastet, die Sie hier gesehen haben. Ich will diese jetzt nicht aufzählen. Vielmehr werde ich Sie darauf aufmerksam machen, wenn ich das Beweismaterial bespreche. Die Anklagevertretung vertritt die Auffassung, daß sie auf Grund dieses Beweismaterials sowie auf Grund des allgemeinen Beweismaterials über die Zustände in Deutschland und über den Einfluß der Politischen Leiter, berechtigt, ja geradezu gezwungen sind, die Schlußfolgerung zu ziehen, daß, wenn Zweck und Tätigkeit dieser Organisation verbrecherisch waren, dann auch jedes Mitglied der Stäbe von Gau, Kreis und Ortsgruppe mit erfaßt werden muß. Die Tatsache, daß wir jene Mitarbeiter in den Stäben der Ortsgruppen mit Vorbedacht beiseite gelassen haben, bedeutet nicht, daß wir dies wegen ihrer Schuldlosigkeit getan hätten. Dieser Entschluß ist hauptsächlich infolge praktischer Erwägungen gefaßt worden, und es ist sehr wohl möglich, daß dieser Entschluß falsch war.

Es wurde von der Verteidigung ausgeführt, daß es in den verschiedenen Parteiorganisationen, wie zum Beispiel der DAF, NSV, den Studenten- und Frauenorganisationen, Führer gab, die auch Politische Leiter genannt wurden. Ihre Anzahl wird mit 11/2 Millionen angegeben. Ich möchte nochmals klarmachen, daß die Anklagebehörde, wenn solche Politischen Leiter existieren, keine Erklärung der Kriminalität gegen sie beantragt. Wir wollen nur die Reichsleiter, Gauleiter, Kreisleiter, Ortsgruppenleiter, Zellenleiter, Blockleiter und die Amtsleiter oder die Leiter der Ämter bei den Stäben der Reichsleitung, Gauleitung und Kreisleitung eingeschlossen wissen – jene Politischen Leiter also, die, nach geographischen Prinzipien organisiert, für die politische Kontrolle des Volkes und die organisatorische Durchführung der Nazi-Politik verantwortlich waren. Alle anderen sind ausgenommen.

Sie haben eine Liste, auf welcher die Anzahl der hiervon Betroffenen aufgeführt ist. Nach dem Parteiorganisationsbuch für das Jahr 1943 sind es 600000 Menschen. Es wird von der Verteidigung behauptet, daß diese Zahl die Veränderungen durch Ersatzmänner nicht berücksichtigt und daß die Gesamtzahl aller derjenigen, die zu irgendeiner Zeit solche Stellungen innehatten, viel größer sei. Hierzu möchte ich zwei Bemerkungen machen. Erstens geben die im Organisationsbuch aufgeführten Zahlen die vorgesehene Höchstziffer für jeden Gau und Kreis an. Tatsächlich waren nicht alle dieser Ämter besetzt – in städtischen Bezirken gab es kein Amt für Agrarpolitik, in Gauen, in denen sich keine Universitäten befanden, gab es keine politischen Amtsleiter für Dozenten. Zweitens umfaßt die Zahl von 600000 aus dem Jahr 1943 die Politischen Leiter von neun außerdeutschen Gauen – sechs österreichischen, zwei polnischen und einem im Sudetenland –, von denen keiner vor dem Jahr 1938 bestand, so daß während der ersten fünf Jahre der Nazi-Herrschaft die tatsächliche Gesamtzahl der Politischen Leiter beträchtlich unter 600000 gelegen haben muß. Der von der Verteidigung vorgelegte Auszug aus der Schrift »Der Hoheitsträger« veranschaulicht die Zunahme der Hoheitsträger allein zwischen 1935 und 1939; die Zahl stieg von 291671 auf 581650. Im Hinblick auf diese Erwägungen behaupten wir, daß unter Berücksichtigung der Ersatzleute die Gesamtzahl derjenigen, die zu irgendeiner Zeit Stellungen im Korps der Politischen Leiter innehatten, die wir in die Verbrecherischerklärung einbeziehen, die von uns unterbreitete Zahl von 600000 nicht nennenswert überschritten hat. Und ich möchte hinzufügen, daß nicht nur als Folge natürlicher Ursachen, sondern auch infolge der Auswirkungen des aktiven Militärdienstes und der Bombenangriffe eine beträchtliche Minderung dieser Zahl angenommen werden muß. Diese Männer und Frauen bildeten das eigentliche Rückgrat des Nationalsozialismus und führten die 48 Millionen Wähler Deutschlands auf jenen Weg und zu jenem Endergebnis, das uns hier aufgezeigt wurde.

Wir wollen nun das Beweismaterial gegen sie in seinen Hauptkapiteln betrachten. Wir werden sehen, wie sie nicht nur selbst direkt an Verbrechen teilnahmen, sondern wie sie auch anderen Organisationen bei der Durchführung ihres gemeinsamen verbrecherischen Zieles aktiv und bewußt Beihilfe leisteten und mit ihnen zusammenarbeiteten.

In einem Schreiben an die Gauleiter im Juni 1941 führte Bormann im Hinblick auf die Staatsgewalt aus:

»Zum erstenmal in der deutschen Geschichte hat der Führer bewußt und vollständig die Volksführung selbst in der Hand....« (D-75, US-348).

Aus dem Beweismaterial über die Tätigkeit der Politischen Leiter während der Abstimmungen in den Jahren 1936 und 1938 ist eine der Methoden ersichtlich, durch welche das Korps der Politischen Leiter dazu beitrug, die Führerschaft über das Volk in des Führers eigene Hände zu legen, es ist daraus zu ersehen, daß daran die Politischen Leiter aller Ränge beteiligt waren.

Wir haben die vollständigen Akten des Kreises Erfurt in Thüringen über die Volksabstimmung im Jahre 1938. Stützpunktleiter mußten im voraus alle die Personen in ihrem Bezirk melden, von denen sie mit Bestimmtheit annehmen konnten, daß sie mit »Nein« abstimmen würden. (D-897, GB-541.) Die Befehle wurden von dem SD gleichzeitig an die Stützpunktleiter und alle Referenten des Sicherheitsdienstes ausgegeben. Die Referenten sollten die Stützpunktleiter örtlich und weitestgehend unterstützen. Die Verteidigung hat angeführt, daß die in diesen Akten erwähnten Stützpunktleiter, Stützpunktleiter des SD und nicht der Politischen Leiter seien. Selbst wenn man diese Erklärung als wahr unterstellt, macht es keinen Unterschied, denn es wurde ausdrücklich erwähnt, daß die ganze Angelegenheit mit den Ortsgruppenleitern der Partei in engster Zusammenarbeit (D-897, GB-541) durchgeführt werden sollte. Die Politischen Leiter konnten kaum im Zweifel darüber sein, was den Leuten bevorstand, die sie meldeten, denn die Befehle enthielten folgenden bezeichnenden Abschnitt:

»Es wird nochmals besonders darauf hingewiesen, welche riesige Verantwortung die Stützpunktleiter – im besonderen Hinblick auf diese Meldung – besitzen müssen. Es müssen sich die Stützpunktleiter über die eventuellen Folgen für die Personen, die in ihrer Meldung enthalten sein werden, im klaren sein.«

Der Hohe Gerichtshof wird sich an die Meldungen erinnern, die von dem SD nach stattgefundener Volksabstimmung abgegeben wurden und die zeigen, in welcher Weise die Stimmzettel verdächtiger Personen mit Hilfe von Magermilch und farbbandloser Schreibmaschinen nachgeprüft wurden. Sie werden sich auch an die Methoden erinnern, die angewandt wurden, um zweifelhafte Anhänger der Partei zur Abstimmung zu zwingen, ich zitiere:

»Die noch kurz vor Schluß der Wahl herbeigeschleppte Ehefrau des Volljuden Bielschowski hat nachweislich mit ›Nein‹ gestimmt....

Der Arbeiter Otto Wiegand... mußte am Wahltag viermal zur Stimmabgabe aufgefordert werden und wählte schließlich nur unter Zwang....

Der Ehemann... hat gewählt. Dies dürfte allerdings wohl ausschließlich aus Furcht vor einer erneuten Inhaftnahme geschehen sein.« (D-902.)

Und dann noch einmal in einem Dokument, welches vielleicht eines der furchtbarsten in diesem Verfahren ist:

»Zur Kenntnis, daß die Bibelforscher Robert Siering und Ehefrau... nachdem sie beide in Griefstedt vom Wachtmeister auf ihre Wahlpflicht hingewiesen wurden und ihnen bei Nichtbeteiligung mit der Entziehung ihres Kindes gedroht wurde... ihre Stimme abgaben.« (D-897.)

Niemand kann behaupten, daß solche Dinge nur in Erfurt vorkamen. Im Gau Koblenz versicherte der Kreisgeschäftsführer von Kochem, »wo eine Überwachungskontrolle in mehreren Ortsgruppen angeordnet war«, dem SD, daß es meistens Frauen waren, die »nein oder ungültig« abstimmten. (R-142, US-481.)

In Rottenburg hat die Partei Demonstrationen gegen den Bischof abgehalten, der sich weigerte abzustimmen, Demonstrationen, die Herr Justice Jackson so anschaulich in seiner Eröffnungsansprache geschildert hat.

Nicht nur bei der Wahl im Jahre 1938 waren die Politischen Leiter tätig. Man wird sich erinnern, daß in Bremen Kreisleiter, Ortsgruppenleiter und Stützpunktleiter dafür Sorge trugen, daß alle Beamten, die in der am 29. März 1936 stattfindenden Wahl nicht abstimmten, gemeldet wurden. Dr. Servatius schiebt diese erwiesenen Tatsachen mit einer Behauptung, welche jeder Spur eines Beweises entbehrt, beiseite. Er sagt: »Es ist erwiesen, daß die Oberste Parteileitung durchaus nicht in Erscheinung tritt. Es handelt sich hierbei um bloße Einzelmaßnahmen anderer Stellen. Man kann hieraus nicht auf allgemeine Übung oder Kenntnis schließen.«

Ich brauche nichts hinzufügen.

Die Kontrolle und die Überwachung des deutschen Volkes waren genauso die Aufgabe der Politischen Leiter, wie die des SD und der Gestapo. Unter allen Politischen Leitern waren die Blockleiter für diesen Zweck am wichtigsten. Sie haben über jeden Haushalt ihre Haushaltkartei geführt, Karteikarten, welche die Grundlage für die »politische Beurteilung« bildeten, die die Blockleiter, Zellenleiter und Ortsgruppenleiter in gemeinsamer Zusammenarbeit aussprechen sollten (D-901 a, GB-546). Immer wieder hat sich die Verteidigung vor der Kommission und dem Gerichtshof gegen die Unterstellung verwahrt und bestritten, daß die Blockleiter als Spitzel benützt wurden. Aber was sonst waren sie, wenn sie ihre Karteikarten auf Grund solcher Informationen ausfüllen mußten, die bei genügend Gelegenheiten durch, ich zitiere »Unterhaltung... mit den betreffenden Volksgenossen... zu erhalten waren«. Auch wurden sie dringend darauf aufmerksam gemacht, sich der Genauigkeit ihrer Meldungen zu versichern (D-901 a, GB-546).

Die erbärmliche Rolle, die die Blockleiter spielten, wird noch durch weiteres Material bewiesen. In dem Parteiorganisationsbuch wurde der Blockleiter darauf hingewiesen, daß folgendes seine Pflicht sei:

»Die Verbreiter schädigender Gerüchte hat er feststellen zu lassen und sie an die Ortsgruppe zu melden, damit die zuständige staatliche Dienststelle benachrichtigt werden kann.« (1893-PS, US-323.)

Wir sehen ihn wieder beim Spionieren, wenn wir nochmals das Beweismaterial hinsichtlich der Rolle, die die Politischen Leiter bei der Verfolgung der Kirchen spielten, durchsehen. In Zusammenarbeit mit der Gestapo und dem SD haben die Politischen Leiter vom Höchsten bis zum Niedersten aktiven Anteil an der Unterdrückung des Einflusses der Kirche genommen.

Euer Lordschaft! Ich nehme an, ich kann den Schluß von Seite 17 und die ersten acht Zeilen auf Seite 18 auslassen. Es behandelt die dem Gerichtshof bekannte Verfügung Bormanns. Ich fahre fort auf Seite 18.

Wie können wir daran zweifeln, daß es die allgemein anerkannte Politik aller Politischen Leiter war, wenn Bormann, trotz allem was Hitler im Parteiprogramm über ein »positives Christentum« gesagt haben mag, im Jahre 1941 nach seiner berüchtigten Anklage des Christentums an die Gauleiter schrieb: »Nationalsozialistische und christliche Begriffe sind unvereinbar.« Gauleiter Kaufmann gab sich große Mühe zu erklären, daß diese Richtlinie eine Woche später zurückgezogen wurde, aber in dem Brief des SD, der sechs Monate später im Dezember 1941 darüber geschrieben wurde, ist keinerlei Erwähnung einer solchen Zurückziehung. Sie werden sich denken, daß es eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit der Politik des Stellvertreters des Führers, Heß, hat, wie sie zwei Monate vorher, im April 1941, Rosenberg gegenüber erklärt wurde.

»Die konfessionellen Morgenandachten in den Schulen werden auf unsere Veranlassung immer stärker abgebaut und beseitigt. In ähnlicher Weise sind auch in verschiedenen Teilen des Reiches bereits sowohl die konfessionellen als auch die überkonfessionellen Gebete in den Schulen durch nationalsozialistische Sinnsprüche ersetzt worden.«

Es ist eine Unmenge weiteres Beweismaterial vorhanden über die Politik, die von den höheren Rängen der Politischen Leiter hinsichtlich der Kirche befolgt wurde, aber ich brauche den Hohen Gerichtshof damit nicht zu behelligen.

Erlauben Sie mir, mich auf die niedrigsten Ränge zu beschränken, die Ortsgruppenleiter, Blockleiter und Zellenleiter. Sie werden sich an das Aktenstück des Ortsgruppenleiters in Darmstadt über kirchliche Fragen mit Berichten vom Februar 1939 erinnern:

»Wie mir... Blockleiter Pg. Keil mitteilt, finden... wieder Veranstaltungen der Bekenntnisfront statt.« (D-901, GB-536.)

Und ein anderes, im Zusammenhang mit Pastor Strack:

»Man sollte doch wirklich einmal diesem Herrn ernstlich auf die Finger klopfen.« (D-901.)

Sie werden sich auch der Maßnahmen entsinnen, die der Kreisleiter auf Grund dieser Meldungen ergriff. Der SD und die Gestapo wurden über die von den Blockleitern gemeldeten Versammlungen der Bekenntnisfront verständigt, so auch über den unglücklichen Pastor Strack, den Pfarrer, der »genügend bekannt und reif für das Konzentrationslager oder den Sondergerichtshof war«.

Bezweifeln Sie, daß es ebenfalls die Block- und Zellenleiter in Thüringen waren, die die verlangten Meldungen zu machen hatten über die Art und Weise, in welcher die Ergebnisse der Volksabstimmung 1938 von der Bevölkerung »insbesondere in den kleinen Städten und Dörfern« aufgenommen wurde? (D-897.)

Wer sonst, wenn nicht Block- und Zellenleiter, konnte dazu verwendet werden, um festzustellen, was die katholische und protestantische Geistlichkeit während der Gottesdienste über den Anschluß zu sagen hatte? Wer sonst, außer ihnen, war in der Lage, darüber zu berichten, ob die Kirchenglocken am Abend nach der Anschlußansprache in Wien geläutet wurden? (D-897.)

Als letztes über diesen Gegenstand liegt Ihnen das Beweismaterial über die Demonstrationen vor, die zur Unterbrechung des Gottesdienstes in der Kirche zu Freising im Jahre 1935 organisiert wurden, an denen die Kreisleiterin der Nationalsozialistischen Frauenschaft führenden Anteil nahm (1507-PS, GB-535).

