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Die Verbrechen gegen den Frieden.

Eine grundlegende Bestimmung des Statuts bezeichnet es als ein Verbrechen, einen Angriffskrieg oder einen Krieg unter Verletzung internationaler Verträge, Abkommen oder Zusicherungen zu planen, vorzubereiten, zu entfesseln oder zu führen, oder sich dazu zu verschwören, oder an einem gemeinsamen Plan teilzunehmen.

Es ist vielleicht eine Schwäche des Statuts, daß es selbst versäumt, den Begriff des Angriffskrieges festzulegen. Abstrakt genommen ist dieser Begriff voll von Schwierigkeiten, und eine verwirrende Fülle hypothetischer Fälle kann heraufbeschworen werden. Es ist ein Begriff, der, sollte es der Verteidigung gestattet werden, über die sehr eng umgrenzte Beschuldigung der Anklageschrift hinauszugehen, den Prozeß in die Länge ziehen und das Gericht in unlösbare politische Streitfragen verwickeln würde. Aber soweit die Frage in diesem Fall mit gutem Grunde aufgeworfen werden kann, ist sie nicht neu; über sie hat sich bereits eine feste rechtliche Ansicht herausgebildet.

Eine der maßgeblichen Quellen des Völkerrechts dafür ist die Übereinkunft über die Bestimmung des Begriffs Angriff, die am 3. Juli 1939 in London von Rumänien, Estland, Lettland, Polen, der Türkei, der Sowjetunion, Persien und Afghanistan unterzeichnet worden ist. Diese Frage ist auch von internationalen Ausschüssen und Rechtsgelehrten erwogen worden, deren Ansicht die größte Achtung verdient. Sie war vor dem ersten Weltkrieg wenig erörtert worden, ist aber, seitdem das Völkerrecht die Ächtung des Krieges entwickelt hat, viel beachtet worden.

Nach diesen völkerrechtlichen Erkenntnissen und soweit es für den Tatbestand in diesem Prozeß wesentlich ist, schlage ich vor, daß als »Angreifer« in der Regel der Staat angesehen werden soll, der als erster eine der folgenden Handlungen begeht:

erstens: Kriegserklärung an einen anderen Staat;

zweitens: Bewaffneten Einfall mit oder ohne Kriegserklärung in das Gebiet eines anderen Staates;

drittens: Angriff mit oder ohne Kriegserklärung zu Lande, zur See und in der Luft auf das Gebiet, die Schiffe oder die Flugzeuge eines anderen Staates;

viertens: Unterstützung bewaffneter Banden, die im Gebiet eines anderen Staates gebildet worden sind, oder Weigerung, trotz der Bitte des überfallenen Staates, im eigenen Gebiet alle zu Gebote stehenden Maßnahmen zu treffen, diesen Banden Beihilfe oder Schutz in jeder Form zu entziehen.

Und ich bemerke weiters, daß es die allgemeine Ansicht ist, keine politischen, militärischen, wirtschaftlichen oder anderen Erwägungen als Entschuldigung oder Rechtfertigung solcher Handlungen gelten zu lassen. Die Ausübung des Rechts der Notwehr- das heißt Widerstand gegen eine Angriffshandlung, oder Hilfeleistung an einen angegriffenen Staat-soll nicht als Angriffskrieg gewertet werden.

In einer solchen Auslegung des Gesetzes haben wir unser Material vorbereitet, um es Ihnen vorzulegen zum Beweis dafür, daß eine Verschwörung bestanden hat, einen Angriffskrieg auszulösen und zu führen. Bei dieser Überprüfung erwies sich jeder von den Nazi-Führern begonnene Krieg unzweideutig als Angriffskrieg.

Es ist für die Dauer und für die Reichweite dieses Prozesses wichtig, daß wir den Unterschied bedenken zwischen unserer Anklage, dieser Krieg sei ein Angriffskrieg gewesen, und einer Behauptung, Deutschland habe keinen Grund zur Klage gehabt. Wir untersuchen hier nicht die Umstände, die dazu beigetragen haben, diesen Krieg hervorzurufen. Sie aufzudecken ist Aufgabe der Geschichte. Wir haben hier nicht den Zustand Europas im Jahre 1933 oder zu irgendeiner anderen Zeit zu rechtfertigen. Die Vereinigten Staaten wollen nicht in irgend eine Erörterung über die verwickelten Ereignisse und Zusammenhänge der europäischen Politik vor dem Krieg eintreten und hoffen, daß der Prozeß nicht durch solche Betrachtungen hinausgezögert werde. Die fernliegenden Begründungen, die anerkannt sind, sind zu aufrichtig und zu widerspruchsvoll, zu kompliziert und doktrinär, als daß sie in diesem Prozeß mit Nutzen untersucht werden könnten. Ein bekanntes Beispiel ist das Schlagwort vom »Lebensraum«, das zu einem Begriff geworden ist, um die Ausdehnung zu rechtfertigen mit der Behauptung, Deutschland brauche mehr Raum zum Leben. Zur gleichen Zeit, da die Nazis mehr Raum forderten für das deutsche Volk, forderten sie auch mehr deutsches Volk, um diesen Raum zu füllen. Jedes bekannte Mittel zur Vermehrung der Geburten, ehelicher oder unehelicher, wurde benutzt. Der Ruf nach »Lebensraum« wurde so zum »Circulus vitiosus« von Forderungen: von den Nachbarn mehr Raum, von den Deutschen mehr Nachkommenschaft. Wir brauchen nicht die verschiedenen Lehren, die dazu führten, daß die Angriffe immer weitere Kreise zogen, auf ihre Wahrheit zu untersuchen. Der Plan selbst und die Angriffshandlung als solche sind, so sagt die Anklage, die Verbrechen.

Unsere Auffassung ist: Welche Beschwerden eine Nation auch immer haben mag, wie unbefriedigend sie auch immer den bestehenden Zustand findet, ein Angriffskrieg ist ein ungesetzliches Mittel, solche Beschwerden zu beheben oder solche Verhältnisse zu ändern. Es mag sein, daß Deutschland in den zwanziger und dreißiger Jahren vor verzweifelt schwierigen Aufgaben stand. Aufgaben, die die kühnsten Maßnahmen gerechtfertigt hätten, nur eben nicht den Krieg. Alle anderen Methoden- die Kunst der Überredung oder des öffentlichen Aufsehens, wirtschaftlicher Wettstreit oder diplomatische Geschicklichkeit- standen einem Lande frei, das sich bedrückt fühlte, aber der Angriffskrieg war geächtet. Die Angeklagten aber haben einen Angriffskrieg entfesselt, einen Krieg unter Bruch von Verträgen. Sie haben ihre Nachbarn angegriffen und sind in ihre Länder eingefallen, um eine auswärtige Politik zu verwirklichen, von der sie wußten, daß sie nicht ohne einen Krieg durchgesetzt werden konnte. Und soweit klagen wir sie an, darüber beantragen wir eine Untersuchung.