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[Pause von 10 Minuten.]

OBERST STOREY: Wenn es dem Gerichtshof recht ist, beabsichtigt die Anklagevertretung morgen erbeutete Filme als Beweismaterial vorzulegen; um den Verteidigern die Möglichkeit zu geben, die Filme, bevor sie vorgelegt werden, zu sehen und, um ihrem vor einiger Zeit gestellten Ersuchen nachzukommen, werden diese Filme nur für die Verteidiger um 8.00 Uhr in diesem Gerichtssaal heute abend gezeigt werden.

VORSITZENDER: Gut, Herr Oberst.

MR. ALDERMAN: Meine Herren Richter! Ich komme jetzt zum Paragraph IV F 2 (e) der Anklageschrift, der behauptet:

»Am 21. Mai 1935 verkündeten sie der Wahrheit zuwider vor der Welt, um sie zu täuschen und ihr die Furcht vor Angriffsabsichten zu nehmen, daß sie die Gebietsabgrenzungen des Versailler Vertrags respektieren und den Locarno-Pakt erfüllen werden.«

Als einen Teil ihres Programms, den Widerstand in etwaigen feindlichen Staaten zu schwächen, verfolgten die Nazis die Politik, falsche Zusicherungen zu geben, mit der Absicht, dadurch Verwirrung und ein falsches Sicherheitsgefühl zu erzeugen. So erklärte Hitler am gleichen Tage, an dem sie sich von den Rüstungsvorschriften des Versailler Vertrags lossagten, die Absicht der Deutschen Regierung, die territorialen Bestimmungen von Versailles und Locarno zu respektieren.

Ich habe heute früh das Dokument US-38, 2288-PS vorgelegt, die Ausgabe des »Völkischen Beobachters«, welche die Hitler-Rede vom 21. Mai 1935 vor dem Reichstag enthält. In dieser Rede sagte Hitler:

»Die Deutsche Reichsregierung wird daher die sonstigen, das Zusammenleben der Nationen betreffenden Artikel einschließlich der territorialen Bestimmungen unbedingt respektieren und die im Wandel der Zeiten unvermeidlichen Revisionen nur auf dem Wege einer friedlichen Verständigung durchführen.

Die Deutsche Reichsregierung hat die Absicht, keinen Vertrag zu unterzeichnen, der ihr unerfüllbar erscheint, sie wird aber jeden freiwillig unterzeichneten Vertrag, auch wenn seine Abfassung vor ihrem Regierungs- und Machtantritt stattfand, peinlich einhalten. Sie wird insbesondere daher alle aus dem Locarno-Pakt sich ergebenden Verpflichtungen so lange halten und erfüllen, als die anderen Vertragspartner auch ihrerseits bereit sind, zu diesem Pakt zu stehen.«

Um einen besseren Begriff über die in den Verträgen von Locarno und Versailles vorgesehenen territorialen Begrenzungen zu geben, zitieren wir wie folgt:

Der Rheinpakt von Locarno vom 16. Oktober 1925, Artikel 1, sagt:

»Die hohen vertragschließenden Parteien garantieren jeder für sich und insgesamt, in der in folgenden Arti keln bestimmten Weise die Aufrechterhaltung des sich aus den Grenzen zwischen Deutschland und Belgien und zwischen Deutschland und Frankreich ergebenden Status quo, die Unverletzlichkeit dieser Grenzen, wie sie durch den in Versailles am 28. Juni 1919 unterzeichneten Friedensvertrag oder in dessen Ausführung festgesetzt sind, sowie die Beobachtung der Bestimmungen der Artikel 42 und 43 des genannten Vertrages über die demilitarisierte Zone.«

Das bezieht sich selbstverständlich auf die demilitarisierte Rheinlandzone.

Dann, aus dem Versailler Vertrag vom 23. Juni 1919, Artikel 42:

»Es ist Deutschland untersagt, auf dem linken Ufer des Rheines und auf dem rechten Ufer westlich einer 50 Kilometer östlich des Stromes verlaufenden Linie Befestigungen beizubehalten oder anzulegen.«

Artikel 43:

»Ebenso ist in der in Artikel 42 bezeichneten Zone die ständige oder zeitweise Unterhaltung oder Sammlung von Streitkräften untersagt. Das gleiche gilt für jedwede militärische Übungen und die Beibehaltung aller materiellen Vorkehrungen für eine Mobilmachung.«

Die nächste Behauptung der Anklageschrift (f): Am 7. März 1936 schritten sie zur Wiederbesetzung des Rheinlandes und befestigten es unter Verletzung des Versailler Vertrags und des Rheinpaktes von Locarno vom 16. Oktober 1925 und erklärten der Welt fälschlicherweise: »wir erheben keine territorialen Ansprüche in Europa«.

Die entmilitarisierte Rheinlandzone war seit ihrer Schaffung nach dem ersten Weltkrieg den Nazis stets ein Dorn im Auge. Nicht nur wurde ihr wachsender Stolz dadurch verletzt, sondern sie war auch ein Hindernis für die Erlangung einer starken Stellung, die Deutschland für wichtige Entscheidungen benötigte. Im Falle irgendwelcher Sanktionen gegen Deutschland in Form militärischer Zwangsmaßnahmen würde es für Frankreich und andere Mächte ein leichtes sein, weit nach Deutschland östlich des Rheines einzudringen, bevor Deutschland sich irgendwie zur Wehr setzen könnte. Daher erforderte jeder deutsche Plan, internationale Vereinbarungen zu bedrohen oder zu brechen, oder die Vorbereitung jedes Angriffskrieges, die vorherige Wiederbesetzung und Wiederbefestigung des offenen Rheinlandgebiets. Pläne und Vorbereitungen für die Wiederbesetzung des Rheinlandes begannen sehr früh.

Wir besitzen ein Schriftstück, ein erbeutetes deutsches Dokument in deutscher Sprache, das wir mit C-139 bezeichnen und welches anscheinend von Blomberg handschriftlich unterzeichnet wurde. Ich biete es als Beweisstück US-53 an.

Das Schriftstück befaßt sich mit der Unternehmung »Schulung«. Es ist vom 2. Mai 1935 datiert und befaßt sich mit früheren Stabsbesprechungen über den genannten Gegenstand. Es ist an den Oberbefehlshaber des Heeres gerichtet, ich glaube, das war damals Fritsch, ferner an den Oberbefehlshaber der Marine, Raeder, und an den Reichsluftfahrtminister Göring.

Der Name »Rheinland« wird nicht erwähnt, und das Dokument bezieht sich auch nicht ausdrücklich darauf. Es ist aber unsere Ansicht, daß es ein militärischer Plan zur militärischen Wiederbesetzung des Rheinlandes in Verletzung des Versailler Friedensvertrags und des Rheinpaktes von Locarno war. Ich lese vom ersten Teil des Schriftstückes, das den Titel »Geheime Kommandosache« trägt:

»Für das in der letzten Wehrmachtbesprechung angeregte Unternehmen bestimme ich das Deckwort ›Schulung‹.

Die Gesamtleitung der Schulung liegt, da es sich um eine gemeinsame Aktion der drei Wehrmachtsteile handelt, in der Hand des Reichsverteidigungsministers. Die Vorbereitung des Unternehmens hat sofort nach folgenden Weisungen zu beginnen: