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Der Sicherheitsdienst – SD.

Es war gebräuchlich, den »Sicherheitsdienst« in offiziellen polizeilichen Dokumenten der Hitleristen mit der bekannten Abkürzung »SD« zu bezeichnen. Es war eine geheime, spionagetreibende SS-Organisation der deutschen faschistischen Partei.

Himmler war gleichzeitig der Gründer des SD und der SS. Der SD war ein Geheimapparat im SS-System, der sich nach der Machtergreifung durch die Hitler-Leute am schnellsten mit den Polizeiorganen verschmolz und auf verantwortliche Posten in der Geheimpolizei Leute aus der SA und der SS stellte. Sowohl vor der Gründung des RSHA wie auch danach hat er eine entscheidende Rolle im System des politischen Nachrichtendienstes und der vorbeugenden Vernichtung der den Hitler-Leuten unerwünschten Elemente gespielt.

Der SD stand dem Zentralstab der verbrecherischen hitlerischen Verschwörer – der Leitung der Hitler- Partei – am nächsten. Deshalb hat gerade der SD am aktivsten an der Ausarbeitung jener polizeilichen Maßnahmen teilgenommen, die durchweg alle Pläne hitleristischer Aggression begleiteten.

Der SD hat, wie weiter unten gezeigt wird, die ersten Einsatzgruppen geschaffen, sich an die Spitze dieser Banditenorganisationen des deutschen Faschismus gestellt, hat die Grausamkeiten vorbereitet, die in der Folge in den besetzten Gebieten Polens, Jugoslawiens, der Sowjetunion und anderer Staaten verübt wurden.

In dem Bemühen, diese verbrecherische Organisation von einer Verantwortung reinzuwaschen, hat die Verteidigung sogar einen Streit über die Bedeutung des Ausdrucks SD entfacht. Wir verstehen, warum die Verteidigung diesen terminologischen Streit anzettelt. Sie braucht ihn, um zu versuchen, Kaltenbrunners Version vom SD zu unterstützen, wonach seine Funktionen streng auf den innerdeutschen Informationsdienst beschränkt gewesen wären und nichts mit irgendwelchen polizeilichen Funktionen zu tun gehabt hätten.

Diesen Streit entfacht die Verteidigung, um nur den offenbarsten Teil der verbrecherischen Tätigkeit des SD zuzugeben und die anderen, dem SD als der Spitze des polizeilichen SS-Apparates obliegenden politischen und polizeilichen Funktionen hinter Ausdrücken wie »allgemeine Information über die Stimmung in den verschiedenen sozialen Schichten« zu verbergen.

Dabei ist der SD tatsächlich eine weitverzweigte Spionageorganisation des deutschen Faschismus, die aktiv zur Verwirklichung der verbrecherischen Angriffspläne beigetragen hat und die im Innern Deutschlands wie auch in den besetzten Ländern und jenseits der Grenzen tätig war.

Die Einheiten des SD – ebenso wie die der Gestapo – bildeten das tragende Gerüst der Einsatzgruppen. Dabei hatten die führende Rolle in der Leitung der Einsatzgruppen immer die Mitarbeiter des SD. Die dem SD zustehenden Aufgaben können folgendermaßen eingeteilt werden:

1. Der allgemeine Nachrichtendienst, der, wie aus den offiziellen Dokumenten des SD hervorgeht, buchstäblich alles umfaßte, alle »Lebensgebiete« des faschistischen Reiches, alle staatlichen Behörden und Gesellschaftskreise des faschistischen Deutschlands.

2. Besondere Aufgaben, die mit der Ausarbeitung besonderer Kartotheken und Listen verbunden waren – vorzugsweise in Bezug auf Länder, auf die man den Angriff vorbereitete. In diese Kartotheken und Listen- wurden die Namen derer eingetragen, die einer »Sonderbehandlung« unterworfen, das heißt physisch vernichtet oder in Konzentrationslager eingeliefert werden sollten.

3. Die Zurverfügungstellung von Personal für jene verbrecherischen Sonderformationen, die die von den Hitler-Leuten geplante Vernichtung unerwünschter politischer Elemente und der Intelligenz der besetzten Gebiete, sowie die bestialischen Hinrichtungen und Aktionen unmittelbar durchzuführen hatten.

Der ganze Personalbestand des SD setzte sich aus SS-Männern zusammen. Das ist auch verständlich, da der SD eine Tochterorganisation der SS war und bis zum letzten Augenblick »SD des Reichsführer-SS« genannt wurde.

