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Dokumentenbücher

US-A Gemeinsame Ziele, Methoden und Doktrinen der Verschwörung.

US-B Die Erlangung der totalitären Kontrolle über Deutschland.

Politisch: Die erste Phase; Erlangung der Kontrolle.

US-C Festigung der Kontrolle, Nutzbarmachung und Überwachung des politischen Apparates.

US-F Säuberung von politischen Gegnern; Schreckensherrschaft.

US-G Zerschlagung von Gewerkschaften und Erlangung der Kontrolle über die Produktions- und Arbeitsfähigkeit Deutschlands.

US-H Unterdrückung der christlichen Kirchen in Deutschland.

US-I Aufnahme und Veröffentlichung des Judenverfolgungsprogramms.

Hoher Gerichtshof! Justice Jackson machte mich darauf aufmerksam, daß wir etwas übersehen haben, als wir diese Beweisstücke im Namen der Vereinigten Staaten gestern vorlegten; natürlich geschieht diese Vorlage im Namen und im Interesse aller Nationen, die an diesem Fall mitarbeiten.

VORSITZENDER: Das ist selbstverständlich.

MAJOR WALLIS: Hoher Gerichtshof! Als wir gestern nachmittag die Verhandlung vertagten, war ich dabei, die verschiedenen Methoden zu beschreiben, mit denen diese Verschwörer totalitäre Kontrolle über Deutschland erlangten. Heute morgen möchte ich dieses Thema fortsetzen und werde zunächst die Umschaltung der Schulen und Erziehung der Jugend erörtern. Der Anregung des Gerichtshofs folgend lege ich ein Dokumentenbuch als US-D vor und möchte den Gerichtshof darauf aufmerksam machen, daß dieses Buch Uebersetzungen der Dokumente enthält, auf die wir diesen Teil unseres Falles stützen. Diese Dokumente enthalten deutsche Schriftstücke, deutsche Reden der Angeklagten und anderer Nazi-Führer, die unserer Auffassung nach unbedingt vom Gerichtshof amtlich zur Kenntnis genommen werden müssen. Im Schriftsatz, den wir zur Unterstützung des Gerichtshofs im Zusammenhang mit diesem Thema überreichen, sind jene Teile der Urkunden, auf die wir die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs lenken wollen, entweder genau zitiert oder es ist eine bestimmte Seitenzahl der Urkunden angegeben.

Während der ganzen Vorkriegszeit wurde nun die Nation psychologisch auf den Krieg vorbereitet. Einer der wichtigsten Schritte war die Umgestaltung des Erziehungssystems, welches die Jugend ihrem Willen gefügig machen sollte. Hitler gab diese Absicht im November 1933 öffentlich bekannt, und ich zitiere aus Dokument 2455-PS; er sagte:

»Wenn der Gegner erklärt, ich gehe doch nicht zu Euch, und Ihr könnt mich auch nicht dazu bekommen, so sage ich ganz ruhig: ›Dein Kind gehört uns bereits heute. Ein Volk lebt ewig. Was bist Du? Du vergehst, aber Deine Nachkommen stehen schon im neuen Lager. Sie werden in kurzer Zeit garnichts anderes mehr kennen, als diese neue Gemeinschaft.‹«

Weiter sagte Hitler im Mai 1937, und ich zitiere hier aus Dokument 2454-PS: »Und dieses neue Reich wird seine Jugend niemandem geben, sondern sie selbst in seine Erziehung und in seine Bildung nehmen.«

Die ersten Schritte, die deutschen Schulen zu Werkzeugen für das Erziehungssystem der Nazis zu machen, waren zwei Erlasse vom Mai 1934, mit denen das Reichsministerium für Erziehung und Volksbildung gegründet, die Kontrolle über die Erziehung den örtlichen Behörden entzogen und absolute Vollmacht über alle Fragen der Erziehung dem Reich übertragen wurde. Diese Erlasse sind in den Dokumenten 2078-PS, 2088-PS, 2392-PS festgehalten. Späterhin wurden die Lehrplane und die Organisation der deutschen Schulen und Universitäten durch eine Reihe von Erlassen abgeändert, um aus diesen Schulen wirksame Instrumente für die Erziehung in der Nazi-Ideologie zu machen.