Nur durch die Gewinnung der vollständigen Herrschaft über den Staat und das Volk war es der Nazi- Regierung möglich, ihre verbrecherischen Ziele zu erreichen. Die Politischen Leiter bildeten ein wesentliches Element zur Erlangung dieser Herrschaft. Sie unterstützten und führten die Befehle einer Regierung aus, von der sie von Anfang an wußten, daß sie eine niederträchtige Politik durch verbrecherische Mittel verfolgte. Allen war die Judenverfolgung als ihr eingestandenes Ziel bekannt. Alle wußten Bescheid über die Gestapo, die Konzentrationslager und die nationalsozialistische Art, ohne gerichtliches Verfahren zu verhaften und einzukerkern. Dennoch fuhren sie fort, eifrig jene Regierung zu unterstützen und die Drosselung des deutschen Volkes noch zu verstärken. Die Gesamtheit der Ausführungen von Dr. Servatius über die Stellung der Politischen Leiter nach 1933 zeigt uns die Fesseln, in welchen Deutschland durch den eisernen Rahmen der Partei gehalten wurde – eine politische »eiserne Jungfrau«, die ein Volk zu Tode drückte.

In Bezug auf die Juden ist zu sagen: Wenn die Verfolgung der Juden eine öffentlich anerkannte Politik und ein Brauch der Nazi-Partei war, ist die Tatsache allein, daß Männer willig ihrer Partei in leitender Stellung dienten, in sich selbst genügend Beweis ihrer Teilnahme an verbrecherischer Tätigkeit. Wir haben jedoch greifbare Beweise für die direkte Teilnahme von Politischen Leitern an der Verfolgung der Juden – und wiederum von Politischen Leitern aller Grade. Es sind Beweise dafür vorhanden, daß innerhalb von weniger als einem Jahr nach der Machtergreifung durch die Nazi-Regierung das Korps der Politischen Leiter die Bevölkerung zu Judenverfolgungen aufhetzte. Es ist kaum möglich sich vorzustellen, daß in einem zivilisierten Staate im Jahre 1933 Instruktionen an die Politischen Leiter unter dem Titel »Judenbekämpfung« erlassen werden konnten. Und doch ist es geschehen. Kreisleiter im Gau Koblenz mußten Listen der jüdischen Firmen und Geschäfte in ihrem Bezirk nachprüfen. Und wiederum wird betont, wie wichtig Genauigkeit sei. Ausschüsse wurden innerhalb der verschiedenen Kreise, Ortsgruppen und Stützpunkte aufgestellt, die die Aufgabe hatten, in der Judenbekämpfung »die Orte zu leiten und zu überwachen«. (374-PS.) Sie mußten die von der Partei mit dem Boykott im April dieses Jahres eingeführte Politik fortsetzen, ich zitiere:

»Die Kreisleitungen machen in allen Mitgliederversammlungen oder auch öffentlichen Versammlungen darauf aufmerksam, daß der Jude in allen Ländern wieder von neuem einen ganz gemeinen Kampf, welcher Deutschland ganz gewaltig schädigt, führt. Es ist der Masse klar zu machen, daß kein Deutscher bei Juden kaufen darf.« (374-PS.)

Mit Rücksicht auf dieses Beweismaterial, mit Rücksicht auf Dr. Servatius' Eingeständnis, daß die Politischen Leiter sich den Nürnberger Gesetzen nicht widersetzt haben, und den Maßregeln, welche den Einfluß der Juden beschränken sollten, zugestimmt haben; mit Rücksicht auf die von ihnen, – wie wir wissen – in den Demonstrationen des Jahres 1938 gespielte Rolle; kann es da irgendeinem Zweifel unterliegen, daß sie alle diese Jahre hindurch eifrig an der fortlaufenden Verleumdung und Verfolgung des jüdischen Volkes teilgenommen haben? Wenn wir uns Heydrichs Befehl, der in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 dem SD erteilt worden ist, ansehen, müßten wir die Vermutung, daß dies nicht der Fall gewesen sein sollte, in der Tat für seltsam halten:

»Die Leiter der Staatspolizeistellen oder ihre Stellvertreter haben sofort nach Eingang dieses Fernschreibens mit den für ihren Bezirk zuständigen politischen Leitun gen – Gauleitung oder Kreisleitung – fernmündlich Verbindung aufzunehmen und eine Besprechung über die Durchführung der Demonstrationen zu vereinbaren, zu der der zuständige Inspektor oder Kommandeur der Ordnungspolizei zuzuziehen ist. In dieser Besprechung ist der politischen Leitung mitzuteilen, daß die Deutsche Polizei vom Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei die folgenden Weisungen erhalten hat, denen die Maßnahmen der politischen Leitungen zweckmäßig anzupassen wären.« (3051-PS, US-240.)

Es ist tatsächlich seltsam, daß solche Instruktionen erteilt worden sind, wenn alle Gauleiter sich solchen Maßnahmen so kräftig widersetzt hätten, wie es die Gauleiter Kaufmann, Streicher, Sauckel und Wahl angeblich getan haben.

Was immer auch diese von Ihnen gehörten Zeugen über die Einstellung der Politischen Leiter zu diesen Demonstrationen sagen mögen, wir wissen, daß 36 Juden getötet wurden. (3058-PS, US-508.) Von diesen 36 Juden wurden vier entweder von Ortsgruppen- oder Blockleitern ermordet. Ein aus Gauleitern und anderen Politischen Leitern zusammengesetztes Gericht befand es für richtig, in allen Fällen von Mord, die während dieser Demonstrationen von Parteimitgliedern, Mitgliedern der SS, der SA und des Korps der Politischen Leiter begangen wurden, entweder nur kleinere Strafen auszusprechen oder die Strafe aufzuschieben. Und welche Gründe sie angaben! Ich zitiere:

»In den Fällen, in denen Juden ohne Befehl oder befehlswidrig getötet wurden, konnten unlautere Motive nicht festgestellt werden. Die Männer waren innerlich der Überzeugung, ihrem Führer und der Partei einen Dienst getan zu haben.« (3063-PS, US-332.)

Wenn diese von Ihnen hier gehörten Zeugen der Verteidigung nicht begriffen haben, wer für diese Demonstrationen verantwortlich war, so war dies doch den Mitgliedern des Obersten Parteigerichts vollständig klar.

In Frankreich wurden im Einvernehmen mit den Hoheitsträgern Listen von Juden für das sogenannte »Kollektivausbürgerungsverfahren« aufgestellt – was natürlich Deportierung nach dem Osten bedeutete (EC-265, RF-1504). Aber die Kenntnis dieser Deportierungen und die Behandlung der Juden in den besetzten Gebieten war nicht auf die Politischen Leiter in Frankreich beschränkt. Die Ausgabe der zu Informationszwecken verbreiteten Druckschrift »Die Lage« vom August 1944 enthält genaue Einzelheiten über die Geschehnisse in Ungarn.

»Es war selbstverständlich, daß nach dem 19. März die deutschen Stellen in Ungarn alles daransetzten, um das jüdische Element so rasch und so vollkommen wie nur irgend möglich auszuschalten. In Anbetracht der Nähe der russischen Front begann man mit der Säuberung der Nordostgebiete (Nord-Siebenbürgen und Karpatenland), wo zahlenmäßig das stärkste jüdische Element war. Dann wurden in der übrigen ungarischen Provinz die Juden gesammelt und nach Deutschland bzw. in den deutschen Machtbereich abtransportiert. 100000 Juden blieben in den Händen der Ungarn, um in Arbeitsbataillonen eingesetzt zu werden. Zu dem vorgesehenen Termin, dem 19. Juli, war die ungarische Provinz judenrein. Hier ist in kürzester Zeit mit erstaunlicher Konsequenz und Schärfe gearbeitet worden« (D-908, GB-534).

