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[Das Gericht vertagt sich bis 14.00 Uhr.]

Nachmittagssitzung.

MR. DODD: Ich will nun auf die Dokumente zurückkommen, deren Besprechung ich in der Vormittagssitzung nicht vollenden konnte. Wir beziehen uns auf ein Dokument D-203, und ich verweise besonders auf die dritte Seite dieses Dokuments und ganz speziell auf den zweiten Abschnitt dieser Seite, und ich möchte von einem Satz ungefähr acht bis zehn Zeilen verlesen, welcher folgendermaßen lautet:

»Die Frage der Herstellung der Wehrmacht wird nicht in Genf, sondern in Deutschland entschieden werden, wenn wir durch innere Ruhe zur inneren Kraft gekommen sind.«

Ich verweise nun auf die gleiche Seite der gleichen Urkunde, und zwar auf den letzten Satz des letzten Abschnitts, der den Angeklagten Göring betrifft; er nahm an dieser Versammlung am 20. Februar 1933 in Berlin teil. Göring erklärte in dieser Versammlung:

»Das erbetene Opfer würde der Industrie sicherlich umso leichter fallen, wenn sie wüßte, daß die Wahl am 5. März, die letzte sicherlich innerhalb 10 Jahren, voraussichtlich aber in 100 Jahren sei.«

In einer Denkschritt vom 22. Februar 1933, in der er diese Zusammenkunft beschreibt, erwähnt Gustav Krupp, daß er Hitler den Dank der fünfundzwanzig bei der Zusammenkunft am 20. Februar 1933 anwesenden Industriellen für den klaren Ausdruck seiner Meinung aussprach. (D-204: Bemerkungen Krupps zu Hitlers Ansprache an die Industriellen.) Diese Denkschrift enthält noch andere Aussprüche, die mir jedoch nicht besonders treffend für die Ausführungen der Anklage, mit der wir uns jetzt befassen, erscheinen. Es ist noch auf die Bestätigung aus dem Affidavit Puhls hinzuweisen, daß diese Sitzung abgehalten wurde.

Ich möchte darauf hinweisen, daß diese Denkschrift zusammen mit dem Bericht über Hitlers Ansprache von Mitgliedern der britischen und amerikanischen Armeen in der persönlichen Dokumentensammlung Krupps gefunden wurde.

Ich bin mir klar darüber, daß die Methoden, die ich verfolge, etwas langweilig sind, weil ich mich besonders auf Dokumente beziehe und auf Ausführungen, die ich schon vorher gemacht habe. Daher ist dieser Vortrag von früheren sehr verschieden, aber ich bin sicher, daß Sie Geduld haben werden, weil dieser Teil des Tatbestands besonders sorgfältige und eingehende Erklärungen verlangt.

Im April 1933, nachdem sich Hitler in der Macht befestigt hatte, legte Gustav Krupp als Präsident des Reichsverbands der deutschen Industrie, der größten Vereinigung deutscher Industrieller, Hitler den Plan dieses Verbandes zur Reorganisation der deutschen Industrie vor und nahm es in Verbindung damit auf sich, den Verband in Übereinstimmung mit den Zielen der Verschwörer zu bringen und ihn zu einem wirkungsvollen Instrument zur Ausführung ihrer Politik zu gestalten.

In seinem Begleitbrief führte Krupp aus, daß der Reorganisationsplan, den er im Namen des Industriellenverbandes vorlegte, von dem Wunsche gekennzeichnet sei, volkswirtschaftliche Maßnahmen und politische Notwendigkeiten mit dem Gedankengang des Führers über die Schaffung des neuen deutschen Staates in Übereinstimmung zu bringen. Eine Kopie dieses Begleitschreibens befindet sich im Dokumentenbuch unter D-157. Im eigentlichen Plan der Reorganisation führte Krupp aus:

»Die politische Entwicklung begegnet sich mit den Wünschen, die ich selbst und das Präsidium seit langem gehegt habe... Bei der Reorganisation des Reichsverbandes der Deutschen Industrie werde ich mich von dem Gedanken leiten lassen, die neue Organisation in Übereinstimmung mit den politischen Zielen der Reichsregierung zu bringen.«

Die Ideen, die Krupp im Namen der Mitglieder des Reichsverbands der deutschen Industrie zugunsten der Einführung des Führerprinzips in die Industrie ausdrückte, wurden hernach angenommen.

Ich verweise auf das Reichsgesetzblatt 1934, Teil I, S. 1194, Paragraph 11, 12, 16.

Gemäß diesem Erlasse mußte jede Industriegruppe einen »Leiter« haben, der ohne Gehalt zu fungieren hatte. Diese »Leiter« wurden ernannt und konnten nach Belieben des Reichswirtschaftsministers abgesetzt werden. Das Statut jeder Gruppe wurde durch den »Leiter« erlassen, der verpflichtet wurde, »seine Gruppe in Übereinstimmung mit den Grundsätzen des nationalsozialistischen Staates zu führen.«

Die Einführung des Führerprinzips in Geschäftsorganisationen erlaubte die Zusammenziehung der Autorität und stellte die wirksame Ausführung aller Anordnungen sicher, die von der Regierung an die Wirtschaft im Interesse der Förderung der Kriegswirtschaft gerichtet wurden.

