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Helmut Dubiel, _Niemand ist frei von der Geschichte. Die nationalsozialistische Herrschaft in den Debatten des Deutschen Bundestages_. Muenchen: Carl Hanser Verlag, 1999. 304 S. Index. DM 39.80 (Taschenbuch), ISBN 3-446-19650-1. Reviewed for H-Soz-u-Kult by Jan-Holger Kirsch M.A. <jkirsch@geschichte.uni-bielefeld.de>, Universitaet Bielefeld

"’Auschwitz’ ist ein zentraler Gruendungsmythos der Bundesrepublik Deutschland. Die Arbeit an diesem Mythos bewegt jede Generation aufs neue." "Wir sollten diese Wunde nicht staendig reizen, denn das foerdert die Entartung."

Was unterscheidet die zwei Zitate, und was ist ihnen gemeinsam? Wer vermutet, das erstere stamme aus den 90er und das letztere aus den 50er Jahren, liegt nur zur Haelfte richtig: Beide Aeusserungen fielen am 25. Juni 1999 in der Debatte des Deutschen Bundestages ueber die Errichtung eines Holocaust-Mahnmals in Berlin.[1] Dennoch hat die Anfangsvermutung etwas fuer sich: Die Stilisierung des Holocaust zum deutschen Gruendungsmythos ist in der Tat ein Phaenomen der 90er Jahre, waehrend die Annahme, "ein gesundes Volk" duerfe "nicht bei jedem Anlass die kaum vernarbten Wunden wieder aufreissen",[2] in die 50er Jahre verweist und heute nicht mehr repraesentativ ist. Das Beispiel zeigt freilich, wie fruehere Argumentationsmuster der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus bis in die aktuelle Diskussion hineinwirken.

Helmut Dubiel, Professor fuer Soziologie an der Universitaet Giessen, hat eine "Reflexionsgeschichte der Bundesrepublik von ihrer Gruendung bis zur Gegenwart" vorgelegt (S. 13), die zugleich eine "Eroeffnungsbilanz fuer die geschichtspolitische Legitimation der Berliner Republik" darstellt.[3] Sein Buch geht erstmals systematisch der Frage nach, wie der Nationalsozialismus seit 1949 in den Debatten des Deutschen Bundestages thematisiert wurde. Dabei vertritt Dubiels gleich zu Beginn die These, "dass dem politischen System der Bundesrepublik eine demokratische Kultur nur in dem Masse zugewachsen ist, wie den Erinnerungen jener Vergangenheit ein Raum eroeffnet wurde" (S. 10). Zwischen der Herausbildung eines neuen staatlichen Selbstverstaendnisses und der Beschaeftigung mit dem Nationalsozialismus habe ein enger sachlicher Zusammenhang bestanden. Der Bundestag habe dabei - zumindest nach dem liberaldemokratischen Ideal - die "Schnittstelle [gebildet], an der die Interessen und Meinungen der Buerger mit den Verhandlungen der Politiker vermittelt" wurden (S. 13). Dubiel hat sich der anspruchsvollen Aufgabe unterzogen, die rund 200.000 Seiten umfassenden Bundestagsprotokolle zu sichten und aus der Materialfuelle eine begruendete Auswahl zu treffen. Es ist methodisch geschickt und inhaltlich ergiebig, dass er sich nicht ausschliesslich auf Gedenkveranstaltungen, Verjaehrungsdebatten und Wiedergutmachungsberatungen stuetzt, sondern die historischen Verweise auch dort sucht, wo sie nicht unbedingt zu erwarten sind - etwa in Regierungserklaerungen am Beginn einer Legislaturperiode, in Reaktionen auf aktuelle Ereignisse wie die RAF-Anschlaege und in Diskussionen um die deutsche Einheit. So werden die eher sproeden Sitzungsprotokolle als anschauliche Quellen und reicher Zitatenschatz genutzt.

Als gegenwartsnahen "Prolog" (S. 22-33) waehlt Dubiel die Debatte ueber die Verbrechen der Wehrmacht, die der Bundestag im Maerz 1997 aus Anlass der Wanderausstellung "Vernichtungskrieg" fuehrte. Diese Debatte war in der Tat ein eindrucksvolles Beispiel dafuer, wie ein Austausch gegensaetzlicher historischer Deutungen und subjektiver Erinnerungen in wechselseitigem Respekt moeglich sein kann. Zwischen den Abgeordneten kam es zu einer generationsuebergreifenden Verstaendigung, bei der falsche Selbstgerechtigkeit vermieden wurde; selbst Alfred Dregger liess unter dem Eindruck der Debatte eine gewisse Nachdenklichkeit erkennen.

