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I. Allgemeines.

1. Das Unternehmen muß nach Ausgabe des Stichwortes ›Schulung durchführen‹ schlagartig als Überfall zur Ausführung gelangen.

Größte Geheimhaltung der Vorbereitung ist erforderlich, daher Beschränkung der Mitwissenden auf allerkleinsten Kreis von Offizieren, Anfertigung aller Niederschriften, Skizzen und so weiter, nur durch diese Offiziere persönlich und so weiter.

2. Zeit für Mobilmachung der beteiligten Kräfte ist nicht vorhanden; ihre Verwendung muß in Friedens-Zusammensetzung und -Ausrüstung erfolgen.

3. Die Vorbereitung des Unternehmens ist ohne Rücksicht auf den zur Zeit unzureichenden Stand unserer Rüstung zu betreiben. Jede Besserung der Rüstungslage wird eine Erweiterung der Vorbereitungen ermöglichen und damit günstigere Erfolgsaussichten schaffen.«

Der Rest des Befehls befaßt sich mit militärischen Einzelheiten und braucht meiner Meinung nach nicht vorgelesen zu werden.

Es gibt in diesem Befehl gewisse Punkte, die unvereinbar mit der Annahme sind, daß es sich nur um einen Manöverbefehl handelte, oder daß er Verteidigungsmaßnahmen vorsah. Die auszuführende Operation war als ein überraschender Schlag gedacht (schlagartig als Überfall).

Die Luftwaffe sollte dem Angriff Unterstützung gewähren. Verstärkungen durch die ostpreußische Division sollten vorgenommen werden. Weiter ist dieses Dokument vom 2. Mai 1935, ungefähr sechs Wochen nach der Verkündung der allgemeinen Wehrpflicht am 16. März 1935 datiert, und so kann es kaum als eine Verteidigungsmaßnahme gegen Sanktionen gedacht gewesen sein, die sie als Gegenmaßnahme wegen der Einführung des Gesetzes über die allgemeine Wehrpflicht erwarteten.

Tatsächlich fand die wirkliche Wiederbesetzung des Rheinlandes erst am 7. März 1936 statt, so daß dieser frühzeitige Plan wohl gänzlich umgearbeitet werden mußte, um den zur Zeit bestehenden Verhältnissen und den besonderen Zielen gerecht zu werden. Wie ich sagte, hatte der Plan, obwohl das Rheinland darin nicht erwähnt wurde, alle Kennzeichen eines Rheinland-Operationsplanes. Daß die Einzelheiten dieses besonderen Planes nicht identisch mit jenen waren, die schließlich ausgeführt wurden, läßt uns die wichtige Tatsache keineswegs übersehen, daß die Deutschen bereits am 2. Mai 1935 diesen Überfall nicht nur als Generalstabsplan, sondern als endgültige Operation geplant hatten. Es war offensichtlich nicht geplant, diese Operation zu einem so frühen Zeitpunkt auszuführen, wenn es vermieden werden konnte. Aber sie waren vorbereitet, es, wenn notwendig, zu tun, um französischen Sanktionen gegen ihr Gesetz zur Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht entgegenzutreten. Es ist bezeichnend, festzustellen, daß das Datum dieses Dokuments mit dem der Unterzeichnung des französisch-russischen Vertrags, den die Nazi später als Entschuldigung für die Wiederbesetzung des Rheinlands benutzten, übereinstimmt.

Die militärischen Befehle, auf Grund welcher die tatsächlich am 7. März 1936 vorgenommene Wiederbesetzung des Rheinlands durchgeführt wurde, wurden am 2. März 1936 durch den Kriegsminister und Obersten Befehlshaber der Wehrmacht, Blomberg, ausgegeben und waren an den Oberbefehlshaber des Heeres, Fritsch, an den Oberbefehlshaber der Marine, Raeder, und an den Luftfahrtminister und Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Göring, gerichtet. Wir besitzen diesen von Blomberg unterzeichneten Befehl, der wie gewöhnlich den Titel »Geheime Kommandosache« trägt; es ist unser Dokument C-159. Ich biete es als Beweisstück US-54 an.

Die deutsche Abschrift dieses Schriftstücks trägt die Initialen des Angeklagten Raeder in grünem Bleistift, ferner eine mit rotem Bleistift geschriebene Notiz »dem Oberbefehlshaber der Marine vorzulegen«.

Der erste Teil dieses Befehls lautet:

»An Oberbefehlshaber der Kriegsmarine.

1. Der Führer und Reichskanzler hat folgendes entschieden: Durch den französisch-russischen Beistands pakt sind die von Deutschland im Locarno-Vertrag übernommenen Bindungen, soweit sie die Artikel 42 und 43 des Vertrags von Versailles über die entmilitarisierte Zone betreffen, als hinfällig zu betrachten.

