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H-NET BOOK REVIEW

Published by H-Soz-u-Kult@h-net.msu.edu (January, 2000)

Jan Foitzik. _Sowjetische Militaeradministration in Deutschland (SMAD). Struktur und Funktion_. Quellen zur Zeitgeschichte, 44. Berlin: Akademie Verlag, 1999. 544 S. DM 78,00 (gebunden), ISBN 3-05-002680-4.

Reviewed for H-Soz-u-Kult by Joerg Morre

Jan Foitzik, ausgewiesener Spezialist fuer die Geschichte der Sowjetischen Militaeradministration in Deutschland (SMAD), legt mit diesem Buch sein opus magnum vor. Dem in sechs Kapitel gegliederten Hauptteil folgt ein umfangreicher Anhang mit einer namentlichen Auflistung der Mitarbeiter der SMAD sowie der sowjetischen Mitarbeiter im Alliierten Kontrollrat, ergaenzt durch Kurzbiographien. Ebenfalls im Anhang gibt Foitzik einen Quellen- und Literaturueberblick der ausfuehrlicher ausfaellt, als das vielleicht in der Einleitung der Fall gewesen waere. Hier bekommt der Leser aus berufenem Munde einen vollstaendigen Ueberblick ueber die derzeitige Forschungslage. Die Literaturliste des Buches ist dann auch imposant. Angesichts dieser Menge angehaeufter Informationen ist das am Ende praesentierte Personenregister unverzichtbarer Bestandteil des Buches.

Dem Leser tritt ein Sammler gegenueber, der gar nicht erst den Versuch einer Gesamtwuerdigung der SMAD machen mag und freimuetig bekennt, die Gliederung der Stoffuelle habe "erhebliche Probleme" bereitet (S. 16). So gesehen waere es vielleicht besser gewesen, den Literaturueberblick nicht in den Anhang zu verbannen, denn der uninformierte Leser bekommt dadurch den Einstieg ins Thema nicht leichter gemacht. Foitziks Buch schwankt zwischen enzyklopaedisch angelegtem Nachschlagewerk und komprimierter Darstellung von Zusammenhaengen. Dabei orientiert sich der Autor an Bewaehrtem. Die Gliederung der ersten drei Kapitel gleicht bis in die Ueberschriften der Struktur des knapp zehn Jahre zuvor geschriebenen Artikels im SBZ-Handbuch. Selbst die Bibliographie im Anhang soll doch nur diejenige im SBZ-Handbuch ergaenzen (S. 502) [1]. Die im Handbuch verarbeitete Sekundaerliteratur wird nun allerdings ergaenzt durch Material, das durch die Oeffnung russischer und ostdeutscher Archive zugaenglich geworden ist. Aber fuer Foitzik ist das nicht ausschlaggebend. Es sei die in der Forschung nach wie vor nicht erkannte Bedeutung der SMAD, die dieses Buch noetig mache. Der Zugang zu bislang verschlossenen Archiven habe daran nichts geaendert, sondern lediglich noch mehr Fragen, vor allem Fragen methodischer Art, aufgeworfen. Ziel seiner Arbeit sei daher der "Versuch, eine Organisation, deren Selbstdarstellung und Fremdwahrnehmung ein wichtiges Element ihrer Wirkung war, in einzelne Bestandteile zu zerlegen, um reale Strukturen und Funktionen zu demonstrieren" (S. 13).

Die ersten drei Kapitel des Buches folgen dem klassischen Dreischritt von Vorgeschichte, Durchfuehrung und Resultat. Das erste Kapitel beginnt mit den voelkerrechtlichen Grundlagen und erlaeutert die institutionellen wie planerischen Vorgaben zu Errichtung der SMAD. Im zweiten Kapitel schliesst sich eine Schilderung der Besetzung Deutschlands durch die Rote Armee an. Dabei ist Foitzik vor Allgemeinplaetzen wie, "Das Verhaeltnis der ostdeutschen Bevoelkerung zu den sowjetischen Eroberern und Besatzern war vielschichtig, komplex und oft widerspruechlich" (S. 52), nicht gefeit. Denn sein Versuch, ein Bild der Zeit zu geben, geraet in Konflikt mit seiner Begeisterung fuer sein Material. Er kann sich einfach nicht von der Aktenlast trennen, die ihn immer wieder in das Dickicht von Zahlen, Quellenkritik und Ueberlieferungsluecken stuerzt. Aus Sicht des Lesers steht hier die detailversessene Darstellung Foitziks in Konkurrenz zu der fluessig geschriebenen Monographie Norman Naimarks ueber die SMAD [2]. Waehrend dieser sein Buch schlicht "Die Russen in Deutschland" nannte und viele der von Foitzik angesprochenen Probleme in einem elegant geschlagenen Bogen verschwinden laesst, laedt sich Foitzik in verschlungenen Saetzen eben diese Detailfragen alle auf.