Das Berufsbeamtengesetz vom Jahre 1933, das gestern als Beweisdokument vorgelegt wurde, ermöglichte es den Nazi-Verschwörern, alle deutschen Lehrer neuerlich einer gründlichen Prüfung zu unterziehen und alle »schädlichen und unwürdigen Elemente« – schädlich und unwürdig im Nazi-Sinne – zu entlassen. Viele Lehrer und Professoren, hauptsächlich Juden, wurden entfernt und durch Lehrer ersetzt, die vom nationalsozialistischen Geiste durchdrungen waren. Alle Lehrer mußten in den NS-Lehrerbund eintreten, einen Verband, dem es oblag, alle Lehrer in den Theorien und Doktrinen der NSDAP zu unterweisen. Dies ist in Dokument 2452-PS festgehalten. Das Führerprinzip wurde in Schulen und Universitäten eingeführt. Ich beziehe mich hier auf Dokument 2393-PS.

Außerdem ergänzten die Nazi-Verschwörer das Schulsystem durch die Ausbildung in der Hitlerjugend. Das Hitlerjugend-Gesetz, das in Dokument 1392-PS dargestellt ist, bestimmt:

»Die gesamte deutsche Jugend ist außer in Elternhaus und Schule in der Hitlerjugend körperlich, geistig und sittlich im Geist des Nationalsozialismus zum Dienst am Volk und zur Volksgemeinschaft zu erziehen.«

Im Jahre 1925 wurde die Hitlerjugend durch die Nazi-Partei offiziell anerkannt und wurde Jugendabteilung der SA. Im Jahre 1931 wurde der Angeklagte Schirach Reichsjugendführer der NSDAP mit dem Range eines SA-Gruppenführers. Ich beziehe mich hier auf Dokument 1458-PS. Im Juni 1933 wurde der Angeklagte Schirach zum Reichsjugendführer ernannt, und ich beziehe mich hier auf das gleiche Dokument 1458-PS. Auf Anordnung des Angeklagten von Schirach lösten die Nazi-Verschwörer im selben Monat alle anderen Jugendorganisationen auf oder übernahmen sie, und zwar unter Anwendung von Gewalt.

Der Angeklagte Schirach löste mit Erlaß vom 22. Juni 1933 den Reichsausschuß der Deutschen Jugendverbände auf und übernahm dessen Eigentum. Ich beziehe mich hier auf Dokument 2229-PS.

Mit ähnlichen Erlassen, die alle im Dokumentenbuch zu finden sind, wurden alle Jugendorganisationen in Deutschland aufgelöst. Danach führten die Nazi-Verschwörer die Zwangsmitgliedschaft in der Hitlerjugend ein. Ich beziehe mich hier auf Dokument 1392-PS.

Die Hitlerjugend war vom Beginn an eine Formation der Nazi-Partei. Auf Grund des Jugendgesetzes vom Jahre 1936, das die Zwangsmitgliedschaft in der Hitlerjugend einführte, wurde sie ein Organ der Reichsregierung unter Beibehaltung ihrer Stellung als Formation der Nazi-Partei. Dies ist im Dokument 1392-PS festgehalten. Im Jahre 1940 belief sich die Mitgliederzahl der Hitlerjugend auf über sieben Millionen (Dokument 2435-PS). Mit Hilfe der Hitlerjugend erfüllten die Nazi-Verschwörer die Jugend mit dem Geist ihrer Weltanschauung. Die Idee der Herrenrasse und der Antisemitismus, einschließlich tätlicher Angriffe auf Juden, wurden in dem Erziehungsprogramm systematisch gelehrt (Dokument 2436-PS). Die Hitlerjugend brachte den jungen Menschen bei, daß Krieg eine edle Beschäftigung sei (Dokument 1458-PS). Eine der wichtigsten Funktionen der Hitlerjugend war die Vorbereitung der Jugend für die Mitgliedschaft in der Partei und ihren Gliederungen. Die Hitlerjugend war die Stelle, der die gründliche vormilitärische und militärische Ausbildung der Jugend oblag (Dokument 1850-PS). Neben der allgemeinen militärischen Ausbildung gab es auch eine besondere Ausbildung in Sonderformationen, darunter Fliegerformationen, Marineformationen, Kraftfahrformationen, Nachrichtentruppen und anderen.

