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Gewerkschaften.

Ich lenke nun Ihre Aufmerksamkeit zu einigen geschichtlichen Fällen bei der Verankerung der Kontrolle durch die Verschwörer.

Der erste geschichtliche Fall bei der Festigung der Kontrolle der Nazi-Verschwörer in Deutschland ist die Zerstörung der Freien Gewerkschaften und die Übernahme der Kontrolle über die produktiven Arbeitskräfte der deutschen Nation.

Die Lage der organisierten Arbeiterschaft in Deutschland zu dieser Zeit der Nazi-Machtergreifung, der Widerstand, den sie den Nazi-Plänen entgegensetzte, die Geschwindigkeit, mit der sie zerstört wurde, der Terror und die Mißhandlungen von Gewerkschaftsführern, die sich von Überfällen bis zu Mord erstreckten, all dies wurde in der Eröffnungsansprache des Hauptanklagevertreters für die Vereinigten Staaten ausführlich erwähnt und ist klar in den begleitenden Schriftstücken bewiesen, welche ich jetzt vorlegen will.

Das von den Nazi-Verschwörern erreichte Ergebnis ist am besten ausgedrückt in den Worten von Robert Ley. Das Vertrauen Leys in die tatkräftige Kontrolle der Nazis über die produktiven Arbeitskräfte Deutschlands in Frieden oder Krieg wurde schon 1936 auf dem Nürnberger Parteitag von ihm zum Ausdruck gebracht. Ich beziehe mich auf Dokument 2283-PS:

»Der Gedanke der ›Werkschar‹ macht in den Betrieben gute Forschritte, und ich kann Ihnen melden, mein Führer, daß die Sicherheit und der Frieden in den Betrieben nicht nur für normale Zeiten garantiert sind, sondern daß auch in schwersten Krisenzeiten Erschütterungen, wie die Munitionsstreiks der Landesverräter Ebert und Genossen, ausgeschlossen sind. Der Nationalsozialismus hat die Betriebe erobert. Die Werkschar ist der nationalsozialistische Stoßtrupp im Betrieb, dessen Wahlspruch lautet: Der Führer hat immer recht.«

Ich möchte jetzt dem Gerichtshof das Dokumentenbuch bezüglich der nächsten Phase des Falles vorlegen: »Die Zerstörung der Gewerkschaften und die Ergreifung der Kontrolle über produktive Arbeitskräfte in Deutschland«, zusammen mit dem diesbezüglichen Schriftsatz. Gleichzeitig möchte ich, mit Genehmigung des Gerichtshofs, das Dokumentenbuch unterbreiten über die Festigung der Kontrolle im Hinblick auf die Ausnutzung und Umformung des politischen Apparates. Gesetzmäßig ist dies auf einen Erlaß gegründet, auf den ich mich gerade vor der Behandlung der Zerstörung der Gewerkschaften bezog.

Ich lenke nun Ihre Aufmerksamkeit zum zweiten geschichtlichen Fall der Festigung der Kontrolle: Die Nazi-Verschwörer erkannten frühzeitig, daß der Einfluß der christlichen Kirchen in Deutschland ein Widerstandszentrum für ihre vollständige Beherrschung des deutschen Volkes und ihren Herrenrasse-Theorien bildeten: Der Angeklagte Martin Bormann erklärte in. einem geheimen Erlaß der Parteikanzlei, welcher von ihm gezeichnet war und an alle Gauleiter am 7. Juni 1941 zur Verteilung kam, D-75. Das Dokument befindet sich im Dokumentenbuch, das dem Gericht überreicht werden wird; es lautet dort wie folgt:

»Immer mehr muß das Volk den Kirchen und ihren Organen, den Pfarrern entwunden werden... Erst wenn dieses geschehen ist, hat die Staatsführung den vollen Einfluß auf die einzelnen Volksgenossen.«

Um den Einfluß der Kirchen auf das deutsche Volk zu untergraben, setzten die Nazi-Verschwörer ihre Versuche fort, diese Kirchen auszuschalten,

1. durch Verbreitung von Glaubenssätzen und Ge bräuchen, die unvereinbar mit christlichen Lehren sind,

2. durch die Verfolgung von Priestern, Geistlichen und Mitgliedern von Mönchsorden; wie die dargebotenen Dokumente zeigen werden, bedienten sich die Nazis bei dieser Verfolgung sämtlich der Beleidigungen und Herabsetzungen, körperlicher Angriffe, der Inhaftsetzung in Konzentrationslagern und des Mordes,