Wir wissen nicht, wer Exemplare dieser Druckschrift erhielt, aber wir wissen, daß der Angeklagte Dönitz einen Beitrag dazu lieferte, und daß Gauleiter Kaufmann sie »erhalten haben könnte«. Außerdem ist aus dem in unserem Besitz befindlichen Exemplar ersichtlich, daß es seinen Weg zur NSDAP in dem Dorfe Höchen in der Nähe von Aachen fand. Dönitz muß vom Inhalt dieser Druckschrift gewußt haben, ebenso jeder andere höhere Nazi-Beamte. Wußten denn Kaufmann und die anderen Gauleiter nichts von der scheußlichen Politik, die ihre Regierung verfolgt hat? Sie behaupten es, aber sie lügen. Sehen Sie sich bitte Dokument 49 des Dokumentenbuches an, das zur Verteidigung des Korps der Politischen Leiter vorgelegt worden ist. Es ist ein vertraulicher, von der Nazi-Partei durch die Parteikanzlei am 9. Oktober 1942 herausgegebener Informationsbericht und betrifft die vorbereitenden Maßnahmen zur Endlösung der Judenfrage in Europa sowie Gerüchte über die Lebensbedingungen der Juden im Osten. (Verteidigungsdokumentenbuch I für das Korps der Politischen Leiter, Dokument Nummer 49.) Es ist ein Dokument, das am Rand die Bemerkung trägt »Nur frei für G und K«, was wohl für »Gau und Kreis« bedeutet. Aber es zeigt einwandfrei, daß die Kenntnis dieser Dinge bis weit unter die Kreise vorgedrungen ist. Hören Sie, wie es hier heißt:

»Im Zuge der Arbeiten an der Endlösung der Judenfrage werden neuerdings innerhalb der Bevölkerung in verschiedenen Teilen des Reichsgebietes Erörterungen über ›sehr scharfe Maßnahmen‹ gegen die Juden, besonders in den Ostgebieten, angestellt. Die Feststellungen ergaben, daß solche Ausführungen – meist in entstellter und übertriebener Form – von Urlaubern der verschiedenen im Osten eingesetzten Verbände weitergegeben werden, die selbst Gelegenheit hatten, solche Maßnahmen zu beobachten.«

Nach dem, was Sie gehört haben, mögen Sie vielleicht annehmen, daß es nicht gut möglich war, die »sehr ernsten Maßnahmen« zu übertreiben, die die Urlauber aus dem Osten besprochen haben und seit September 1941 in jedem Dorf und jedem Haus in ganz Deutschland besprochen haben mußten. Aber selbst wenn sie übertrieben waren, so sind sie ja gar nicht abgeleugnet worden. Der Artikel, den ich als Fußnote beifüge, erwähnt fünf Hauptpunkte:

»a) Die bis heute durchgeführten Maßnahmen, nämlich die Entfernung der Juden aus den verschiedenen Schichten des deutschen Volkes und die vollständige Vertreibung der Juden aus dem Reichsgebiet war nicht mehr länger durch Auswanderung möglich.

b) Die nächste Generation wird diese Frage nicht länger als lebenswichtig betrachten, deshalb muß das Problem von dieser Generation gelöst werden.

c) Die vollständige Absonderung und Entfernung der Millionen von Juden, die in der europäischen Wirtschaftszone leben, bleibt eine zwingende Notwendigkeit des Kampfes des deutschen Volkes um seine Existenz.

d) Beginnend mit dem Reichsgebiet und dann zu den anderen europäischen Ländern übergehend, welche in der endgültigen Lösung einbegriffen sind, werden die Juden nach einem ständigen Plan nach dem Osten in große Lager verschickt werden... von wo aus sie dann entweder zur Arbeit verwendet oder noch weiter nach Osten verschickt werden.

e) Diese sehr schwierigen Probleme können nur mit rücksichtsloser Strenge gelöst werden.«

Falls sie immer noch die Kenntnis des wirklichen Schicksals, das diese Juden erwartete, ableugnen, so kann doch nicht ein einziger dieser Angeklagten, nicht ein einziger der Zeugen, die vor Ihnen oder Ihren beauftragten Richtern ausgesagt haben, nicht ein einziges der Mitglieder dieser Organisation, die Kenntnis ihrer Deportierung ableugnen. Und was könnten sie sich wohl über die Bedeutung des Satzes gedacht haben: »Die vollständige Entfernung der Juden ist durch Auswanderung nicht länger möglich?«

Auch bei mildester Auslegung ist diese Behandlung der Juden im besetzten Gebiet ein Kriegsverbrechen. Das Korps der Politischen Leiter wurde mobilisiert, um sicherzustellen, daß die öffentliche Meinung dieses Kriegsverbrechen nicht nur verzeihe, sondern unterstütze und dazu ermutige. Das allein würde sie zu Verbrechern stempeln. Aber damit ist es noch nicht genug.

In den besetzten Gebieten war das Korps der Politischen Leiter für die an den Ortsbewohnern begangenen Verbrechen genauso verantwortlich wie irgend jemand sonst. Frick fordert in seinen Weisungen an Rainer vom 16. Dezember 1941 bei dessen Ernennung zum Gauleiter von Kärnten diesen auf das eindringlichste dazu auf, die in dem einverleibten Gebiet befindlichen Slowenen zu germanisieren und die slowenische Sprache auszurotten (USSR-449).

Euer Lordschaft! Wir bestreiten energisch Dr. Servatius' Behauptung, daß es erlaubt wäre, frühere deutsche Völker einzudeutschen. Man braucht nur den Anspruch, jeden Slawen des alten deutschen Reiches einzudeutschen, zu erwähnen, um dessen Lächerlichkeit zu begreifen.

Die Gauleiter allein konnten diese Befehle nicht durchführen. Ihre Untergebenen mußten ihren Teil dazu beitragen. Sie erinnern sich wohl an die von dem Kreisleiter in Pettau am 30. April 1942 an alle Ortsgruppenleiter gerichteten Anweisungen zur Entfernung der slowenischen Inschriften von allen kirchlichen und weltlichen Gebäuden (USSR-143).

Wir wissen, daß die Verschickung von 2000 Menschen nach Serbien, Einlieferung von Hunderten in Konzentrationslager und Erschießungen als Vergeltungsmaßnahmen zu den Dingen gehörten, die auf der Gauleitertagung in Marburg besprochen worden waren. Im Juni 1942, als es sich um die Evakuierung des Gefängnisses von Cilli handelte, wurde bestimmt, daß die Gefangenen abtransportiert oder erschossen werden sollten, um den für eine umfangreiche Aktion nötigen Raum zu schaffen.

Am 13. Juli sollte die Hälfte der 400 Häftlinge durch Einlieferung in ein Konzentrationslager oder durch Erschießen unschädlich gemacht werden. Ein ähnlicher Vorfall, bei dem auch ein Priester erschossen worden war, wurde in dem Protokoll vom März berichtet.

Auch in Polen waren die Politischen Leiter an der schrecklichen Behandlung der ortsansässigen Bevölkerung beteiligt. Ein vom Reichssicherheitshauptamt im November 1942 an die Befehlshaber und Inspekteure der Sicherheitspolizei und des SD gerichtetes Schreiben (US-346) informiert sie über die widerrechtliche Vereinbarung zwischen Himmler und Thierack, derzufolge den Polen, Ostvölkern, Juden und Zigeunern das gerichtliche Verfahren verweigert wird. Man stützt sich auf die unverschämte Theorie, daß es sich um minderwertige, innerhalb des deutschen Reichsgebietes wohnende Menschen handle. Interessant ist an dieser Begründung, daß sie ohne Zögern dem Gauleiter mitgeteilt werden sollte. Zu welch anderem Zweck hätte er benachrichtigt werden können, wenn nicht um seine Hilfe und sein Mitwirken zu fordern?