Sämtliche Einzelheiten mit den angeschlossenen Dokumenten beweisen die von den Nazi-Verschwörern angewandten Methoden zur Abänderung des Erziehungssystems, an dessen Stelle die Hitlerjugend trat, um die deutsche Jugend dem Nazi-Willen gefügig zu machen und sie auf den Krieg vorzubereiten. Sie sind in dem vorgelegten Dokumentenbuch und dem beigefügten Schriftsatz dargestellt.

Und jetzt möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf die Waffe der Propaganda richten, die Während dieser Zeit angewendet wurde, und zu diesem Zwecke unterbreite ich das Beweisstück E der Vereinigten Staaten zusammen mit einem Schrittsatz. Dieses Dokument und die Schriftsätze...

VORSITZENDER: Sind Abschriften dieser Dokumente den Verteidigern überreicht worden?

OBERST STOREY: Soviel ich weiß, sind sie an das Informationsbüro der Verteidiger gesandt worden. Ich kann jedoch sagen, daß wir von morgen an die Dokumente für alle Beteiligten im voraus haben werden, sowohl für den Gerichtshof als auch für die Verteidiger.

VORSITZENDER: Sehr gut.

MAJOR WALLIS: Dieses Dokumentenbuch und der dazugehörige Schriftsatz trägt den Titel »Propaganda, Zensur und Überwachung der Kulturtätigkeit«.

Während dieser Zeit war die Propaganda eine der stärksten Waffen der Verschwörer. Von Anfang an waren sie sich dessen bewußt, daß es ihre dringendste Aufgabe sei, den deutschen Massen die nationalsozialistischen Prinzipien und Ideen einzutrichtern.

Die ersten Äußerungen Hitlers und seiner Mitverschwörer beweisen, daß sie klar erkannten, ihre Machtstellung könne nur aufrechterhalten werden, wenn ihre politischen und sozialen Ansichten allgemein anerkannt würden.

Sofort nach der Machtübernahme begannen die Nazi-Verschwörer ein energisches Programm für eine großangelegte Organisation, indem sie die Kontrolle über die Ausdrucksmittel der öffentlichen Meinung an sich rissen. Die ausgedehnte Anwendung von Propaganda durch diesen so geschaffenen mächtigen Apparat war auch die Schlüsselstellung für die Kontrolle über alle Zweige der deutschen, öffentlichen und privaten Wirtschaft. Sie erklärten, der Hauptzweck der Propaganda sei die psychologische Vorbereitung des Volkes für politische Aktionen und militärische Angriffe, eine Garantie für eine allgemeine Zustimmung zu einem System, das als Grundlage ein dauerndes und ununterbrochenes Verfahren des Terrors zur Anwendung brachte, sowohl auf dem Gebiet der Innenpolitik als auch hinsichtlich der Auslandsbeziehungen.

Um dies zu erreichen, wurde eine Propaganda geschaffen, die gewisse Gedankenschemen erzeugen sollte, damit das Volk den Zielen und dem Programm der Nazis gefügig gemacht und größtmögliche aktive Teilnahme daran bewirkt werden sollte. Das Wesen dieser Propaganda wird im Rahmen dieses Verfahrens untersucht werden. Wie Goebbels es ausdrückte, war ihr Zweck »die Eroberung der Massen«. Die Absicht war, jeden ernsten Widerstand der Massen auszuschalten. Um dies zu erreichen, waren, wie spätere Beweise zeigen werden, die Nazi-Verschwörer völlig skrupellos in der Wahl ihrer Mittel. Sie kümmerten sich überhaupt nicht um Wahrhaftigkeit und legten ihre Ziele nur so weit dar, als es ihnen politisch zweckmäßig erschien und ihrem nationalen Interesse diente.