Dubiels folgende Kapitel sind chronologisch angeordnet und jeweils einem Jahrzehnt gewidmet. Fuer die 50er Jahre (S. 35-77) betrachtet es der Verfasser als charakteristisch, dass die - von deutscher Seite behauptete - "Universalisierung des Taeterverdachts" in eine "Universalisierung der Opfervermutung" gewendet worden sei (S. 72). Da sich die Bundesrepublik aber im Gegensatz zur DDR und zu Oesterreich als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches verstand, konnte die NS-Vergangenheit nicht voellig ausgeblendet werden - eine Konstellation, die sich laut Dubiel als langfristige Triebkraft zugunsten einer kritischeren Erinnerung erwies. Vorerst dominierten jedoch Deutungsmuster der Abwehr und Relativierung, wie sie etwa Bundeskanzler Adenauer 1949 erkennen liess (vgl. S. 43): "Der Krieg und auch die Wirren der Nachkriegszeit haben eine so harte Pruefung fuer viele gebracht und solche Versuchungen, dass man fuer manche Verfehlungen und Vergehen Verstaendnis haben muss." Zwischen den Argumentationsweisen von Regierung und Opposition bestanden dabei, wie Dubiel belegt, nur graduelle Unterschiede. Die Judenverfolgung und der Holocaust waren im Bundestag keine vorrangigen Themen. Die Juden wurden allenfalls als "wertvollste Glieder unseres Volkes" (so Carlo Schmid 1953; vgl. S. 45) in die zu restaurierende ‘Kulturnation’ eingemeindet - wobei eine Kontinuitaet zur Lingua Tertii Imperii aus heutiger Sicht unverkennbar ist. Dubiel beschreibt die westdeutsche Nachkriegsgeschichte als Suche nach "Ersatzidentitaeten"; in den 50er Jahren war es der ‘Antitotalitarismus’, der die durch den ‘Zusammenbruch’ des Nationalstaats entstandene Leerstelle fuellte und sich mit dem frueheren Antikommunismus amalgamieren liess (S. 75). Auf Hermann Luebbes provokante Frage, ob es zur "kommunikativen Integration" der vormaligen NS-‘Volksgemeinschaft’ realistische Alternativen gegeben habe,[4] liefert Dubiel allerdings keine neuen Antworten.[5]

In den 60er Jahren (S. 79-127) gerieten die zuvor etablierten Muster des westdeutschen Selbstverstaendnisses in Bewegung, und es kam zu staerkeren Kontroversen zwischen den politischen Lagern. Auf der einen Seite sollten Entwuerfe einer ‘christlichen Demokratie’ und einer ‘formierten Gesellschaft’ sowie die Betonung des oekonomischen Erfolgs eine positive Identitaet begruenden helfen. So vertrat Bundeskanzler Erhard 1964 die Position, durch die "grosse Aufbauleistung" haetten die Deutschen ihre "Reife" bewiesen und sich der "grosse[n] Buerde" der Vergangenheit entledigt (vgl. S. 96). Auf der anderen Seite markierte es einen Klimawechsel, als der SPD-Abgeordnete Adolf Arndt in der Verjaehrungsdebatte von 1965 mit ausdruecklichem Verweis auf die Judendeportationen betonte (vgl. S. 110): "Ich weiss mich mit in der Schuld." Allmaehlich gewann die Meinung an Gewicht, dass eine oeffentliche Diskussion ueber den Nationalsozialismus die Demokratie nicht gefaehrde, sondern sie glaubwuerdiger mache und insgesamt festige. Doch auch die Vertreter dieser Sichtweise hatten Schwierigkeiten, die gute Absicht in eine konkrete sprachliche Form zu bringen. Ein Satz des SPD-Abgeordneten Alex Moeller von 1966 ist hierfuer symptomatisch (vgl. S. 118):

"Meine Damen und Herren, dann gab es 12 bittere Jahre, das muss man einmal sagen, damit die Dinge hier beim richtigen Namen genannt werden."