So geraet auch das dritte Kapitel ueber die Organisationsstruktur der SMAD zu einem lexikonartigen Kompendium, dessen Materialfuelle den Leser erschlaegt. Leider nutzt Foitzik es zu wenig, dass auch andere Forschungsgebiete von der Oeffnung russischer Archive profitiert haben. Als Beispiel sei hier auf die Forschung zu den Internierungslagern des NKWD/MWD verwiesen. Zwar erwaehnt Foitzik die seit ihrem Erscheinen 1998 massgebliche Dokumentation einer deutsch-russischen Projektgruppe unter Leitung von Lutz Niethammer in einer Anmerkung (Anm. 347, S. 167), nutzt aber nicht die dadurch fuer jedermann schnell zugaenglichen Ergebnisse und Dokumente fuer seine Argumentation [3]. Die von ihm abermals vorgenommene Herleitung der sehr komplexen Internierungspolitik geraet zu einer fuer den Aussenstehenden kaum nachzuvollziehenden Indizienkette.

In den folgenden drei Kapiteln loest Foitzik das ein, was er sich in der Einleitung mit den Rueck- und Wechselwirkungen der "komplexen Grossorganisation" SMAD in deren dynamischer Umwelt vorgenommen hat (S. 14). Das vierte Kapitel "Fuehrungsstruktur und Kommunikation" unterteilt er in Abschnitte ueber die externe Fuehrungstruktur, d.h. das Wechselverhaeltnis zwischen politischer Zentrale in Moskau und SMAD, und ueber die interne Fuehrungsstruktur innerhalb des Apparates der SMAD. Das ist sehr spannend. Foitzik gelingt es, vor dem Hintergrund des Wirrwarrs institutioneller Neu- und Umbildungen sowie unter Beruecksichtigung Moskauer Fraktionskaempfe konkret handelnde Personen zu benennen: Auf der einen Seite die Mitglieder des Politbueros Berija und Malenkow sowie Suslow, den Leiter der ZK-Abteilung Aussenpolitik (S. 233); auf der anderen Seite das Aussenministerium, in dem die "amtsspezifischen Informationslinien" zusammenliefen (S. 247) und dessen Mitarbeiter Semjonow, dem politischen Berater der SMAD. Als dritten (externen) Kommunikationsstrang stellt Foitzik die eigenstaendigen, an der SMAD vorbeilaufenden Verbindungskanaele der KPD/SED nach Moskau heraus (S. 261). Foitzik vermeidet es, den Glaubenskrieg um die Bewertung der Rolle Semjonows und seines "Gegenspielers" Tjulpanow (Leiter der Informationsabteilung der SMAD) fortzusetzen, geht aber dennoch kritisch auf die Interpretation Naimarks ein [4]. Dieser lasse sich von der Aussenwirkung der Informationsabteilung auf die falsche Spur locken (S. 269) und verkenne, dass der geringe Einfluss der Informationsabteilung in deren eng gesteckten Kompetenzbereich innerhalb der SMAD zu suchen sei. Diese Art der Herleitung entspricht dem durchgaengigen Argumentationsstil Foitziks: Alle Zusammenhaenge muessen von innen heraus, d.h. aus einer genauen Kenntnis des buerokratischen Apparates und seiner Funktionsablaeufe, erschlossen werden.