Dem weitverzweigten System des SD waren eingegliedert: Das Amt III des RSHA-politischer Nachrichtendienst Inland und besetzte Gebiete; das Amt VI des RSHA – Auslandsabwehr, an dessen Spitze einer der nächsten Vertrauensleute Himmlers stand, Walter Schellenberg, dessen Aussagen dem Gericht gut bekannt sind, und das Amt VII, welches manchmal »Amt für den weltanschaulichen Krieg« genannt wurde, außerdem eine Reihe äußerst wichtiger Hilfsbehörden umfaßt, die zusammen die in- und ausländischen Nachrichten des SD verwerteten.

Zur Widerlegung der Ausführungen, die von der Verteidigung gemacht wurden, möchte ich mich einem jener Dokumente zuwenden, die die wirkliche Stellung des SD im System des polizeilichen und SS-Apparates Hitler-Deutschlands kennzeichnen.

Ich beziehe mich auf das Dokument, welches den Titel »Einsatz des SD im Falle Tschechoslowakei« trägt. Das Dokument trägt den Vermerk: »Geheime Reichssache« und ist vom Juni 1938 datiert, das heißt mehr als neun Monate vor der Annexion der Tschechoslowakei. Es wurde von der Roten Armee in den Berliner Archiven des SD gefunden und von der Sowjetischen Anklagebehörde dem Gerichtshof vorgelegt. Der Inhalt dieses Dokuments läßt keinen Zweifel daran, daß der SD erstens aktiv an der Ausarbeitung und Ausführung der verbrecherischen Pläne der hitleristischen Aggression mitwirkte und zweitens daran, daß gerade der SD der Urheber und Organisator der Einsatzgruppen war.

Ich habe einige Auszüge aus diesem Dokument, will sie aber nicht verlesen.

Das ganze tschechische Gebiet war in Übereinstimmung mit dem regionalen Aufbau des SD in Deutschland selbst im voraus in große »Oberabschnitte« und kleinere »Unterabschnitte« eingeteilt. Es waren Gebietseinheiten, und für jede von ihnen wurden besondere Einsatzgruppen und Einsatzkommandos vorbereitet und aufgestellt. Aus dem Inhalt des Dokuments geht hervor, daß man die Organisation der Oberabschnitte Prag, Böhmen, Mähren, Schlesien, Waagtal und anderer geplant hatte.

Die Personalgestellung der Einsatzgruppen und Einsatzkommandos war ganz Sache des SD. Hierzu heißt es in diesem Dokument:

»Die Besetzung der Dienststellen hat nach folgenden Gesichtspunkten zu erfolgen:

1. nach Gesichtspunkten des SD selbst,

2. nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten.«

Für die Schulung von Angehörigen der Einsatzkommandos aus den Reihen der etatmäßigen Mitarbeiter und Sudetendeutschen wurde ein ganzes Programm ausgearbeitet. Die Bereitstellung geeigneter Personen, »Deutschstämmige«, die in der Tschechoslowakei lebten, wurde vorgesehen. Dabei wurde besonders vermerkt, daß

»... jedoch damit gerechnet werden muß, daß ein hoher Prozentsatz dieser trotz aller Vorsichtsmaßregeln nicht zur Verfügung stehen wird, da er u. U. verhaftet, verschleppt oder getötet ist.«

Die auf deutschem Gebiet ausgebildeten Einsatzgruppen sollten an der deutsch-tschechischen Grenze konzentriert werden, um gleichzeitig mit dem Einmarsch des Heeres in das Gebiet der Tschechoslowakei einzudringen. Hierüber heißt es im Dokument: – ich richte die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs auf Seite 55 –

»Kartei schon bei Anlage vom Referenten mit Vermerken versehen, wie: ›Verhaften, Auflösen, Amtsenthebungen, Beobachten, Beschlagnahme, Polizeiaufsicht, Paßentzug usw.‹«

Die Anlage der Karteien und aller Arten von Nachschlagelisten, in welche die Namen der Menschen eingetragen wurden, die in den von den Deutschen vorübergehend besetzten Gebieten physisch ausgerottet werden sollten, gehörte überhaupt zu den unmittelbaren Aufgaben des SD. Die physische Ausrottung wurde dann durch die Gestapo oder durch besondere SS-Abteilungen, durch Sonderkommandos oder durch die Sicherheitspolizei ausgeführt.