Da die Propaganda nur Mittel zum Zweck der »Eroberung der Massen« war, mußte zu verschiedenen Zeiten eine verschiedenartige Strategie angewendet werden, je nach den Zwecken, auf die es den Nazi- Verschwörern gerade ankam. Wie Hitler sagte, ist »die erste Aufgabe der Propaganda, das Volk für die zukünftige Organisation zu gewinnen«.

Die Werbung von Mitgliedern der Partei und von ihr kontrollierter Gliederungen wurden Hauptzweck in den Jahren vor und unmittelbar nach der Machtergreifung. Nach der Machtübernahme wurde diese Aufgabe ausgedehnt, um das ganze Volk zur aktiven Unterstützung der Regierung und ihrer Politik zu mobilisieren. Wie der Reichspropagandaleiter der Partei und Reichspropagandaminister Goebbels sagte:

»Propaganda ist die stärkste Waffe bei der Eroberung des Staates und bleibt die stärkste Waffe bei der Konsolidierung und dem Aufbau des Staates.«

Die Methoden, die angewandt wurden, um diese stärkste Waffe der Staatsmacht zu kontrollieren, sind in einer Tabelle dargestellt, auf die ich die Aufmerksamkeit des Gerichtshofs hinlenken und als Beweisstück US-21 vorlegen möchte.

Wie Sie aus dieser Tabelle ersehen, gab es drei besondere Kontrollstufen innerhalb des Deutschen Reiches.

Die erste Stufe war die Parteikontrolle, die im obersten Rechteck der Tabelle zu ersehen ist, wonach die Partei durch ihre Prüfungskommission Bücher und Zeitschriften kontrollierte und Bücher und Zeitschriften herausgab, welche die Ideologie der Partei enthielten. Der Reichsleiter für die Presse, im zweiten Rechteck der Tabelle, überwachte alle Verleger und stand an der Spitze aller Parteizeitungen und Buchverleger.

Das dritte Rechteck weist auf den Reichs-Pressechef hin; dieses Amt kontrollierte die gesamte politisch-publizistische Arbeit der Presse, das Personalbüro der Parteipresse und überwachte die Parteiangelegenheiten in der Presse.

Im mittleren Rechteck ist das Amt des Reichspropagandaleiters dargestellt, das nicht nur die Presse unter sich hatte, sondern Ausstellungen, Vorträge, Filme, Rundfunk und Kultur, sowie alle Ausdrucksmittel der öffentlichen Meinung, durch die man die Ideologie und die Ziele der Partei verbreiten konnte.

Das nächste Rechteck bezieht sich auf den Beauftragten für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung mit dem Angeklagten Rosenberg an der Spitze. Er lieferte alles Erziehungsmaterial, bereitete die Stundenpläne für die Schulen vor und die Belehrung des Volkes in der Nazi-Ideologie. Auf der gleichen Stufe steht das Amt für Jugenderziehung unter dem Angeklagten von Schirach, der die Hitlerjugend unter seiner Kontrolle hatte, und schließlich die Universitäts-, Studenten- und Lehrerabteilung unter der Parteikontrolle.

Auf der nächsten Stufe sind die vom Staat ausgeübten Kontrollen: Von links nach rechts haben wir die Propaganda-Gleichschaltung, die Gleichschaltung der auswärtigen Angelegenheiten, die Radiozusammenarbeit unter der Kontrolle des Angeklagten Fritzsche. Film, Literatur, die deutsche Presse, Zeitschriften, Theater, Kunst und andere Kulturangelegenheiten sowie das Unterrichtsministerium.

Auf der letzten Stufe haben wir die Verbandskontrollen, die unter der halboffiziellen Kontrolle der Partei und des Staates standen. Dies sind die sogenannten Kulturkammern. Ihr Zweck war, eine vollständige Kontrolle über die Mitglieder auszuüben, die sich mit den verschiedenen Künsten und Kulturtätigkeiten, sowie mit der Vorbereitung und Verbreitung von Nachrichten befaßten. Das erste war die Presse, der sämtliche Journalisten und Schriftsteller angehörten; die nächste Abteilung umfaßte die bildenden Künste, Musik, Theater, Film, Literatur und Rundfunk.

Weiter nach rechts in der Erziehungsabteilung steht die Organisation der Universitätsprofessoren und der Studenten; der Alte Herren-Bund gehörte ebenfalls dazu.