2. Teile des Heeres und der Luftwaffe werden daher überraschend und gleichzeitig in Standorte der entmilitarisierten Zone verlegt werden. Hierzu befehle ich:....«

Dann folgen ausführliche Befehle für die militärischen Operationen. Wir besitzen auch die Befehle für die Teilnahme der Marine. Das deutsche Originaldokument, welches wir mit C-194 bezeichnen, wurde am 6. März 1936 in der Gestalt eines Befehls des Reichskriegsministers Blomberg herausgegeben, von Keitel unterzeichnet und an den Oberbefehlshaber der Marine, Raeder, gerichtet, zusammen mit Befehlen desselben; darin wurden ausführliche Anweisungen an den Oberbefehlshaber der Flotte und die in der Ost- und Nordsee befehlenden Admirale erteilt. Ich biete dieses Dokument als Beweisstück US-55 an.

Das kurze Begleitschreiben lautet:

»An den Oberbefehlshaber der Kriegsmarine.

Der Herr Minister hat nach Vortrag entschieden:

1. Die unauffällige Luftaufklärung in der deutschen Bucht nicht über die Linie Texel-Doggerbank hinaus vom Z-Tage mittags an wird genehmigt.

Ob. d. L. gibt Anweisung an Luftkreiskommando VI ab 7. 3. mittags, einzelne Aufklärungsflugzeuge zur Verfügung des Flottenchefs bereitzuhalten.

2. Die Entscheidung zum Auslegen einer U-Bootsauf klärungslinie hat sich der Herr Minister bis 7. 3. abends vorbehalten. Sofortige Überführung von U-Booten von Kiel nach Wilhelmshaven ist genehmigt.

3. Die vorgeschlagenen Vorausmaßnahmen gehen zum großen Teil über die Spannungsstufe A hinaus und kommen somit als erste Gegenmaßnahme gegen militärische Vorbereitungen angrenzender Staaten nicht in Betracht.

Vielmehr wird es darauf ankommen, die in der Spannungsstufe A aufgenommenen Vorausmaßnahmen daraufhin zu überprüfen, ob nicht die eine oder andere besonders auffällige Anordnung unterlassen werden kann. Keitel.«

Der Rest dieser Schriftstücke sind detaillierte Marinebefehle, Operationsbefehle; ich glaube nicht, daß es notwendig ist, weiterzulesen. Um die geschichtliche Bedeutung dieser Stunde zu betonen, hielt Hitler am 7. März 1936 eine bedeutsame Rede. Ich habe die Ausgabe des »Völkischen Beobachters« Berlin, Sonntag, den 8. März 1936, vor mir, unser Dokument 2289-PS, welches ich als Beweisstück US-56 vorlege.

Das ist eine lange Rede, an welche sich die Welt erinnert, und aus der ich nur einen kleinen Teil vorlesen werde.

»Männer des Deutschen Reichstages!...

Frankreich hat die ihm von Deutschland immer wieder gemachten freundschaftlichen Angebote und friedlichen Versicherungen unter Verletzung des Rheinpaktes mit einem ausschließlich gegen Deutschland gerichteten militärischen Bündnis mit der Sowjetunion beantwortet. Damit aber hat der Rheinpakt von Locarno seinen inneren Sinn verloren und praktisch aufgehört, zu existieren. Deutschland sieht sich daher auch seinerseits nicht mehr als an diesen erloschenen Pakt gebunden an. Die Deutsche Regierung ist nunmehr gezwungen, der durch dieses Bündnis neugeschaffenen Lage zu begegnen, einer Lage, die dadurch verschärft wird, daß der französisch-sowjetische Vertrag seine Ergänzung in einem genau parallel gestalteten Bündnisvertrag zwischen der Tschechoslowakei und der Sowjetunion gefunden hat. Im Interesse des primitiven Rechtes eines Volkes auf Sicherung hat die Deutsche Reichsregierung mit dem heutigen Tage die volle und uneingeschränkte Souveränität des Reiches in der demilitarisierten Zone des Rheinlands wieder hergestellt.«

Die Wiederbesetzung der entmilitarisierten Zone des Rheinlands durch Deutschland hatte außerordentliche internationale Rückwirkungen zur Folge. Als Ergebnis der beim Völkerbund eingelaufenen Proteste stellte der Völkerbundsrat eine Untersuchung an und verkündete das folgende Ergebnis, von dem ich den Gerichtshof amtlich Kenntnis zu nehmen bitte, enthalten im monatlichen Protokoll des Völkerbundes vom März 1936, Band 16, Seite 78, JN-1, und erwähnt in einem Artikel von Quincy Wright im American Journal of International Law, 1936, Seite 487.