Die großangelegte Unterstützung, die die deutschen Industriellen dem Nazi-Kriegsprogramm angedeihen ließen, ist gebührend ausgedrückt in dem Entwurf eines Vortrags, den Gustav Krupp im Januar 1944 in der Berliner Universität halten sollte; ich muß nochmals auf D-317 hinweisen. Ich werde natürlich den Gerichtshof nicht mit dem Vorlesen der ganzen Urkunde langweilen, aber ich möchte daraus zitieren, ohne aus dem Zusammenhang herauszureißen; die Erklärungen stehen in Abschnitt 3 und Abschnitt 4, der erste lange Abschnitt auf der ersten Seite:

»Kriegs-Material ist lebensparend für das eigene Volk und stolz darf sein, wer auch immer in dieser Sphäre werkt und wirkt. Hier findet Unternehmertum seine höchste Bewährung. Diese Bewährung – ich darf das hier einflechten – erhärtete sich besonders in der Zeit des ›Interregnums‹ zwischen 1919 und 1933, als Deutschland entwaffnet darniederlag.«

Und weiterhin heißt es:

»Es ist das große Verdienst der gesamten deutschen Wehrwirtschaft, daß sie in diesen schlimmen Jahren nicht untätig gewesen ist, mochte auch aus einleuchtenden Gründen ihre Tätigkeit dem Lichte der Öffentlichkeit entzogen sein. In jahrelanger stiller Arbeit wurden die wissenschaftlichen und sachlichen Voraussetzungen geschaffen, um zur gegebenen Stunde ohne Zeit- und Erfahrungsverlust wieder zur Arbeit für die deutsche Wehrmacht bereit zu stehen.«

Und ich zitiere weiterhin aus derselben Ansprache, besonders den letzten Abschnitt auf der ersten Seite:

»Nur durch diese verschwiegene Tätigkeit deutschen Unternehmertums, aber auch auf Grund der Erfahrungen, die mittlerweile durch Erzeugung von Friedensprodukten gewonnen wurden, konnte nach 1933 unmittelbar der Anschluß an die neuen Aufgaben der Wiederwehrhaftmachung erreicht, konnten dann auch die ganz neuen vielfältigen Probleme gemeistert werden, die durch die Vierjahrespläne des Führers für das deutsche Unternehmertum aufgeworfen wurden. Es war notwendig, neue Rohmaterialien zu erschließen und zu experimentieren, Geldmittel zu investieren, um Deutschlands Volkswirtschaft unabhängig und stark, mit einem Worte, um sie kriegsstark zu machen.«

Ich zitiere weiter noch aus derselben Ansprache:

»Ich darf wohl hier sagen, daß die deutschen Unternehmer die neuen Wege aus vollem Herzen gingen, daß sie sich die großen Intentionen des Führers in edlem Wettstreit und in bewußter Dankbarkeit zu eigen machten und seine treuen Gefolgsmänner wurden. Wie hätten sonst die Aufgaben zwischen 1933 und 1939 und besonders jene nach 1939 bewältigt werden können?«

Es muß hervorgehoben werden, daß sofort nach der Machtergreifung der Nazi-Verschwörer die geheime Aufrüstung begonnen wurde.

Am 4. April 1933 nahm das Reichskabinett eine Entschließung zur Errichtung eines »Reichsverteidigungsrats« an. Die geheime Arbeitsweise dieses Rates bestand darin, für den Krieg zu mobilisieren. Anläßlich der zweiten Sitzung des Arbeitsausschusses der Referenten für die Reichsverteidigung, dem Vorläufer des Reichsverteidigungsrats, erklärte der Angeklagte Keitel, damals Oberst, als Vorsitzender am 26. April 1933, daß der Reichsverteidigungsrat sofort Schritte für den Kriegsnotstand einleiten werde. Er wies auf die Dringlichkeit der Aufgabe hin, eine Kriegswirtschaft zu errichten und verkündete, daß der Rat bereit sei, alle Hindernisse beiseite zu stoßen. Im vollen Bewußtsein der Tatsache, daß die Handlung eine offenkundige Verletzung des Vertrages von Versailles war, betonte der Angeklagte Keitel die höchste Wichtigkeit absoluter Geheimhaltung, indem er sagte, und ich zitiere aus dem Dokument EC-177 von Seite 8 – Oberst Keitel:

»Kein Schriftstück darf in Verlust geraten, da sonst der feindliche Nachrichtendienst Material in die Hände bekommen kann. Mündlich übermittelte Dinge sind nicht nachweisbar, sie können von uns in Genf abgestritten werden.«

Die einzigartige Zielsetzung, mit welcher die Nazi- Verschwörer die deutsche Wirtschaft für das Schmieden einer Kriegsmaschine ausstatteten, wird weiter noch durch den geheimen Bericht der am 23. Januar 1934 abgehaltenen sechsten Sitzung des Arbeitsausschusses des sogenannten Reichsverteidigungsrats bewiesen. Es geht dies aus dem Dokument EC-404, bezeichnet mit »Geheime Kommandosache«, hervor; es ist datiert vom 7. Februar 1934. In dieser Sitzung wies Generalleutnant Beck darauf hin, daß »der tatsächliche Bereitschaftszustand der Zweck dieser Sitzung ist«.

Ich möchte in Paranthese sagen, aus der ersten Seite dieses Dokumentes geht hervor, daß außer Generalleutnant Beck, der Angeklagte Jodl, damals Oberstleutnant Jodl, anwesend war. Ferner war anwesend Hauptmann Schmundt, ferner Oberst Guderian, weiter ein Generalmajor von Reichenau, ein Major Warlimont. Von diesen Namen wird das Hohe Gericht im Laufe des Vortrags noch mehr hören. Es wurden die Einzelheiten der Geldbeschaffung für einen künftigen Krieg erörtert. Es wurde darauf hingewiesen, daß die finanziellen Gesichtspunkte der Kriegswirtschaft durch das Reichsfinanzministerium und die Reichsbank unter dem Angeklagten Schacht geleitet werden sollten.

Wie bereits in der Sitzung des heutigen Vormittags festgestellt ist, wurde der Angeklagte Schacht am 31. Mai 1935 geheim zum Generalbevollmächtigten für die Kriegswirtschaft benannt, und er hatte die ausdrückliche Aufgabe, alle volkswirtschaftlichen Kräfte des Volkes in den Dienst der Nazi-Kriegsmaschine zu stellen.

