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Felicja Karay. Death Comes in Yellow. Skarzysko-Kamienna Slave Labor Camp. Amsterdam: Harwood, 1996. 288 S. $53.00 (gebunden), ISBN: 3718-65741-4; $25.00 (paper), ISBN 9057-02236-2. Reviewed for H-Soz-u-Kult by Mark Spoerer <spoerer@uni-hohenheim.de>, Universitaet Stuttgart-Hohenheim Welches privatwirtschaftliche Unternehmen war im Dritten Reich am staerksten an der "Vernichtung durch Arbeit" beteiligt? In der Diskussion um die Entschaedigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter wurden in den letzten Jahren immer die IG Farbenindustrie oder allenfalls noch Siemens und Daimler-Benz an prominenter Stelle genannt. Doch spaetestens nach Lektuere der Dissertation von Felicja Karay moechte man diesen zweifelhaften Spitzenplatz einem ganz anderen Unternehmen zusprechen: der Hugo Schneider AG, Leipzig (HASAG). Schon in den Aussagen, die leitende Mitarbeiter des fuer den KZ-Einsatz zustaendigen SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamts in den Vernehmungen fuer die Nuernberger Prozesse machten, erscheint die auch in der Forschung fast voellig unbekannte HASAG nach der IG Farbenindustrie und den Reichswerken Hermann Goering an dritter Stelle. Doch zaehlt man, wie mittlerweile ueblich, die "Arbeitsjuden" im Generalgouvernement zu den Haeftlingsarbeitern, so duerfte die HASAG mit insgesamt mindestens 60.000 Zwangsarbeitern aus Judenlagern bzw. KZs die IG noch deutlich ueberfluegelt haben. Ueber 50 % von ihnen kamen bei der HASAG um. Was jedoch den besonderen Charakter des Zwangsarbeitseinsatzes bei der HASAG ausmacht, ist die Tatsache, dass das Unternehmen selbst initiativ und unmittelbar die Ermordung durchfuehrte: die Werksleitung pluenderte die aus den umliegenden Ghettos herangekarrten Juden hemmungslos aus, setzte sie toedlichen Arbeitsbedingungen aus, selektierte sie und brachte sie zu tausenden auf dem Werksgelaende um. Die Autorin ist eine Ueberlebende der "Hoelle von Kamienna" [1]. Sie hat ihre Erlebnisse 1987 zu einer Dissertation verarbeitet, die 1996 auch auf Englisch erschienen ist. Das erste Kapitel heisst treffend "The HASAG enigma". Es ist in der Tat zumindest auf den ersten Blick ein Raetsel, weshalb dieses Unternehmen oder wenigstens einer seiner Betriebe bislang weder in der unternehmenshistorischen noch in der ueberbordenden Zwangsarbeiterliteratur behandelt worden ist, zumal sein Generaldirektor, Paul Budin, in der Munitionsindustrie sehr einflussreich und zudem als Sonderbeauftragter in der Zwangsarbeiterrekrutierung aktiv war. Unter seiner Leitung stieg die HASAG, urspruenglich ein Lampenhersteller, zu einem bedeutenden Munitionslieferanten auf und zoegerte nicht, Ende 1939 Munitionsbetriebe im Generalgouvernement zu uebernehmen, die 1943 unter dem Dach der neugegruendeten Tochter HASAG Metall-GmbH zusammengefasst wurden. Karay beschreibt im folgenden Kapitel die Personalpolitik der HASAG im Generalgouvernement. Eine sehr duenne, als politisch zuverlaessig eingeschaetzte Schicht deutscher Fuehrungskraefte kontrollierte 14.000 polnische Arbeitskraefte. Diese Arbeitskraefte, ohnehin nicht allzu erpicht darauf, fuer die deutschen Besatzer Munition zu produzieren, blieben im Laufe der Zeit immer haeufiger dem Arbeitsplatz fern. Die Ursache lag in der immer unguenstigeren Relation von Lohn und Nahrungsmittelpreisen, so dass die Arbeiter Lebensmittel "organisieren" mussten. Weder Ernaehrungszulagen noch ein betriebseigenes Arbeitserziehungslager konnten dieses Problem loesen. Zudem kam 1942 eine weitere, durchaus sehr lukrative Alternative zur Arbeit bei der HASAG hinzu: der Handel mit Waren, die von den Juden an ihre Nachbarn verkauft werden mussten, da in den Ghettos und Lagern nur leicht zu