Das Ergebnis lautet:

»Die Deutsche Regierung hat einen Bruch des Artikels 43 des Versailler Vertrags begangen, indem sie am 7. März 1936 militärische Kräfte in die entmilitarisierte Zone eindringen und sich dort festsetzen ließ, auf welche in Artikel 42 und den folgenden Artikeln dieses Vertrags und in dem Vertrag von Locarno Bezug genommen wird. Zur selben Zeit, am 7. März 1936, als Deutschland das Rheinland in flagranter Verletzung der Verträge von Versailles und Locarno besetzte, hat es abermals versucht, die Furcht anderer europäischer Mächte zu zerstreuen und sie in falsche Sicherheit zu wiegen durch die Ankündigung an die Welt: Wir haben keine territorialen Ansprüche in Europa zu stellen.«

Diese Bemerkung taucht in der gleichen Rede Hitlers auf, welche ich als Beweisstück vorgelegt habe, und die die Nummer 2289-PS trägt (US-56). Der Wortlaut ist auf Seite 6, Spalte 1 zu finden.

»Wir haben keine Gebietsansprüche in Europa zu stellen. Wir wissen vor allem, daß Spannungen, die entweder aus falschen Gebietsregelungen oder dem Mißverhältnis der Zahl der Einwohner zu ihren Lebensräumen herrühren, in Europa nicht durch Krieg gelöst werden können.«

Viele dieser von mir besprochenen Handlungen, die einen Teil der Anklageschrift bilden, benötigen meiner Ansicht nach keines rechtskräftigen Beweises, denn sie sind geschichtliche Tatsachen. Wir waren in der Lage, Ihnen eine Anzahl interessanter Dokumente vorzulegen, die diese Geschichte veranschaulichen. Das Vorhandensein früherer Pläne und Vorbereitungen kann in Anbetracht der wirklichen Sachlage nicht bestritten werden. Die Methoden und Arten dieser Pläne und ihre Vollendung sind klare Beweise des fortschreitenden und zunehmenden Angriffscharakters der Nazi-Ziele, ohne die internationalen Verpflichtungen und die Humanität zu berücksichtigen.

Die Verletzungen von Verträgen und internationalen Gesetzen werden in ihren Einzelheiten von unseren britischen Kollegen zur Stützung des Punktes Zwei der Anklageschrift vorgetragen werden.

In klaren Linien wird die Entschlossenheit der Nazi-Verschwörer gezeigt werden, alle Mittel anzuwenden, die nötig waren, um den Friedensvertrag von Versailles und seine Einschränkungen der militärischen Rüstungen und Betätigungen in Deutschland null und nichtig zu machen und zu stürzen. Zu diesem Behufe verschworen sie sich und führten eine geheime Aufrüstung und Ausbildung, eine geheime Erzeugung von Kriegsmaterial und den Aufbau einer Luftwaffe durch. Sie zogen sich am 14. Oktober 1933 Von der Internationalen Abrüstungskonferenz und vom Völkerbund zurück. Sie führten am 16. März 1935 die allgemeine Wehrpflicht ein. Am 21. Mai 1935 verkündeten sie heuchlerisch, daß sie die territorialen Einschränkungen der Versailler und Locarno-Verträge achten würden. Am 7. März 1936 führten sie die Wiederbesetzung und Befestigung des Rheinlandes durch und erklärten gleichzeitig in lügnerischer Weise, daß sie keine weiteren Gebietsansprüche in Europa zu machen hätten. Die Ziele der Verschwörer waren vielumfassend und weitreichend und erforderten lange und ausgedehnte Vorbereitungen. Die Durchführung schloß die Umgehung, Mißachtung und Verletzung von internationalen Verpflichtungen und Verträgen ein. Sie machten vor nichts halt.

Das Erreichen all dieser Ziele einschließlich der Beseitigung von Versailles öffnete ihnen die Tore zu den einzelnen Angriffshandlungen, die folgten.

Ich gehe nun mit Erlaubnis des Gerichtshofs zum Vortrag der Geschichte des Angriffs gegen Österreich über. Ich weiß nicht, ob der Gerichtshof wünscht, daß ich damit beginne oder nicht. Ich bin absolut bereit, es zu tun.

VORSITZENDER: Werden Sie den Band der mit »K« bezeichneten Dokumente morgen gebrauchen?

MR. ALDERMAN: Ich werde einen neuen vorlegen, der mit »N« bezeichnet ist.