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Schlußfolgerung.

Der Gerichtshof hat von Schirach unter Anklagepunkt Eins für nicht schuldig befunden. Er ist schuldig nach Anklagepunkt Vier.

MR. BIDDLE:

Sauckel.

Sauckel ist nach allen vier Punkten der Anklage angeklagt. Sauckel trat der Nazi-Partei im Jahre 1923 bei und wurde im Jahre 1927 Gauleiter von Thüringen; von 1927 bis 1933 war er Mitglied des Thüringischen Landtags, wurde im Jahre 1932 zum Reichsstatthalter von Thüringen ernannt und im Mai 1933 zum Thüringischen Innenminister und zum Leiter des Thüringischen Staatsministeriums.37 Er hatte den offiziellen38 Rang eines Obergruppenführers sowohl in der SA als auch in der SS.

Verbrechen gegen den Frieden.

Das Beweismaterial hat den Gerichtshof nicht davon überzeugt, daß Sauckel in einem solchen Umfange mit dem allgemeinen Plan zur Führung eines Angriffskrieges in Verbindung gestanden hatte oder in einem solchen Umfange in Planung oder Führung der Angriffskriege verwickelt war, um den Gerichtshof zu veranlassen, ihn nach Anklagepunkt Eins oder Zwei zu verurteilen.

Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Am 21. März 1942 ernannte Hitler Sauckel zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz mit der Vollmacht, »den Einsatz aller verfügbaren Arbeitskräfte, einschließlich der im Ausland angeworbenen Arbeiter und von Kriegsgefangenen« unter einheitliche Kontrolle zu bringen (1666-PS, US-208). Sauckel wurde angewiesen, innerhalb des Rahmens des Vierjahresplanes zu operieren, und am 27. März 1942 erließ Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan eine Verordnung, die seine Abteilungen für Arbeitseinsatz auf Sauckel übertrug. Am 30. September 1942 erteilte Hitler Sauckel Vollmacht, Kommissare in den verschiedenen besetzten Gebieten zu ernennen und »alle notwendigen Maßnahmen zur Durchführung« der Verordnung vom 21. März 1942 zu treffen (1903-PS, US-206).

Auf Grund der Vollmacht, die er durch diese Verordnungen erhielt, stellte Sauckel ein Programm zur Mobilisierung aller für das Reich verfügbaren Arbeitskräfte auf.

Ein wichtiger Teil dieser Mobilisierung war die systematische, gewaltsame Ausbeutung der Arbeiterquellen der besetzten Gebiete. Kurz nachdem Sauckel sein Amt angetreten hatte, veranlaßte er die Regierungsbehörden, in den verschiedenen besetzten Gebieten Verordnungen zu erlassen, die Zwangsarbeitsdienst in Deutschland einführten. Auf Grund dieser Verordnungen beschafften sich Sauckels Kommissare, unterstützt von den Polizeibehörden der besetzten Gebiete, die Arbeiter, die zur Auffüllung der ihnen von Sauckel aufgegebenen Quoten nötig waren und sandten sie nach Deutschland. Er beschrieb die sogenannte »freiwillige« Anwerbung durch »einen ganzen Haufen männlicher und weiblicher Agenten, genauso wie es in alten Zeiten beim Schanghaien gemacht wurde« (R-124, US-179). Daß die wirklich freiwillige Anwerbung eher die Ausnahme als die Regel war, wird durch Sauckels Angabe vom 1. März 1944 bewiesen, daß »von den fünf Millionen ausländischen Arbeitern, die nach Deutschland gekommen sind, keine 200000 freiwillig gekommen sind« (R-124, US-179). Obgleich er nun behauptet, daß diese Angabe nicht richtig ist, so lassen doch die Umstände, unter denen sie gemacht wurde, genauso wie das dem Gerichtshof vorgelegte Beweismaterial keinen Zweifel darüber, daß sie im wesentlichen richtig war.

Die Art und Weise, in welcher die unglücklichen Sklavenarbeiter zusammengetrieben und nach Deutschland transportiert wurden und was mit ihnen nach ihrer Ankunft geschah, ist schon beschrieben worden. Sauckel macht geltend, daß er für diese Übergriffe bei der Durchführung des Programms nicht verantwortlich ist. Er sagt, daß die Gesamtzahl der zu beschaffenden Arbeiter durch die Anforderungen der Landwirtschaft und der Industrie bestimmt wurde; daß die Beschaffung der Arbeiter die Aufgabe der Besatzungsbehörden war, der Transport nach Deutschland diejenige der deutschen Eisenbahn und ihre Fürsorge in Deutschland diejenige des Arbeits- und des Landwirtschaftsministeriums, der Deutschen Arbeitsfront und der verschiedenen betroffenen Industrien. Er sagte aus, daß er, soweit er irgendwelche Autorität hatte, fortwährend auf menschliche Behandlung drängte.

Es steht jedoch außer allem Zweifel, daß Sauckel die Gesamtverantwortlichkeit für das Sklavenarbeitsprogramm hatte. Zur Zeit der in Frage stehenden Ereignisse hat er nicht verfehlt, über die Angelegenheiten, welche er nun als die Alleinverantwortlichkeit anderer bezeichnet, die Kontrolle auszuüben. Seine Verordnungen waren es, die seinen Kommissaren Vollmacht zur Beschaffung von Arbeitern erteilten, und er war dauernd draußen, um die getroffenen Maßnahmen zu überwachen. Er war sich bewußt, daß rücksichtslose Methoden zur Beschaffung von Arbeitern angewendet wurden und hat sie tatkräftig mit der Begründung unterstützt, daß sie zur Erfüllung der Quoten notwendig waren.

Sauckels Verordnungen sahen auch vor, daß er die Verantwortung für den Transport der Arbeiter nach Deutschland, für ihre Zuweisung an Arbeitgeber und für ihre Betreuung hatte und daß die andern mit diesen Maßnahmen befaßten Stellen ihm unterstellt waren. Er war über die bestehenden schlechten Bedingungen unterrichtet. Es hat nicht den Anschein, als ob39 er Brutalität als Selbstzweck befürwortete oder für ein Programm, wie zum Beispiel Himmlers Plan zur Ausrottung durch Arbeit, eintrat. Seine Einstellung wurde folgendermaßen in einer Verordnung ausgedrückt:

»Alle diese Menschen müssen so ernährt, untergebracht und behandelt werden, daß sie bei denkbar sparsamstem Einsatz die größtmögliche Leistung hervorbringen« (016-PS, US-168).40

Das Beweismaterial zeigt, daß Sauckel die oberste Verantwortung für ein Programm trug, das die Deportation von mehr als fünf Millionen Menschen zum Zwecke der Zwangsarbeit erforderte, wobei viele von ihnen schreckliche Grausamkeiten und Leiden erdulden mußten.