Durch ein geheimes Verteidigungsgesetz vom 21. Mai 1935, durch das Schacht geheim dazu ernannt wurde, wurde er mit der vollen Verantwortung für die Kriegswirtschaft betraut. Im Kriegsfalle sollte er der deutsche Wirtschaftsdiktator werden. Seine Aufgabe war es, alle volkswirtschaftlichen Kräfte in den Dienst der Kriegsführung zu stellen und wirtschaftlich das Leben des deutschen Volkes zu gewährleisten. Die Reichsminister für Wirtschaft, Ernährung, Landwirtschaft, Arbeit, Forstwirtschaft, ebenso alle Reichsämter, die dem Führer unterstanden, waren ihm untergeordnet. Er sollte verantwortlich sein sowohl für die Finanzierung als auch für die Führung des Krieges; und er war sogar bevollmächtigt, Verordnungen innerhalb seiner Verantwortungssphäre zu erlassen, selbst wenn sie von den bestehenden Gesetzen abwichen.

Die Wiederaufrüstung Deutschlands erfolgte in einem erstaunlich schnellem Tempo. Im Sommer 1935 waren die Nazi-Verschwörer kühn genug, Pläne für die Wiederbesetzung des Rheinlands zu machen; und anläßlich der 10. Sitzung des gleichen Arbeitsausschusses wurde im Zusammenhang mit der beabsichtigten Wiederbesetzung des Rheinlands die Frage der Maßnahmen aufgeworfen.

Ich beziehe mich hierbei auf das Dokument, das die Nr. EC-405 trägt. In dieser Sitzung, die am 26. Juni 1935 stattfand, wurde erwähnt, daß die Frage des Rheinlands besondere Beachtung verdiene, weil Hitler Frankreich Zusicherungen gegeben habe, von militärischen Aktionen in der entmilitarisierten Zone Abstand zu nehmen. Unter den Punkten, die besondere Beachtung verdienten, war die Vorbereitung der wirtschaftlichen Mobilisierung, eine Aufgabe, die besonders dem Angeklagten Schacht in seiner Eigenschaft als geheimem Bevollmächtigten für die Kriegswirtschaft anvertraut war.

VORSITZENDER: Lesen Sie gerade aus diesem Schriftstück?

MR. DODD: Ich erwähne Teile hieraus, Herr Vorsitzender, und zwar ist es Seite 4 und 5 dieses Dokuments, auf die ich meine Feststellungen stütze. Ich will den Gerichtshof nicht mit fortwährenden Erwägungen dieser Dokumente belästigen, sondern ich dachte, es wäre der beste Weg, fortzufahren und so den Gerichtshof in vollem Umfange zu unterrichten.

VORSITZENDER: Wenn Sie uns sagen, welche Stelle es in dem Dokument ist, können wir ihr in dem Dokument folgen.

MR. DODD: Seite 4, in der Mitte der Seite, der fünfte Absatz, erster Satz: »Die entmilitarisierte Zone erfordert eine Sonderbehandlung...« Und auf Seite 5, (j), unter »Die Vorbereitungen«, »Vorbereitungen der wirtschaftlichen Mobilisierung«. Auf Seite 4, im letzten Absatz vor den Buchstaben (a), (b), (c) und (d), heißt es...

VORSITZENDER: Ich meine, Sie sollten von Seite 4 den letzten Absatz lesen: »Da zur Zeit außenpolitische Verwicklungen...«

MR. DODD: »... Da zur Zeit außenpolitische Verwicklungen unter allen Umständen vermieden werden müssen, dürfen... nur unabweisbar notwendige Vorarbeiten durchgeführt werden. Die Tatsache solcher Vorarbeiten oder die Absicht hierzu unterliegt sowohl in der Zone selbst wie auch im übrigen Reiche strengster Geheimhaltung.«

Sodann wurden Vorbereitungen getroffen, die, wie ich vor einigen Minuten andeutete, als Letztes in den Vorbereitungsstufen zur wirtschaftlichen Mobilisierung erscheinen.

Natürlich gibt es noch viele andere vorbereitende Maßnahmen wie die Erfassung von Kraftfahrzeugen, Pferdegespannen, Vorbereitung von Evakuierungen usw.

Wir verlassen nun dieses Dokument, um zu dem raschen Fortschritt der deutschen Wiederaufrüstung überzugehen; das war hauptsächlich der Arbeit des Angeklagten Schacht zu verdanken.

Im Herbst 1934 verkündeten die Nazi-Verschwörer den sogenannten »Neuen Plan«, der auf die Kontrolle der Ein- und Ausfuhr abzielte, um Rohmaterialien zu erhalten, die für die Aufrüstung benötigt wurden, um Devisen hereinzubekommen, die erforderlich waren, damit das Aufrüstungsprogramm durchgeführt werden konnte. Der »Neue Plan« war die Schöpfung des Angeklagten Schacht. Mit diesem Plan kontrollierte der Angeklagte Schacht die Einfuhr, indem er das System der Überwachungsausschüsse für Einfuhrkontrolle, die sich bisher nur mit der Hauptgruppe der Rohmaterialien befaßte, nun auf alle Güter, die nach Deutschland importiert wurden, ausdehnte, gleichgültig ob Rohmaterialien, Halb- oder Fertigprodukte. Die Notwendigkeit von Einfuhrlizenzen ermöglichte den Nazi-Verschwörern die Einfuhr auf Güter zu beschränken, die ihren Kriegszielen dienten.

Darauf folgte im Februar 1935 das Devisengesetz, das im Reichsgesetzblatt 1935, Teil I, 105 ff. gefunden werden kann. Nach diesem Gesetz unterlagen alle Transaktionen in fremden Währungen der Genehmigung durch die Devisenstellen. Durch Kontrollierung des Umlaufs ausländischen Geldes waren die Nazi- Verschwörer in der Lage, den Außenhandel ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprechend zu lenken.