Mittels dieser großen Propagandamaschinerie hatten die Nazi-Verschwörer absolute Kontrolle über Ausdruck und Verbreitung sämtlicher Gedanken, über Kulturtätigkeiten und Verbreitung von Nachrichten im Reiche. Nichts wurde oder konnte in Deutschland veröffentlicht werden, das nicht die Zustimmung – ausdrücklich oder stillschweigend – der Partei oder des Staates hatte. In seinen persönlichen Aufzeichnungen hat der Angeklagte Schacht die Wirkung, die die Unterdrückung einer Neuigkeit innerhalb einer totalitären Diktatur hatte, erklärt. Wie er sagte, ist es nie öffentlich bekannt geworden, daß es unter dem Hitler-Regime Tausende von Märtyrern gab. Alle verschwanden in Zellen oder Gräbern der Konzentrationslager, und man hörte nie wieder von ihnen. Er sagt weiter:

»Was nützt Märtyrertum im Kampf gegen Terror, wenn es nicht bekannt werden, und wenn es auf diese Weise nicht als Beispiel für andere dienen kann?«

VORSITZENDER: Bevor Sie von diesem Thema abgehen –, auf den Dokumenten ist eine Notiz, aus der hervorgeht, daß bestimmte Dokumente fehlen. Was heißt das? 1708, 2030?

MAJOR WALLIS: Diese Dokumente werden vervielfältigt und werden dem Gerichtshof, wie ich hoffe, vor Ende des Tages unterbreitet werden. Sie müssen diesem Buch hinzugefügt werden, sie sind aber bis jetzt in der Vervielfältigungsabteilung noch nicht fertig geworden.

VORSITZENDER: Danke, sind sie schon übersetzt?

MAJOR WALLIS: Ja, sie sind schon übersetzt, und die Übersetzungen werden eben vervielfältigt.

VORSITZENDER: Sind diese Dokumente im Original in deutscher Sprache?

MAJOR WALLIS: Ja, ich glaube.

VORSITZENDER: Sehr gut.

MAJOR WALLIS: Ich möchte jetzt den Gerichtshof auf die Militarisierung der von den Nazis beherrschten Organisationen in der Vorkriegszeit aufmerksam machen. Zu diesem Zweck lege ich US-J vor, welches aus einem Dokumentenbuch mit englischen Übersetzungen besteht. Weiter lege ich dem Gerichtshof zu diesem Teil des Falles einen Schriftsatz vor.

Während der ganzen Vorkriegszeit und während die Nazi-Verschwörer totalitäre Kontrolle über Deutschland gewannen und fest begründeten, verloren sie ihr Hauptziel nie aus den Augen, nämlich den Angriffskrieg. Zu diesem Zweck stellten sie eine große Anzahl der von ihnen beherrschten Organisationen auf eine immer fortschreitende militärische Basis, um die Organisationen so schnell wie möglich – wenn notwendig – für Kriegszwecke umzuschalten. Diese Organisationen waren die SS, die SA, die Hitlerjugend, das NSKK (Nationalsozialistisches Kraftfahr- Korps), das NSFK (Nationalsozialistisches Flieger- Korps), der RAD (Reichsarbeitsdienst) und die OT (Organisation Todt).

Wie diese Militarisierung durchgeführt wurde, ist in ihren Einzelheiten, teilweise in den dem Gerichtshof vorgelegten Dokumenten, dargestellt und wird weiterhin noch ausführlicher beschrieben werden, wenn die einzelnen Organisationen besprochen und ihr verbrecherischer Charakter in einem späteren Stadium des Prozesses bewiesen werden wird.

Jetzt möchte ich den Gerichtshof auf eine weitere Tabelle aufmerksam machen; und während sie an die Wand gehängt wird, möchte ich US-22, 2833-PS vorlegen; es ist eine Nachbildung der Seite 15 der Schrift: »Das Gesicht der Partei«.