In den 70er Jahren (S. 129-182) kam es im Bundestag zur ersten Aussprache ueber den Nationalsozialismus, die nicht an einen Gesetzentwurf gebunden war: Am 8. Mai 1970, dem 25. Jahrestag des Kriegsendes, veranstaltete das Parlament eine Gedenkstunde, bei der neben Bundeskanzler Brandt auch die Abgeordneten Richard von Weizsaecker (CDU), Volker Hauff (SPD) und Lieselotte Funcke (FDP) redeten. Es ist bezeichnend, dass es zuvor nicht moeglich oder erwuenscht gewesen war, das Erinnern an den Nationalsozialismus gerade an diesem Datum mit einer Selbstreflexion der Demokratie zu verbinden. Brandts Ansprache - aus der der Titel von Dubiels Buch entnommen ist - war ausgesprochen duerftig, aber die Bundestagssitzung signalisierte immerhin die Tendenz zu einer positiveren Wuerdigung des 8. Mai.[6] In diesem Kapitel macht Dubiel zudem darauf aufmerksam, dass der ‘Deutsche Herbst’ des Jahres 1977 ein "symbolischer Buergerkrieg" um die Erbschaft und Deutung des Nationalsozialismus gewesen sei (S. 147): Die Politiker von Regierung und Opposition versuchten ihre unterschiedlichen Antworten auf den Linksterrorismus mit historischen ‘Lehren’ zu begruenden, waehrend die Terroristen ihrerseits meinten, den Widerstand nachholen zu muessen, der im NS-Staat versaeumt worden war. Am Ende der Dekade stand die vierte und nunmehr abschliessende Verjaehrungsdebatte, bei der sich alle Redner in der normativen Abgrenzung vom Nationalsozialismus einig waren.

Die 80er Jahre (S. 183-239) sieht Dubiel dadurch gekennzeichnet, dass die Konfliktlinien nicht mehr zwischen Erinnnerungsbefuerwortern und -gegnern verliefen, sondern dass die Art und Weise der politischen Bezugnahme auf die NS-Zeit zum Streitthema wurde. Bundeskanzler Kohl begann eine gezielte ‘Gedaechtnispolitik’, die eine eigentuemliche Kombination aus Thematisierung und Relativierung der historischen Geschehnisse darstellte. Zugleich brachten die seit 1983 im Bundestag vertretenen GRUeNEN neue Perspektiven in die Debatten ein. Heiner Geisslers Diktum in der Nachruestungsdiskussion, der Pazifismus der 30er Jahre habe "Auschwitz erst moeglich gemacht" (vgl. S. 193), interpretiert Dubiel als offensiven Versuch der CDU, Verweise auf den Nationalsozialismus in die eigene politische Strategie zu integrieren. Durch die Instrumentalisierung von verschiedenen Seiten begann die Metapher ‘Auschwitz’ "ihre selbstexplikative Kraft" zu verlieren (S. 198). Dubiels folgende Erlaeuterungen zu den Gedenkreden Weizsaeckers und Jenningers sowie zum ‘Historikerstreit’ sind eher deskriptiv angelegt und fuehren ueber die bisherige Literatur nicht hinaus.[7]

Fuer die 90er Jahre (S. 241-274) ist es ohne Zweifel schwierig, bereits fundierte Bewertungen vorzunehmen. Dubiel untersucht hier die Reaktionen auf rechtsradikale Gewaltakte, die Hauptstadtdebatte, die Entscheidung ueber die Reichstagsverhuellung und das Gedenken zum 50. Jahrestag des Kriegsendes. Anhand von Roman Herzogs Rede am 8. Mai 1995 zeigt er auf, dass das Ziel der "Konsensstiftung" "auf eine fast penetrante Weise" verfolgt worden sei;

Interpretationskonflikte um die NS-Vergangenheit wurden moeglichst gemieden (S. 268). Auf der anderen Seite verdeutlichte die bereits erwaehnte Debatte um die Wehrmachtsausstellung, dass der Bundestag im Idealfall durchaus in der Lage ist, einer differenzierten Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ein Forum zu bieten.

Dubiel fasst seine materialreiche Studie wie folgt zusammen (S. 275): "Das Ergebnis dieser Rekonstruktion ist nicht eindeutig. Zum einen bleibt das Erstaunen, wie sehr es den Politikern, zumal in den ersten Jahrzehnten, unmoeglich war, in der ersten Person Plural (‘Wir haben das getan’) von dem Voelkermord zu sprechen, den Deutsche begangen hatten. Gleichwohl waere die pauschale Behauptung, die Generation der Nachkriegspolitiker haette die ihnen vorausgehende Epoche einfach verschwiegen, schlicht falsch." Das "zivilisierende Projekt der Schuldannahme" - so Dubiels implizite Antwort auf Hermann Luebbe - sei erst durch den wachsenden Zeitabstand zu den Ereignissen des Nationalsozialismus moeglich geworden (S. 289). Dabei habe sich Westdeutschland schrittweise von einer konventionellen nationalen Identitaet geloest und sei zum Vorreiter einer neuartigen "Legitimationskultur" geworden (S. 291 ff.). Inzwischen sei es ein weltweites Phaenomen, dass sich Staaten aus dem oeffentlichen Bekenntnis frueherer Schuld definierten - Suedafrika, Lateinamerika und die postkommunistischen Laender, aber auch Frankreich fuehrt Dubiel als Beispiele an. "Es ist keine triumphalistische Geschichtsschreibung mehr, sondern das Betrachten der Leichen im Keller. Es ist natuerlich heikel, das so zu sagen, aber die Erfahrung der Deutschen nach dem Holocaust ist dafuer modellbildend."[8]