So wurde jeder Teil der deutschen Wirtschaft unter der Führung der Nazi-Verschwörer, besonders des Angeklagten Schacht, auf Krieg eingestellt. In einer Studie über wirtschaftliche Mobilmachung für den Krieg vom 30. September 1934 wurde ausgeführt, daß bereits Schritte unternommen waren, um große Warenlager zu bilden, neue Möglichkeiten für die Herstellung von knappen Waren zu schaffen, die Industrie umzustellen, um neue Absatzgebiete zu sichern, und schließlich, die Finanz- und Handelspolitik zu kontrollieren. In der Studie wurde darauf hingewiesen, daß die Aufgabe, Lager anzuhäufen durch die Erfordernisse der Geheimhaltung und Vortäuschung behindert worden sei. Reserven von Betriebsstoff und Kohlenlager wurden gesammelt; die Produktion von synthetischem öl wurde beschleunigt. Die Belieferung für Zivilbedarf war absichtlich so organisiert, daß die meisten Betriebsanlagen tatsächlich für die Wehrmacht arbeiteten. Studien über die Möglichkeit eines Tauschhandels mit Ländern, von denen man »annahm«, daß sie im Kriegsfalle sich neutral verhielten, wurden ausgearbeitet. Die Finanzierung des Rüstungsprogramms stellte ein schwieriges Problem für die Verschwörer dar. Im Jahre 1934 und 1935 hätte die deutsche Wirtschaft unmöglich die Mittel für ihr ausgedehntes Aufrüstungsprogramm durch Steuern und öffentliche Anleihen aufbringen können. Von Anfang an schloß das Rüstungsprogramm »die Inanspruchnahme der letzten Reserven« ein. Außer dem Problem, diese ungeheuren Summen zu beschaffen, die die Ausführung dieses Programms erforderlich machte, waren, besonders zu Anfang, die Nazi-Verschwörer darauf bedacht, das Ausmaß ihrer fieberhaften Rüstungstätigkeit zu verbergen.

Nachdem verschiedene Methoden der Finanzierung des Rüstungsprogramms erwogen worden waren, schlug der Angeklagte Schacht die Verwendung der sogenannten »MEFO-Wechsel« vor. Einer der Hauptvorteile dieser Methode war die Tatsache, daß die Zahlen, die das Ausmaß der Rüstung bei Verwendung anderer Methoden der Öffentlichkeit bekannt gegeben hätten, durch den Gebrauch der »MEFO-Wechsel« geheim blieben. »MEFO-Wechsel« wurden ausschließlich zur Rüstungsfinanzierung verwendet. Geschäfte in »MEFO-Wechsel« wurden wie folgt ausgeführt:

»MEFO-Wechsel« wurden von Rüstungsfabriken ausgestellt und von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung angenommen. Das Wort »MEFO« kam von: »Metallurgische Forschungsgesellschaft m. b. H.« Aus den Anfangsbuchstaben ist der Name dieses Unternehmens gebildet. Die Gesellschaft hatte ein Stammkapital nominell von 1000000 Reichsmark und war daher nur eine Scheinfirma. Die Wechsel wurden von allen deutschen Banken für eine mögliche Rediskontierung bei der Reichsbank angenommen. Die Wechsel waren vom Reich garantiert. Die Geheimhaltung war dadurch gesichert, daß sie weder in den öffentlichen Bilanzen der Reichsbank, noch in den Haushaltzahlen erschienen. Das System der »MEFO-Wechsel« wurde bis zum 1. April 1938 fortgesetzt. Bis zu diesem Tage wurden 12 Milliarden Reichsmark in »MEFO-Wechsel« zur Finanzierung der Rüstung ausgegeben. Mit der MEFO-Finanzierung wurde zu diesem Zeitpunkt aufgehört, nachdem es nicht mehr nötig erschien, den großen Fortschritt der deutschen Rüstung zu verheimlichen.

Eine weitere Quelle, aus der der Angeklagte Schacht Mittel zog, um das geheime Rüstungsprogramm zu finanzieren, waren die Guthaben politischer Gegner der Nazi-Herrschaft und die Markguthaben von Ausländern bei der Reichsbank. Wie Schacht erklärte: »Unsere Rüstungen werden also teilweise finanziert mit den Guthaben unserer politischen Gegner.« Diese Feststellung wurde in einer Mitteilung Schachts an Hitler vom 3. Mai 1935 gemacht; sie hat die Nummer 1168-PS. Dieser besondere Satz kann im zweiten Abschnitt gefunden werden. Die außenstehenden »MEFO-Wechsel« stellten immer eine Bedrohung der Stabilität der Währung dar, da sie der Reichsbank zur Diskontierung gegeben werden konnten und in diesem Fall der Notenumlauf automatisch hätte vergrößert werden müssen. Deshalb war die Drohung einer Inflation immer vorhanden. Trotzdem verfolgte Schacht seinen Weg, weil »er mit standhafter Treue zum Führer steht, weil er die Grundlage des Nationalsozialismus vollkommen anerkennt, und weil schließlich die Störungen, verglichen mit der großen Aufgabe, als unbedeutend betrachtet werden können.« Hohe Offiziere lobten die Findigkeit des Angeklagten Schacht für die Nazi-Kriegsmaschine. In einem Artikel in dem »Militärischen Wochen-Blatt« vom Januar 1937 heißt es:

»Die deutschen Verteidigungskräfte gedenken heute Dr. Schachts als einer der Männer, die unvergängliche Dinge für sie und ihre Entwicklung in Übereinstimmung mit Befehlen vom Führer und Reichskanzler getan haben. Die Verteidigungskräfte schulden der Geschicklichkeit und großen Fähigkeit von Schacht, daß sie trotz aller Währungsschwierigkeiten plangemäß zu ihrer jetzigen Stärke, ausgehend von dem Heer von 100000 Mann, haben wachsen können.«

Nach der Wiederbesetzung des Rheinlands verdoppelten die Nazi-Verschwörer ihre Anstrengungen, Deutschland zu einem bedeutenden Krieg vorzubereiten. In seiner Rede auf dem Nürnberger Parteitag vom 9. September 1936 wurde der Vierjahresplan von Hitler proklamiert und fand eine gesetzliche Grundlage durch die Verordnung zur Ausführung des Vierjahresplans vom 18. Oktober 1936, die im Reichsgesetzblatt 1936, Teil I, Seite 887, zu finden ist. Durch diesen Erlaß wurde der Angeklagte Göring mit dem Plan beauftragt. Er war zu gesetzlichen und Verwaltungsmaßnahmen bevollmächigt, die ihm zur Erfüllung seiner Aufgabe als notwendig erschienen, ferner dazu, Befehle und Anweisungen an alle Regierungsstellen, einschließlich der obersten Reichsbehörden, herauszugeben. Der Zweck des Planes war, Nazi-Deutschland in die Lage zu versetzen, vollständige Autarkie in wesentlichen Rohmaterialien, besonders Betriebsstoffen, Gummi, Textilfasern, Nichteisenmetallen zu erlangen, und auch die Kriegsvorbereitungen zu verstärken. Die Entwicklung synthetischer Erzeugnisse wurde stark beschleunigt, trotz ihrer hohen Kosten. Neben dem Autarkie-Programm benötigten die Nazi- Verschwörer aber auch Devisen, um ihre Propaganda- und Spionagetätigkeit im Auslande zu finanzieren. So hat General Thomas in einer Rede am 1. November 1937 vor der Wehrmachtsakademie erklärt:

»Wenn Sie berücksichtigen, daß man während des Krieges beträchtliche Mittel benötigt, um die notwendige Propaganda zu organisieren, um den Spionagedienst und ähnliche Zwecke bezahlen zu können, muß man sich darüber im klaren sein, daß unsere Inlandmark von keinem Wert wäre und daß deshalb ausländische Devisen notwendig sind.«

Der besondere Bedarf an ausländischen Devisen wurde teilweise dadurch verringert, daß einige führende deutsche Industrieunternehmen Spionage- und Propagandadienste dem Nazi-Staat kostenlos zur Verfügung stellten. Ich halte hier in meiner Hand ein Dokument mit der Nummer D-206, mit dem Datum Essen, den 12. Oktober 1935. Es wurde in den Akten der Firma Krupp durch amerikanische und englische Vertreter gefunden. Ich will nicht das ganze Dokument verlesen, es sei denn, daß der Gerichtshof es wünscht; doch will ich mit dem Anfang beginnen, damit Zweck und Inhalt des Dokumentes festgelegt werden kann. Es ist überschrieben: »Aktenvermerk«, darunter: »Betrifft: Verbreitung amtlicher Propaganda-Schriften im Auslande mit Hilfe unserer Auslandsbeziehungen.« Weiter heißt es:

»Am Morgen des 11. Oktober meldete sich der Gaubeauftragte von Ribbentrops privatem Auswärtigen Amt (Dienststelle Ribbentrop) telephonisch an... Zur verabredeten Zeit erschien ein gewisser Herr Lackmann... Als Antwort auf meine Frage, mit wem ich es zu tun hätte und mit welchem Amte, teilte er mir mit, daß er nicht selbst der Gaubeauftragte von Ribbentrops privatem Auswärtigen Amte sei, sondern daß dies ein gewisser Landrat Bollmann sei, er selbst sei auf Herrn Bollmanns Befehl gekommen.«

Im nächsten Abschnitt heißt es:

»... daß ein großes Durcheinander auf dem Gebiete der Auslands-Propaganda herrsche, und daß Ribbentrops privates Auswärtiges Amt eine straffere Organisation für ausländische Propaganda schaffen wolle. Hierzu sei die Unterstützung unserer Firma, und vor allem Adressenmaterial... nötig.«

Im nächsten Satz im dritten Abschnitt:

»Ich teilte Herrn L. mit, daß sich unsere Firma schon seit Jahren den amtlichen Stellen für Auslands-Propaganda zur Verfügung gestellt habe, daß wir alle Ersuchen, die an uns gerichtet wurden, weitgehend unterstützten.«

Ich halte jetzt das Dokument D-167 in meiner Hand. Es ist ebenfalls die Kopie eines Dokuments, das in den Schriften der Firma Krupp von amerikanischen und englischen Vertretern gefunden wurde. Es ist datiert vom 14. Oktober 1937 und ist ein Memorandum des Herrn Sonnenberg über ein Treffen in Essen vom 12. Oktober 1937. Es zeigt, daß ein gewisser Menzel von der dem Wehrmachtsamt unterstehenden Abwehrabteilung des Reichskriegsministeriums die Firma Krupp bat, die ihr von ihren Auslandsvertretungen zugehenden Nachrichten über Auslandsrüstungen (ausschließlich Pressenachrichten) der Abwehrabteilung des Reichskriegsministeriums laufend zuzuleiten. Schließlich sagte der dritte Absatz: »Von unserer Seite wurde zugesagt, das Reichskriegsministerium im angegebenen Sinne... zu unterrichten.«

Nachdem ich meinen Vortrag aus diesem Dokument beendet habe, will ich das Programm der Verschwörer weiter behandeln; es schritt, wie ich hier heute oft gesagt habe, in einer erstaunlichen, wirklich erstaunlichen Schnelligkeit voran. Die Stahlproduktion zum Beispiel, wie in offiziellen deutschen Veröffentlichungen gezeigt wird, stieg wie folgt an:

im Jahre 1933 74000 Tonnen

im Jahre 1934 105000 Tonnen

im Jahre 1935 145000 Tonnen

im Jahre 1936 186000 Tonnen

im Jahre 1937 217000 Tonnen

im Jahre 1938 477000 Tonnen

Die Benzinerzeugung vergrößerte sich sogar noch stärker:

Von 370000 Tonnen im Jahre 1934 auf 1494000 Tonnen im Jahre 1938.

Die Nazi-Verschwörer trieben die Vollendung des Rüstungsprogramms in einer Eile an, die klar verriet, daß sie von dem bevorstehenden Kriege wußten. In einer Sitzung vom 4. September 1936 betonte Göring: »Alle Maßnahmen haben so zu erfolgen, als ob wir im Stadium der drohenden Kriegsgefahr uns befänden«, und erklärte weiter: »Maßnahmen, an die heranzugehen wir uns jetzt... noch scheuen, müßten wir zwangsläufig ergreifen, wenn morgen Krieg wäre. Sie sind infolgedessen durchführbar.« Die äußerste Eile wurde durch Görings Bemerkung offenbart: »Vorhandene Reserven müssen zur Überbrückung bis zur Erreichung des vom Führer befohlenen Endziels angegriffen werden... Für den Kriegsfall«, fügte er hinzu, »sind sie kein in jedem Falle brauchbarer Rückhalt.«

In einem streng geheimen Brief vom 21. August 1936 wurde Schacht von Hitlers Befehl unterrichtet, daß alle Verbände der Luftwaffe bis zum 1. April 1937 bereit sein müssen. Dies sollte die Eile betonen, mit der die Nazi-Wirtschaft von Anfang an durchdrungen sein sollte, ermutigt durch ihre Erfolge im Rheinland, mit denen die Nazi-Verschwörer die Grundlage für weitere Angriffshandlungen legten.

