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Schlußfolgerung.

Die SS wurde zu Zwecken verwendet, die nach dem Statut verbrecherisch sind. Sie bestanden in der Verfolgung und Ausrottung der Juden, Brutalitäten und Tötungen in den Konzentrationslagern, Übergriffen bei der Verwaltung besetzter Gebiete, der Durchführung des Zwangsarbeiterprogramms und der Mißhandlung und Ermordung von Kriegsgefangenen.

Der Angeklagte Kaltenbrunner war ein Mitglied der SS, die in alle diese Handlungen verwickelt war. In die SS schließt der Gerichtshof alle Personen ein, die offiziell als Mitglieder in die SS aufgenommen worden waren, einschließlich der Mitglieder der Allgemeinen SS, der Mitglieder der Waffen-SS, der Mitglieder der SS-Totenkopfverbände und der Mitglieder aller verschiedenen Polizeiabteilungen, welche Mitglieder der SS waren. Der Gerichtshof begreift nicht die sogenannte Reiter-SS mit ein. Der Sicherheitsdienst des Reichsführer-SS – allgemein bekannt als SD – wird in dem Urteil des Gerichtshofs über die Gestapo und den SD behandelt.

Der Gerichtshof erklärt die Personengruppe als verbrecherisch im Sinne des Statuts, die sich aus denjenigen Personen zusammensetzte, die offiziell als Mitglieder in die SS aufgenommen waren, entsprechend der im vorhergehenden Absatz gegebenen Aufzählung, die Mitglieder der Organisation wurden oder blieben und Kenntnis davon hatten, daß sie für die Begehung von Handlungen verwendet wurden, die laut Artikel 6 des Statuts als verbrecherisch erklärt sind oder die als Mitglieder der Organisation in die Begehung solcher Verbrechen verwickelt waren; jedoch unter Ausschluß derer, die vom Staate auf solche Art in ihre Reihen gezogen wurden, daß ihnen keine andere Wahl blieb und die keine solchen Verbrechen begingen. Grundlage dieses Urteils ist die Teilnahme der Organisation an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Kriege; diese als verbrecherisch erklärte Gruppe kann daher nicht solche Personen umfassen, welche vor dem 1. September 1939 einer der im vorangehenden Absatz aufgezählten Organisationen nicht mehr angehörten.

Die SA.

Aufbau und Bestandteile: Die Anklagevertretung hat die Sturmabteilungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei – allgemein bekannt als die SA – als eine Organisation bezeichnet, die als verbrecherisch erklärt werden sollte. Die SA ist im Jahre 1921 für politische Zwecke gegründet worden. Sie war nach militärischen Gesichtspunkten organisiert. Ihre Mitglieder trugen eigene Uniformen und unterlagen ihrer eigenen Disziplin und hatten ihre eigenen Vorschriften. Nachdem die Nazis die Macht erlangt hatten, stieg die Mitgliederzahl der SA infolge der Einbeziehung gewisser Kriegsteilnehmerorganisationen gewaltig an. Im April 1933 wurde der Stahlhelm, eine Organisation mit 11/2 Millionen Mitgliedern, in Ausführung einer zwischen seinem Führer Seldte und Hitler getroffenen Vereinbarung in die SA überführt mit Ausnahme der über 45 Jahre alten und einiger anderer Mitglieder. Eine andere Kriegsteilnehmerorganisation, der sogenannte Kyffhäuserbund, wurde in der gleichen Weise überführt, zusammen mit einer Anzahl ländlicher Reiterorganisationen.

Fraglos war bis 1933 die Mitgliedschaft in der SA freiwillig. Nach 1933 wurde auf öffentliche Angestellte ein gewisser politischer und wirtschaftlicher Druck ausgeübt, in die SA einzutreten. Mitglieder des Stahlhelm, des Kyffhäuserbundes und der ländlichen Reitervereinigungen wurden ohne ihr Wissen in die SA überführt, aber der Gerichtshof ist nicht überzeugt davon, daß diese Mitglieder im allgemeinen bestrebt waren, gegen diese Überführung zu protestieren, noch davon, daß, außer in Einzelfällen, die Folgen einer Weigerung nachweisbar sind. Der Gerichtshof stellt daher fest, daß die Mitgliedschaft in der SA im allgemeinen freiwillig war.

Bis Ende 1933 setzte sich die SA aus 41/2 Millionen Mann zusammen. Als Folge von nach 1934 vorgenommenen Veränderungen zählte die SA im Jahre 1939 11/2 Millionen Mann.

Tätigkeit: In den ersten Zeiten der Nazi-Bewegung betätigten sich die Sturmgruppen der SA als der »starke Arm in der Partei«. Sie nahmen teil an Saalschlachten und wurden für Straßengefechte in Kämpfen gegen politische Widersacher eingesetzt. Die SA wurde auch zur Verbreitung der Nazi-Weltanschauung und -Propaganda verwendet und legte besonderen Nachdruck auf antisemitische Propaganda, auf die Lehre von »Lebensraum«, auf die Revision des Versailler Vertrags und die Rückgabe der deutschen Kolonien.

Nachdem die Nazis an die Macht gelangt waren und insbesondere nach den Wahlen vom 5. März 1933, spielte die SA bei Errichtung der Nazi-Schreckensherrschaft über Deutschland eine bedeutende Rolle. Die SA beging Gewalttätigkeiten gegen die Juden und wurde dazu verwendet, politische Widersacher zu verhaften und Konzentrationslager, in denen sie ihre Gefangenen brutalen Mißhandlungen aussetzte, zu bewachen.

Am 30. Juni und 1. und 2. Juli 1934 wurde eine Säuberung unter den SA-Führern vorgenommen. Als Vorwand für diese Säuberung, in deren Verlauf Röhm, der Stabschef der SA, und viele andere SA- Führer getötet wurden, wurde das Bestehen eines Komplotts gegen Hitler angegeben. Als Folge dieser Säuberung gingen Einfluß und Macht der SA gewaltig zurück. Nach 1934 nahm sie an politischer Bedeutung schnell ab.

Nach 1934 befaßte sich die SA mit gewissen militärischen oder halbmilitärischen Übungen. Die SA fuhr auch fort, sich mit der Verbreitung von Nazi-Propaganda zu befassen. Vereinzelte SA-Einheiten waren sogar mit jenen Maßnahmen verknüpft, die zum Angriffskrieg und zur Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit führen sollten. SA-Einheiten waren unter den ersten Truppen, die Österreich im März 1938 besetzten. Die SA stellte eine große Anzahl der Leute und eine bedeutende Menge der Ausrüstung für das Sudetenfreikorps Henleins, obwohl dieses Korps während seiner Operationen in der Tschechoslowakei augenscheinlich unter der Befehlsgewalt der SS stand.

Nach der Besetzung Polens wurde die SA-Gruppe Sudeten für den Transport von Kriegsgefangenen eingesetzt. SA-Einheiten wurden zur Bewachung von Gefangenen in Danzig, Posen, Schlesien und den Baltischen Staaten verwendet. Einige SA-Einheiten wurden gebraucht, um bei den Juden-Pogromen des 10. und 11. November 1938 Synagogen in die Luft zu sprengen. SA-Gruppen beteiligten sich an der Mißhandlung von Juden in den Ghettos von Wilna und Kowno.