c) Die Ausführung des Planes, in die Tschechoslowakei einzumarschieren:
April 1938 bis März 1939.
1. Gleichzeitig mit der Annektion von Österreich gaben die Nazi-Verschwörer der tschechoslowakischen Regierung die falsche Zusicherung, daß sie dieses Land nicht angreifen würden. Aber innerhalb eines Monats trafen sie zusammen, um spezielle Mittel und Wege zu planen, die Tschechoslowakei anzugreifen oder die früheren Pläne für den Angriff gegen die Tschechoslowakei im Lichte der Erwerbung von Österreich zu revidieren.
2. Am 21. April 1938 kamen die Nazi-Verschwörer zusammen und trafen die Vorbereitungen dafür, die Tschechoslowakei nicht später als am 1. Oktober 1938 anzugreifen. Sie planten insbesondere einen »Zwischenfall« zu konstruieren, der den Angriff rechtfertigen würde. Sie entschieden sich, einen militärischen Angriff erst nach einer Periode diplomatischer Streitereien einzuleiten, die, wenn sie sehr ernst würden, eine Ausrede für einen Krieg geben könnten, oder aber als zweiten Weg einen Blitzangriff als Folge eines »Zwischenfalls« eigener Schöpfung zu beginnen. Es wurde erwogen, den deutschen Gesandten in Prag zu ermorden, um so den erforderlichen Zwischenfall zu schaffen. Vom 21. April 1933 an arbeiteten die Nazi-Verschwörer, um vorbereitet zu sein, in Einzelheiten gehende, genaue militärische Pläne aus, die dazu bestimmt waren, einen solchen Angriff zu jedem gelegenen Zeitpunkt durchzuführen, und mit genauer Vorberechnung jeglichen tschechoslowakischen Widerstand innerhalb von vier Tagen zu überwinden, um so die Welt vor ein »fait accompli« zu stellen und einem Widerstand »von außen« vorzubeugen. Während der Monate Mai, Juni, Juli, August und September wurden diese Pläne noch mehr spezifiziert und in Einzelheiten ausgearbeitet und am 3. September 1938 wurde die Entscheidung getroffen, daß alle Truppen am 28. September 1938 angriffsbereit sein sollten.
3. Während derselben Zeit rührten die Nazi-Verschwörer die Minderheitenfrage in der Tschechoslowakei und besonders im Sudetenland auf, wodurch im August und September 1938 eine diplomatische Krise herbeigeführt wurde. Nachdem die Nazi-Verschwörer mit Krieg gedroht hatten, schlossen das Vereinigte Königreich und Frankreich mit Deutschland und Italien am 29. September 1938 in München einen Vertrag, der die Abtretung des Sudetenlandes durch die Tschechoslowakei an Deutschland zur Folge hatte. Die Tschechoslowakei wurde aufgefordert, sich zu fügen. Am 1. Oktober 1938 besetzten deutsche Truppen das Sudetenland.
4. Am 15. März 1939 brachten die Nazi-Verschwörer ihren Plan, im Gegensatz zu den Bestimmungen des Abkommens von München, zur vollen Durchführung, in dem sie sich des größeren Teiles der Tschechoslowakei, der durch den Vertrag von München nicht an Deutschland abgetreten war, bemächtigten und ihn besetzten.
4. Formulierung des Angriffsplanes gegen Polen: Vorbereitung und Entfesselung des Angriffskrieges: März 1939 bis September 1939.
a) Durch die erfolgreiche Durchführung dieser Angriffe hatten die Verschwörer viele angestrebte Hilfsquellen und Stützpunkte erworben und waren bereit, weitere kriegerische Angriffe zu unternehmen. Nachdem aller Welt Versicherungen friedlicher Absichten gemacht worden waren, versammelte sich eine einflußreiche Gruppe der Verschwörer am 23. Mai 1939, um über die weitere Ausführung ihres Planes zu beraten. Bei Überblickung der Lage wurde festgestellt, daß »die letzten 6 Jahre gut ausgenützt worden waren und daß alle Maßnahmen in richtiger Reihenfolge und im Einklang mit unseren Kriegszielen getroffen worden waren«; daß die national-politische Einheit der Deutschen im wesentlichen zustande gebracht worden sei und daß weitere Erfolge nicht ohne Krieg und Blutvergießen erreicht werden könnten. Nichtsdestoweniger wurde beschlossen, zunächst Polen bei der ersten passenden Gelegenheit anzugreifen. Es wurde zugegeben, daß die Fragen bezüglich Danzig, welche Polen gegenüber aufgerührt worden waren, nicht die wirklichen Fragen darstellten, sondern daß es vielmehr um die Frage aggressiver Expansion zur Gewinnung von Nahrung und »Lebensraum« gehe. Es wurde anerkannt, daß Polen einem Angriff bewaffneten Widerstand entgegen setzen würde und daß eine Wiederholung des Nazi-Erfolges gegen die Tschechoslowakei ohne Krieg nicht erwartet werden könnte. Demgemäß wurde festgestellt, daß das Problem darin bestand, Polen zu isolieren und, wenn möglich, einen gleichzeitigen Konflikt mit den Westmächten zu verhindern. Nichtsdestoweniger war man sich einig, daß England ein Feind dieser Bestrebungen sei und daß es schließlich zum Krieg mit England und dessen Verbündeten, Frankreich, kommen mußte und daß daher in diesem Krieg jeder Versuch unternommen werden mußte, England durch einen Blitzkrieg zu überwältigen. Darauf wurde beschlossen, sofort in allen Einzelheiten Pläne auszuarbeiten für den bei der ersten passenden Gelegenheit auszuführenden Angriff auf Polen, und sodann für den Angriff auf England und Frankreich, sowie Pläne für die gleichzeitige Besetzung von Luftstützpunkten in den Niederlanden und Belgien mit Waffengewalt.
b) Nachdem sie den deutsch-polnischen Vertrag von 1934 aus Scheingründen gekündigt hatten, gingen die Nazi-Verschwörer demgemäß daran, die Danziger Frage aufzurühren, »Grenzzwischenfälle« vorzubereiten, um den Angriff zu rechtfertigen, und Forderungen auf Abtretung polnischen Gebietes zu erheben. Als Polen sich weigerte nachzugeben, veranlaßten sie am 1. September 1939 den Einfall deutscher bewaffneter Truppen in Polen, wodurch sie auch den Krieg mit dem Vereinigten Königreich und Frankreich herbeiführten.