Ich gehe über zur Würdigung des Beweismaterials im Zusammenhang mit der Sklavenarbeit, das vielleicht klarer als die Beweise, die wir in Bezug auf irgendein anderes Verbrechen haben, aufzeigt, wie tief jeder Zweig des Korps der Politischen Leiter damit verknüpft war. Jeder von der Verteidigung gestellte Zeuge leugnete jedwede Kenntnis der Teilnahme an der Mißhandlung ausländischer Arbeiter oder eine Teilnahme an ihr. Aber was sind solche Beweise wert in Anbetracht der vorgelegten Dokumente? Die Behandlung von polnischen landwirtschaftlichen Arbeitern, für deren Betreuung die Bauernführer in den Stäben der Gaue, Kreise und Ortsgruppen besonders verantwortlich waren, ist aus den im März 1941 an die Kreisbauernschaften in Karlsruhe ergangenen Weisungen zu ersehen. Dies waren Anweisungen, die als Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Reichsnährstand, Landesbauernschaft Baden, und dem Höheren SS- und Polizeiführer in Stuttgart herausgegeben und mit großer »Genugtuung« aufgenommen wurden. Dem polnischen Arbeiter sollte zukünftig kein Beschwerderecht mehr zustehen. Es wurden ihm Benutzung von Transportmitteln, Unterhaltung und Gottesdienst verboten; es war ihm nicht erlaubt, seine Arbeitsstätte zu wechseln; es sollte keine Beschränkung seiner Arbeitsstunden geben. Ich zitiere:

»Das Züchtigungsrecht steht jedem Betriebsführer für die Landarbeiter polnischen Volkstums zu... Der Betriebsführer darf in einem solchen Fall von keiner Dienststelle deswegen zur Rechenschaft gezogen werden.

Die Landarbeiter polnischen Volkstums sollen nach Möglichkeit aus der Hausgemeinschaft entfernt werden und können in Stallungen usw. untergebracht werden. Irgendwelche Hemmungen dürfen dabei nicht hindernd im Wege stehen.« (EC-68, US-205.)

Wir fragen: Sollte es wirklich möglich sein, daß Anweisungen dieser Art nur in Karlsruhe und sonst nirgends herausgegeben wurden? Sollte man es für möglich halten, daß, während die Polen in Baden wie Tiere behandelt wurden, sie im angrenzenden Gau als Familienmitglieder aufgenommen wurden? Ich zitiere die Aussage des Zeugen Mohr über die Bauernführer vor der Kommission:

»Mit Ausnahme weniger Fälle war der eingesetzte ausländische Arbeiter in die Haus- und Tischgemeinschaft einbezogen. Er hat am Tisch des Bauern mitgegessen und sich in der Familie bewegt.«

In den Industriegebieten lag die Verantwortung für die Betreuung der Fremdarbeiter in den Händen der Politischen Leiter der DAF. Sauckel befahl im März 1942:

»Die Verpflegung der Transporte gewerblicher Arbeiter innerhalb des Reichsgebietes ist Aufgabe der DAF... Die Betreuung der im Reich eingesetzten ausländischen Arbeitskräfte wird durchgeführt von der DAF bei nichtlandwirtschaftlichen Arbeitskräften... Sämtliche Lager mit ausländischen nichtlandwirtschaftlichen Arbeitskräften, gleichgültig von wem die Lager eingerichtet worden sind und unterhalten werden, werden von der Deutschen Arbeitsfront betreut... In den deutschen Gauen übernehmen die Gauleiter das Inspektions- und Kontrollrecht über die Durchführung dieser Anordnung« (3044-PS, US-206).

Es ist nicht nötig, Sie an die schrecklichen Zustände zu erinnern, unter denen die Arbeiter in Essen gerade noch ihr Leben fristen konnten (D-382, US-897). Noch einmal frage ich: Ist es möglich, daß den Gauleitern, Kreisleitern, Ortsgruppenleitern, Zellen- und Blockleitern und den Politischen Leitern der DAF in Essen nichts von diesen Zuständen bekannt war, zumal sich doch die Wohnhütten der Arbeiter und die Strafzellen, in denen sie gefangengehalten und gefoltert wurden, wie die Lichtbilder zeigen, auf dem Gelände der Kruppschen Gießereien und Werkstätten selbst befanden, und die Betriebseisenbahn nur wenige Schritte von ihren Türen entfernt vorbeifuhr und die Krupp-Kräne sich beinahe über ihre Dächer erstreckten?

Es wurde gesagt, daß, falls solche Zustände in Essen wirklich existierten, sie Ausnahmen bildeten und nur eine Folge des durch alliierte Luftangriffe verursachten Chaos waren. Aber dem ist nicht so. Ehe man angefangen hatte, Essen zu bombardieren, beklagte sich der Bürovorsteher der Kruppschen Lokomotivfabrik:

»Die Leute kamen morgens ohne Brot und Arbeitszeug zur Arbeit. Während der beiden Pausen pirschten sich die Gefangenen an die in der Nähe sitzenden deutschen Arbeiter heran und baten, jämmerlich auf ihren Hunger hinweisend, um Brot« (D-361, US-893).

Er ging in die Küchen, um zu versuchen, für sie etwas zum Essen zu finden:

»Da einige Russen schon abgesackt waren, versuchte ich, da vom 2. Tage auch die Sonderzuteilung wieder aufhörte, Frl. Block nochmals telephonisch um eine Mehrgabe von Essen zu bitten. Da meine telephonischen Gespräche nicht den gewünschten Erfolg hatten, suchte ich Frl. Block nochmals persönlich auf. Frl. Block lehnte letzt in ganz schroffer Form jede weitere Sonderzuteilung ab.«

Damit war die Sache für Frl. Block nicht abgetan. Sie meldete es der DAF, welche den Bürochef von Krupp dorthin zu kommen aufforderte. Der DAF-Vertreter

»warf mir gestikulierend und in beleidigender Form vor, ich hätte mich in auffallender Weise zu sehr für die Bolschewisten eingesetzt. Er verwies dabei auf Paragraphen der Reichsregierung, die dagegen sprachen... Mit besonderem Nachdruck habe ich dann klarzumachen versucht, daß die russischen Kriegsgefangenen als Arbeitskräfte zugewiesen seien und nicht als Bolschewisten. Die Leute seien ausgehungert und nicht in der Lage, bei uns im Kesselbau schwere Arbeiten, wofür sie gedacht waren, auszuführen.«

Euer Lordschaft können die ganze Angelegenheit nachlesen, wie der Bürovorsteher versucht hat, Brot für seine Arbeiter zu beschaffen. Ich bitte Euer Lordschaft, auf Seite 29 oben überzugehen, und zwar auf den letzten Satz des Zitats, der typisch ist für das von mir Gesagte. Die beiden letzten Sätze dieses Absatzes lauten:

»Kranke Leute seien für uns Ballast und keine Hilfe, um zu produzieren. Herr Prior meinte daraufhin, wenn der eine nicht taugt, taugt der andere. Die Bolschewisten seien seelenlose Menschen. Wenn Hunderttausend eingingen, kämen weitere Hunderttausend dran.« (D-361, US-893.)

Es kann auch nicht der Wahrheit entsprechen, daß diese Zustände und diese Behandlung nur auf Essen beschränkt waren. Im März 1943 hielt Goebbels es für notwendig, eine Konferenz über die Frage der Produktionssteigerung einzuberufen. Das Protokoll dieser Konferenz enthält folgendes:

»Hier habe sich die bisherige Behandlung der Ostarbeiter nicht allein leistungsmindernd, sondern auch äußerst nachteilig auf die politische Einstellung der Bevölkerung der besetzten Ostgebiete selbst ausgewirkt und zu den bekannten Schwierigkeiten für die Truppen geführt... Die Behandlung der Ausländer, die bisher zwischen den Angehörigen der westlichen und östlichen Länder wesentliche Unterschiede aufwies, wird nach Möglichkeit vereinheitlicht, insbesondere die Stellung des Ostarbeiters gehoben.« (315-PS, GB-537.)

Aus diesem Protokoll ersehen wir die Einstellung der Parteikanzlei, dieser Parteikanzlei, von der das Korps der Politischen Leiter seine Anordnungen empfing. Ihr Vertreter

»wies insbesondere auf die bisher schon aufgetretenen Unzuträglichkeiten hin, die ein freierer Verkehr der Ausländer für die deutsche Bevölkerung nach den bisherigen Erfahrungen zur Folge haben muß.« (315-PS.)