3. durch Beschlagnahme von Kircheneigentum,

4. durch Unterdrückung religiöser Verlautbarungen,

5. durch die Unterdrückung von religiösen Körperschaften. Darüber hinaus unterdrückten sie die religiöse Erziehung. Dies wird gekennzeichnet durch die geheime Verordnung der Parteikanzlei, auf die ich mich gerade bezog und in der der Angeklagte Bormann feststellte:

»Kein Mensch würde etwas vom Christentum wissen, wenn es ihm nicht in seiner Kindheit von den Pfarrern eingetrichtert worden wäre. Der sogenannte liebe Gott gibt das Wissen von seinem Dasein den jungen Menschen keineswegs von vornherein mit auf den Weg, sondern er überläßt dies trotz seiner Allmacht erstaunlicherweise den Bemühungen der Pfarrer. Wenn also unsere Jugend künftig einmal von diesem Christentum, dessen Lehren weit unter den unseren stehen, nichts mehr erfährt, wird das Christentum von selbst ver schwinden.«

Zusätzliches Beweismaterial der Taten der Verschwörer in ihren Versuchen, den Einfluß der christlichen Kirchen zu untergraben, wird im weiteren Verlaufe der Verhandlungen vorgelegt werden. Ich biete jetzt als Beweismaterial das Dokumentenbuch in bezug auf diese Phase der Anklage zusammen mit meinem Schriftsatz an.

Wir kommen jetzt zu dem, was wir den dritten geschichtlichen Fall bezeichnen können, nämlich zu der Verfolgung der Juden. Die Nazi-Verschwörer übernahmen ein Programm ruchloser Judenverfolgung und veröffentlichten es.

Gegenwärtig ist es nicht unsere Absicht, dem Gerichtshof eine volle und ausführliche Beschreibung zu geben, mit all seinen Übelkeit erregenden Einzelheiten der Pläne und der Taten der Nazi-Verschwörer, die sie zwecks Ausschaltung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in Europa begingen. Dies wird rechtzeitig im Laufe dieses Prozesses getan werden. Doch ist es jetzt unsere Absicht, Ihnen als ein Element des Nazi-Plans zur Festigung ihrer Kontrolle über Deutschland die Aktionen zu zeigen, die gegen die Juden im Deutschland der Vorkriegszeit geplant und ausgeführt wurden.

Als Mittel zur Vertiefung ihrer Politik der Herrenrasse und um etwaige abtrünnige Elemente hinter das Nazi-Banner zu scharen, übernahmen und gaben die Verschwörer ein Programm unbarmherziger Judenverfolgungen bekannt. Dieses Programm war in den amtlichen, unabänderlichen 25 Punkten der Nazi-Partei enthalten, von denen 6 der Lehre von der Herrenrasse gewidmet waren. Die Angeklagten Göring, Heß, Rosenberg, Frank, Frick, Streicher, Funk, Schirach, Bormann und andere Angeklagte nahmen hervorragenden Anteil an der Bekanntgabe dieses Programms. Mit der Machtergreifung der Nazis wurde das Parteiprogramm zum offiziellen Staatsprogramm. Die erste organisierte Aktion war der Boykott von jüdischen Geschäften am 1. April 1933. Der Angeklagte Streicher, in einer unterschriebenen Erklärung, gibt zu, daß er für dieses Programm, jedoch nur für einen Tag, verantwortlich war. Selbstverständlich behalten wir uns vor, zusätzliches Beweismaterial mit Bezug auf diese Tatsache zu bringen. Die Nazi-Verschwörer begannen dann ein gesetzliches Programm, das sich allmählich entwickelte, und welches die Zeit vom 7. April 1933 bis September 1935 umfaßt. Während dieses Zeitabschnittes wurden eine Reihe von Gesetzen erlassen, welche die Juden von Staatsbeamtenstellen, von den freien Berufen, von den Schulen und vom Militärdienst entfernten. Es war jedoch klar, daß die Nazi- Verschwörer ein weitaus ehrgeizigeres Programm zur jüdischen Frage hatten und seine Durchführung nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit verschoben. Nach dem üblichen Propagandafeldzug, in dem die Reden und Schriften des Angeklagten Streicher hervorragten, eröffneten die Nazi-Verschwörer den zweiten Abschnitt der antijüdischen Gesetzgebung in der Zeit vom 15. September 1935 bis September 1938. In diesem Zeitabschnitt wurden die berüchtigten Nürnberger Gesetze erlassen, die die Juden ihres Bürgerrechtes beraubten, ihnen die Heirat mit »Ariern« verboten und sie von weiteren Berufsarten ausschlossen. Im Herbst 1938 begannen die Nazi-Verschwörer ein Programm vollständiger Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Leben in die Tat umzusetzen. Die getroffenen Maßnahmen wurden teilweise mit der Vergeltung an dem Weltjudentum begründet, im Zusammenhang mit der Tötung eines deutschen Gesandtschaftssekretärs in Paris. Im Gegensatz zur Boykottaktion im April 1933, wo man bedacht war, Gewaltausschreitungen zu vermeiden, wurde ein angeblich spontaner Pogrom in die Wege geleitet und ausgeführt, der sich über ganz Deutschland erstreckte. Die gesetzlichen Maßnahmen, die darauf folgten, wurden beraten und in ihrer endgültigen Form in einer Sitzung vom 12. November 1938 angenommen, in der der Angeklagte Göring den Vorsitz führte, und an der die Angeklagten Frick und Funk und andere teilnahmen. Diese Sitzung war einberufen worden, um Hitlers Forderung stattzugeben, 1816-PS, »wonach die Judenfrage jetzt einheitlich zusammengefaßt werden soll und so oder so zur Erledigung zu bringen ist«. Die Teilnehmer stimmten den Maßnahmen zu, welche die Juden aus der deutschen Wirtschaft ausschalten sollten. Die in dieser Periode erlassenen Gesetze waren meistens vom Angeklagten Göring in seiner Funktion als Beauftragter für den Vierjahresplan unterzeichnet und standen daher in engstem Zusammenhang mit der Verankerung der Kontrolle über die deutsche Wirtschaft und der Vorbereitung für den Angriffskrieg. Diese Gesetze zwangen alle deutschen Juden zu einer Kollektivbuße von einer Milliarde Reichsmark, beseitigten sie ferner aus Beruf und Handwerk, beschränkten ihre Bewegungsfreiheit örtlich wie zeitlich, beschränkten die Fristen für den Verkauf oder Auflösung jüdischer Unternehmungen; zwangen die Juden, ihnen gehörende Anteile und Aktien auszuliefern; verboten Verkauf oder Kauf von Gold und Edelsteinen durch Juden, erlaubten Hausbesitzern jüdischen Mietern vor dem Erlöschen des Mietvertrags die Kündigung auszusprechen und zwangen alle Juden, die über 6 Jahre alt waren, zum Tragen des Davidsterns.

In der abschließenden Zeitspanne des antijüdischen Kreuzzuges der Nazi-Verschwörer wurden nur mehr sehr wenige gesetzgebende Maßnahmen erlassen. Die Juden waren der SS, der Gestapo und den verschiedenen Ausrottungsgruppen überlassen. Das letzte Gesetz, das sich mit den Juden in Deutschland befaßte, stellte sich gänzlich außerhalb des Rechts und befahl die Beschlagnahme des Eigentums verstorbener Juden durch den Staat. Dieses Gesetz war nur ein schwacher Abglanz der tatsächlichen Lage, die bereits verwirklicht war. Dr. Stuckart, der Assistent des Angeklagten Frick, stellte zu jener Zeit fest:

»Das Ziel der Rassengesetzgebung kann als bereits erreicht und die Rassengesetzgebung im wesentlichen als abgeschlossen angesehen werden. Sie hat, wie oben bereits hervorgehoben, zu einer vorläufigen Lösung der Judenfrage geführt und gleichzeitig die endgültige Lösung wesentlich vorbereitet. Viele Bestimmungen werden in dem gleichen Maße, in dem sich Deutschland der Erreichung des endgültigen Ziels in der Judenfrage nähert, an praktischer Bedeutung verlieren.«

In seiner Reichstagsrede vom 30. Januar 1939 machte Hitler die folgende Prophezeiung: »Das Resultat des Krieges wird die Ausrottung der jüdischen Rasse in Europa sein.«

Ich werde für diesen Fall anderen die Aufgabe überlassen, dem Gerichtshof die Beweise dafür vorzulegen, inwieweit diese Prophezeiung erfüllt worden ist.

Ich möchte jetzt dem Gerichtshof das Dokumentenbuch unterbreiten, das sich auf diese Gesetze zur Verfolgung der Juden bezieht, und zugleich auch den diesbezüglichen Schrittsatz.

VORSITZENDER: Der Gerichtshof wird sich jetzt bis morgen, 10.00 Uhr vertagen.