Eine moeglichst genaue Rekonstruktion innerer (buerokratisch-militaerischer) Ablaeufe gibt Foizik in den folgenden beiden Abschnitten des vierten Kapitels, und setzt die Bestandsaufnahme - in weitgehend deskriptiver Form - im fuenften Kapitel ueber die "Wirkungsmechanismen" fort. Im sechsten Kapitel schliesslich wird die Aussenwirkung der SMAD, d.h. die Kooperation mit bzw. Anleitung von deutschen Verwaltungsinstanzen - der "Selbstverwaltung" - dargestellt. Ueberzeugend wird der "permanente Verfassungsnotstand" deutscher Verwaltungen herausgearbeitet. Foederale Strukturen wurden durch Anweisungen der SMAD "entkernt". Anfangs verlief dieser Prozess schleichend, wurde Ende 1946 jedoch beschleunigt und schliesslich ueber zentrale Weisungsbefugnisse der Zentralverwaltungen legalisiert (S. 355). In diesem Zusammenhang spielte die SED als Koordinierungsinstanz eine wesentliche Rolle, und der Ausbau der Deutschen Wirtschaftskommission wirkte als Motor dieser Entwicklung. Die kaum noch aufzuloesende Verquickung sowjetischer und deutscher Verwaltungsablaeufe bezeichnet Foitzik als "gemischtes System", das vor allem ueber die Klaerung von Einzelfragen zwischen SMAD-Offizieren und KPD/SED-Funktionaeren funktionierte. Diese Monopolstellung baute die SED zur Entfaltung einer eigenen Machtbasis aus (S. 400 f.). Behutsam lotet Foitzik in diesem Kapitel die Handlungsspielraeume der KPD/SED aus und leistet damit einen wesentlichen Beitrag zur Fruehgeschichte der DDR.

In seiner Zusammenfassung stellt Foitzik heraus, dass die SMAD lediglich Instrument der in Moskau formulierten Besatzungspolitik war (S. 423). Die KPD/SED dagegen konnte durch eigene Verbindungen nach Moskau und aufgrund der diffusen Struktur der SMAD ihren Einfluss geltend machen und war somit nicht bloss Objekt sowjetischer Besatzungspolitik (S. 425). Insgesamt aber habe die sowjetische Besatzungspolitik Schwerpunkte nicht erkennen lassen, wobei sich Foitzik nicht festlegen will, ob das an der mangelnden Durchsetzungskraft der SMAD lag, oder ob diese Schwerpunkte nie formuliert wurden; dennoch: "Die DDR entstand als Selbstlaeufer" (S. 429)

Foitziks Herangehensweise an die Geschichte der SMAD ueberzeugt dadurch, dass er fehlende Belege nicht durch Vermutungen ausgleicht. Gleichzeitig verdichtet er seine Analysen zu Erkenntnissen, die die Forschung zur SMAD sicherlich befruchten. Es ist nur schade, dass er sich von dem zwar bewaehrtem, aber doch wenig geschmeidigen Lexikonstil des SBZ-Handbuches nicht loest. Damit wird es dem Buch schwer gemacht, ueber einen Expertenkreis hinaus Verbreitung zu finden.

Anmerkungen

[1]. Jan Foitzik, "Sowjetische Militaeradministration (SMAD)," in: _SBZ-Handbuch Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Fuehrungskraefte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945 - 1949_, hg. v. Martin Broszat und Hermann Weber, Muenchen 1990, S. 9-69.

[2]. Norman M. Naimark, _Die Russen in Deutschland. Die sowjetische Besatzungszone 1945 bis 1949_, Berlin, 1997.

[3]. "Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950," hg. v. Sergej Mironenko, Lutz Niethammer und Alexander von Plato, in Verbindung mit Volkhard Knigge und Guenter Morsch, Bd. 1: Studien und Berichte, hg. v. Alexander v. Plato, Berlin 1998, Bd. 2: Sowjetische Dokumente zur Lagerpolitik, hg. v. Ralf Possekel, Berlin 1998.

[4]. Naimark, Russen in Deutschland, S. 403 ff.; siehe auch _Sowjetische Politik in der SBZ 1945-1949. Dokumente zur Taetigkeit der Propagandaverwaltung (Informationsverwaltung) der SMAD unter Sergej Tjul’panov_, bearbeitet von Bernd Bonwetsch, Gennadij Bordjugov, Ljudmilla Koscheleva, Larisa Rogavaja (Archiv fuer Sozialgeschichte. Beiheft 20), Bonn 1997; Wilfried Loth: _Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte_, Berlin 1994, S. 129 ff.

Document compiled by Dr S D Stein
Last update 11/02/00
Stuart.Stein@uwe.ac.uk
©S D Stein

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