Das vorliegende Buch ist eines der wenigen substantiellen Werke zum Jubilaeum "50 Jahre Bundesrepublik". Auf gut lesbare Weise liefert es einen historischen Laengsschnitt ueber diese fuenf Jahrzehnte und stellt dabei die Praegekraft des Nationalsozialismus fuer das politische System detailliert heraus. Gleichwohl seien einige kritische Bemerkungen erlaubt, die zugleich als Anstoss fuer weitere Forschungen zu verstehen sind:

1. Dubiels Periodisierung in Dekaden ist uebersichtlich und einfach, aber in der Sache wenig ueberzeugend. Denkbar waere es, die Regierungswechsel 1966/69 und 1982 als Gliederungshilfen zu betrachten. Am sinnvollsten duerfte es jedoch sein, die Zaesuren aus der Konfliktlogik der NS-Erinnerung selbst abzuleiten. So koennten der Ulmer Einsatzgruppenprozess und die Gruendung der Zentralen Stelle in Ludwigsburg (1958), die Ausstrahlung des Films "Holocaust" im deutschen Fernsehen (1979) und die deutsche Einheit (1990) geeignete Einschnitte markieren.

2. Dubiel unterschaetzt etwas die Bedeutung oeffentlicher Skandale und insbesondere antisemitischer Vorfaelle fuer die westdeutsche "Internalisierung" (Lepsius) des Nationalsozialismus.[9] Auf die Synagogenschaendungen von 1959/60 geht er knapp ein, beschraenkt sein Forschungsinteresse aber weitgehend auf die Parlamentsdebatten. Naeher zu untersuchen waere, welche Beziehungen zwischen dem Bundestag und der Waehlerschaft im Hinblick auf die NS-Erinnerung bestanden. Dabei waere auch genauer zu pruefen, wie Parlamentsdebatten in den Massenmedien vermittelt wurden und woher umgekehrt die Politiker ihre Informationen ueber ‘den’ Nationalsozialismus bezogen. Wie der Autor selbst etwas versteckt einraeumt (S. 296 Anm. 3), blieb der Stellenwert des Parlaments fuer die Geschichtskultur im Untersuchungszeitraum nicht konstant. Dubiels plausible Hypothese lautet, dass der Bundestag in der fruehen Nachkriegszeit "vergangenheitskritischer als der Demos" gewesen sei, waehrend es seit Anfang der 70er Jahre engere "Austauschbeziehungen" zwischen vorparlamentarischer und parlamentarischer Oeffentlichkeit gebe (ebd.). In der Mahnmalsdebatte vom 25. Juni 1999 beschraenkte sich der Bundestag sogar darauf, gesellschaftlich vorformulierte Deutungen mit einer hoeheren Legitimation auszustatten - einige Abgeordnete sagten ganz offen, dass sie keine neuen Argumente liefern koennten.[10]

3. Bei der Verwendung der Protokolle waere eine eingehendere Quellenkritik notwendig: Welchen Einfluss hat es auf historische Argumente, wenn sie in politischen Kontexten verwendet werden?[11] Welche autobiographischen Bezuege besassen die Abgeordneten zum Nationalsozialismus, und welche Auswirkungen hatte der Generationswandel der Politiker auf die historischen Deutungsmuster? Dubiel geht kurz auf Persoenlichkeiten wie Willy Brandt und Richard von Weizsaecker ein, doch haette dieser Aspekt noch vertieft werden koennen.