VORSITZENDER: Soweit ich verstehe, haben Sie auf kein Dokument seit Dokument 167 verwiesen.

MR. DODD: Nein. Die Zahlen über Produktion von Stahl und von öl rühren aus dem Statistischen Jahrbuch des Deutschen Reiches von 1939 und 1940 und aus dem Statistischen Jahrbuch des Deutschen Reiches von 1941 und 1942 her. Diese Angabe bezieht sich auf die Zahlen der Stahlproduktion; die Zahlen für die Benzinproduktion sind aus dem Statistischen Jahrbuch des Deutschen Reiches von 1941 und 1942 entnommen. Die Feststellungen des Angeklagten Göring beruhen auf Dokument EC-416.

VORSITZENDER: Das ist das Dokument, auf das Sie bereits verwiesen haben?

MR. DODD: Ja, es wurde darauf, soviel ich weiß, bereits Bezug genommen. Einige dieser Dokumente enthalten Hinweise auf mehr als einen Teil der Darlegung, und ich muß auf sie verschiedentlich in meinem Vortrag zurückkommen.

VORSITZENDER: Gut. Fahren Sie fort, wenn Sie sich darauf beziehen wollen.

MR. DODD: Der sechste Abschnitt auf der ersten Seite:

»Vorhandene Reserven müssen zur Überbrückung bis zur Erreichung des vom Führer befohlenen Endziels angegriffen werden; für den Kriegsfall sind sie kein in jedem Falle brauchbarer Rückhalt.«

Und auf der zweiten Seite, unten der achte Abschnitt:

»Maßnahmen, an die heranzugehen wir uns jetzt vielleicht noch scheuen, müßten wir zwangsläufig ergreifen, wenn morgen Krieg wäre. Sie sind infolgedessen durchführbar.«

Hinsichtlich der Behauptung, daß der Angeklagte Schacht davon in Kenntnis gesetzt wurde, Hitler habe angeordnet, alle Verbände der Luftwaffe müßten bis 1. April 1937 bereit sein, verweise ich auf Dokument 1301-PS, datiert 31. August 1936. Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, daß das Dokument noch eine weitere Nr. haben soll, es soll heißen: 1301-PS-7. Auf der ersten Seite heißt es im dritten Absatz, nach dem Wort »Luftwaffe«, daß gemäß einem Befehl des Führers die Aufstellung aller Einheiten der Luftwaffe bis zum 1. April 1937 beendet sein müsse; wenn Sie auf Seite 20 umwenden, so werden Sie ungefähr in der Mitte der Seite finden, daß eine Kopie dieses Dokuments an den Präsidenten der Reichsbank, Dr. Schacht, gesandt wurde.

Nach ihrem Erfolg in Österreich und im Sudetenland verdoppelten die Nazi-Verschwörer ihre Anstrengungen, sich für ihren geplanten Angriffskrieg auszurüsten. In einer Sitzung am 14. Oktober 1938, kurz bevor die Nazi-Verschwörer ihre erste Forderung an Polen richteten, erklärte der Angeklagte Göring, daß der Führer ihn angewiesen habe, ein gigantisches Programm durchzuführen, gegen das die bisherigen Leistungen bedeutungslos seien. Demgegenüber beständen Schwierigkeiten, die er mit der größten Energie und Rücksichtslosigkeit überwinden werde.

Diese Erklärung finden Sie im Dokument 1301-PS auf Seite 25 des Dokumentenbuches und besonders im zweiten Satz des Einführungsabsatzes:

»Jeder wisse ja aus der Presse wie die Lage in der Welt sei, und der Führer habe ihn infolgedessen angewiesen, ein gigantisches Programm durchzuführen, gegen das die bisherigen Leistungen bedeutungslos seien. Demgegenüber beständen Schwierigkeiten, die er mit der größten Energie und Rücksichtslosigkeit überwinden werde.«

Die Bestände an ausländischen Zahlungsmitteln hätten sich verringert, und zwar infolge der Vorbereitungen für den Einfall in die Tschechoslowakei, und es wäre deshalb notwendig, sie zu ergänzen.

Ich beziehe mich jetzt auf den dritten Absatz des Dokuments 1301-PS:

»Diese Exportgewinne sind einzusetzen für die Verschärfung der Rüstung. Die Rüstung dürfe durch die Exporttätigkeit nicht gekürzt werden. Er habe vom Führer den Auftrag, die Rüstung abnorm zu steigern, wobei in erster Linie die Luftwaffe stände. Die Luftwaffe sei schnellstens zu verfünffachen; auch die Marine müsse schneller rüsten und das Heer müsse schneller große Mengen von Angriffswaffen schaffen, in Sonderheit schwere Artillerie und schwere Tanks. Daneben hergehen muß die fabrikatorische Rüstung, wobei in Sonderheit Treibstoffe,... Pulver- und Sprengstoffe in den Vordergrund treten. Diese müßten verbunden werden mit der beschleunigten Herstellung von Autostraßen, Kanä len und besonders Eisenbahnlinien.«

Im Laufe dieser Vorbereitungen für den Krieg kam es zu einem Zwischenfall zwischen zwei Männern, dem Angeklagten Göring und dem Angeklagten Schacht. Als Resultat trat der Angeklagte Schacht im November 1937 als Chef des Wirtschaftsministeriums zurück und auch als Generalbevollmächtigter der Kriegswirtschaft, und im Januar des Jahres 1939 wurde er seines Postens als Reichsbankpräsident enthoben.