Für die Vorbereitung des Überfalls auf die Sowjetunion arbeiteten die SD-Agenten ebenfalls eine ganze Reihe Nachschlage- und Ermittlungslisten aus, in die die Namen der Vertreter der sowjetischen Intelligenz und der politischen Leiter eingetragen wurden, deren Ausrottung gemäß den grausamen Verordnungen der hitleristischen Verbrecher vorgenommen werden sollte.

In der Anlage 2 zum Einsatzbefehl Nummer 8 des Befehlshabers der Sicherheitspolizei und des SD, welche vom 17. Juli 1941 datiert ist, heißt es, daß lange vor Kriegsbeginn mit der Sowjetunion vom Sicherheitsdienst »Das deutsche Ermittlungsregister«, Listen zur Feststellung des Wohnortes, ein besonderes »Fahndungsbuch UdSSR« zur Eintragung von »Sowjetrussen, die als gefährlich anzusehen sind«, angelegt wurden.

Aus denselben Erlassen Heydrichs ersehen wir, wie die hitleristischen Verbrecher mit diesen »gefährlichen Sowjetrussen« verfahren wollten. Sie sollten alle ohne Gerichtsurteil auf Grund der Erlasse Nummer 8 und 14 des Reichssicherheitshauptamtes vom 17. Juli und 29. Oktober 1941 von den Sonderkommandos ausgerottet werden.

Dieselbe verbrecherische Arbeit wurde vom SD vor dem Beginn des Einfalls in Jugoslawien durchgeführt. Die Sowjetische Anklagebehörde hat dem Gerichtshof ein »Fahndungsbuch« vorgelegt, welches von dem mit dem SD in Verbindung stehenden Deutschen Balkan- Institut, dem sogenannten »Südostdeutschen Institut«2 zusammengestellt worden war. Dieses Buch enthielt mehr als 4000 Namen jugoslawischer Bürger, die unverzüglich nach dem Überfall auf Jugoslawien verhaftet werden sollten; das fertiggestellte Buch wurde der dort eingesetzten Polizei, das heißt der Gestapo übergeben, die selbst die Verhaftungen vornehmen mußte. Das Buch wurde in den Gestapo-Akten in Marburg entdeckt. Es trug den folgenden, von SD- Angehörigen gemachten Vermerk:

»Die darin genannten Personen sind festzunehmen. Das aufgeführte Referat des RSHA ist umgehend zu benachrichtigen.«

Diese SD-Behörde leistete eine besondere Untergrabungsarbeit, indem sie Agenten der Fünften Kolonne in Jugoslawien ausbildete. Der SD-Agent Hermann Ibler, Dozent an der Universität Graz, hat diesbezüglich eine besondere Schrift herausgegeben, die den Titel »Des Reiches Südgrenze« trug und mit dem Vermerk »streng geheim« versehen war. Sie enthielt auch eine Liste der Agenten der Fünften Kolonne in Jugoslawien.

Der SD war es, der namentlich die politische Hetze im Ausland ausführte.

Der ehemalige Befehlshaber der Sicherheitspolizei und des SD, Kaltenbrunner, war gezwungen, dies beim Kreuzverhör durch die Sowjetische Anklagebehörde zuzugeben. Selbst er konnte nicht seine Unterschrift unter den Brief an Ribbentrop leugnen, durch den das Ministerium des Auswärtigen eine Million Tomanen für die Bestechung der Wähler im Iran zur Verfügung stellte.

Die SD-Angehörigen verstanden sehr wohl, welche Rolle sie in der Ausführung der grausam-fanatischen Pläne der Hitleristen zur physischen Ausrottung der versklavten Völker in den von ihnen besetzten Gebieten spielen sollten. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, ist das von der Sowjetischen Anklagebehörde vorgelegte deutsche Dokument charakteristisch, das von der polnischen Armee in der SD-Blockstelle in Mogilno, Polen, erbeutet wurde.

Irgendein Leiter der Blockstelle, Hauptsturmführer der SS, setzt die V-Leute des SD in diesem Brief von der Rede Himmlers vom 15. März 1940 in Kenntnis. In dieser Rede hatte Himmler von den Kommandanten der in Polen eingerichteten Konzentrationslager verlangt, daß sie zuerst die polnischen Facharbeiter in der Kriegswirtschaft der Konzentrationslager ausnutzen und dann alle diese Polen ausrotten sollen. Der Hauptsturmführer der SS in Mogilno hat deshalb seinerseits von allen Vertrauensleuten des SD eine namentliche Listenaufstellung der Polen angefordert, die sie für gefährlich hielten, um sie in der Folge auszurotten.