transportierende Tauschmittel wie Bargeld, Gold und Schmuck zaehlten. Hier zeigten sich Teile der polnischen Bevoelkerung genauso habgierig wie zuvor Teile der deutschen. In dieser Situation erwies sich die Raeumung der Ghettos im Generalgouvernement als Loesung der Personalprobleme. Die HASAG sorgte dafuer, dass sie stets Nachschub an "Arbeitsjuden" bekam. Diese wurden auf dem Werksgelaende in voellig unzureichenden Lagern festgehalten und als Ungelernte in der Produktion eingesetzt, wobei die Polen haeufig als Vorarbeiter fungierten und dadurch in den Auspluenderungs- und Vernichtungsmechanismus einbezogen wurden. Die "Arbeitsjuden" als Sklaven zu bezeichnen, wie Karay das tut, ist eigentlich ein Euphemismus: nicht mal ihre Beschaffung kostete das Unternehmen nennenswerte Betraege. In den folgenden Kapiteln beschreibt die Autorin eine Arbeitseinsatzpolitik im Hauptwerk Skarzysko-Kamienna, wie sie zynischer nicht sein kann. Die HASAG legte zunaechst gar keinen besonderen Wert auf junge, leistungsfaehige Arbeitsjuden. Viel wichtiger war dem leitenden Personal, dass viele aeltere, und das heisst tendenziell wohlhabendere Juden unter den Ankoemmlingen waren. Nach ihrer Ankunft wurden sie ausgepluendert; Wertsachen und wertvolle Kleidungsstuecke wechselten sofort in die Haende der HASAG-Mitarbeiter ueber. Schwangere wurden direkt erschossen. Anschliessend wurden die kraeftigeren Juden in die Werksteile A und B eingewiesen; die aelteren und schwaecheren dagegen in den Werksteil C. Dort wurde ohne Schutzkleidung mit hochgiftigen Chemikalien gearbeitet. Haare, Naegel und Gesichtshaut der dort eingesetzten Menschen nahmen eine gruengelbliche Faerbung an. In der Regel waren sie nach drei Monaten abgearbeitet und fielen dann den regelmaessig stattfindenden Selektionen und Massenerschiessungen auf dem Werksgelaende zum Opfer. Die Erschiessungen wurden vom Werkschutz durchgefuehrt, der auf diese Weise einige tausend oder zehntausend Menschen auf dem Gewissen haben duerfte. Erst als alle Ghettos aufgeloest waren und der Nachschub somit ab Anfang 1944 nicht mehr unerschoepflich war, bekamen die Arbeitsjuden Wert fuer die HASAG. Die Werksleitung fuehrte einige Verbesserungen durch, die die Sterblichkeit der Haeftlinge etwas absinken liess. Die Schikanen des Werkschutzes blieben davon jedoch unberuehrt. Beim Herannahen der Roten Armee wurden noch einmal mehrere hundert Arbeitsjuden ermordet und die anderen nach Westen getrieben. Dort fand sich ein Teil von ihnen, nun als KZ-Haeftlinge, im Leipziger Stammwerk und anderen deutschen Zweigbetrieben der HASAG wieder, wo die Arbeits- und Lebensbedingungen weniger schlecht waren als in Kamienna. Doch auch von diesen starben noch viele auf den Todesmaerschen gegen Kriegsende. Felicja Karay hat nicht ihre Memoiren geschrieben, sondern eine sehr solide wissenschaftliche Studie vorgelegt. Die Quellenbasis beruht ueberwiegend auf Dokumenten aus Yad Vashem, darunter auch Zeitzeugeninterviews, den einschlaegigen Akten des Bundesarchivs in Freiburg und (damals) Koblenz sowie polnischen Dokumenten. So kann Karay Opfer- und Taeterperspektive schluessig miteinander verweben. Zugleich beschreibt sie sehr plausibel die Interessenlagen der einzelnen Besatzungs- und Ruestungsinstitutionen, deren Konflikte sich die HASAG-Fuehrung geschickt zunutze machte. Fast schonungslos erscheint auch ihre Analyse der Haeftlingsgesellschaft, die von den Deutschen ebenfalls - und mit Erfolg, wie Karay betont (S. 247) - segmentiert wurde. Inwieweit eigenes Erleben bei der Einschaetzung des Quellenwertes einzelner Zeitzeugeninterviews eine Rolle gespielt hat, laesst sich natuerlich nicht ueberpruefen. Das Literaturverzeichnis ist mit ganz wenigen Ausnahmen auf dem Stand von Mitte der achtziger