Ich beabsichtige jetzt nicht, hier die Einzelheiten dieser Meinungsverschiedenheit vorzubringen. Über dieses Thema wird später in dem Verfahren mehr gesagt werden. In diesem Augenblick bitte ich zur Kenntnis zu nehmen, daß wir behaupten, Schachts Rücktritt habe nicht auf einer Mißbilligung der Nazi- Ziele beruht. Der Angeklagte Schacht war besonders stolz auf die Erfolge, die er auf finanziellem und wirtschaftlichem Gebiet der Nazi-Kriegsmaschine verschafft hat. Im Dokument EC-257, das die Abschrift eines Briefes des Angeklagten Schacht an General Thomas darstellt, schrieb er im ersten Absatz:

»Ich denke mit großer innerer Befriedigung zurück an die Arbeit im Reichswirtschaftsministerium, die mir die Gelegenheit gab, die von mir immer als conditio sine qua non unserer neuen Volksverordnung angesehene Wiederwehrhaftmachung in der entscheidendsten Periode nicht nur wie bisher auf finanziellem, sondern auch auf wirtschaftlichem Gebiet mit durchführen zu helfen.«

Der zweite Absatz ist mehr persönlicher Natur und hat nichts mit diesem Verfahren zu tun. In dem Dokument EC-252, einem Brief, datiert vom 8. Juli 1937 an General von Blomberg, erklärt der Angeklagte Schacht:

»Die Führung der Wirtschaft durch den Generalbevollmächtigten wird auf diese Weise niemals völlig unabhängig von dem übrigen Kriegsmechanismus erfolgen, sondern die Erreichung des politischen Kriegszieles mit allen wirtschaftlichen Kräften erstreben. Ich bin daher durchaus bereit, an der Durchführungsverordnung zum Reichsverteidigungsgesetz mitzuarbeiten.«

Im Frühjahr des Jahres 1937 nahm der Angeklagte Schacht zusammen mit Vertretern der drei Wehrmachtsteile an den wehrwirtschaftlichen Kriegsspielen teil. Nebenbei gesagt handelte es sich dabei wahrscheinlich um etwas Neues auf dem Gebiet militärischer Übungen. Die wehrwirtschaftlichen Kriegsspiele wurden in Godesberg, Deutschland, abgehalten. Ich beziehe mich dabei auf das Dokument EC-174. Es trägt den Titel oder Untertitel »Wehrwirtschaftliche Generalstabsreise vom 25. Mai bis 2. Juni nach Godesberg« und fährt fort, in Einzelheiten darzulegen, daß eine Begrüßung stattfand. Es sagt vage und wenig klar, wie ein solches wehrwirtschaftliches Kriegsspiel durchgeführt wurde, aber es läßt keinen Zweifel darüber, daß ein solches Kriegsspiel seinerzeit in Godesberg durchgeführt wurde. Auf Seite 2 im letzten Absatz ist der Willkommengruß für Dr. Schacht zu ersehen. Es heißt dort:

»Ehe ich mit der Besprechung des wehrwirtschaftlichen Kriegsspiels beginne, ist es mir ein besonderes Bedürfnis, Ihnen, sehr verehrter Herr Präsident Dr. Schacht, unser aller Dank zu sagen, daß Sie sich trotz Ihrer großen Belastung der Mühe unterzogen haben, an der heutigen Schlußbesprechung persönlich teilzunehmen. Wir sehen darin das große Interesse bestätigt, das Sie jederzeit den wehrwirtschaftlichen Arbeiten entgegengebracht haben, und Ihr Hiersein ist uns ein erneuter Beweis, daß Sie gewillt sind, uns Soldaten die schwierige wehrwirtschaftliche Vorbereitung zu erleichtern und die harmonische Zusammenarbeit mit Ihren Dienststellen zu vertiefen.«

Ich möchte den Gerichtshof auf den vorletzten Absatz der ersten Seite aufmerksam machen. Es ist ein Absatz aus nur einem Satz und lautet einfach: »Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß alle Angelegenheiten und alle erhaltenen Informationen als höchst geheim zu behandeln sind«; dies unter Hinweis auf den vorangehenden Absatz das wehrwirtschaftliche Kriegsspiel.

Es scheint, die Annektierung Österreichs war ein Ziel, das der Angeklagte Schacht lange gesucht hat. In einer Rede an die Angestellten der ehemaligen österreichischen Nationalbank (EC-297) und besonders im zweiten Absatz der ersten Seite des Dokuments finden wir die Worte:

»Österreich hat bestimmt eine große Mission, nämlich die, ein Kulturträger deutschen Wesens zu sein, für die Achtung und das Ansehen des deutschen Namens insbesondere nach dem Südosten hin zu sorgen. Eine solche Mission kann es aber nur erfüllen innerhalb des großen Deutschen Reiches und gestützt auf die Macht eines 75-Millionenvolkes, das – ob es nun die. Gegner wollen oder nicht – das Herz und die Seele Europas bildet.«

Dr. Schacht fährt dann fort:

»Wir haben in den letzten Tagen in der ausländischen Presse auch viel davon gelesen, daß zwar das Ziel, die Vereinigung dieser beiden Länder, eine gewisse Berechtigung habe, daß aber die Methode dieser Vereinigung schrecklich gewesen sei.... Diese Methode, die gewiß dem einen oder anderen Ausländer nicht gepaßt hat, ist nichts anderes als die Folge der zahllosen Treubrüche und brutalen Vergewaltigungen, die das Ausland uns gegenüber angewandt hat.«

Ich beziehe mich jetzt auf Seite 3 des gleichen Dokuments und lese:

»Ich bin bekannt dafür, daß ich manchmal Dinge ausspreche, die hie und da Anstoß erregen. Ich möchte auch heute von dieser Gewohnheit nicht abgehen. Ich weiß, daß es auch hier in diesem Lande noch Leute gibt, – ich glaube sie sind nicht sehr zahlreich – die an den Geschehnissen der letzten Tage etwas auszusetzen haben. Aber das Ziel, glaube ich, bezweifelt niemand, und die Meckerer an den Methoden müssen sich gesagt sein lassen, daß man es nicht allen Menschen recht machen kann. Der eine sagt, das hätte er so gemacht oder vielleicht so, aber das Merkwürdige ist, sie haben es nicht gemacht, sondern gemacht hat es eben unser Adolf Hitler! Und wenn es noch etwas zu verbessern gibt, dann sollen es diese Nörgler innerhalb des Deutschen Reiches und innerhalb der deutschen Gemeinschaft zu verbessern versuchen, aber nicht von außen her stören.«