Der SD war eines der wichtigsten Räder der bestialischen SS-Polizeimaschine des deutschen Faschismus. Er war der Detektiv- und Spionierapparat, der sich auf das ganze Gebiet des »Altreiches«, sowie auf alle vorübergehend besetzten Gebiete und Länder erstreckte. Zum gegebenen Zeitpunkt waren es gerade die Agenten des SD, die an der Spitze der grausamsten polizeilichen Maßnahmen der Hitleristen standen.

Indem sie sich auf unanfechtbare Beweismittel stützt, steht die Sowjetische Anklagebehörde auf dem Standpunkt, daß das ganze System des SD für verbrecherisch erklärt werden muß.

Der Generalstab und das Oberkommando der Wehrmacht.

Im Laufe dieses Gerichtsverfahrens wurden von einigen Angeklagten, von der Verteidigung und von denjenigen Entlastungszeugen, die Generale Hitler- Deutschlands waren, wiederholt Versuche unternommen, das deutsche Oberkommando der Wehrmacht und den Generalstab als Gruppen darzustellen, die in ihren Handlungen nur von dem Grundsatz der »Erfüllung der Soldatenpflicht« geleitet worden seien.

Angeblich seien diese höchsten deutschen Militärgruppen weit entfernt von der verbrecherischen Politik der Hitler-Regierung gewesen; sie hätten nicht an der Entscheidung politischer Fragen teilgenommen, sondern sich in ihrer Tätigkeit nur auf die Ausführung der Befehle des Oberbefehlshabers in rein militärischen Angelegenheiten beschränkt.

Es wurde die Meinung ausgesprochen, daß der deutsche Generalstab innerhalb der in Hitler-Deutschland herrschenden Struktur des Militärapparates nur ein untergeordnetes technisches Organ Endlich wurden mehrmals Versuche unternommen – und diese Versuche sind sehr verständlich –, mit allen Mitteln das Oberkommando von der Tätigkeit der deutschen Polizeibehörden und von der SS getrennt zu halten.

Jedem, der die politische Entwicklung Europas nach dem ersten Weltkrieg auch nur ein wenig beobachtet hat, ist es wohl bekannt, daß die Offiziere und Generale des Kaisers sofort eine große Bereitwilligkeit zeigten, das verlorene Spiel zu wiederholen.

Sie beschuldigten wegen des militärischen Zusammenbruchs Deutschlands alle möglichen Leute, nur nicht sich selbst. Sie gründeten illegale Militärverbände, waren von dem Wunsch nach Revanche erfüllt und bereit, ihre Ehre und ihren Degen jedem beliebigen politischen Abenteurer zu verkaufen, wenn er nur nicht zögerte, ein neues Weltgemetzel zu entfesseln. Im Geiste dieser »Tradition« wurde auch die neue Offiziersgeneration erzogen. Und es ist kein Zufall, daß ihr zukünftiger Führer, Adolf Hitler, aus dem Nichts in die politische Arena mit direkter moralischer und finanzieller Unterstützung der Reichswehr trat.

Sie alle, mit sehr wenigen Ausnahmen, folgten mit Begeisterung diesem Abenteurer, als er nach der Machtergreifung sofort mit der Aufrüstung Deutschlands begann. Die hochmütigen preußischen Generale beugten sich vor dem Gefreiten Hitler, denn sie verstanden, daß Hitler Krieg bedeutete.

Die Feldmarschälle Brauchitsch, Milch, Manstein und andere kamen unter der Bewachung alliierter Soldaten hierher, um in eigener Sache vor dem Internationalen Militärgerichtshof falsche Aussagen zu machen.

Und wir hatten Gelegenheit, Zeugen einer merkwürdigen Verwandlung zu werden: Wölfe wurden zu Lämmern!

Ich weiß nicht, mit was für naiven Leuten zum Beispiel Brauchitsch es zu tun zu haben glaubte, als er sich als überzeugter Pazifist ausgab. Wenn man ihm Glauben schenken sollte, so hat er als Oberbefehlshaber des Heeres keine Ahnung von den Angriffsplänen und der Vorbereitung der militärischen Einmärsche in Österreich und der Tschechoslowakei gehabt und fortwährend und entschieden Hitler zu überzeugen versucht, keinen Krieg zu führen.

Mit einer solch ungeschickten Verteidigung kann man nur sich selbst irreführen.

Ich erlaube mir, kurz auf Beweisdokumente zu verweisen, um die Schliche und Ausflüchte der Verteidigung zu widerlegen, die bemüht ist, die Tragweite und den Charakter der verbrecherischen Tätigkeit des deutschen Oberkommandos zu verschleiern und zu vermindern.