Das Verlangen nach gesteigerter Kriegsproduktion war von beherrschender Wichtigkeit und Bormann erließ, obwohl sein Vertreter bei der Zusammenkunft im März Befürchtungen zum Ausdruck gebracht hatte, am 5. Mai 1943 ein Rundschreiben der Parteikanzlei an alle Reichsleiter, Gauleiter, Verbändeführer, Kreisleiter und Ortsgruppenleiter. Sie wurden angewiesen, die ausländischen Arbeiter menschlicher zu behandeln, aber gleichzeitig die deutschen Volksgenossen dazu anzuhalten:

»den erforderlichen Abstand zwischen sich und den Fremdvölkischen als eine nationale Pflicht zu betrachten... Ungerechtigkeiten, Kränkungen, Schikanen, Mißhandlungen usw. müssen also unterbleiben. Die Anwendung der Prügelstrafe ist verboten.« (205-PS.)

Zeigt dieses Dokument nicht klar, daß jeder dieser Entlastungszeugen gelogen hat? Zeigt es nicht deutlicher als vielleicht irgend ein anderes Dokument die grausame Brutalität, mit der die Politischen Leiter der Nationalsozialistischen Partei das Volk Deutschlands aufgestachelt haben? Ist es nicht unbegreiflich, daß es in diesem aufgeklärten Zeitalter in einem großen, zivilisierten Lande notwendig gewesen sein sollte, daß die Regierung ihren Politischen Leitern verbietet, Männer und Frauen, die sie in die Sklaverei deportiert hatten, zu mißhandeln? Ich gehe zu dem nächsten Absatz über.

Und nun zum Schluß dieses Falles werden Sie sich an die Anordnungen des Gauamtsleiters von Straßburg im Gau Baden-Elsaß erinnern. Weibliche Fremdarbeiter, die von Deutschen zu geschlechtlichem Verkehr verführt worden waren, sollten vorübergehend in Schutzhaft genommen und dann einem anderen Arbeitsplatz zugeführt werden.

»In anderen Fällen erfolgt Einweisung der fremdvölkischen Arbeiterin in ein Frauenkonzentrationslager.« (D-884 a.)

Ihre Kinder, soweit sie rassisch einwandfrei und erbgesund waren, sollten ihnen nach der Geburt sofort weggenommen werden und kamen

»zur NSV-Betreuung in Kinderheime für Ausländerkinder«.

Die Bestimmungen dieses Befehls bringen lediglich ergänzende Einzelheiten zum Beweismaterial über die uns bereits bekannte gefühllose Brutalität, die seitens der Partei für die Behandlung von Fremdarbeitern vorgeschrieben war. Es ist jedoch ein wichtiges Schriftstück, da es zeigt, wie viele Arten der Politischen Leiter sich mit diesem Sklavenhandel befaßten. Kreisleiter und Kreisobmann der Deutschen Arbeitsfront hatten Fälle von Schwangerschaft zu melden. Wie zu erwarten, hatten die Ortsgruppenleiter die nötigen Nachforschungen durchzuführen. Außer der DAF und der NSV wurde dieser Befehl auch folgenden Dienststellen zugeleitet: Dem Gaupropagandaleiter, dem Gaupresseamtsleiter, dem Gauamtsleiter des Amtes für Rassenpolitik, für Volksgesundheit, für das Landvolk, für Volkswohlfahrt, für Volkstumsfragen, der Gaufrauenschaftsleitung, und gleichartigen Amtsleitern im Stab der Kreisleiter. Es mag sich vielleicht lohnen, auf die Tätigkeit – oder vielmehr auf den Mangel an Tätigkeit, – wie es besser zu beschreiben ist – die die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt ausgeübt hat, hinzuweisen.

VORSITZENDER: Sir David! Können Sie uns sagen, was »Kreisobmann« bedeutet?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Es ist der Vertreter der Arbeitsfront beim Stabe des Kreisleiters.

VORSITZENDER: Fahren Sie fort.

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ich zitiere:

»Wie ich bis jetzt feststellen konnte« – berichtet der Kreisleiter von Villingen – »sind etwa 21 Schwangerschaften vorgekommen; hiervon sollen 4 Schwangerschaftsunterbrechungen durchgeführt worden sein, wobei 2 Frauen starben. Von den restlichen 17 Geburten waren 5 Totgeburten. Eine Betreuung durch die NSV hat nirgends stattgefunden.« (D-884 a.)

Sie sehen wiederum, wie das Korps der Politischen Leiter mit der Sicherheitspolizei, dem SD und dem Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums, eine andere Institution, die Himmler unumschränkt beherrschte, Hand in Hand gearbeitet hat.

Zu diesem Thema würde es fast genügen zu bemerken; Dr. Servatius gibt zu, daß die Politischen Leiter wußten, daß die Mehrzahl der Arbeiter Zwangsarbeiter waren. Es ist zugegeben worden, daß sie die Bedingungen dieser Arbeiter überwachten. Danach res ipsa loquitur.

Der Generalstaatsanwalt hat schon zu Ihnen über das Ausmaß gesprochen, in welchem der Mord an Kranken und Greisen durchgeführt wurde. Diese »Aktion« begann im Sommer 1940; aber lange vorher hat die Nazi-Regierung in Durchführung ihrer Rassenpolitik Schritte zur Verbesserung der deutschen Rasse unternommen. Ein vom Januar 1937 datiertes Dokument in unserem Besitze schildert die Rolle, die die Politischen Leiter spielen sollten. Es ist ein Schreiben des Gauleiters Westfalen-Süd, der das Rundschreiben von Heß vom 14. Januar 1937 erläutert. Ich füge hinzu: Die von ihm dargelegte, den Zwecken der Partei angepaßte Rassenhygiene, könnte mit den folgenden Worten nicht besser beschrieben werden. Ich zitiere:

»Die Frage, ob ein Mensch schwachsinnig ist, kann nicht nur durch eine Intelligenzprüfung festgestellt werden, sondern erfordert eine eingehende Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit des Menschen. Die Beurteilung hat dabei nicht nur das Wissen und die intellektuellen Fähigkeiten, sondern auch das sittliche, moralische und politische Verhalten des angeblich Schwachsinnigen zu berücksichtigen.

Eine Reihe von Amtsärzten haben bis heute wenig Wert auf die Beurteilung der Gesamtpersönlichkeit gelegt. Sie haben bis heute fast nie Auskünfte über das politische Verhalten des angeblich Erbkranken eingeholt und verwertet.

Nachdem nun die Partei durch den Erlaß des Reichs- und Preuß. Ministers des Innern in das Verfahren in Erbgesundheitssachen gegen Parteigenossen eingeschaltet ist, ist es Aufgabe der Gauleiter, dafür Sorge zu tra gen, daß das Erbgesundheitsgesetz auch tatsächlich in dem Sinne verwandt wird, wie es gedacht wurde.... dann muß er prüfen, ob der Unfruchtbarzumachende sich ganz besondere Verdienste um die Bewegung erworben hat. Hat der Gauleiter diese Überzeugung und glaubt er, aus diesem Grunde sich dafür einsetzen zu müssen, daß die Unfruchtbarmachung unterbleibt, so hat er unter eingehender Darlegung der Gründe, die gegen die Unfruchtbarmachung sprechen, hierher zu berichten.« (D-181, GB-528.)

Es bedarf geringer Vorstellungskraft, um die Mißbräuche zu sehen, zu denen eine solche Verordnung benutzt werden kann, Mißbräuche, die sich sehr wohl als eine passende Waffe der Nazi-Partei erweisen könnten. Dieses Schreiben eines Gauleiters ging an alle Gauamtsleiter, Gauinspekteure und Kreisleiter in seinem Gau. Auf Grund der Tatsache, daß das Amt für Volksgesundheit die Vorbereitungen für die dem Gauleiter vorzulegenden Fälle durchführen sollte, ist es klar, daß die Amtsleiter dieses Amtes für Volksgesundheit auch stark darin verwickelt waren.