4. Eine grundsaetzliche Frage lautet schliesslich, ob die von Dubiel positiv bewertete Ableitung des politischen Selbstverstaendnisses aus dem Nationalsozialismus und speziell aus dem Holocaust in ihrer gegenwaertigen Form zukunftsfaehig ist. Zweifellos stellt es gegenueber frueheren Jahrzehnten einen Erkenntnisfortschritt dar, dass die NS-Zeit inzwischen als Teil der eigenen Vergangenheit anerkannt wird. Die oeffentliche und publizistische Kontroverse um das "Denkmal fuer die ermordeten Juden Europas" hat aber auch Beispiele dafuer geliefert, dass eine stilisierte ‘Betroffenheit’ die merkwuerdige Form des "Schuldstolzes" annehmen kann.[12] Natuerlich soll hier keineswegs der Kritik der Neuen Rechten gefolgt werden, die dies auf einseitige Weise schon laenger beklagt.[13] Doch gerade aus Sicht derjenigen, die sich einer differenzierten Erinnerung an den Nationalsozialismus verpflichtet wissen, ist zu ueberlegen, ob die ‘Berliner Republik’ nicht einer staerkeren Begruendung aus der Gegenwart bedarf.[14] Die gesellschaftliche Erinnerung an den Nationalsozialismus muss normativ grundlegend bleiben, kann das konkrete politische Handeln aber nur sehr bedingt leiten. Dies klarer als bisher anzuerkennen, wuerde zugleich jenem nicht-instrumentellen Umgang mit der NS-Vergangenheit Raum oeffnen, fuer den auch Dubiel plaediert.

Anmerkungen:

[1]. Protokolle des Deutschen Bundestages, 14. Wahlperiode, 48. Sitzung, 25. Juni 1999, S. 4085-4147, hier S. 4110 (Annette Widmann-Mauz, CDU/CSU), S. 4121 (Guenter Nooke, CDU/CSU).

[2]. Zitat Kurt Georg Kiesingers aus einer Bundestagsrede von 1954; vgl. S. 64 in dem besprochenen Band. Um dem Abgeordeten Nooke nicht Unrecht zu tun: Er setzte sich mit durchaus deutlichen Worten fuer eine Fortdauer des Erinnerns an den Nationalsozialismus ein. Um so unverstaendlicher ist allerdings die gedankliche und sprachliche Nachlaessigkeit in dem einleitend zitierten Satz.

[3]. So Klaus Naumann: Geerbte Geschichte, in: DIE ZEIT, 25.3.1999, Literaturbeilage, S. 22 (Rezension zum vorliegenden Buch).

[4]. Vgl. Hermann Luebbe: Der Nationalsozialismus im deutschen Nachkriegsbewusstsein, in: Historische Zeitschrift 236 (1983), S. 579-599.

[5]. Er bezieht sich in diesem Kapitel vorwiegend auf das Standardwerk von Norbert Frei: Vergangenheitspolitik. Die Anfaenge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit, Muenchen 1996. Freis Kritik an Luebbe bleibt indes auch etwas diffus.

[6]. Zu den Schwierigkeiten des Umgangs mit diesem Datum vgl. ausfuehrlich Jan-Holger Kirsch: "Wir haben aus der Geschichte gelernt". Der 8. Mai als politischer Gedenktag in Deutschland, (Beitraege zur Geschichtskultur, 16), Koeln/Weimar/Wien 1999.

[7]. Vgl. die bibliographischen Angaben bei Kirsch (Anm. 6), S. 96-107. Es ist ein gewisser Nachteil von Dubiels Buch, dass sich der Autor mit der Forschungslandschaft zu seinem Thema recht kursorisch auseinandersetzt. Selbst ein historisches Sachbuch, das sich auch an Laien wendet, sollte m.E. den Interessierten Hinweise zur Vertiefung bieten.

[8]. Einbruch in die Rituale, in: tageszeitung, 25.6.1999, S. 2 (Interview mit Dubiel).

[9]. Vgl. dazu Werner Bergmann: Antisemitismus in oeffentlichen Konflikten. Kollektives Lernen in der politischen Kultur der Bundesrepublik 1949-1989, (Schriftenreihe des Zentrums fuer Antisemitismusforschung Berlin, 4), Frankfurt a.M./New York 1997.

[10]. Vgl. Protokolle (Anm. 1).

[11]. Vgl. dazu Katherina Oehler: Geschichte in der politischen Rhetorik. Historische Argumentationsmuster im Parlament der Bundesrepublik Deutschland, (Beitraege zur Geschichtskultur, 2), Hagen 1989.

[12]. Vgl. die aus Anlass der Walser-Kontroverse verfasste Kritik von Cora Stephan: Schuldstolz, in: Merkur 53 (1999), S. 462-466.

[13]. Vgl. zuletzt etwa Karlheinz Weissmann: Lehrsaetze einer Zivilreligion, in: FAZ, 13.4.1999, S. 12 (Rezension zum vorliegenden Buch).

[14]. So etwa Ulrich Speck: Zum oeffentlichen Gebrauch der Shoah in Deutschland, in: Merkur 53 (1999), S. 120-127.

Document compiled by Dr S D Stein
Last update 17/08/99
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