In dem Memorandum vom 7. Jauar 1939, das von dem Angeklagten Schacht und anderen Direktoren der Reichsbank an Hitler gerichtet wurde, wurde ein Ausgleich des Budgets verlangt in Hinsicht auf die drohende Gefahr einer Inflation und darin wurde festgestellt: – ich beziehe mich nun auf das Dokument, das die Bezeichnung EC-369 trägt und insbesondere auf den Absatz zu Beginn der ersten Seite dieses Dokuments:

»Von Anfang an war die Reichsbank sich darüber klar, daß außenpolitische Erfolge nur erreichbar sein konnten auf Grund der Wiederherstellung der deutschen Wehrmacht. Sie hat deshalb in großem Ausmaß die Finanzierung der Rüstung auf sich genommen, trotz der darinliegenden währungspolitischen Gefahren. Die Rechtfertigung dafür war die Notwendigkeit, welche alle anderen Erwägungen zurückgedrängt hat, sofort, aus dem Nichts und anfangs noch dazu getarnt, eine Rüstung aufzustellen, die eine Achtung verlangende Außenpolitik ermöglichte.«

Die Reichsbankdirektoren als Geldsachverständige glaubten, daß ein Punkt erreicht war, wo eine größere Rüstungsproduktion nicht mehr möglich sei. Wir behaupten, dies war nur eine Beurteilung der Lage und nicht ein moralisches Prinzip, denn es gab keinen Widerstand gegen Hitlers Aggressionspolitik. Die Zweifel bezogen sich nur darauf, ob eine solche Politik finanziert werden konnte.

Hitlers Brief an den Angeklagten Schacht, als dieser die Reichsbank verließ (EC-397), sprach eine große Anerkennung für Schachts starke Anstrengungen aus, das Programm der Nazi-Verschwörer zu fördern. Die Wehrmacht hatte es Hitler ermöglicht, Österreich und das Sudetenland zu besetzen. Wir sagen, Schachts Aufgabe bis dahin war gut erfüllt. Wir zitieren aus Dokument EC-397 mit Hitlers Worten aus diesem Brief: »Ihr Name wird vor allem für immer mit der ersten Epoche der nationalen Wiederaufrüstung verbunden sein.«

Obwohl als Präsident der Reichsbank entlassen, blieb Schacht doch Minister ohne Portefeuille und als Hitlers besonderer vertraulicher Berater. Der Angeklagte Funk folgte dem Angeklagten Schacht als Präsident der Reichsbank, und hier möge der Gerichtshof amtlich von einer Veröffentlichung im »Völkischen Beobachter« vom 21. Januar 1939 Kenntnis nehmen. Der Angeklagte Funk hatte keinerlei Angst vor einer Inflation; denn genau wie der Angeklagte Göring, dem er hinsichtlich des Vierjahresplans gedient hatte, kannte er kein Hindernis auf dem Wege zum Angriff gegen Polen.

Im Dokument 699-PS, einem Briefe des Angeklagten Funk an Hitler vom 25. August 1939, also nur wenige Tage vor dem Angriff gegen Polen, berichtet der Angeklagte Funk, daß die Reichsbank auch die schwersten Erschütterungen im internationalen Geld- und Kreditwesen durch einen Krieg großen Ausmaßes absolut nicht berühren können. Er sagte, daß er in völlig unauffälliger Weise alle verfügbaren Gelder der Reichsbank im Ausland in Gold verwandelt hätte, und daß Deutschland bereit sei für die finanziellen und Wirtschaftlichen Aufgaben, die kommen würden.

Und so erscheint es mir klar aus den Schriftstücken, aus den Taten, aus den Reden der Nazi-Verschwörer selbst hervorzugehen, daß sie tatsächlich die gesamte deutsche Wirtschaft auf die Vorbereitung zu einem Angriffskrieg ausrichteten. Um die Worte des Angeklagten Göring zu gebrauchen: die Verschwörer gaben dem Volke »Kanonen statt Butter«. Sie gaben der Geschichte auch das ungewöhnliche Beispiel einer Nation, die sieh in Friedenszeiten auf das einzige Ziel eines Angriffskriegs vorbereitet hat. Ihre wirtschaftlichen Vorbereitungen, formuliert und angewendet mit der rücksichtslosen Energie des Angeklagten Göring, der zynischen, finanziellen Schlauheit des Angeklagten Schacht und der bereitwilligen Mittäterschaft des Angeklagten Funk – außer anderen – waren die unerläßlichen ersten Taten in der herzzerreißenden Tragödie, die ihre Angriffe der Welt bereitet hat.

Wenn es gestattet ist, möchte ich jetzt die Dokumente vorlegen, die ich schon besprochen habe. Wir haben hier die Originaldokumente in ihren Mappen; sie stimmen überein mit den Übersetzungen, welche dem Gericht überreicht wurden.

VORSITZENDER: Haben die Angeklagten Gelegenheit gehabt, diese Dokumente zu sehen?

MR. DODD: Ich bezweifle, daß sie ausreichend Gelegenheit hatten, sie zu sehen. Die Photokopien sind vorhanden, aber ich glaube nicht, daß sie Zeit hatten, sie eingehend zu prüfen, weil sie zu diesem Zwecke nicht lange genug vorlagen.

VORSITZENDER: Gut. – Ich glaube, sie sollten ausreichende Gelegenheit haben, sie zu prüfen und sie mit den Kopien zu vergleichen, die uns vorgelegt wurden, bevor die Originale vorgelegt werden.

MR. DODD: Es ist gut. Verstehe ich recht, daß wir sie dann später vorlegen können?

VORSITZENDER: Gewiß. Der Gerichtshof wird sich jetzt für 10 Minuten vertagen.