Euer Lordschaft! Ich habe sodann das Beweismaterial über den Gnadentod zusammengefaßt, da der Gerichtshof darüber bereits von dem Generalstaatsanwalt unterrichtet worden ist, und der Gegenstand von meinem Kollegen Oberst Griffith-Jones behandelt worden ist.

Darf ich aus Gründen der Zeitersparnis die folgenden Seiten zusammenfassen? Euer Lordschaft! Die Seiten 32 und 33 zeigen die Opposition der Kirche gegen den Gnadentod und dessen Unterstützung seitens der Partei. Der Text auf den Seiten 33, 33 a und 34 befaßt sich mit der Frage, ob der Gnadentod ein Kriegsverbrechen ist und weist nach, daß er absichtlich angewandt wurde, um die Bevölkerung für den Krieg zu mobilisieren und die Zahl der nutzlosen Esser im Lande während des Krieges herabzusetzen.

Sie werden sich an die Beweise über den Umfang erinnern, in welchem der Gnadentod innerhalb weniger Monate nach seiner Einführung allgemein bekannt wurde.

Im Juli 1940 schrieb Bischof Wurm an Frick. Im August schrieb er an den Justizminister. Im September, nachdem er keine befriedigende Antwort erhalten hatte, schrieb er nochmals an beide, Frick und den Justizminister.

Bischof Wurm sprach über die Ereignisse in Württemberg. Sie waren nicht auf Württemberg, auf Stuttgart und Nauenburg beschränkt. Einige hundert Meilen entfernt geschah dasselbe in Stettin, wie die Briefe des Stettiner Inspektors an den Justizminister und an Lammers vom 6. September 1840 und Lammers Brief an den Justizminister vom 2. Oktober 1840 bezeugen. Im August des folgenden Jahres geschah dasselbe in der Nähe von Wiesbaden, wie wir aus dem Briefe des Bischofs von Limburg an Frick, den Justizminister und den Minister für Kirchenangelegenheiten ersehen. Es geschah auch in Tranken, und wir haben zufällig eine Akte, die die Rolle aufzeigt, die die Politischen Leiter Frankens dabei spielten. Kann irgend jemand, wenn er diese Briefe liest, daran zweifeln, daß genau dasselbe in jedem anderen Bezirk in Deutschland, wo diese mörderischen Kommissionen am Werke waren, geschah? Bormann schreibt an den Gauleiter von Franken und einen seiner Kreisleiter am 24. September 1840:

»Daß sich die Vertreter der christlichen Weltanschauung gegen die Maßnahmen der Kommission aussprechen, ist selbstverständlich; ebenso selbstverständlich muß es sein, daß alle Partei-Dienststellen die Arbeit der Kommission, soweit notwendig, unterstützen.«

Wieso kann Dr. Servatius auf Grund dieses Zeugnisses behaupten, es zeige, daß die Politischen Leiter an der Ausführung dieser Maßnahmen nicht teilgenommen und daß sie davon keine Kenntnis gehabt haben? Dieser eine Satz allein genügt schon, um das Korps der Politischen Leiter als verbrecherisch zu erklären, das Korps, welches Mitglieder aller Parteistellen umfaßte.

Während des Kreuzverhörs der Zeugen für die Verteidigung des Korps der Politischen Leiter wurde die Frage aufgeworfen, ob dieses Verbrechen der Euthanasie (des Gnadentodes) unter die Zuständigkeit dieses Gerichtshofs nach Paragraph 6 des Statuts fiele. Es kann doch sicherlich kein ernstlicher Zweifel darüber bestehen, daß der Mord von 270000 Personen ein Verbrechen gegen die Humanität ist. 270000 Leichen mögen vielleicht zur Bedeutungslosigkeit verblassen gegenüber dem Gemetzel in den besetzten Gebieten und den Konzentrationslagern. Es ist nichtsdestoweniger ein Verbrechen von fast unvorstellbarem Ausmaß. Noch kann irgendein Zweifel darüber bestehen, daß es ein Verbrechen war, das im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg begangen wurde. Aus Bischof Wurms Brief an Frick vom 19. Juli 1940 entnehmen wir, daß diese Morde auf Befehl des Reichsverteidigungsrats vorgenommen wurden. Göring, Keitel, Frick, Raeder, Funk, Heß und Ribbentrop waren Mitglieder des Reichsverteidigungsrats. Als der Bischof nochmals am 5. September 1940 schrieb, erwähnte er:

»Wenn die Staatsführung der Überzeugung ist, daß es sich um eine unvermeidliche Kriegsmaßnahme handelt, warum erläßt sie nicht eine Verordnung mit Gesetzeskraft?«

Der Zweck dieser Verbrechen ist klar, wie er auch der katholischen Bevölkerung von Absberg klar war, die nach dem Bericht des Ortsgruppenleiters behauptete:

»Der heutige Staat muß nun einmal schlecht bestellt sein, sonst könnte es nicht vorkommen, daß man diese armen Menschen einfach zum Tod befördert, damit man die Mittel, die bisher für den Unterhalt dieser Menschen zur Verfügung standen, nunmehr zur Kriegführung freimacht.«

Ich möchte den Gerichtshof nur ganz kurz an Bormanns Bemerkungen hinsichtlich ähnlich lautender Briefe an verschiedene Familien erinnern, an den Gaustabsamtsleiter von Nürnberg, der eine Benachrichtigung in einer etwas geschickteren Form verlangte, wenn 30000 ins Jenseits befördert worden sind und viermal soviele darauf warteten: an die Zweifel des Kreisleiters von Erlangen; an die ernstlichen Schwierigkeiten, denen sich der Kreisleiter von Ansbach bezüglich der Benachrichtigungen gegenübersah. Weder die Kreisleiter noch irgendeiner der anderen scheinen irgendwie darüber besorgt gewesen zu sein, daß sie aktiv eine Regierung unterstützten, die den Massenmord betrieb. Wenn ihr Treueid zum Führer sie von Gewissensbissen befreite, kann er sie auch von der moralischen oder verbrecherischen Schuld freisprechen?

Dann, Euer Lordschaft, werde ich auf Seite 35, Zeile 6, fortfahren. Euer Lordschaft! Ich möchte Ihnen zeigen, daß es die unteren Gruppen der Politischen Leiter sind, die wir jetzt behandeln wollen. Euer Lordschaft! Dies, nachdem ich die verschiedenen Berichte über und die Einwände gegen den unter dem Vorwande des Gnadentodes vollzogenen Mord an 270000 Personen einer Behandlung unterzogen habe. Zeile 6 fahre ich fort:

Aus ganz Franken berichteten die Kreisleiter in ähnlicher Weise. Der Kreisleiter von Lauf schrieb an den Gaustabsamtsleiter:

»Der Arzt teilte mir auch mit, daß bekannt sei, daß die Kommission aus einem SS-Arzt mit mehreren Unterärzten bestehe und die ›Kranken‹ nicht einmal untersucht, sondern lediglich nach der aufgezeichneten Krankheitsgeschichte das Urteil sprechen würden.«

Frau Maria Kehr verlor auf diese Weise zwei ihrer Schwestern, und fragte den Reichsinnenminister schriftlich, auf Grund welcher Verordnung sie getötet worden seien. Fricks Büro gab das Schreiben an den Gaustabsamtsleiter in Nürnberg weiter. Ich zitiere:

»Ich bitte Sie, zu prüfen, ob die Kehr politisch einwandfrei ist, insbesondere, ob bei ihr nicht kirchliche Bindungen vorliegen. Falls dies nicht der Fall ist, beständen meinerseits keine Bedenken, wenn Sie der Kehr die gewünschten Aufschlüsse ›mündlich‹ erteilen würden.«

Der Gaustabsamtsleiter gab das Schreiben an den Kreisleiter weiter, der Kreisleiter an den Ortsgruppenleiter, der meldet: »daß man Frau Kehr unterrichten kann, sie ist ruhig und besonnen.«

Im Februar 1941 berichtete der Ortsgruppenleiter von Absberg über »die wildesten Szenen«, die sich in seinem Dorfe abspielten, als das örtliche Sanatorium von Patienten geräumt wurde. Sie können davon überzeugt sein, daß seine Einstellung für die große Masse der Politischen Leiter typisch war:

»Um so mehr sind diese Zwischenfälle bei der einmalig notwendigen Aktion zu beurteilen, da auch Parteigenossen sich nicht scheuten, mit ins Klagelied der anderen weinenden Zuschauer miteingestimmt zu haben... Man soll sogar diese armen Opfer – wie man sie in Absberg von der Kirche und der gläubigen Bevölkerung ansieht – kurz vor der Abfahrt in die kath. Kirche zur Beichte und Kommunion verbracht haben. Es erscheint ja gerade lächerlich, wenn man Menschen, denen zum Teil vollständig der Verstand fehlt, noch ihre etwaigen Sünden durch eine Ohrenbeichte abnehmen will.« (D-906.)