Jahre, so dass etwa die Ergebnisse der Studien von Dieter Pohl [2] und Thomas Sandkuehler [3] nicht in die Arbeit eingeflossen sind. Allerdings liegt der Wert dieser Studie gerade darin, dass sie Licht in ein heute noch fast genauso wie Mitte der 80er Jahre voellig unbekanntes Kapitel der deutschen Besatzung in Polen bringt, naemlich die Taetigkeit deutscher Unternehmen. Nicht nur bei der HASAG war es so, dass die besetzten Ostgebiete Bewaehrungsfeld fuer zwei Spezies waren: junge, karrierehungrige Manager oder umgekehrt solche, die moeglichst weit weg von der Unternehmenszentrale eingesetzt werden sollten. Ihnen wurden Lebens- und Arbeitsbedingungen geboten, die ihrem vermeintlichen Status als "Herrenmenschen" entsprach. So verhielten sie sich auch, zumindest bei der HASAG in Skarzysko-Kamienna. Die von Karay mitgeteilten Verhaltensweisen sind schlicht bestialisch. Immerhin wurden 1948 in Leipzig 25 deutsche Mitarbeiter der HASAG in Kamienna zum Tode bzw. schweren Haftstrafen verurteilt. Die Arbeit von Karay zeigt, dass durchaus Quellenmaterial in Israel und Polen vorhanden ist, die ausreichen, die eher spaerliche deutsche staatliche und privatwirtschaftliche Ueberlieferung zu ergaenzen. Insofern waeren weitere Studien ueber Ableger deutscher Unternehmen im besetzten Polen wuenschenswert, die Aufschluss darueber geben, ob die Verhaeltnisse bei der HASAG typisch waren oder ein Extremfall, wie Karay - wohl zu Recht - vermutet (S. 235). Interessant ist Karays Arbeit aber auch, weil sie den Blick auf ein Unternehmen lenkt, das in der Forschung bislang komplett ausgeblendet worden ist. Schon die schiere Zahl der von der HASAG in Polen und spaeter Deutschland, v.a. Leipzig, eingesetzten Arbeitsjuden und KZ-Haeftlinge sollte doch wenigstens eine Darstellung rechtfertigen, die ueber Nebensaetze und Fussnoten hinausgeht. Dazu kommt die Figur des Generaldirektors SS-Obersturmbannfuehrer Paul Budin, zu dem nach Recherchen des Rezensenten ebenfalls nichts publiziert worden ist. Budin hatte offenbar im September und November 1941 Sonderauftraege bei der Rekrutierung kroatischer Zivilarbeiter bzw. sowjetischer Kriegsgefangener, ueber die bislang nichts Konkretes bekannt geworden ist. Im Herbst 1944 bewaehrte er sich als Koordinator einer gewaltigen Steigerung der Panzerfaustproduktion, bei der die Werke seines Konzerns (und die darin eingesetzten 20.000 ueberwiegend weiblichen KZ-Haeftlinge) eine grosse Rolle spielten. Dass weder die HASAG noch Paul Budin bislang Beachtung in der Forschung gefunden haben, mag zwei Gruende haben. Die HASAG hatte ihren Sitz und fast alle Werke in Sachsen und wurde nach 1945 verstaatlicht. Sie ist somit kein so attraktiver, Publizitaet heischender Untersuchungsgegenstand wie etwa Siemens oder Daimler-Benz. Die Quellenlage duerfte allerdings nicht besonders gut sein: beim Herannahen der alliierten Truppen im April 1945 liess Budin das Verwaltungsgebaeude in Leipzig sprengen. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Anmerkungen [1]. Hans Frey: Die Hoelle von Kamienna. Unter Benutzung des amtlichen Prozessmaterials, Berlin/Potsdam: VVN-Verlag 1949. [2]. Dieter Pohl: Von der Judenpolitik zum Judenmord. Der Distrikt Lublin des Generalgouvernements 1939-1944, (Muenchner Studien zur neueren und neuesten Geschichte, 3), Frankfurt a.M. u.a.: Lang 1993; ders.: Nationalsozialistische Judenverfolgung in Ostgalizien 1941 - 1944: Organisation und Durchfuehrung eines staatlichen Massenverbrechens, (Studien zur Zeitgeschichte, 50), Muenchen: Oldenbourg 1996, 2. Aufl. 1997. [3]. Thomas Sandkuehler: "Endloesung" in Galizien. Der Judenmord in Ostpolen und die Rettungsaktionen von Berthold Beitz 1941-1944, Bonn: Dietz 1996.
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