In der linken unteren Ecke der Tabelle, die aufgehängt worden ist, werden Sie einige Papiere angeheftet sehen. das oberste ist eine eidesstattliche Erklärung folgenden Inhalts:

»Ich bestätige, daß die obige Vergrößerung eine genaue und richtige, unter meiner Aufsicht ausgeführte Kopie des Dokuments 2833-PS, Seite 15 der Schrift ›Das Gesicht der Partei‹ ist.«

Und Sie werden sehen, daß sich darunter ein zweiter Zettel befindet. Diese eidesstattliche Erklärung, die in der Unken unteren Ecke erscheint, besagt, daß es sich um eine genaue Photokopie handelt. Diese eidesstattliche Erklärung ist von David Zablodowsky abgegeben, beschworen und unterschrieben am 23. November 1945 in Nürnberg, Deutschland, vor James H. Johnson, Oberleutnant im Büro des Hauptanklägers für die Vereinigten Staaten.

Diese Tabelle versinnbildlicht so deutlich wie möglich, in welcher Weise die Militarisierung in Deutschland vor sich ging. Sie trägt den Titel:

»Die organische Eingliederung der deutschen Bevölkerung in das Nationalsozialistische System und der Weg zu politischer Führerschaft.«

Vom unteren Ende der Tabelle ausgehend, sehen sie das Jungvolk im Alter von 10-14 Jahren. Die Pfeile weisen nach beiden Seiten links und rechts. Der Pfeil an der rechten Seite weist zur Adolf-Hitler-Schule für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren. Sowohl von dieser Schule als auch vom Jungvolk führt der Weg in die Hitlerjugend. Mit 18 Jahren gehen sie dann von der Hitlerjugend in die verschiedenen Parteiorganisationen über, die SA, SS, das NSKK und das NSFK. Mit 20 Jahren kommen sie von diesen Parteiformationen in den Arbeitsdienst und, nachdem sie ihre Zeit im Arbeitsdienst abgedient haben, wieder zurück in die Parteiformationen SA, SS, NSKK, NSFK, bis sie das Alter von 21 Jahren erreichen. Dann gehen sie in den Militärdienst, dienen in der Wehrmacht von ihrem 21. bis 23. Lebensjahr und gehen dann abermals in ihre Parteiformationen, SA, SS und andere zurück.

Dann steigen die Auserwählten dieser Gruppen zu politischen Leitern der Nazi-Partei auf; aus dieser Gruppe wird die Elite auserwählt, die später die besonderen Schulen der Nazi-Partei besucht. Aus diesen Schulen gehen schließlich, wie an der Spitze der Karte dargestellt, die politischen Führer des Volkes hervor.

Ich möchte dem Hohen Gerichtshof gegenüber nochmals betonen, daß diese Tabelle nicht für den Gerichtshof vom Anklagevertreter besonders vorbereitet wurde. Sie wurde von der Nazi-Partei entworfen und rührt aus ihrer eigenen Vergangenheit her. So hatten die Nazi-Verschwörer am Ende der Vorkriegszeit einen der größeren Schritte in ihrer gewaltigen Verschwörung vollendet. Alle Phasen des deutschen Lebens wurden von den Nazi-Grundsätzen und Gebräuchen beherrscht und waren auf die Erreichung ihrer Kriegsziele abgestellt. Bis zu welchem Grade dies erreicht war, kann nicht besser ausgedrückt werden, als mit Hitlers eigenen Worten, die er in seiner Reichstagsrede vom 20. Februar 1938 gebrauchte. Ich beziehe mich auf Dokument 2715-PS. Er sagte:

»Auf allen Gebieten unseres nationalen Daseins ist es erst jetzt gelungen, jene wahrhaft großen Aufgaben zu stellen und vor allem aber auch jene materiellen Mittel zu sichern, die für die Verwirklichung großer schöpferischer Pläne die Voraussetzung sind. So hat der Nationalsozialismus in wenigen Jahren nachgeholt und wieder gutgemacht, was zahlreiche Generationen vor ihm gesündigt hatten... Im Nationalsozialismus hat das deutsche Volk jene Führung erhalten, die als Partei die Nation nicht nur mobilisiert, sondern vor allem organisiert hat, und zwar so organisiert, daß auf Grund des natürlichsten Prinzips der Auslese die Fortdauer einer sicheren politischen Führung für immer gewährleistet erscheint.... Der Nationalsozialismus... besitzt ganz Deutschland seit dem Tag, an dem ich als Reichskanzler vor fünf Jahren das Haus am Wilhelmsplatz verließ, und zwar restlos und ausschließlich. Es gibt keine Institution in diesem Staat, die nicht nationalsozialistisch ist. Vor allem aber hat die nationalsozialistische Partei in diesen fünf Jahren nicht nur die Nation nationalsozialistisch gemacht, sondern sich auch selbst jene vollendete Organisation gegeben, die für alle Zukunft die Selbst- und Forterhaltung gewährleistet. Die größte Sicherung dieser nationalsozialistischen Revolution liegt führungsmäßig nach innen und außen in der restlosen Erfassung des Reiches und all seiner Einrichtungen und Institutionen durch die nationalsozialistische Partei. Sein Schutz der Welt gegenüber aber liegt in der neuen nationalsozialistischen Wehrmacht... In diesem Reich ist jeder Nationalsozialist, der an irgendeiner verantwortlichen Stelle steht... Jede Institution dieses Reiches steht unter dem Befehl der obersten politischen Führung... Die Partei führt das Reich politisch, die Wehrmacht verteidigt es militärisch... Es gibt niemand an einer verantwortlichen Stelle in diesem Staat, der daran zweifelt, daß der autorisierte Führer dieses Reiches ich bin...«

So sprach Adolf Hitler am Ende dieses Zeitabschnittes, am 20. Februar 1938.

DR. ALFRED SEIDL, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN FRANK: Herr Präsident, darf ich einige kurze Bemerkungen in diesem Zusammenhang machen? Den Angeklagten wurde zusammen mit der Anklageschrift ein Verzeichnis der Urkunden übergeben. In diesem Verzeichnis heißt es einleitend folgendermaßen: »Jedem einzelnen der in der Anklageschrift genannten Angeklagten wird mitgeteilt, daß die Anklagevertretung einige oder sämtliche der in der Anklage aufgeführten Urkunden benutzen wird, um die in der Anklageschrift aufgezählten Punkte zu erhärten.«

Es sind nun von dem Hauptanklagevertreter heute morgen ungefähr 12 Dokumente dem Gericht übergeben worden; es hat sich bei der Durchsicht jenes Verzeichnisses ergeben, daß kein einziges dieser Dokumente darin aufgeführt ist. Wir stehen also jetzt schon, am Anfang des Prozesses, vor der Tatsache, daß Dokumente dem Gericht übergeben werden, von deren Inhalt der Angeklagte nicht nur keine Kenntnis hat, sondern daß Dokumente zum Gegenstand der Beweisaufnahme gemacht werden, die nicht einmal in diesem Verzeichnis aufgeführt sind.

Es ist kein einziges dieser Dokumente in dem Verzeichnis aufgeführt, und ich muß Ihnen gestehen, daß unter diesen Umständen eine sachdienliche Verteidigung völlig unmöglich ist. Ich stelle daher den Antrag:

1. Der Gerichtshof möge der Anklagebehörde aufgeben, ein Verzeichnis sämtlicher Dokumente vorzulegen, die während der Beweisaufnahme dem Gericht vorgelegt werden sollen.

2. Der Anklagebehörde möge aufgegeben werden, spätestens an dem Tage, an dem die Dokumente dem Gericht vorgelegt werden, sie in Abschrift den Angeklagten und ihren Verteidigern in deutscher Sprache zugängig zu machen; und

3. die Hauptverhandlung solange auszusetzen, bis die Anklagebehörde in der Lage ist, diese Bedingungen zu erfüllen, da sonst jedenfalls ich mich nicht in der Lage sehe, die Verteidigung weiterzuführen.

VORSITZENDER: Oberst Storey oder die Anklagevertretung, wollen Sie bitte mitteilen, welche Antwort Sie zu diesem Einwand zu erteilen haben?

OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof! Erstens ist jedes Dokument, auf das Major Wallis Bezug genommen hat, ein Dokument, von dessen Inhalt der Gerichtshof amtlich Kenntnis nehmen sollte. Zweitens wurde eine Dokumentenliste im Verteidigerraum am 1. November hinterlegt. Ich weiß nicht genau, ob alle diese Dokumente oder nur einzelne davon in dieser Liste enthalten sind. Drittens, jeder Ankläger, der einen Teil der Anklage vorbringt, sendet eine Liste der Dokumente, welche er zum Beweise seines Vorbringens vorzulegen beabsichtigt, hinunter in das Verteidigerbüro. Viertens möchte ich wissen, ob der Gerichtshof und die Verteidigung die damit zusammenhängenden technischen Probleme würdigen. Ich wurde benachrichtigt, daß Kopien dieser Dokumente in englischer Sprache ebenso wie Abschriften der Schriftsätze entweder gestern abend oder heute früh im Verteidigerbüro abgeliefert wurden. Wir werden schließlich in Zukunft bei Vorlage von Dokumenten den Anforderungen des Gerichtshofs nachkommen, nämlich, daß noch vor Vorlage der Gerichtshof und die Verteidigung diese Dokumentenbücher und Schriftsätze im voraus erhalten. Über das Wochenende werden wir imstande sein, das zu besorgen.

VORSITZENDER: Es ist die Meinung des Gerichtshofs, daß die Verhandlung nunmehr ohne jede Vertagung fortgesetzt werden muß, aber daß in Zukunft die Verteidigung so rasch wie möglich mit Kopien von Dokumenten versorgt werden wird, welche als Beweis vorgelegt werden sollen.

DR. ROBERT SERVATIUS, VERTEIDIGER DES ANGEKLAGTEN SAUCKEL: Ich möchte das Folgende vorbringen: Dem Gericht werden die Dokumente auch in englischer Übersetzung vorgelegt. Eine Nachprüfung dieser Übersetzungen sollte für die Verteidigung möglich gemacht werden. Insbesondere könnte die Übersetzung von Fachausdrücken zu Mißverständnissen Anlaß geben.

Außerdem sind die Dokumente mit einer einleitenden Bemerkung und einer Inhaltsangabe versehen. Die Verteidigung sollte die Möglichkeit haben, diese Inhaltsangaben ebenfalls durchzugehen und auf ihre Richtigkeit zu prüfen.

Ich stelle den Antrag, daß zur Einsicht für die Verteidigung diese englischen Übersetzungen und die Vorbemerkungen zugänglich gemacht werden.

VORSITZENDER: Oberst Storey, verstehe ich richtig, daß Sie vorschlagen, der Verteidigung die Verhandlungsschriftsätze, die gewisse Bemerkungen bezüglich der damit verbundenen Dokumente tragen, zugänglich zu machen?

OBERST STOREY: Ganz richtig! Sie wurden und werden noch immer hergestellt und werden weiter während des Wochenendes vervollständigt werden. Soweit mir bekannt ist, war die deutsche Verteidigung bereit, die Schriftsätze in englischer Sprache zu übernehmen, aber wenn eine Übersetzung gewünscht wird, werden ihnen deutschsprechende Beamte im Verteidigerraum zur Verfügung stehen. Ich glaube, daß dem gestern zugestimmt wurde.

VORSITZENDER: Ja.

OBERST STOREY: Hoher Gerichtshof! Darf ich gleichzeitig, um Mißverständnisse im Interesse der Verteidigung auszuschalten, folgendes bemerken; Wenn wir uns auf ein Dokument beziehen, sagen wir 1850-PS, so ist dies Dokument in manchen Fällen Abschrift eines Zitates oder eines Erlasses aus dem Reichsgesetzblatt und daher kein gesondertes Dokument von unserer Seite. Im Verteidigerraum liegt eine genügende Anzahl von Exemplaren des Reichsgesetzblatts auf, und ich kann wohl sagen, daß die Hälfte der Dokumente, auf die Major Wallis in seinen Darlegungen Bezug genommen hat, im Reichsgesetzblatt zu finden ist. Ich versichere dem Hohen Gerichtshof, daß wir über das Wochenende das möglichste tun werden, der Verteidigung alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die wir haben, und daß wir dies in Zukunft im voraus tun werden.

VORSITZENDER: Ich danke Ihnen, Oberst Storey.