Während dieses Verfahrens, Euer Lordschaft, wurde es offenbar, daß andere Politische Leiter die Ansichten dieses Ortsgruppenleiters hinsichtlich der Lächerlichkeit einer mündlichen Beichte teilten.

Ich brauche Sie nicht an die anderen Berichte zu erinnern, außer daran, daß neben den Gaustabsamtsleitern, den Kreisleitern und Ortsgruppenleitern, auch der Gauorganisationsleiter darin verwickelt wird. Das Korps der Politischen Leiter steckte bis zum Hals in dieser blutigen Angelegenheit.

Das Korps der Politischen Leiter war mitverantwortlich für die Mißhandlung von Kriegsgefangenen. Im September 1941 setzte Bormann die Anweisung des OKW über die Behandlung von Sowjetkriegsgefangenen bei den Gau- und Kreisleitern in Umlauf. Aus dem Eingangsstempel dieser Urkunde ergibt sich, daß der in erster Linie mit diesen Dingen betraute Funktionär des Gaustabes der Gauschulungsleiter war. Sie entsinnen sich auf die in dieser Anweisung gegebenen Richtlinien. Sie beruhten auf der Tatsache, daß

»Der Bolschewismus der Todfeind des nationalsozialistischen Deutschlands ist... Dadurch hat der bolschewistische Soldat jeden Anspruch als ehrenhafter Soldat und nach dem Genfer Abkommen verloren... Das Gefühl des Stolzes und der Überlegenheit des deutschen Soldaten, der zur Bewachung sowjetischer Kriegsgefangener befohlen ist, muß jederzeit auch für die Öffentlichkeit erkennbar sein... Rücksichtsloses und energisches Durchgreifen bei den geringsten Zeichen von Widersetzlichkeit, insbesondere gegenüber bolschewistischen Hetzern, ist daher zu befehlen... Bei den sowjetischen Kriegsgefangenen ist es schon aus disziplinären Gründen nötig, den Waffengebrauch sehr scharf zu handhaben.« (1519-PS, GB-525.)

Sie erinnern sich an die vom SD errichteten besonderen Einsatzgruppen, deren Aufgabe die Prüfung von Sowjetkriegsgefangenen in den Kriegsgefangenenlagern war, um ihre Führer und die Intellektuellen herauszufinden und zu beseitigen. Diese bei den Gau- und Kreisleitern in Umlauf gesetzten Befehle erläutern den Zweck und die Arbeitsmethode dieser besonderen Einheiten und lauten:

»Die Wehrmacht muß sich umgehend von allen denje nigen Elementen unter den Kriegsgefangenen befreien, die als bolschewistische Triebkräfte anzusehen sind. Die besondere Lage des Ostfeldzuges verlangt daher besondere Maßnahmen, die frei von bürokratischen und verwaltungsmäßigen Einflüssen verantwortungsfreudig durchgeführt werden müssen.« (1519-PS, GB-525.)

Kein Gau- oder Kreisleiter kann diesem Gericht erzählen, daß er von der Ermordung der russischen Kriegsgefangenen keine Kenntnis gehabt hätte. Die Politischen Leiter erhielten die Anweisungen nicht nur zu ihrer Information. In einem Schreiben vom September 1944 an alle Reichsleiter, Gauleiter, Verbändeführer und Kreisleiter betonte Bormann ausdrücklich:

»Die Mitwirkung der Partei ist beim Einsatz der Kriegsgefangenen unerläßlich. Deshalb wurden die im Kriegsgefangenenwesen eingesetzten Offiziere angewiesen, engstens mit den Hoheitsträgern zusammenzuarbeiten; die Kommandanten der Kriegsgefangenenlager haben ab sofort Verbindungsoffiziere zu den Kreisleitern abzustellen. Damit wird den Hoheitsträgern die Möglichkeit gegeben, entstehende Schwierigkeiten örtlich zu bereinigen, auf die Haltung der Wachmannschaften Einfluß zu nehmen und den Einsatz der Kriegsgefangenen den politischen und wirtschaftlichen Erfordernissen besser anzupassen.«

Es sollte die Aufgabe der Politischen Leiter sein, sowohl die Aufseher wie die Fabrikbesitzer »immer und immer wieder politisch und ideologisch« aufzuklären, und zwar in Zusammenarbeit mit der DAF.

Das Ergebnis der Beweisaufnahme über die Behandlung von russischen und anderen Kriegsgefangenen bei Krupp braucht nicht wiederholt zu werden. Die Kriegsgefangenensklaven wurden im Leben wie im Sterben von den Politischen Leitern gleichmäßig roh behandelt. Gau- und Kreisleiter erhielten von Bormann Fricks Anweisungen über die Beerdigung von Sowjetkriegsgefangenen. Geteertes Papier diente als Sarg, keine Begräbnisfeier oder Grabschmuck war gestattet, die Kosten waren so niedrig als möglich zu halten, und die

»Überführung und Bestattung ist unauffällig durchzuführen. Bei gleichzeitigem Anfall mehrerer Leichen ist die Bestattung in einem Gemeinschaftsgrab vorzunehmen.« (D-163, US-694.)

Was kümmerte die Nazi-Regierung und ihre Politischen Leiter eine Totenfeier für die, die sie durch Arbeit zu Tode geschunden hatten? Genau so wenig wie jede andere anerkannte Regel des Anstandes oder der Ehre.

Bereits im März 1940 hat Heß bei den Politischen Leitern die Richtlinien für das Verhalten bei der Landung feindlicher Flugzeuge und Fallschirmjäger in Umlauf gesetzt. Sie erinnern sich des Befehls: »Ebenso sollen feindliche Fallschirmjäger sofort festgenommen oder unschädlich gemacht werden.« Können Sie mit Rücksicht auf spätere weniger zweideutige Befehle und die außerordentlichen Vorkehrungen zur Geheimhaltung dieses Befehls jetzt bezweifeln, was diese etwas zweideutige Formulierung bedeuten sollte? Sie entsinnen sich, daß der Befehl nur mündlich unter den Kreisleitern, Ortsgruppenleitern, Zellen- und Blockleitern verbreitet werden sollte. Die Verbreitung des Befehls durch offiziellen Befehl, Anschlag, Presse und Radio war verboten, und er war neben anderen Sicherheitsmaßnahmen zur geheimen Reichssache erklärt worden. Sie werden sich auch erinnern, daß der Befehl über die Hoheitsträger hinaus an die Reichsorganisationsleitung, die Reichspropagandaleitung und an das Amt des Reichsstudentenführers ging, von denen jedes seinen eigenen Vertreter in den Stäben des Gauamtsleiters und der Kreis- und Ortsgruppen hatte, und daß der Befehl auch an SS-Gruppenführer Heydrich ging.

VORSITZENDER: Sir David! Wäre jetzt nicht der Augenblick für eine Pause?

SIR DAVID MAXWELL-FYFE: Ja, Euer Lordschaft.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof vertagt sich.